Montag, 5. Juni 2017

Die Rechte Intersexueller werden allzu häufig nicht zur Kenntnis genommen


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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2017
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Häufig werden die Grundrechte Intersexueller missachtet, da Intersexuelle in den Gesellschaften Europas weiterhin kaum anerkannt werden.

In ihrer jüngsten Forschungsarbeit stellt die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) fest, dass sich der allgemein anerkannte Ansatz, Menschen als entweder männlich oder weiblich wahrzunehmen, auf Gesetzgebung und Politik auswirkt.

Die in einem neuen Fokuspapier der FRA vorgestellten Ergebnisse belegen die Notwendigkeit, die Rechtsvorschriften und Verfahren in der EU daraufhin zu überprüfen, ob sie zu Diskriminierung und Verletzungen der körperlichen und geistigen Unversehrtheit insbesondere junger intersexueller Menschen führen können.
Die Rechte Intersexueller wurden jahrelang nicht von politischen EntscheidungsträgerInnen und GesetzgeberInnen in der EU zur Kenntnis genommen“, erklärte der Interimsdirektor der FRA, Constantinos Manolopoulos. „Die Arbeit der FRA zeigt einige der dringenden Herausforderungen auf, die angegangen werden müssen, um die nach wie vor bestehenden diskriminierenden Schranken abzubauen und das durch medizinische Eingriffe verursachte, unnötige Leid zu lindern.
Als Intersexuelle werden hier Menschen mit unterschiedlichen chromosomalen, hormonellen und/oder anatomischen Merkmalen verstanden, die den medizinischen Definitionen von Mann oder Frau nicht eindeutig zuzuordnen sind.
Bislang wurden Intersexuelle in der Regel einer medizinischen Behandlung unterzogen. Allerdings erkennen Institutionen und Zivilgesellschaft auf EU- und nationaler Ebene zunehmend die grundrechtliche Dimension dieser Vorgehensweise. Das FRA-Fokuspapier untersucht die Situation Intersexueller aus der Grundrechtsperspektive und legt den Schwerpunkt auf drei Themenbereiche.
Registrierung des Geschlechts bei der Geburt: In zahlreichen EU-Mitgliedstaaten verlangt das Gesetz, dass Geburten eingetragen werden und das Geschlecht des Kindes als männlich oder weiblich registriert wird. Dies setzt alle an der Registrierung beteiligten Personen unter Druck, insbesondere Eltern und MedizinerInnen, über das Geschlecht des Neugeborenen und etwaige medizinische Eingriffe zu entscheiden. Jedoch ist es in mindestens vier Mitgliedstaaten zulässig, Neugeborene als geschlechtsneutral zu registrieren, und zwei Länder gestatten die Ausstellung von Geburtsurkunden, die keine Angabe zum Geschlecht enthalten. Geschlechtsangaben in Ausweispapieren und Geburtsregistern sollten also auf den Prüfstand gestellt werden, um Intersexuelle besser zu schützen.
Medizinische Behandlung intersexueller Kinder: In mindestens 21 EU-Mitgliedstaaten werden intersexuelle Kinder geschlechtszuweisenden Operationen unterzogen. In acht Mitgliedstaaten müssen die gesetzlichen VertreterInnen des Kindes zustimmen, 18 Länder setzen das Einverständnis der PatientInnen voraus. Die Einbeziehung von Kindern in derartige Entscheidungen stellt jedoch eine Grauzone dar, da Faktoren wie beispielsweise das Alter des Kindes bestimmen, ob die Entscheidung beim Kind oder bei den Eltern liegt. Zudem stellt sich die Frage, wie vorgegangen wird, wenn sich das intersexuelle Kind und seine Eltern uneinig sind. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass medizinisch nicht notwendige Operationen, die ohne das Einverständnis der Betroffenen vorgenommen werden, im Völkerrecht als inhuman, grausam und erniedrigend gelten. Die Mitgliedstaaten sollten daher dafür sorgen, dass keine uneinvernehmlichen, geschlechtszuweisenden medizinischen Behandlungen für Intersexuelle stattfinden.
Schutz vor Diskriminierung: Die Diskriminierung Intersexueller ist eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und nicht der sexuellen Ausrichtung und/oder der Geschlechtsidentität, da die medizinische Bestimmung des Geschlechts zur Ungleichbehandlung führt. Da Intersexualität ein breites Spektrum von Geschlechtsmerkmalen Abdeckt umfasst und es bisher keine spezifischen Rechtsvorschriften über den Schutz Intersexueller gibt, werden Diskriminierungsfälle vermutlich selbst innerhalb ein- und desselben Rechtssystems sehr unterschiedlich angegangen . JuristInnen und MedizinerInnen sollten daher auf die Grundrechte intersexueller Menschen, insbesondere intersexueller Kinder, aufmerksam gemacht werden.
Das Fokuspapier basiert auf den Ergebnissen der dritten Aktualisierung des rechtsvergleichenden FRA-Berichts über Homophobie, Transphobie und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung und der Geschlechtsidentität, der nun auch Intersexualität miteinbezieht. Die Aktualisierung der rechtsvergleichenden Analyse beruht auf Daten, die bis Mitte 2014 in allen EU-Mitgliedstaaten erhoben wurden, und soll im Lauf dieses Jahres veröffentlicht werden.
Das Fokuspapier zur grundrechtlichen Situation Intersexueller ist auf Englisch verfügbar unter: The fundamental rights situation of intersex people.

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