Sonntag, 22. Mai 2016

Übersetzung des argentinischen Gesetzes zur Intersexualität. GESCHLECHTSIDENTITÄT

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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2016

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Übersetzung des argentinischen Gesetzes zur Intersexualität.

GESCHLECHTSIDENTITÄT  

Gesetz 26.743

Das Recht des Menschen auf Geschlechtsidentität wird festgeschrieben. Beschlossen am 9. Mai 2012 Erlassen am 23. Mai 2012

Der Senat und die Abgeordnetenkammer der Argentinischen Nation, die im Kongress versammelt sind, beschließen mit Gesetzeskraft:
ARTIKEL 1 – Recht auf Geschlechtsidentität.
Jeder Mensch hat das Recht: a) auf Anerkennung seiner Geschlechtsidentität;
b) auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit in Übereinstimmung mit seiner Geschlechtsidentität; c) auf Umgang in Übereinstimmung mit seiner Geschlechtsidentität und insbesondere auf entsprechende Eintragung in amtlichen Unterlagen zum Nachweis der Identität in Bezug auf den/die Vornamen, das Aussehen und das Geschlecht, mit denen er dort registriert wird;

 ARTIKEL 2 – Definition. Unter Geschlechtsidentität ist das empfundene innere und persönliche Gefühl der Zugehörigkeit eines jeden Menschen zu einem Geschlecht zu verstehen. Es kann mit dem bei Geburt zugeordneten Geschlecht, einschließlich der Wahrnehmung des eigenen Körpers, übereinstimmen oder nicht. Das kann die Veränderung des Aussehens oder der Funktionen des Körpers durch pharmakologische, chirurgische oder andere Mittel beinhalten, wenn dies auf freier Entscheidung beruht. Eingeschlossen sind auch andere Ausdrucksformen des Geschlechts wie Kleidung, Art des Sprechens und Verhaltensweisen.

ARTIKEL 3 – Geltungsbereich. Jeder Mensch kann die Änderung des eingetragenen Geschlechts, des Vornamens und des Bildes beantragen, sobald diese nicht mit der eigenen Wahrnehmung des Geschlechts übereinstimmen. 

ARTIKEL 4 – Voraussetzungen. Jeder Mensch, der die Änderung des eingetragenen Geschlechts, des Vornamens und des Bildes auf der Grundlage dieses Gesetzes beantragt, hat folgende Voraussetzungen zu beachten: 1. Nachweis des Mindestalters von achtzehn (18) Jahren mit Ausnahme der Regelung in Artikel 5 dieses Gesetzes;
2. Vorlage des Antrags auf Änderung der Eintragung der entsprechenden Identität in der Geburtsurkunde und dem neuen Personalausweis beim Nationalen Personenstandsregister oder den entsprechenden untergeordneten Ämtern mit dem Verweis auf dieses Gesetz unter Beibehaltung der Originalnummer;
 3. Nennung des neuen Vornamens, dessen Eintragung beantragt wird. Voraussetzung sind auf keinen Fall chirurgische Eingriffe zur vollständigen oder teilweisen Geschlechtsumwandlung oder hormonale Therapien sowie psychologische oder ärztliche Behandlung.

ARTIKEL 5 – Minderjährige. Bei Personen unter achtzehn (18) Jahren muss die Antragstellung, auf die sich Artikel 4 bezieht, von ihren gesetzlichen Vertretern und mit ausdrücklicher Zustimmung der Minderjährigen unter Berücksichtigung der Grundsätze der wachsenden Fähigkeiten und des steigenden Interesses des Kindes in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Übereinkommens über die Rechtes des Kindes und des Gesetzes 26.061 über den umfassenden Schutz der Rechte der Kinder und Jugendlichen erfolgen.
Minderjährige benötigen außerdem Rechtsbeistand in Übereinstimmung mit Artikel 27 des Gesetzes 26.061. Wird aus irgendeinem Grund das Einverständnis durch einen der gesetzlichen VertreterInnen des Minderjährigen verwehrt oder kann nicht erzielt werden, besteht die Möglichkeit, den Rechtsweg zu beschreiten, damit die entsprechenden RichterInnen unter Berücksichtigung der Grundsätze der wachsenden Fähigkeiten und des steigenden Interesses des Kindes in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Übereinkommens über die Rechtes des Kindes und des Gesetzes 26.061 über den umfassenden Schutz der Rechte der Kinder und Jugendlichen darüber entscheiden.

ARTIKEL 6 – Bearbeitung. Sind die Voraussetzungen gemäß Artikel 4 und 5 erfüllt, macht der/die öffentliche Beamte/Beamtin die amtliche Mitteilung über die Änderung des Geschlechts und des Vornamens an das zuständige Standesamt, in dem die Geburtsurkunde ausgestellt wurde. Dieses stellt dann eine neue Geburtsurkunde entsprechend den Veränderungen und einen neuen Personalausweis mit der eingetragenen Änderung des Geschlechts und des neuen Vornamens aus. Jeder Bezug auf dieses Gesetz in der veränderten Geburtsurkunde und dem auf dieser Grundlage ausgestellten Personalausweis ist verboten. Die im Rahmen dieses Gesetzes vorgesehene Bearbeitung der Eintragsänderung ist kostenlos, persönlich und erfordert nicht die Einschaltung eines Vermittlers oder Rechtsanwalts.

 ARTIKEL 7 – Folgen. Die Folgen der Änderung des Geschlechts und des/der Vornamen(s) im Rahmen dieses Gesetzes sind Dritten ab der amtlichen Eintragung ausweisbar. Die Eintragsänderung beeinträchtigt weder persönliche Rechtsansprüche und - verpflichtungen des Betreffenden vor der Eintragung der Änderung noch solche aus familienrechtlichen Beziehungen auf allen Ebenen. Sie bleiben unverändert, einschließlich der Adoption. Ausschlaggebend ist auf jeden Fall die Personalausweisnummer, anders als der Vorname oder das Erscheinungsbild des Betreffenden.

ARTIKEL 8 – Ist die Eintragsänderung in Übereinstimmung mit diesem Gesetz einmal vollzogen, kann sie nur mit richterlicher Zustimmung erneut geändert werden.

ARTIKEL 9 – Vertraulichkeit. Auf die Originalgeburtsurkunde hat nur derjenige Zugriff, der dazu vom Inhaber/von der Inhaberin befugt ist oder über ein schriftliches und fundiertes Gerichtsurteil verfügt. Die Änderung der Eintragung des Geschlechts und des Vornamens wird niemals veröffentlicht, es sei denn mit Erlaubnis des/der Betreffenden. Die Veröffentlichung in Zeitungen, auf die Artikel 17 des Gesetzes 18.248 Bezug nimmt, wird unterlassen.

ARTIKEL 10 – Mitteilungen. Das Nationale Personenstandsregister informiert das Nationale Straffälligkeitsregister über die Änderung des Personalausweises, das zuständige Staatssekretariat für Wählererfassung zur Änderung des Wählerverzeichnisses und die vorgeschriebenen Institutionen, eingeschlossen diejenigen mit möglichen Informationen über bestehende Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz des Betreffenden.

ARTIKEL 11 – Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Jeder Mensch über achtzehn (18) Jahre kann in Übereinstimmung mit Artikel 1 dieses Gesetzes und zwecks Gewährleistung, sich einer ganzheitlichen Gesundheit zu erfreuen, vollständige und teilweise chirurgische Eingriffe bzw. hormonelle Ganzheitsbehandlungen zur Anpassung des Körpers einschließlich der Genitalien an die selbst wahrgenommene Geschlechtsidentität ohne Notwendigkeit einer richterlichen oder verwaltungsbehördlichen Genehmigung vornehmen lassen. Für ganzheitliche hormonelle Behandlungen ist es nicht notwendig, die Bereitschaft zu vollständigen oder teilweisen chirurgischen Eingriffen zur Geschlechtsumwandlung zu erklären. In beiden Fällen ist allein die Einwilligung des Betreffenden nach erfolgter Aufklärung erforderlich. Bei Minderjährigen gelten die Grundsätze und Voraussetzungen des Artikels 5 für die Einholung der Einwilligung nach erfolgter Aufklärung. Unbeschadet dessen ist für den Fall ihrer Einholung zu einem vollständigen oder teilweisen chirurgischen Eingriff außerdem die Zustimmung der zuständigen Justizbehörde jedes Gerichtsbezirks, die über die Grundsätze der wachsenden Fähigkeiten und des steigenden Interesses des Kindes in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Übereinkommens über die Rechtes des Kindes und des Gesetzes 26.061 über den umfassenden Schutz der Rechte der Kinder und Jugendlichen, nötig. Die Justizbehörde muss ihre Entscheidung innerhalb eines Zeitraums von höchstens sechzig (60) Tagen ab Antragstellung auf Zustimmung treffen. Die ausführenden Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens, unabhängig davon, ob es sich um staatliche, private oder die des Teilbereichs der Krankenversicherungen handelt, müssen stets von diesem Gesetz anerkannten Rechte gewährleisten. Alle in diesem Artikel vorgesehenen Gesundheitsleistungen bleiben im Plan Médico Obligatorio (Pflichtkrankenversicherung) oder dessen Ersatz entsprechend den Festlegungen der Ausführungsbehörde enthalten.

ARTIKEL 12 – Würdiger Umgang. Die von den Menschen, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, die einen anderen Vornamen als den in ihrem Personalausweis angegebenen benutzen, angenommene Geschlechtsidentität muss respektiert werden. Allein auf ihr Bitten ist ihr angenommener Vorname bei Ladungen, Eintragungen, Akten, Anrufen und jedem anderen Vorgang oder Dienstleistung sowohl im öffentlichen wie im privaten Bereich zu verwenden. Sollte die Art des Anliegens die Aufnahme der Daten aus dem Personalausweis notwendig machen, wird eine Methode angewandt, bei der die Initialen des Vornamens, der vollständige Familienname, Geburtstag und Geburtsjahr und die Personalausweisnummer erfasst und der aus Gründen der Geschlechtsidentität auf Wunsch des/der Betreffenden ausgewählte Vorname ergänzt werden. In Fällen, bei denen die Person öffentlich aufgerufen wird, ist nur der ausgewählte Vorname zu verwenden, um die angenommene Geschlechtsidentität zu respektieren.

 ARTIKEL 13 – Anwendung. Alle Vorschriften, Regelungen oder Verfahren haben das Recht des Menschen auf die Geschlechtsidentität zu respektieren. Keine Vorschriften, Regelungen oder Verfahren dürfen die Ausübung des Rechts des Menschen auf die Geschlechtsidentität einschränken, begrenzen, ausschließen oder verbieten. Dabei sind die Grundsätze stets im Sinne seiner Inanspruchnahme auszulegen und anzuwenden.

ARTIKEL 14 – Absatz 4 des Artikels 19 des Gesetzes 17.132 wird aufgehoben.

 ARTIKEL 15 – Es erfolgt Mitteilung an die Nationale Exekutivmacht. Sitzungssaal des argentinischen Kongresses in Buenos Aires, am neunten Mai zweitausendzwölf.

 - Registriert unter der Nummer 26.743 – AMADO BOUDOU – JULIAN A. DOMINGUEZ – Gervasio Bozzano – Juan H. Estrada


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