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Geschrieben
und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2016
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diesen euren Verwandten, Freunde, Bekannten und Familie denn Information beugt
vor, einer Minderheit anzugehören!
Hey Du hast es und brauchst es,
deswegen Spende Blut, denn es fehlt in der ganzen Welt!
Ich habe Ihn, Du auch?
Organspenden können andere zum Leben verhelfen, sei stolz auf dich selbst mache
Ihn Dir den Organspende Ausweis!
Hey you have it and need it, so donating blood,
because it is missing in the world!
I
had him, you also? Organ donation can help others to life, be proud of your self
doing Him Get donor card!
Das Geschlecht im Gehirn
Christa S. brachte eine Tochter zur Welt
– dachte sie zumindest. Heute heißt ihr Kind Julian. Der Weg dorthin war hart.
Ein Erfahrungsbericht.
Niemand scheint zu bemerken, dass die S-Bahn einfährt. Keine
Fahrgäste, die am Bahnsteig warten, keine Passanten. Nur ein älterer Herr
steigt aus und verschwindet in eine Nebenstraße. Es gibt aufregendere Orte als
diesen. Eine kleine Stadt im Schwarzwald, die Straßen sind sauber,
Blumenschmuck säumt die Balkone, und dichte Hecken schützen vor den Blicken der
Nachbarn. Jeder kennt jeden.
Hier an der Ecke saß Christa Straub* vor etwa anderthalb
Jahren mit ihrem Sohn Julian in einer Pizzeria. Julian war gerade von einer
längeren Reise zurückgekommen, sie wollten sich unterhalten und zusammen Abendessen.
Christa Straub dachte zu diesem Zeitpunkt noch, sie säße mit
ihrer Tochter am Tisch. „Mein Kind hat in den letzten Jahren kaum über seine
Gefühle gesprochen, hat meistens nur einsilbige Antworten gegeben“, erinnert
sie sich, „also habe ich an dem Abend einfach mal von mir erzählt und gesagt:
Wenn du was sagen willst, musst du mich unterbrechen“. Ihr Kind hat sie
unterbrochen.
Während sie auf ihre Spaghetti warteten, begann Julian von
einem Psychologen zu erzählen, der auf Transsexualität spezialisiert ist. Wann
dort der nächste Termin frei sei. Und dass Transsexualität etwa in der siebten
Woche im Mutterleib entstehe. Julian musste es nicht aussprechen, Christa
Straub wurde auch so klar: Sie hat vor 22 Jahren keine Tochter zur Welt
gebracht, sondern einen transsexuellen Sohn.
„Das Wesentliche ist zwischen den Ohren“
Nach dem Gespräch informierte sich Christa über
Transsexualität. Sie las Bücher und tauschte sich in Onlineforen aus. Es begann
eine schwierige Zeit für sie. Aber nicht, weil ihr Sohn transsexuell ist: „Am
Anfang hatte ich zwar das Gefühl, mein Leben wäre auf den Kopf gestellt, aber
mein Kind ist immer noch derselbe Mensch. Das Wesentliche ist ja zwischen den
Ohren.“ Viel größere Sorgen bereitet ihr, dass Julian womöglich ein Weg mit
vielen Diskriminierungen bevorsteht, bis er als Mann akzeptiert ist.
Er erzählte davon, dass er seinen Vornamen und seinen
Personenstand ändern lassen will. In seinem Ausweis soll kein Mädchenname mehr
stehen, Julian will vor dem Staat als Mann anerkannt sein. Bis 2011 war dies in
Deutschland nur möglich, wenn die betreffende Person geschlechtsangleichende
Operationen vornehmen hat lassen.
Diesen Passus hat das Bundesverfassungsgericht aus dem
Transsexuellengesetz (TSG) gestrichen, geblieben ist die Gutachtenpflicht:
Transsexuelle Menschen müssen in Deutschland zwei psychologische Gutachten
vorlegen, um neue Papiere zu bekommen. Sie müssen beweisen, dass sie sich nicht
mit dem Geschlecht identifizieren, dem sie bei der Geburt zugeordnet wurden.
Bis zu einem Jahr kann diese Begutachtung dauern. Ein Prozess, den viele
Transsexuelle als entwürdigend empfinden. Die Fragen der Gutachter gehen
mitunter weit über das Thema Transsexualität hinaus.
Das musste auch Christa Straub feststellen, als sie im Netz
Erfahrungsberichte darüber las. „Eine betroffene Frau schreibt zum Beispiel,
dass sie von einem Gutachter gefragt wurde: Würde es Sie sexuell erregen, wenn
Sie sich vorstellen, mit einem Tier Sex zu haben?“ Sie hält einen Moment lang
inne. Wenn ihr etwas besonders wichtig ist, schließt sie die Augen und legt den
Kopf in den Nacken. Sie sucht nach Worten: „Ich habe einen wunderbaren Sohn und
mir stellen sich die Haare auf, wenn ich daran denke, dass er sich so einem Prozedere
stellen muss.“
Deutschland hinkt hinterher
Bis vor einem Jahr hat sich Christa mit alldem nicht
beschäftigt. „Transsexualität – das kam in meinem Leben nicht vor“, sagt sie,
„und wenn ich keinen transsexuellen Sohn hätte, wäre ich wahrscheinlich immer
noch ignorant und gleichgültig.“ Doch seit ihr Sohn sich geoutet hat, ist sie
selbst aktiv geworden. In unzähligen Mails hat sie Politiker aufgefordert, das
deutsche TSG zu überarbeiten.
In anderen Ländern müssen Transsexuelle keine Gutachter mehr
von ihrer Geschlechtszugehörigkeit überzeugen. Die dänische Regierung etwa hat
im Juni 2014 ein Gesetz beschlossen, dem zufolge Transsexuelle nur mehr einen
Antrag stellen und diesen nach sechs Monaten bestätigen müssen, um Vornamen und
Personenstand zu ändern. In Argentinien ist ein ähnliches Gesetz schon 2012 in
Kraft getreten.
Deutschland hinkt da deutlich hinterher. „Das Problem dieser
Gutachten ist, dass einem Menschen erst mal nicht geglaubt wird, was er selbst
über sein Geschlecht weiß. Stattdessen zählt, was ein Gutachter über diesen
Menschen denkt“, sagt Kim Schicklang vom Verein Aktion Transsexualität und
Menschenrecht.
Transsexualität als psychische Störung
Mindestens genauso problematisch: Transsexualität steht
immer noch als psychische Störung im ICD, dem Krankheitsregister der
Weltgesundheitsorganisation, auf das sich Ärzte und Therapeuten berufen. Das
sei notwendig für die Leistungsübernahme der Krankenkassen bei
Hormonbehandlungen oder Operationen, argumentieren Befürworter dieser
Einstufung. „Dabei basiert die Leistungspflicht der Krankenkassen heute auf
Gerichtsurteilen, die transsexuelle Menschen erstritten haben. Dazu bräuchte
man nicht den ICD“, erwidert Kim Schicklang. Trotzdem gilt weiterhin:
Transsexuelle müssen sich eine psychische Störung attestieren lassen, um
offiziell anerkannt zu sein.
Heute weiß Christa, dass auch das Gehirn ein
Geschlechtsorgan ist. Dass manche Menschen eben nicht mit den
Geschlechtsmerkmalen zur Welt kommen, mit denen sich ihr Gehirn identifiziert.
Und „dass die ’Verdrahtung des Gehirns‘ oftmals [den] stärkeren Faktor bei der
Bestimmung der Geschlechtsrollenidentität darstellt“, wie der US-amerikanische
Sexualwissenschaftler Milton Diamond schreibt. Transsexualität bedeutet gerade
nicht, dass ein Mensch sein Geschlecht „ändern“ will. Sondern dass dieser
Mensch endlich in dem Geschlecht leben möchte, mit dem er sich seit der Geburt
identifiziert.
Viele sehen diesen Unterschied nicht. Christa Staub aber
sieht, wie befreiend das Coming-out für ihren Sohn war: „Ich erlebe, wie Julian
mit einer ganz anderen Freude und Wachheit durchs Leben geht.“ In den Jahren
zuvor sei er verschlossener geworden, ging kaum unter Leute, auch seine Noten
ließen nach. „Ich habe mich natürlich gefragt, warum dieses bezaubernde junge
Mädchen sich plötzlich so zurückzieht“, erinnert sie sich, „damals hat man halt
noch Mädchen gesagt“.
Im Nachhinein macht alles viel mehr Sinn
Heute würde sie vieles anders machen. „Mittlerweile weiß
ich, dass man einem transsexuellen Kind mit pubertätsblockierenden Hormonen
eine falsche Pubertät ersparen kann“, sagt sie. Damals hat sie nicht daran
gedacht, dass ihr Kind transsexuell sein könnte: „In meinen Augen hatte ich
halt ein sehr bubenhaftes Mädchen.“ Schuldgefühle hat sie keine. Stattdessen
versucht sie zu verstehen, wie es ihrem Sohn geht. „Rückblickend bin ich wie
eine Blinde, die Sehen lernt.“
Vor ein paar Tagen haben die Straubs den 80. Geburtstag der
Großmutter gefeiert. Julians Vater und sein Bruder wissen längst, dass er
transsexuell ist. Die Verwandten aber nicht. Einen Nachmittag lang haben sie
die alten Rollen gespielt und Julian bei seinem früheren Namen genannt. Er
möchte selbst entscheiden, wann er sich wem gegenüber outet. Darum heißen
Christa und Julian Straub in Wirklichkeit auch anders als in diesem Text.
„Einmal habe ich versehentlich ’Julian‘ gesagt, aber das hat keiner gemerkt“,
erzählt Christa. Leicht sei ihr die Feier nicht gefallen. „Es stimmt halt nicht
mehr.“
Christa Straub hat die Transsexualität ihres Sohnes auch zu
ihrem Thema gemacht. Nach wie vor schreibt sie an Politiker und kritisiert das
TSG. Julian ist in eine Großstadt gezogen. Raus aus dem Schwarzwald, wo seine
Transsexualität für Aufsehen sorgen würde. Dessen ist sich Christa bewusst.
Trotzdem ist sie erst neulich bei einer Nachbarin überraschend auf Verständnis
gestoßen. Aber auch wenn dem nicht so gewesen wäre: Christa Straub ist nicht
mehr so wichtig, was die Leute denken.
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