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und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2016
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Europarat setzt Maßstäbe
Der Europarat hat eine historische
Resolution zu Trans*-Rechten vorgelegt. Jetzt muss Deutschland nachziehen. Wie
man es macht, zeigt Malta.
Seit Jahren arbeiten Trans*-Aktivist_innen auf
institutioneller Ebene für eine Anerkennung ihres Kampfes um Menschenrechte.
Sie marschieren nicht durch die Institutionen, sondern zu ihnen hin:
Organisationen wie Transgender Europe (TGEU) leisten beharrlich Lobbyarbeit und
weisen immer wieder auf die ungenügenden rechtlichen Umstände für
Trans*menschen hin.
Nun zeigt ihre Arbeit Früchte: Mit einer überwältigenden
Mehrheit hat der Europarat am 22. April eine wegweisende Resolution gegen die
Diskriminierung von Trans*menschen (Englischer Volltext beim Europarat /
deutsche Übersetzung von Triq e.V.) verabschiedet – auch mit den Stimmen der
Bundesregierung.
Der Europarat ruft seine Mitgliedsstaaten auf,
Diskriminierung aufgrund von Geschlechtsidentität explizit zu verbieten und in
alle zukünftigen Antidiskriminierungsgesetzen explizit mitaufzunehmen. Die
Personenstandsänderung, also die formelle Änderung des Geschlechts auf
Dokumenten wie Ausweis, Reisepass und Geburtsurkunde, müsse schnell,
transparent und niedrigschwellig möglich sein. Die Staaten sollten erwägen, ein
drittes Geschlecht als zusätzliche Geschlechtsoption in Ausweisdokumenten
anzubieten.
Außerdem müsse das Verfahren der Geschlechtsangleichung
(Hormontherapie, Operation und psychologischer Support) einfach zugänglich sein
und von den Krankenkassen bezahlt werden. Auch dürfe Transsexualität nicht als
Krankheit gelten oder als solche behandelt werden, ein Stigma-freier Zugang zu
notwendigen medizinischen Maßnahmen sei zu gewährleisten.
„Historisch“, „wegweisend“, „bahnbrechend“
Trans*-Interessengruppen sind von der Resolution begeistert:
Transgender Europe (TGEU) bezeichnet das Dokument als „historisch“, der Verein
Transinterqueer (TRIQ) nennt es „wegweisend“ und „bahnbrechend“. TGEU-Sprecher
Richard Köhler erklärte: „Wir sind begeistert, diese Empfehlungen senden eine
klare Botschaft an Trans*leute, dass sie die gleichen Rechte haben wie alle
anderen auch.“ Die Resolution sei die wichtigste und weitestgehende Erklärung
für die Rechte von Trans*menschen, die je auf europäischer Ebene gegeben wurde.
„Nun ist es an den Mitgliedsstaaten, diese maßgebende Resolution in eine
gelebte Realität umzusetzen“, ergänzt der TGEU-Co-Vorsitzende Alecs Recher.
Und da ist noch viel Raum für Verbesserungen, gerade in
Deutschland. „Der Europarat bestätigt, was Trans*-Aktivist_innen und die
Forschung schon lange gefordert haben. Die engen Kriterien der deutschen
Standards zur Behandlung und Begutachtung von Transsexuellen sind weder
stigmafrei noch menschenrechtskonform“, heißt es in einer Pressemitteilung des
Vereins Transinterqueer. Es gebe Zwangsmaßnahmen (ein Jahr Alltagstest mit
„begleitender“ Psychotherapie), eine pathologisierende und stigmatisierende
Diagnostik. „Es bedarf grundlegender Reformen des medizinisch-juristischen
Umgangs mit Trans*menschen in Deutschland“, heißt es weiter. „Dem
Selbstbestimmungsrecht von Trans* muss endlich Vorrang eingeordnet werden.“
Wie man es gut macht, zeigt das Beispiel Malta: Dort hat das
Recht auf selbstbestimmte Geschlechtsidentität seit Anfang April
Verfassungsrang. Das „Gesetz über Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und
Geschlechtsmerkmale“ (Gender Identity, Gender Expression and Sex
Characteristics Bill) erlaubt den Einwohner_innen Maltas die rechtliche
Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität ohne vorherige medizinische Diagnose,
Behandlung oder Operationen und ohne Zwangsscheidungen. Zudem soll
intersexuellen Babys oder Kindern kein Geschlecht zurechtoperiert werden,
sondern erst, wenn sie alt genug sind, das selbst entscheiden zu können – was
Inter*-Aktivist_innen seit Langem fordern. Die Resolution des Europarates
begrüßt die maltesische Gesetzgebung ausdrücklich.
Wer das Geschlecht anpassen will, muss sich
vorher nicht sterilisieren lassen. Das entschied der Europäische Gerichtshof
für Menschenrechte.
Es ist ein Grundsatzurteil
für die Menschenrechte von Trans*menschen: Wer das Geschlecht anpassen will,
muss sich vorher nicht sterilisieren lassen. Mit seinem am Dienstag verkündeten
Urteil hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg der
Klage eines Trans*mannes aus der Türkei stattgegeben: Der Mann, der nur mit der
Abkürzung Y. Y. bezeichnet wird, wollte sich 2005 einer
geschlechtsangleichenden Operation unterziehen. Das zuständige Gericht verbot
ihm jedoch die OP: Erst müsse er sich sterilisieren lassen. Dagegen klagte er.
Der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte urteilte nun einstimmig: Sterilität darf keine
Voraussetzung für eine Geschlechtsangleichung sein. Vorschriften dieser Art
widersprächen dem Artikel 8 der Menschenrechtskonvention, die das allgemeine
Recht jeder Person auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens festschreibt.
Zudem sei die Freiheit, das eigene Geschlecht auszuleben, ein essentieller Teil
des Rechts auf Selbstbestimmung.
„Wir sind sehr zufrieden,
dass das Gericht diese absurde Regelung für ungültig erklärt hat“, kommentiert
Richard Köhler von der Menschenrechtsorganisation Transgender Europe (TGEU).
„So können Trans*leute in der Türkei Zugang zu medizinischer Behandlung
bekommen, die ihre Lebensqualität signifikant verbessern kann.“ Es sei nun an
der Türkei, das Urteil des Europäischen Gerichts auch im türkischen Recht
umzusetzen.
Transgender Europe hatte
bereits vor knapp zwei Wochen mit einem berührenden Youtube-Video auf die
demütigende Behandlung von Trans*menschen durch Staat, Medizin und Gesellschaft
hingewiesen. Der Clip ist aus der Sicht einer Trans*frau gedreht, die versucht,
ihren Personenstand zu ändern, um auch offiziell als Frau leben zu können.
Wegweisender Charakter für
Trans*aktivisten
Für Y.Y. hat das
Gerichtsurteil vor allem symbolische Wirkung, ihm wurde 2013 eine
geschlechtsangleichende Operation dann doch erlaubt. Doch für
Trans*aktivist_innen und Menschenrechtler_innen hat das Grundsatzurteil
wegweisenden Charakter: 47 Staaten sind derzeit Mitglied des Europarates, sie
alle sind an die Urteile des Menschenrechtsgerichtshofes gebunden.
Doch nach
Angaben von Transgender Europe gilt noch in 20 dieser Länder Sterilität als
Voraussetzung für geschlechtsangleichende Operationen.
Auch Deutschland arbeitet
noch an der angemessenen Behandlung von Trans*menschen. Das 1981 eingeführte
Transsexuellengesetz erlaubte eine Personenstandsänderung (also die formale
Angleichung des Geschlechts) nur, wenn die beantragende Person „dauernd
fortpflanzungsunfähig“ sei und sich auch körperlich voll dem gefühlten
Geschlecht angeglichen habe. 2011 kassierte das Bundesverfassungsgericht diese
Regelung: Eine vom Staat verordnete Operation sei unvereinbar mit der im
Grundgesetz garantierten Menschenwürde und dem Recht auf körperliche
Unversehrtheit.
Vier der sieben Richter
hätten diese Regelung, die so ähnlich immer noch in vielen Ländern gilt, am
liebsten auch gleich mitbehandelt. „Auch dies ist ein wichtiges Zeichen für die
Trans-Community", sagte Alecs Recher, Anwalt und Co-Vorsitzender von
Transgender Europe. Der Weg zur Anerkennung der Rechte von Trans*menschen ist
noch weit. Doch das vorliegende Urteil macht Mut.
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