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und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2017
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Schutz und Akzeptanz von geschlechtlicher Vielfalt Schlussfolgerungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus der Arbeit der Interministeriellen Arbeitsgruppe Trans- und Intersexualität Berlin, 21.September 2017
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD für die 18.Legislaturperiode ist
vereinbart: „Wir werden darauf hinwirken, dass bestehende Diskriminierungen […]
von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität in allen gesellschaftlichen Bereichen
beendet werden. Wir verurteilen […] Transphobie und werden entschieden dagegen
vorgehen. […] Die durch die Änderung des Personenstandrechts für intersexuelle
Menschen erzielten Verbesserungen werden wir evaluieren und gegebenenfalls
ausbauen und die besondere Situation von trans- und intersexuellen Menschen in
den Fokus nehmen“.
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat sich diesem
Auftrag umfassend gewidmet. Auf interministerieller Ebene wurde in Form einer
Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend ein regelmäßiger Austausch mit dem Bundesministerium des
Innern, dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, dem
Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium der Verteidigung
geführt.
Begleitend zur interministeriellen Arbeitsgruppe hat sich das Bundesministerium für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und
Sachverständigen intensiv mit nationalen wie internationalen Entwicklungen,
wissenschaftlichen Studien sowie gesellschaftlichen Diskursen zu Schutz und
Akzeptanz von geschlechtlicher Vielfalt auseinandergesetzt.
Die daraus gewonnenen
Erkenntnisse sind auf vier öffentlichen Fachaustauschen vorgestellt und diskutiert
worden und sind anschließend in die Arbeit der interministeriellen Arbeitsgruppe
eingeflossen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass auf Grundlage der Begleitforschung im
Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
(veröffentlicht unter www.bmfsfj.de), des intensiven Dialogs mit Sachverständigen
und Zivilgesellschaft sowie dem interministeriellen Austausch hierzu aus Sicht des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend folgender dringender
gesetzgeberischer und gesellschaftspolitischer Handlungsbedarf besteht:
1. Die Ersetzung des Transsexuellengesetzes durch ein Gesetz zum Schutz
und zur Akzeptanz der geschlechtlichen Vielfalt
Das Transsexuellengesetz (TSG) aus dem Jahre 1980 stellt nach sechs
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu darin als verfassungswidrig
erkannten Regelungsinhalten keine menschen- und grundrechtskonforme
Gesetzesgrundlage dar. Nach Überzeugung des Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend muss das TSG durch ein menschenrechtsbasiertes
Gesetz zum Schutz und zur Anerkennung der geschlechtlichen Vielfalt ersetzt und
insbesondere die im noch geltenden TSG enthaltene Begutachtungspflicht vor einem
Vornamens- oder Personenstandswechsel beendet werden.
Der Begutachtungspflicht liegt ein obsoletes Verständnis von Transsexualität als
psychischer Erkrankung zugrunde. Dieses Verständnis hat sich in den letzten Jahren
grundlegend verändert und fußt heute auf dem Selbstbestimmungsrecht jeder
einzelnen Person in Bezug auf die eigene Geschlechtsidentität. Die mit der
Begutachtung betrauten Fachleute haben dargelegt, dass sie sich bei der
Begutachtung allein auf die Selbstaussage der antragstellenden Person beziehen
können.
Daher sollten Vornamens- und Personenstandswechsel künftig in einem einfachen,
transparenten und schnellen Antragsverfahren durchgeführt werden. Ein solches
Verfahren ist in anderen europäischen Ländern bereits gelebte Rechtspraxis.
2. Eine klarstellende Verbotsregelung im Bürgerlichen Gesetzbuch, dass
Eltern von Kindern mit angeborenen Variationen der körperlichen
Geschlechtsmerkmale in Operationen ohne zwingende medizinische
Notwendigkeit nicht einwilligen dürfen – ergänzend dazu eine
obligatorische Beratungspflicht für Eltern
Mit Blick auf Kinder mit angeborenen Variationen der Geschlechtsmerkmale (sog.
intergeschlechtliche Kinder) ist es erforderlich, das bereits existierende
standesrechliche Operationsverbot durch eine klarstellende Regelung im
Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zu ergänzen.
Das medizinische Standesrecht lehnt Eingriffe an den Geschlechtsmerkmalen des
Kindes ab, wenn sie (nur) auf optische Geschlechtsnormierung abzielen. Da die Zahl
der Eingriffe an intergeschlechtlichen Kindern stagniert, ist eine zusätzliche
gesetzliche Klarstellung in § 1631c BGB, dass Eltern in solche Eingriffe nicht für ihr
Kind einwilligen dürfen, zwingend geboten. Eine solche Verbotsregelung sollte
gelten, bis die Kinder ein Alter erreicht haben, in dem sie frei und nur nach vorheriger
informierter Einwilligung über ihr körperliches Erscheinungsbild selbst entscheiden
können. Damit würde Deutschland auch den Concluding Observations des CEDAWAusschusses
der Vereinten Nationen zum 7. und 8. Staatenbericht vom März 2017
nachkommen.
Zum effektiven Schutz von Säuglingen und Kindern mit Variationen der
Geschlechtsmerkmale ist ergänzend zu den rechtlichen Regelungen ein
obligatorisches Beratungsangebot für ihre Eltern zu etablieren.
Eltern
intergeschlechtlicher Säuglinge und Kinder benötigen Informationen darüber, dass es
Menschen gibt, deren Geschlecht nicht eindeutig männlich oder weiblich ist und
darüber, dass es für die Entwicklung von Kindern von großer Bedeutung ist, ihre
geschlechtliche Identität im entscheidungsfähigen Alter selbst bestimmen zu können.
Eltern müssen befähigt werden, ihr Kind in seiner Entwicklung zu unterstützen und
allein das Kindeswohl in den Vordergrund ihrer Entscheidungen zu stellen.
3. Die Aufnahme einer weiteren Geschlechtskategorie im
Personenstandsrecht
Seit 2013 besteht mit § 22 Abs. 3 Personenstandsgesetz die Möglichkeit, die
Geschlechtsangabe bei Menschen, bei denen die Zuordnung zu einem Geschlecht
unklar ist, offen zu lassen. Das bloße Offenlassen des Geschlechtseintrages schafft
jedoch keine positive Anerkennung eines Geschlechts, sondern verhindert lediglich
die fälschliche Zuordnung zu den Kategorien männlich oder weiblich. Damit bleibt
intergeschlechtlichen Menschen jedoch eine gleichberechtigte Anerkennung ihrer
Geschlechtlichkeit im Hinblick auf Körper und Identität verwehrt.
Nach Einschätzung des im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend erstellten Gutachtens des Deutschen Instituts für
Menschenrechte ist die Einführung einer weiteren Geschlechtskategorie aus
verfassungsrechtlicher Sicht geboten.
Daher sollte für Menschen, die sich nicht im binären Geschlechtssystem als männlich
und weiblich verorten (können), im Personenstandsrecht neben den bisherigen
Kategorien weiblich und männlich sowie dem Offenlassen des Geschlechtseintrages
eine weitere Geschlechtskategorie aufgenommen werden.
4. Ein klarstellendes Diskriminierungsverbot im Hinblick auf
geschlechtliche Vielfalt
Ergänzend zu den oben aufgeführten Regelungsnotwendigkeiten bedarf es eines
klarstellenden Diskriminierungsverbots im Hinblick auf Geschlechtsidentität,
Geschlechtsausdruck und Variationen der körperlichen Geschlechtsmerkmale.
Der
gesetzliche Schutz soll von weitreichenden Maßnahmen zur Akzeptanzförderung und
zum Schutz vor Diskriminierung begleitet werden.
5. Der Ausbau von Maßnahmen zur Akzeptanzförderung und zum Abbau
von Diskriminierung
Der 2008 erstmals erstellte Nationale Aktionsplan gegen Rassismus wurde in der 18.
Legislaturperiode um die Phänomene Homosexuellen- und Transfeindlichkeit
erweitert und grundlegend überarbeitet. Die aus Sicht des Bundesministeriums für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend notwendigen Anforderungen bezüglich einer
wirksamen Bekämpfung von Homosexuellen- und Transfeindlichkeit wurden nur
allgemein aufgenommen.
Zu Recht stellt der Nationale Aktionsplan gegen Rassismus fest, dass vielfältigen
gesellschaftlichen Herausforderungen und Fragestellungen im Bereich sexueller und
geschlechtlicher Vielfalt einer ressortübergreifenden Herangehensweise bedürfen.
Aus Sicht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist
hierfür ein unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft zu erarbeitender Nationaler
Aktionsplan zum Schutz und zur Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensweisen
und geschlechtlicher Vielfalt das passende Instrument.
6. Die Schaffung von flächendeckenden Beratungs- und
Unterstützungsstrukturen für Trans- und intergeschlechtliche Menschen
und ihre Familien
Die vorhandenen Beratungsstrukturen und -angebote der Selbsthilfe und der ehrensowie
hauptamtlichen Peerberatung wie auch der Beratungsangebote von
psychosozialen Erziehungs-, Jugend-, Familien- und Lebensberatungsstellen sowie
schulpsychologischen Beratungszentren sollten koordiniert ausgebaut und gestärkt
werden.
Die Belange von trans- und intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen müssen
dabei gesondert in den Blick genommen werden.
Wichtige Aspekte dabei sind auch die Sensibilisierung relevanter Berufsgruppen
zum Thema, eine alters- und lebenslagenspezifische Beratung und die Erstellung
von Aufklärungs- und Schulungsmaterialien.
Quelltext: https://www.bmfsfj.de/blob/119686/619f9892b9f7d198c205dbdc82bcad56/positionspapier-schutz-anerkennung-inter-trans-data.pdf
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