Mittwoch, 24. Mai 2017

Menschenrechte auch für Zwitter! 1 bis2 von 1000 Kindern werden mit Varianten der Geschlechtsanatomie geboren. Zwischengeschlechtliche Menschen werden im Kindesalter systematisch medizinisch nicht notwendigen, traumatisierenden kosmetischen Genitaloperationen und weiteren Zwangsbehandlungen unterworfen.

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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2017
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Der "Behandlungsstandard" nach Dr. John Money

Menschenrechte auch für Zwitter!


1–2 von 1000 Kindern werden mit Varianten der Geschlechtsanatomie geboren. Zwischengeschlechtliche Menschen werden im Kindesalter systematisch medizinisch nicht notwendigen, traumatisierenden kosmetischen Genitaloperationen und weiteren Zwangsbehandlungen unterworfen. 

Diese stellen einen erheblichen Verstoß gegen ihr Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde dar, und werden von Betroffenen als genitale Verstümmelung, Folter und sexuelle Gewalt bescrieben. Überlebende und ihre Organisationen fordern die vollständige Umsetzung und Anwendung der Menschenrechte auch für Intersex-Menschen. Unsere Anliegen dürfen nicht mehr länger ignoriert werden. Die UN-Abkommen CAT, CRC, CRPD, CCPR, CEDAW, ICESCR und CPPCG verpflichten alle teilnehmenden Staaten, konkrete "Maßnahmen inklusive Gesetzgebung" zum Schutz betroffener Kinder zu ergreifen. Weltweit haben bisher Malta und Kolumbien als einzige Länder damit begonnen, diese systematischen Menschenrechtsverletzungen an betroffenen Kindern unter Strafe zu stellen.

Der “Behandlungsstandard“ nach Dr. John Money und die damit verbundenen Verstöße der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Verpflichtung zum Einschreiten gegen diskriminierende Gepflogenheiten

In den späten 1950er Jahren begann die experimentelle chirurgische Geschlechtsangleichung „intersexueller“ Kleinkinder auf Grund der von dem Psychiater Prof. Dr. John Money von der Universität Baltimore entwickelten “Zeitfenster-Theorie”, wonach die Geschlechtsidentität bis zu einem bestimmten Alter, welches irgendwo zwischen 6 Monaten und 2 Jahren nach der Geburt liege, unbestimmt sei und daher anerzogen werden könne, wenn das körperliche Erscheinungsbild innerhalb dieses Zeitfensters eindeutig chirurgisch dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugewiesen werde.

Anfang der 1970er Jahre wurde die Geschlechtszuweisung in sowohl in der damaligen DDR als auch in der Bundesrepublik Deutschland zum medizinischen Standard erklärt, obwohl keine wissenschaftlichen Beweise erbracht wurden, durch die Berühmtheit des Falls eines einzigen Jungen (unter dem Pseudonym “John/Joan-Fall”). Dieser war eindeutig männlich geboren und hatte durch einen Unfall im Kleinkindalter seinen Penis verloren. Auf den Rat von Dr. John Money erhielt er keine männliche Rekonstruktionsplastik, sondern er wurde zum Mädchen umoperiert einschließlich der Entfernung seiner gesunden Hoden und entsprechend erzogen. Aufgrund positiver Kurzzeituntersuchungen dieses einen Falls entstand der Standard zur operativen Geschlechtszuweisung für intersexuelle Kleinkinder und für Jungen mit unfallbedingtem Penisverlust im Kleinkindalter.

Da nur ein einziger Fall die Grundlage von dessen Durchsetzung bildete und nicht eine ausreichende Zahl von Langzeitexperimenten, ist er über das Experimentierstadium nie hinausgewachsen. Selbst dieser eine Fall hat sich als Misserfolg herausgestellt. Im Jahr 1994 fand der Sexualwissenschaftler Prof. Dr. Milton Diamond (Universität Hawaii) heraus, dass der damals ohne seine eigene Einwilligung umoperierte Junge seit 1980 wieder in der männlichen Rolle lebte, und auf eigenes Drängen, soweit es medizinisch noch möglich war, wieder zum männlichen Geschlecht angeglichen worden war. 1997 wurde die Wahrheit über seinen Fall der Weltöffentlichkeit vorgestellt. Im Jahre 2000 begingen erst der normal aufgewachsene Zwillingsbruder und dann der damals unter dem “John/Joan-Fall” berühmt gewordene Mann Selbstmord.

Dr. John Money hat in seiner “Zeitfenster-Theorie” die Geschlechtsidentität (welchem Geschlecht sich jemand zugehörig fühlt) mit dem Geschlechtsrollenverhalten verwechselt. Das Rollenverhalten, also ob sich jemand so verhält, wie es für einen Jungen oder ein Mädchen typisch ist, kann anerzogen werden, nicht aber die Geschlechtsidentität.

Nach dem „Standard“ von Dr. John Money muss die Herstellung eines geschlechtlich eindeutigen Aussehens innerhalb des “Zeitfensters” erledigt sein. Viele medizinische Texte stufen den Entscheidungsfindungsprozess der Eltern bzgl. deren Einwilligung zu geschlechtszuweisenden Operationen an ihren Kleinkindern als medizinischen Notfall ein. Money befürchtete, dass die Eltern traumatisiert sein könnten, wenn sie ihr Kind mit intersexuellem Genital sehen und es dann nicht annehmen würden. Oft werden den Eltern nach diesem Standard unvollständige Informationen über die genaue med. Beschaffenheit des Kindes vermittelt. So wurde empfohlen, den Eltern mitzuteilen, ihr Kind sei geschlechtlich unvollständig auf die Welt gekommen, und die Medizin könne es vervollständigen. Diese „Lehrmeinung“, die keine ist, hält sich hartnäckig bis zum heutigen Tage, obwohl es sehr wohl andere Lehrmeinungen gab. So vertrat bereits 1957 und 1961 Prof. Dr. Overzier, das die Entfernung der Gonaden z.B. bei AIS unnötig, ja sogar schädlich sei. Die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf.

Die Berichterstatterinnen bemängeln die Verstöße der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Verpflichtung zum Einschreiten gegen diskriminierende Gepflogenheiten Der Staat kommt seiner Verpflichtung nicht nach, mit allen geeigneten Mitteln unverzüglich eine Politik zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau zu verfolgen (Art. 2 Uno-Frauenrechtskonvention). Zu diesen Mitteln gehören “gesetzgeberische und sonstige Maßnahmen”. Dazu gehören auch Maßnahmen zur Änderung oder Aufhebung von “Gepflogenheiten” (wie z. B. med. Standards) und “Praktiken” (Art. 2 f Uno-Frauenrechtskonvention). Die Bundesrepublik Deutschland wäre nach Ansicht der Berichterstatter verpflichtet, durchzusetzen, dass Dr. Money's med. Versuch durch einen besseren Standard ersetzt wird, der die Frauenrechte nicht mehr verletzt.


Schlecht, schlechter, Geschlecht

Wer mit Genderforscherinnen ins Gespräch kommen will, darf sich nicht daran stören, dass das Wort "männlich" durchgängig negativ besetzt ist. Muss man die Jungs einfach dazu bringen, sich wie Mädchen zu verhalten – ist das die Lösung? Und kann es wirklich sein, dass viele Mütter ihren Söhnen schon als Babys beibringen, schwierige Raufbolde zu werden? Was ist denn mit den Müttern los? Als ich versuche, ein paar wissenschaftliche Studien über Jungs aus meinem Gedächtnis hervorzukramen, sagt Hannelore Faulstich-Wieland: "Naturwissenschaft ist eine Konstruktion."

Erst als wir uns schon getrennt haben, fällt mir ein, dass es ja eigentlich eine Abwertung der Männer darstellt, wenn es heißt, mehr Frauen sollten Professorinnen werden. Leisten Professoren keine gute Arbeit? Jedenfalls ist der Fachbereich Pädagogik fest in weiblicher Hand, im Studentencafé sitzen fast nur Frauen, alle in Gruppen, plaudernd. Die beiden einzigen Studenten hocken allein in der Ecke und befassen sich mit ihrem Laptop.
Wenn diese beiden Studenten Ingenieur oder Informatiker werden wollten, wäre die Lage umgekehrt. Sie hätten fast nur männliche Kommilitonen und beinahe ausschließlich männliche Professoren. Die Universitäten suchen händeringend Männer, die Grund- und Hauptschullehrer werden möchten. Gleichzeitig versuchen sie, mehr Frauen in die Naturwissenschaften zu locken. Bei den Ingenieuren sind in Deutschland nur 9 Prozent der Professoren weiblich, in den Geisteswissenschaften sind es 30.

Robert Plomin hat das Aufwachsen von 3000 zweieiigen Zwillingen beobachtet, Jungen und Mädchen, die in derselben Familie aufwuchsen. Im Alter von zwei Jahren war der Wortschatz der Mädchen bereits deutlich größer. Die Neurowissenschaftlerin Doreen Kimura hat einen Zusammenhang zwischen Testosteronspiegel, Berufswahl und räumlichem Vorstellungsvermögen nachgewiesen – bei Männern und Frauen. Den höchsten Testosteronspiegel haben übrigens Schauspieler, Bauarbeiter und Langzeitarbeitslose, den niedrigsten haben Geistliche. Der Osloer Kinderpsychiater und Verhaltensforscher Trond Diseth hat neun Monate alten Babys in einem nur von Kameras überwachten Raum Spielzeug zur Auswahl angeboten, Jungs krochen auf Autos zu, Mädchen auf Puppen. Der Evolutionsbiologe Simon Baron-Cohen, ein Vetter des Filmemachers Sascha Baron-Cohen, hat die Reaktionen von Neugeborenen erforscht, da kann die Gesellschaft noch nichts angerichtet haben: Mädchen reagieren stärker auf Gesichter, Jungen auf mechanische Geräte. Richard Lippa hat 200.000 Menschen in 53 Ländern nach ihren Traumberufen gefragt, Männer nannten häufiger "Ingenieur", Frauen häufiger soziale Berufe. Die Ergebnisse waren in so unterschiedlichen Ländern wie Norwegen, den USA und Saudi-Arabien erstaunlich ähnlich. Wenn es wirklich einen starken kulturellen Einfluss auf die Berufswahl gäbe, sagt Lippa, dann müssten die Ergebnisse je nach kulturellem Kontext schwanken.

Der Hirnforscher Turhan Canli, ein Amerikaner, hat festgestellt, dass Frauen emotionale Ereignisse meist in beiden Hirnhälften speichern, Männer nur in einer. An einen Ehestreit oder den ersten Kuss können sich Männer deshalb im Durchschnitt nicht so gut erinnern wie Frauen. Wenn auf Fotos Gesichter zu sehen sind, traurige oder fröhliche, dann entschlüsseln Männer die Emotionen der abgebildeten Personen im Durchschnitt schlechter. Mein Lieblingsexperiment hat Anne Campbell an der Universität Durham veranstaltet: Männer und Frauen wurden zu einem Test eingeladen. Dann teilte man ihnen mit, dass sie schmerzhafte Elektroschocks erdulden müssten. Es dauere noch ein paar Minuten. Die Frauen warteten gemeinsam, in Gruppen. Die Männer warteten lieber alleine.

Die Wissenschaft ist sich einig: Geschlechterunterschiede sind zum Teil sicher anerzogen. Vieles hängt aber auch mit der Evolution und mit den Hormonen zusammen. Ist das alles wirklich nur Ideologie? Gibt es eine Art Weltverschwörung, gegen die Genderforschung? Und wenn ja: Wo bleiben eigentlich die Gegenstudien? Genderprofessorinnen gibt es doch reichlich.

Im Grunde ist die Genderdebatte nur eine Variante der uralten Diskussion über das, was ein Individuum zu einem Individuum macht, die Umwelt oder das Erbe. Was ist genetisch determiniert, was ist von den Eltern anerzogen, was geht auf den Einfluss der Gesellschaft zurück?

An der Berliner Charité wird medizinische Genderforschung betrieben, zur Frage, warum Frauen und Männer für Krankheiten unterschiedlich anfällig sind. Im Regelfall aber ist diese Wissenschaft eher theoretischer Natur. Das hängt stark mit John Money zusammen, einem amerikanischen Sexualforscher, der die Gendertheorie in den fünfziger Jahren miterfunden hat. Um seine These zu beweisen – Geschlecht ist nur erlernt –, hat Money den zweijährigen Bruce Reimer 1966 von seinem männlichen Genital befreit und als Mädchen aufwachsen lassen. Der Penis des Kindes war bei der Beschneidung verletzt worden, deshalb ließen sich die Kastration und die Herstellung von Schamlippen wohl als eine Art "Therapie" darstellen. Eine Ethikkommission wurde offenbar nicht konsultiert. Alice Schwarzer hat dieses nicht sehr menschenfreundliche Experiment als eine der wenigen Forschungen zum Geschlechterverhältnis gewürdigt, die "nicht manipulieren", sondern "aufklären". Der erwachsene Reimer ließ die Umwandlung rückgängig machen und erschoss sich. Seitdem muss die Theorie ohne Beweisversuche auskommen. Geschadet hat das ihrer Verbreitung nicht wirklich.

Uta Brandes ist Professorin für Gender und Design in Köln, seit 1995. Eine ihrer früheren Studentinnen heißt Gesche Joost und gehört jetzt zum "Kompetenzteam" des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. In den neunziger Jahren hat die SPD-Ministerin Anke Brunn jeder Hochschule in Nordrhein-Westfalen eine neue Professorenstelle versprochen, vorausgesetzt, es handelte sich um eine Genderprofessur. Das führte zu einem Boom.

Wir reden über Stehlampen. Uta Brandes hat einmal erklärt: "Alles, was aufrecht steht, ist eher männlich." Sie sagt, dass sie auch Kirchtürme zu phallisch findet, so ein Kirchturm penetriere das Dorf geradezu. Ich sage, dass man die Kirchenuhr im Dorf halt schlecht sehen kann, wenn man sie in einer Höhle unterbringt. Sie lacht. 1960 wurde ja auch die erste nicht phallische Stehlampe entworfen, die bogenförmige Arco von Castiglioni. Es geht also. Ein Kirchbogen statt eines Kirchturms, warum nicht.

Uta Brandes hat unter anderem das Verhalten an Fahrkartenautomaten erforscht, sie ist also keine Theoretikerin. Männer haben an Automaten weniger Angst vor Misserfolgen, Methode "Trial and Error". Frauen überlegen länger, bevor sie einen Knopf drücken. Die Ergebnisse lassen einen irgendwie an Peer Steinbrück und Angela Merkel denken. Brandes befasst sich auch damit, wie man ein alltagstaugliches Statussymbol für mächtige Frauen gestalten könnte. Eine große, höhlenartige Handtasche wäre eine Möglichkeit. Sie hat außerdem vorgeschlagen, dass die englischen Wörter teacher und professor, die für Männer und Frauen gelten, eine weibliche Form bekommen, teacheress und professoress. "Frauen müssen in der Sprache sichtbar sein", sagt sie. Aber die Engländer lassen sich in ihre Sprache natürlich ungern von einer deutschen Professorin hineinreden. In Deutschland könnte man es durchsetzen, denke ich. Die Inder haben ja auch ein eigenes Englisch. Zum Abschied sage ich: "Na, zur Fortpflanzung wird man die Männer und dieses ganze phallische Zeugs jedenfalls weiterhin brauchen." Uta Brandes lacht und sagt: "Wer weiß, wie lange noch."

Mit den Auswirkungen des Teufelszeugs Testosteron hat sich besonders intensiv die kanadische Psychologin Susan Pinker befasst, ihr Buch Das Geschlechter-Paradox wurde in viele Sprachen übersetzt. Testosteron macht Menschen risikofreudiger und kräftiger, Männer haben meistens mehr davon. Leider macht es auch kurzlebiger, weil es das Immunsystem schwächt. Postoperative Infektionen verlaufen bei 70 Prozent der Männer tödlich, aber nur bei 26 Prozent der Frauen, daran sind weder die Ärzte schuld noch die Gesellschaft. Warum haben relativ viele Jungs Probleme in der Schule? Oft hängt es – das verdammte Testosteron! – mit mangelnder Disziplin zusammen. Mädchen halten sich, im Durchschnitt, eher an die Regeln. Andererseits könnte man eine lange Liste von spektakulären Schulversagern zusammenstellen, die später sehr hübsche Karrieren zustande gebracht haben, darunter Charles Darwin. Ab einem gewissen Punkt der Biografie ist das Testosteron wieder nützlich, bei manchen zumindest.
Frauen und Männer haben im Durchschnitt den gleichen Intelligenzquotienten. Aber am oberen und am unteren Ende der Skala finden sich mehr Männer, sie sind extremer, oder, wie Pinker einen Kollegen zitiert: "Bei den Männern gibt es mehr Genies und mehr Idioten." Noch schöner hat es die Kulturhistorikerin Camille Paglia gesagt: "Ein weiblicher Mozart fehlt, weil es auch keinen weiblichen Jack the Ripper gibt." Extremes Verhalten und obsessive Fixierung auf eine bestimmte Sache – so was ist eher ein Männerding. Der Typ, der Amok läuft, um sich für eine Kränkung zu rächen: fast immer ein Mann. Der Mensch, der eine 90-Stunden-Woche nach der anderen herunterschrubbt, weil er Chef werden will, und am Ziel tot umfällt: wahrscheinlich ein Mann. Ein extremer Einzelgänger und Hypochonder, der Klavier spielt und sonst fast nichts tut: Glenn Gould. Ein Mensch, der in jeder freien Minute Wörterlisten auswendig lernt, nur weil er, völlig sinnlos, Scrabble-Weltmeister werden will: Joel Wapnick. Wer sich einen Sonderling oder einen Eigenbrötler mal genauer anschaut, entdeckt fast immer einen Penis.

Das Geschlechter-Paradox besteht darin, dass sich in freien Gesellschaften mit ausgeprägten Frauenrechten nicht weniger, sondern mehr Frauen für angeblich typische Frauenberufe entscheiden, soziale oder kreative Berufe. Wenn Frauen die Wahl haben, tun sie eben nicht das Gleiche wie die Männer. Sie werden, ohne Druck, im Durchschnitt lieber Ärztin, Lehrerin oder Journalistin als Statikerin, Ingenieurin, Schachprofi oder Patentanwältin. Über Individuen sagen solche Statistiken natürlich nichts aus, es kann auch hervorragende, glückliche Notarinnen geben und Physik-Nobelpreisträgerinnen. Wer aber glaubt, dass wir alle dem gleichen Normgeschlecht angehören und deshalb überall in der Gesellschaft ein Verhältnis von 50 zu 50 herrschen muss, der kann dies, laut Susan Pinker, nur mit staatlichen Zwangsmaßnahmen erreichen. Weder Hannelore Faulstich-Wieland noch Uta Brandes kannten ihre Kollegin Susan Pinker.
Ich bin dann, um von der Theorie in die Praxis zu wechseln, nach Braunschweig gefahren. Maybritt Hugo, Jahrgang 1960, arbeitet dort seit 1992 als städtische Gleichstellungsbeauftragte. Vorher hat sie Politik und Germanistik studiert und war Fraktionsgeschäftsführerin bei den Grünen. In Behörden und Kommunen gibt es inzwischen etwa 1900 Gleichstellungs- oder Frauenbeauftragte. Der Posten muss weiblich besetzt werden, dazu existiert ein Gerichtsurteil. Die Beauftragte ist nur dem Oberbürgermeister unterstellt, sonst niemandem, sie hat Zutritt zu fast allen Gremien, darf ohne Genehmigung der Betroffenen alle Personalakten einsehen, ohne Rücksprache die Presse kontaktieren, bei jeder Einstellung mitreden. Eine ihrer Aufgaben ist es, den Anteil der Frauen im Personal – vor allem im Führungspersonal – zu steigern und die sich selbst rekrutierenden Männerlobbys aufzubrechen.

Maybritt Hugo hat bei der Braunschweiger Feuerwehr etwas Wichtiges erreicht. Beim Eignungstest sind die Bewerberinnen fast immer durchgefallen. Das lag unter anderem an den Klimmzügen. Frauen fallen Klimmzüge schwerer als Männern. Außerdem wurde von allen Bewerbern eine abgeschlossene handwerkliche Ausbildung verlangt. Inzwischen dürfen Bewerber, um ihre Kraft unter Beweis zu stellen, einen schweren Kanister eine Treppe hochtragen, und die Feuerwehr akzeptiert auch eine Ausbildung im Gesundheitswesen. Seitdem steigt die Zahl der Feuerwehrfrauen.

Ich frage, wie eine Gleichstellungsbeauftragte mit Bereichen umgeht, in denen die Männer benachteiligt sind. Obdachlosigkeit zum Beispiel. 70 bis 80 Prozent der Obdachlosen sind Männer. Maybritt Hugo antwortet sehr freundlich, dass die Statistik ein falsches Bild ergebe. Frauen seien genauso von Obdachlosigkeit betroffen. Sie würden dann eben bei Freundinnen oder Verwandten unterschlüpfen. Obwohl sie es nicht ausspricht, es klingt schon ein bisschen so, als seien obdachlose Männer selber schuld. Warum sind Männer nicht einfach ein bisschen kommunikativer, sozialer – weiblicher eben? Dann frage ich, ob es schon einen Fall sexueller Belästigung eines Mannes durch eine Frau gegeben hat, in Braunschweig. Tatsächlich, so etwas gab es. Ein Mann hat sich beschwert. Er wurde nicht angegrapscht, aber, nach seiner Darstellung, von einer Chefin immer wieder verbal angemacht und auch herabgesetzt. Und, wie ging der Fall aus? Sie weiß es nicht genau. "Ich glaube, er hat seinen Job einfach weitergemacht." Das war bei Frauen früher auch üblich, heute wehren sich zum Glück viele und gehen zur Gleichstellungsbeauftragten.
Inzwischen habe auch ich, wie die Genderforschung, eine Theorie. Ich glaube, ich weiß, warum selbst bestens belegbare Erkenntnisse der naturwissenschaftlichen Geschlechterforschung von vielen Genderfrauen abgelehnt oder gar nicht erst zur Kenntnis genommen werden. "Natur" war, jahrtausendelang, ein Totschlagargument der Männer. Frauen konnten angeblich dieses nicht und jenes nicht, sie galten als eitel, dumm, schwach, hysterisch, zänkisch, schwatzhaft und charakterlich fragwürdig. Das alles kam im Gewande der wissenschaftlichen Erkenntnis daher. So wie man auch für wissenschaftlich belegt hielt, dass man Mörder an ihren Augenbrauen und Vergewaltiger an ihren Ohrläppchen erkennen könne. Immer hingen die angeblichen Defizite der Frauen mit ihrer angeblichen Biologie zusammen, und meistens ging es dabei darum, die Macht der Männer ideologisch zu begründen. Wenn früher von Unterschieden zwischen Männern und Frauen die Rede war, dann lief es immer darauf hinaus, dass Frauen die Schlechteren sind und Männer die Besseren. Die Genderfrauen ziehen daraus den Schluss, dass biologische Forschung insgesamt ein Herrschaftsinstrument der Männer sein muss. Deshalb sagen sie: Es gibt keine Unterschiede, basta. Warum? Weil es einfach keine geben darf. Genderforschung ist wirklich eine Antiwissenschaft. Sie beruht auf einem unbeweisbaren Glauben, der nicht in Zweifel gezogen werden darf.

In Wirklichkeit ist die Biologie längst weiter. Sie kann zeigen, dass Männer und Frauen in vielen Bereichen gleich sind, in anderen verschieden. Sonst wäre die Evolution ja sinnlos gewesen – wozu zwei Mal das gleiche Modell entwickeln? Beide Geschlechter haben Stärken und Schwächen, die sich ergänzen, und ganz sicher ist keines "besser" als das andere. Wenn ein Mann und eine Frau zusammen in Urlaub fahren wollen, wird in 80 Prozent der Fälle sie noch schnell das Gespräch mit einem schwierigen Handwerker führen, während er den Kofferraum belädt. Das ist nicht sexistisch, das ist klug.




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