Sonntag, 29. Oktober 2017

The struggle for the sex 2.5 million Germans convert man and woman into Niemandsland. And from this Niemandsland they want to get out. They want recognition. This is about the importance of interpretation, language regulation and truth. They fight with astonishing brutality, with hostilities, extermination campaigns, and Shitstorms.

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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2017
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Der Kampf um das Geschlecht

2,5 Millionen Deutsche wandeln im Niemandsland zwischen Mann- und Frausein. Und aus diesem Niemandsland wollen sie raus. Sie wollen Anerkennung. Dabei geht es um Deutungshoheit, Sprachregelungen und um Wahrheit. Gekämpft wird mit erstaunlicher Brutalität, mit Anfeindungen, Vernichtungsfeldzügen und Shitstorms. 

The struggle for the sex
2.5 million Germans convert man and woman into Niemandsland. And from this Niemandsland they want to get out. They want recognition. This is about the importance of interpretation, language regulation and truth. They fight with astonishing brutality, with hostilities, extermination campaigns, and Shitstorms.

Die Signale in der angesagten Bar Silver Future in Berlin-Kreuzberg sind klar: An der einen Wand ein Porträt von Audrey Hepburn – mit Schnauzbart. An der anderen ein Bild von Superman – mit voluminösen Brüsten. Hinter dem Tresen das Schild: "Congratulations. You are leaving the heteronormative Sector." Man verlässt hier also den heteronormativen Sektor und wird dazu beglückwünscht.


"Heteronormativ", das lernt schnell, wer in die Szene eintaucht, ist ein Kampfbegriff. "Heteronormativ" ist ein permanenter Vorwurf an die Welt jenseits von Orten wie Silver Future, an jene überkommene Gesellschaft da draußen, die die Menschheit noch in Mann und Frau einteilt und zur Norm erklärt, dass Männlein sich mit Weiblein paart. Ihr gegenüber stehen die, die anders leben wollen. Sie fassen sich im sperrigen Akronym LGBTIQ zusammen: also Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Intersexuelle und Queere. Lange Zeit forderten sie vor allem die Akzeptanz der homosexuellen Liebe. Nun – nachdem dieses Ziel so wie gut erreicht ist – hat sich ihr Streben weiterentwickelt: Sie bestehen auf dem Recht, sich gar nicht mehr auf ein Geschlecht festlegen lassen zu müssen.

Laut der groß angelegten ZEIT- Vermächtnis-Studie von 2016 wandeln 3,3 Prozent der deutschen Bevölkerung in einem Niemandsland zwischen Mann- und Frausein. Entweder weil sie heute ein anderes Geschlecht haben als bei ihrer Geburt oder weil sie sich weder mit dem Attribut weiblich noch männlich identifizieren. 3,3 Prozent der Deutschen: Das sind knapp 2,5 Millionen, so viel wie alle Einwohner der Großstädte München und Köln zusammen. Menschen, die die Öffentlichkeit lange kaum wahrnahm, drängen nun mit aller Macht auf Anerkennung. Nicht nur hierzulande, sondern in allen Ländern der westlichen Welt.
Erhebliches Aufsehen erregten sie vor allem mit der Toilettenproblematik oder dem bathroom war, wie die Debatte in den USA mittlerweile genannt wird. Dabei geht es – für Einsteiger ins Thema – darum, ob in öffentlichen Gebäuden Toiletten für Menschen vorgehalten werden sollten, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen. Oder ob man nur noch "Unisex-Klos" für alle Geschlechter braucht.
Berlin, dessen rot-rot-grüne Regierung im Koalitionsvertrag verspricht, die Stadt zur Regenbogenhauptstadt zu machen, prüft gerade die Einrichtung solcher Toiletten. Die Gegner des Plans greifen sich an den Kopf: Hat die Hauptstadt keine anderen Probleme? Als eine seiner letzten Amtshandlungen verschickte Präsident Barack Obama die Anordnung an alle Schulen, jedes Kind dürfe von nun an die Toilette seiner Wahl benutzen, auch wenn Pass oder Körperbeschaffenheit ein anderes Geschlecht nahelegten. Dies war eine der ersten Regelungen, die Donald Trump kippte. Er ist ein heteronormativer Politiker, keine Frage.

Der Toilettenstreit wirkt bizarr, ist aber Symptom einer weitaus grundsätzlicheren Auseinandersetzung. Wer die Frontlinien abschreitet, merkt: Es geht um die Frage, ob die Zweiteilung in die ewigen Menschheitskategorien Mann und Frau künftig obsolet wird. Aber wer befindet über deren Abschaffung? Die Minderheit, die sich diskriminiert fühlt? Oder die Mehrheit, die darauf beharrt, dass das Schema für die allermeisten Menschen immer noch passt?

Es geht um Deutungshoheit, um Sprachregelungen, um Wahrheit. Gekämpft wird mit erstaunlicher Brutalität, mit Anfeindungen, Vernichtungsfeldzügen und Shitstorms. Die Sache mit dem Geschlecht ist womöglich eins der am verbissensten geführten ideologischen Gefechte der Gegenwart.

Beginnen wir mit der biologischen Grundlage, am besten an der Hochschule Merseburg, in einem Wissenschaftlerbüro, 20 Gehminuten von der Innenstadt, aber deutlich weiter vom gesellschaftlichen Konsens entfernt. Professor Heinz-Jürgen Voss, Ende 30, schwul, schwarzes Shirt, schwarze Wolljacke, hat sich Zeit genommen, um seine Botschaft zu erläutern. Das ist auch notwendig. Denn Voss verkündet Ungewöhnliches: "Die Einteilung in Männer und Frauen hat mit biologischen Eigenschaften wenig zu tun." Unser Sortieren in zwei Geschlechter sei vereinfachend und werde der Komplexität der menschlichen Biologie nicht gerecht. Voss ist ein fachlicher Zwitter. Er hat Biologie mit Schwerpunkt Genetik studiert, aber auch Sozialpolitik und Geschlechterforschung. Heute ist er Professor für Sexualwissenschaft, und als solcher hat er ein Ziel. Er will, dass Geschlecht als etwas Fließendes begriffen wird. "Es ist eine extreme Zuspitzung, zu behaupten, dass es nur zwei Entwicklungsmöglichkeiten gibt", sagt er.

In der Tat: Am Anfang sind wir alle geschlechtslose Urwesen. Bis zur sechsten Schwangerschaftswoche haben Embryonen äußerlich noch kein unterscheidbares Geschlecht. Die Organe wachsen erst später, männliche bei den Embryonen, die ein Y-Chromosom tragen. In der Regel.

Aber eben nur in der Regel. Bei etwa jedem 500. Neugeborenen bricht die Natur mit diesem Prinzip und erschafft Zwischengeschlechter, das ist ungefähr ein Kind in jeder größeren Schule. Deren Schicksal nehmen wir aber kaum wahr, denn noch immer formen Mediziner intersexuelle Babys mithilfe von Skalpell und Hormonen entweder zu Jungs oder zu Mädchen. Dabei ist es inzwischen gesellschaftlicher Konsens, dass Entscheidungen von derartiger Tragweite eigentlich jeder selbst treffen sollte, vor der Pubertät zum Beispiel.

Für Heinz-Jürgen Voss sind solche geschlechtlich unbestimmten Kinder der Beweis, dass es zwischen der männlichen und der weiblichen Hemisphäre ganze Welten gibt, die wir nicht länger ignorieren dürfen. Und vielleicht, sagt er, sei unsere Geschlechtersortierung nach Chromosomensätzen sowieso willkürlich. Das lehre doch schon ein Blick ins Tierreich. "Es gibt Säugetiere, bei denen wir keinen Chromosomen-Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Tieren erkennen", sagt er. Welche? "Japanische Landratten und Mull-Lemminge."
In den nächsten zwei Stunden dekliniert er alle messbaren Unterschiede zwischen den Geschlechtern durch, erst Gehirn, dann Körper. In einem Punkt hat Voss fraglos recht: Viele der neurologischen "Warum Frauen nicht einparken und Männer nicht zuhören können"-Studien stehen auf extrem dünnen Daten-Beinchen. Da wird von minimalen Fallzahlen hochgerechnet, da werden statistische Unschärfen aufgeblasen, und es wird sehr munter verallgemeinert. Die amerikanische Psychologin Janet Hyde hat 7.000 Einzeluntersuchungen zu Geschlechterunterschieden ausgewertet. Ihre Liste der glasklaren Mann-Frau-Eigenschaften ist kurz: Frauen werfen nicht so weit, sie lehnen Gelegenheitssex tendenziell eher ab, sind weniger aggressiv und masturbieren seltener. Etliche Untersuchungen legen zudem nahe, dass Männer ein besseres Raumverständnis haben. Eine überschaubare Liste.

Betrachtet man aber die menschlichen Körper, sieht alles schon anders aus. Und da, so scheint es, greift Voss in dieselbe Trickkiste wie die "Der Mann stammt vom Mars"-Prediger. Er räumt ein, dass es im Durchschnitt Geschlechterunterschiede bei der Muskelmasse, dem Fettgehalt, der Hormonverteilung gibt. Allerdings nie ohne ein angehängtes Aber. Sind Männer nicht größer, haben sie kein schmaleres Becken, sind sie nicht muskulöser, und ist nicht der Testosterongehalt in ihrem Blut höher? Doch, das mag "im Schnitt" so sein, sagt Voss, aber es gibt Frauen, die diese Werte ebenfalls erreichen.

Er denkt etwa an Caster Semenya, die 800-Meter-Läuferin mit dem kantigen Körper, die als Teenager vor fast zehn Jahren bei der Leichtathletik-WM in Berlin all ihren Konkurrentinnen spielend davonlief und an der nachher die Sportfunktionärswelt verzweifelte, weil ihr weiblicher Körper die hormonelle Ausstattung eines Mannes aufwies, wie der Dopingtest ergab. Ein Jahr lang brüteten die Experten darüber, ob Semenya nun ein Mann sei oder eine Frau. Sie durfte als Frau starten, musste aber zunächst Testosteronsenker nehmen. 2015 fiel diese Regel, Semenya lief ohne medikamentöse Bremse gegen andere Frauen und gewann das 800-Meter-Rennen bei den Olympischen Spielen in Rio. Ihr Fall zeigt, wie schwer wir uns, auf Schwarz und Weiß getrimmt, mit dem Grau zwischen den Geschlechtern tun.
Der Kampf um das Geschlecht
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Aber ignoriert der Vorschlag des Geschlechterforschers Voss, auf Geschlechtereinteilungen im Sport künftig ganz zu verzichten, nicht die Tatsache, dass es im Durchschnitt eben doch Schattierungen gibt? (Und was würden die Frauen sagen, die bei den Wettkämpfen dann meistens verlören?)

Das alles könnte diskutiert werden. Langsam, vorsichtig und abwägend. Wenn es denn möglich wäre. Aber so kompliziert männliche und weibliche Gehirne auch sein mögen, eines scheint moderne Menschen unisex zu einen: Sobald die Sprache auf das Thema Geschlecht kommt, brennen alle Sicherungen durch.

Gender-Gaga heißt das Buch der Publizistin Birgit Kelle, für die jedes Nachdenken über die Beschaffenheit des Geschlechts ein Angriff auf die naturgegebene Weiblichkeit ist. Und natürlich der Schriftsteller Akif Pirinçci, der in seinem wirren Buch Die große Verschwulung eine Entmännlichung des gemeinen Mitteleuropäers herbeifantasiert. "Gender-Mainstreaming ist ein von geisteskranken und faulen Lesben, die komplett vom Staat alimentiert werden, erfundener Scheißdreck", zetert er in einem Interview. Heinz-Jürgen Voss beleidigt er sogar als "geisteskranken Schwulen mit Dachschaden". Und auch die AfD nimmt sich der Gender-Diskussion mit besonderer Leidenschaft an. Wer bei AfD-Veranstaltungen zugegen ist, weiß, dass oft schon eine Bemerkung zu zusätzlichen Toiletten für Transleute genügt, um den Raum in hämisches Gelächter zu versetzen.

Auch die Industrie besteht auf zwei Geschlechtern, denn Ordnung muss sein. Kinder werden mit Produkten in Blau und Rosa zugeschüttet, als führten sämtliche Hersteller den finalen Kampf zur Verteidigung von Geschlechterklischees. Das ist auch die Weltsicht weiter Teile des Bürgertums. Als mein kleiner Sohn kürzlich bloß mit rosafarbenem Jäckchen bekleidet am Strand entlanglief, schrie ein Kind entsetzt: "Mama, warum hat das Mädchen einen Puller?" Doch anstatt dem Kind zu antworten: "Weil es ein Junge mit rosafarbener Jacke ist", zischte die Mutter mich an: "Ist doch krank, was manche Leute ihren Kindern anziehen." Das ist die eine Seite. Die Eindeutigkeit des Geschlechts wird mit Inbrunst verteidigt, als sei sie eine der letzten Wahrheiten in unserer Welt.
Im jungen, urbanen Milieu, das die Individualität zum allerhöchsten Gut erkoren hat, gehört es hingegen mittlerweile dazu, sich in Geschlechterfragen uneindeutig zu geben. Dem Time Magazine zufolge lehnen in den USA zwölf Prozent der Millennials, also der um die Jahrtausendwende Geborenen, die Kategorien Mann und Frau für sich selber ab. Facebook hat zuletzt einen PR-Erfolg gefeiert, als das Unternehmen verkündete, die User nicht mehr auf zwei Geschlechter festzulegen, sondern sie selbst aus 60 verschiedenen Angeboten wählen zu lassen, genderfluid zum Beispiel oder weder-noch oder gendervariabel. Alle drei Begriffe bezeichnen Menschen, die sich irgendwo zwischen Mann und Frau verorten. Das Angebot passt. Soziale Netzwerke dienen dem Zelebrieren der eigenen Besonderheit – jetzt eben auch beim Thema Geschlecht.

In Berlin ist es mancherorts inzwischen üblich, genderneutral zu formulieren. Auch ich selbst, wohnhaft in Kreuzberg, wurde schon mehrmals gemahnt, nicht zu sagen: "Der Letzte macht das Licht aus." Sondern korrekt: "Die Person, welche zuletzt den Raum verlässt, lösche das Licht." Und gerade hat mir mein Bezirk mitgeteilt, man suche noch "Wahlhelfende". Wer das nicht besonders gelungen findet – weil es, wie Max Goldt schrieb, dann seltsame Wesen gäbe, wie "biertrinkende Studierende" oder "sterbende Lehrende" –, gilt als das Allerletzte und reaktionär. So sieht die andere Seite aus.

Überhaupt, Berlin: Die Bezirksverordnetenversammlung in Friedrichshain-Kreuzberg akzeptiert, genau wie in anderen Teilen der Stadt, ohnehin nur noch Anträge, die geschlechtsneutral formuliert sind. An vielen deutschen Universitäten wird Studenten heute mit Punktabzug gedroht, sollten sie ihre Hausarbeiten rein männlich formulieren. Die vermeintliche Minderheit macht sich also immer deutlicher bemerkbar im Alltag der Mehrheit. Und als mein kleiner Sohn eine Kindergärtnerin bekam, die früher ein Mann war, herrschte Konsens, dass darüber nicht gesprochen würde. Als mein größerer Sohn, gerade Grundschüler, den Kleineren dann mit abholte und als Erstes laut rief: "Hey, wieso spricht denn die neue Erzieherin wie ein Mann?", ignorierten alle peinlich berührt das fragende Kind, als gäbe es da nichts zu erklären, als könnte man dem Menschen verbieten zu staunen. Als könnte Akzeptanz gelingen durch Totschweigen.

René_Hornstein (der Unterstrich im Namen ist Absicht) kommt mir am Berliner Nordbahnhof entgegen. Groß und schlank und optisch zweigeteilt: unten Jeans, oben Bluse, links rasiert, rechts mit Bart, auf der einen Seite das blonde Haar lang und wellig, auf der anderen kurz geschoren. Hornstein sieht sich als "nicht binär", als Person jenseits der zwei Geschlechter. In Briefen soll keine Anrede "liebe" oder "lieber" die Höflichkeit wahren, und in diesem Text für das ZEITmagazin sollen kein er und kein sie auftauchen. Folgende Formulierungen sind erwünscht: Hat René_Hornstein gesagt, hat die Person gesagt, hat der Mensch gesagt, oder neu ersonnene, uneindeutige Pronomen wie "hen" oder "sier" oder "per" sollen die Person bezeichnen. Hornstein ist Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung der Transmenschen namens Trans* und Dauererklärende(r) – in Ministerien, bei Verwaltungen, auf der Straße. "Wenn ich mich in der Öffentlichkeit bewege, wie ich möchte, also auch geschminkt, mit Absätzen, im Rock, ist das gefährlich. Denn das heißt für mich: ausgelacht, beschimpft und angespuckt zu werden, eigentlich bei jeder U-Bahn-Fahrt", sagt Hornstein. In Berlin hat die Gewalt gegen Schwule, Lesben und Transpersonen nach deren eigenen Angaben im vergangenen Jahr massiv zugenommen. Junge Transmenschen nehmen sich häufiger das Leben als andere Jugendliche. "Wir haben das Selbstbild einer liberalen Gesellschaft, in der Personen so leben können, wie sie wollen. Beides ist falsch." Argentinien, Malta oder Irland seien in der Gesetzgebung viel moderner. Jedes Geburtsregister, das in Jungen und Mädchen einteilt, jedes Formular, das eine Entscheidung zwischen Frau und Mann verlangt, jede Verwaltung, die das Geschlecht nach Aktenlage kategorisiert, so Hornsteins Eindruck, stempelten nicht binäre Menschen als abnorm ab. Erst im Jahr 2011 kippte das Bundesverfassungsgericht die Regelung, wonach sich Personen, die ihr Geschlecht ändern, sterilisieren lassen müssen. Seitdem können auch Menschen, die der Erscheinung nach männlich sind, gebären. "Meine Utopie ist es, irgendwann so, wie ich bin, nicht mehr aufzufallen", sagt René_Hornstein, "und die Rolle als special snowflake, die nicht in der Masse der anderen Schneeflocken verschwinden kann, hinter mir zu lassen."

Wie lange könnte das dauern? Hornstein zuckt mit den Schultern. "Wir haben viel erreicht in den letzten Jahren. Aber wenn ich mir den Populismus ansehe, in den USA, in Polen, auch in Deutschland, fürchte ich mich davor, dass all das wieder verloren gehen könnte." Mit "all das" meint Hornstein zum Beispiel, dass auch Menschen, die in der Grauzone zwischen Mann und Frau wandeln, präsent sind. Die amerikanische Whistleblowerin Chelsea Manning – als Mann geboren, als Soldat namens Bradley berühmt geworden – schickte nach ihrer Haftentlassung Mitte Mai das Foto ihres neuen, weiblichen Ichs um die Welt. Sängerin Miley Cyrus bezeichnet sich als genderfluid, Conchita Wurst siegte beim Eurovision Song Contest. In Transparent erzählt Hollywood im Rahmen einer Familienserie die Wandlung eines Menschen von Papa Mort zu Mama Maura, der von seiner Tochter dann zärtlich Mapa genannt wird. Und der Jugendroman George schließlich ist die klassische Coming-of-Age-Geschichte, allerdings aus der Perspektive eines Transkindes. Erste zaghafte Schritte in Richtung Normalität.

Dann muss Hornstein los, "sier", "hen" oder "per" sind die drei geschlechtslosen Pronomen, die ich nutzen soll. Wenn ich später anderen von dieser Begegnung erzähle, gelingt es mir nie, männliche und weibliche Pronomen ganz zu meiden.

"Wie reagieren Sie, wenn jemandem ein er oder sie rausrutscht?", hatte ich Hornstein gefragt. Antwort: "Das ist schwierig für mich, es ist eine schmerzhafte Situation, eine verletzende Handlung, und ich wünsche mir, dass die Person sich entschuldigt."

Gern. Damit sind wir endgültig an der Hauptfront des Gender-Gefechts angelangt: dem Kampf um die politisch korrekte Sprache. Man muss dem Deutschen nämlich ziemlich Gewalt antun, um ihm die Zweigeschlechtlichkeit auszutreiben. Manche sagen, Sprache sei durabel und dehnbar, andere befürchten, sie könnte unter der Last dieser Anforderung brechen, reißen, zerstört werden. Auf jeden Fall aber wird Sprache unter den Anforderungen vom Werkzeug, das Menschen verbindet, zum Code, der die Zugehörigkeit zum richtigen Milieu bescheinigt. Eine Person, die * (Sternchen) oder _ (Unterstrich) benutzt, die nie stolpert, wenn sie die Buchstabenkombination LGBTIQ aufsagt, und Menschen in Verlaufsformen zwängt, sie zu Radfahrenden und Arbeitenden und Steuerzahlenden macht, gilt also als fortschrittlich. Alle anderen eben nicht. "Kann es denn nicht sein, dass jemand Ihnen zugewandt ist und trotzdem nicht genderneutral spricht?", hatte ich Hornstein gefragt. Die Antwort: Das sei schwer vorstellbar. "Wenn jemand sagt: Liebe Studenten ..., finde ich es ganz schwierig. Dann weiß ich: Die Person hat mich nicht mitgedacht und ist vielleicht sogar eine problematische Person."

Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt, soll Wittgenstein gesagt haben. Andere Länder zeigen sich in Sachen geschlechtsneutraler Sprache flexibler als wir. England zum Beispiel hat die Anrede Mx. (gesprochen Mix oder Max) ersonnen, tauglich für Männer, Frauen und alle dazwischen, und gerade ins Oxford English Dictionary aufgenommen. In Schweden ist hen, als drittes, geschlechtsloses Pronomen, seit zwei Jahren offiziell in den Sprachschatz integriert.
"Alle politische Veränderung funktioniert über Sprache", so formuliert es Lann Hornscheidt, groß, blondes kurzes Haar, Jeans und Kapuzenpulli. Hornscheidt sitzt in der Teeküche des kleinen Berliner Verlages w_orten & meer, der eine Sprache jenseits der Zweigeschlechtlichkeit erschaffen will und manchmal in Happenings alles Männliche und Weibliche aus Büchern und Gedichten tilgt. Auch Hornscheidt will weder als Mann noch als Frau wahrgenommen werden, "ich verstehe mich als entzweigendernd".


Gut 30 Jahre lang hieß Hornscheidt Antje. "Aber ich konnte mich mit den Stereotypen davon, was Weiblichkeit ist, nicht identifizieren. Wusste aber auch: Männlichkeit ist für mich keine Option. Und dann habe ich gedacht: Vielleicht stimmt die Kategorie Geschlecht für mich generell nicht."

Hornscheidt nennt sich nun also Lann und bittet das Gegenüber um "respektvolle Anreden, die nicht Zweigeschlechtlichkeit aufrufen". Dafür schlägt Lann gleich selbst neue Wortformen vor. Vor drei Jahren zum Beispiel lehrte Lann Hornscheidt noch an der Humboldt-Uni und bat, nicht als Professor oder Professorin tituliert zu werden, sondern als Professx. Und peng, brannten wieder tausend Sicherungen durch. Und rauchen noch heute. Journalisten posteten Hornscheidts Foto, versehen mit Altherrenwitzen, im Internet. Kaum ein Kommentar zum vermeintlichen Gender-Wahnsinn kommt ohne das Professx-Beispiel aus. Und seither erhält Hornscheidt Hassmails und hat für all die Beschimpfungen, Morddrohungen und Vergewaltigungsfantasien sogar ein eigenes Postfach eingerichtet. "Manchmal schreiben mir Leute: Ist das schon eine Hassmail? Oder kann ich das noch an Ihre normale Adresse senden?" Hornscheidt lacht, wirkt überhaupt wenig verbittert. "Das wollen sie vielleicht, dass ich frustriert bin und aufgebe. Dafür ist mir mein politisches Ziel aber zu wichtig."

Hornscheidt empfindet die Tatsache, dass sich Menschen ständig einem Geschlecht zuordnen, als Zwang, als Diskriminierung, als Genderismus, vergleichbar mit anderen -ismen wie Sexismus oder Rassismus. "Meine Vision ist, dass wir eine neue Sprache finden. Dass wir Kindern nicht mehr bei Geburt ein Geschlecht zuweisen, sondern sie mit 18 wählen lassen: Möchte ich als Frau oder als Mann wahrgenommen werden oder weder noch? Dann wird das Geschlecht vielleicht zu einer Art Hobby, aber wäre nicht mehr die bestimmende zweite Haut, die Menschen übergestülpt wird."
Das ist das Ziel der Anstrengung? "Ja, und ich glaube, ich werde es noch erleben, dass Geschlecht als Eintrag in den Pass wegfallen wird, dass es nicht mehr bei Geburt zwangszugeschrieben wird." Hornscheidt lehnt sich zurück und sagt: Eigentlich zeige der Hass auf den Professx-Vorschlag, dass die Gegenseite begriffen habe, es wird ernst. "Eine Veränderung hat begonnen und ist nicht mehr aufhaltbar."

Hornscheidt selbst hat mit der Professx-Phase übrigens abgeschlossen und nennt sich jetzt: Prof.ecs – die Schlusssilbe steht für exit gender, "Geschlecht verlassen". Auf der Homepage veröffentlicht Hornscheidt Sprachbeispiele: "Lann ist Lesecs von vielen Romanen. Lann und ecs Freundecs haben ecs Rad bunt angestrichen." (Lann ist Leser/in von vielen Romanen. Lann und ihre/seine Freunde haben ihr/sein Rad bunt angestrichen.) Klingt wie Satire. Ist aber ernst.

Bereits vergangenen Juli persiflierte Steffen Königer, Brandenburger AfD-Landtagsabgeordneter, die geschlechtssensible neue Sprache, als er unter den irritierten Blicken des Präsidiums bei seiner Begrüßung im Plenum 60 Anreden aneinanderreihte: "Sehr geehrte Androgyne, sehr geehrte Bi-Gender, sehr geehrte Frau-zu-Mann" und so weiter – zweieinhalb Minuten lang. 100 000 Menschen haben sich das Video auf YouTube bislang angeschaut. Sehen öffentliche Auftritte in Zukunft so aus? Warum braucht es ein derart gewaltiges Umerziehungsexperiment? Was soll es bringen? Lann Hornscheidt verspricht sich davon ein Mehr an Freiheit: Wir würden uns wieder als Menschen wahrnehmen, so ecs Utopie, nicht als männliche und weibliche Abziehbilder absurder Idealvorstellungen. Klingt wie ein apartes Gedankenexperiment. Aber die meisten Menschen scheinen von dieser Utopie nichts wissen zu wollen. Sie rufen unbeirrt bei Geburt: "Es ist ein Junge!", und herzen das Schwesterchen als Prinzessin.

Darf ich offen sprechen? Auch mir gelingt es bei aller Mühe nicht, Menschen weder als Frau noch als Mann "einzulesen", obwohl Hornscheidt mir das im Gender-Jargon ans Herz legt.

Ich lese zum Beispiel Sphinx, den in den 1980er Jahren erschienenen Roman der Französin Anne Garétta. Es ist die Geschichte zweier Liebender: das lyrische Ich, Anfang 20, am Beginn einer Karriere an der Universität, und A***, zehn Jahre älter, aus New York, Star einer Cabaret-Revue, eine klassische Lovestory von Begehren und Verlust. Allerdings erwähnt Garréta das Geschlecht der Liebenden nie. Sofort versuche ich diesen Leerraum zu füllen, sammle Indizien dafür, dass die beiden ein schwules Paar sind. Viele Rezensenten, so lese ich später, sind sich sicher, es handle sich um zwei Lesben. So treiben die Menschen das Spiel mit den ewigen Kategorien Mann und Frau eben weiter. Ganz reizlos ist das nicht.

Vielleicht wird eines Tages tatsächlich die Prophezeiung der New York Times wahr werden: "In einer Generation", heißt es dort, "wird uns die Einteilung in Geschlechter vielleicht so seltsam vorkommen, wie uns die Rassensegregation von einst heute erscheint." Es würde passen als letzte Evolutionsstufe des hyperindividuellen Menschen. Vielleicht aber auch nicht. Und dabei könnte man es eigentlich belassen.

"Das wäre schön", sagt Patsy auf dem plüschigen Sessel in ihrem Berliner WG-Zimmer. Aber viele in der Szene könnten nicht ertragen, dass die Menschen nicht so weit sind und vielleicht nie sein werden. "Ihre Reaktion ist dann: Wir müssen mit aller Härte gegen diese Menschen vorgehen."

Patsy l’Amour laLove, so ihr vollständiger Name, nennt sich Polittunte. Abends trägt sie ein schwarzes Paillettenkleid, Perücke und rosa Haarreif. Jetzt, an diesem Morgen, erinnern nur die lackierten Nägel an das Frausein. Vor mir sitzt Patrick Henze, Ende 20, schwuler Mann. Aber bleiben wir bei "Patsy" und "sie", das ist Henze lieber.

Patsy lässt sich ins Deutsche übersetzen mit: "Sündenbock". Das passt. Nestbeschmutzer, Verräter, fügen viele aus der Gender-Szene hinzu, schicken Drohfotos, kündigen an, Patsy l’Amour laLove die Perücke vom Kopf zu reißen oder ihr die Zähne einzuschlagen. Es ist derselbe Hass, der auch aus Lann Hornscheidts Postfach quillt, nur erreicht er Patsy von der anderen Seite, aus der "queeren" Szene, wo all die vermeintlich fortschrittlichen Menschen zu Hause sind, die für sich beanspruchen, auf der richtigen, der "guten Seite" zu stehen.
Nun ist Patsy l’Amour laLoves Sünde recht überschaubar: Sie hat ein Buch herausgegeben. Beißreflexe heißt es, und es kritisiert ebenjenes, was sie selbst seit Erscheinen des Buches im Frühjahr nun am eigenen Leibe studieren kann: die totalitären Züge der Szene, in der jeder fertiggemacht wird, der im Verdacht steht, die reine Lehre nicht zu 100 Prozent zu unterstützen.


Drei typische Beispiele:

1. Ein Seminar an der Humboldt-Universität im Fach Genderstudies im Jahr 2016 beginnt mit einer Pronomen-Runde, in der jeder sagt, ob er oder sie mit sie oder er oder lieber neutral angesprochen werden möchte. Später redet ein Student eine gewünschte Sie fälschlich als Er an. Er wird für die nächsten Termine vom Seminar ausgeschlossen und soll – für alle nachlesbar – in einem Google-Dokument sein Vergehen "reflektieren".

2. Im September 2016 soll es in Berlin einen Vortrag zum Thema "Sichtbarkeit von Lesben" geben. Geladen ist auch Sookee, eine Rapperin, die in ihrem Song If I Had a Dick fantasiert, was sie mit einem Penis so alles anstellen würde. Ein derartiges Lied sei eine Beleidigung von Transpersonen, die ihr männliches Geschlecht loszuwerden wünschen, tobt die Szene im Netz. Die Veranstaltung wird abgesagt.

3. Als im Jahr 2013 bei einem Konzert der linken Punkband Feine Sahne Fischfilet in Bielefeld der Schlagzeuger sein T-Shirt auszieht, erzwingen einige, dass der Auftritt unterbrochen wird. Ihr Vorwurf, der sich übrigens bei fast allen Queer-Camps oder Festivals wiederholt: Wenn ein Mann sich oben ohne zeigt, nutzt er schamlos seine Privilegien aus, da von Frauen erwartet wird, ihre Brustwarzen bedeckt zu halten.
In fanatischen christlichen Sekten gibt es Eltern, die ihren Kindern verbieten, Bananen oder Zwieback zu essen, da sie Erstere an einen Penis und Letzterer (die Oberkante!) an eine Scheide erinnern. Erstaunlicherweise scheint die queere Szene ähnlich besessen vom Thema Geschlechter zu sein, obwohl gerade sie vorgibt, diese Kategorien beenden zu wollen.

Die Reihe der Zwangsmaßnahmen und Tugendwächtereien ließe sich endlos fortsetzen. Weiße Feministinnen erzählen mir, dass sie als Rassistinnen beschimpft werden, weil sie die Burka für problematisch halten. Heteropaare, die sich in der Öffentlichkeit küssen, gelten als ekelerregend und dominant. Wer darauf hinweist, dass dem WikiLeaks-Gründer Julian Assange zwar Vergewaltigung vorgeworfen wird, er aber bislang nicht verurteilt ist, wird behandelt, als sei er mitschuldig.

Das alles klingt grotesk, es ist für die Betroffenen selbst aber ein Drama. Nur ein nicht korrektes Wörtchen – und schon rollt die Anschuldigungswalze über den Frevler hinweg. Die vermeintlichen Sünder, erklärt Patsy l’Amour laLove das Prinzip, werden massiv beschuldigt und isoliert. Jeder, der sich nicht vom "Täter" lossage, werde mit fertiggemacht. Patsys sich aufdrängendes Fazit: "Stalinistische und K-Gruppen verhielten sich ähnlich."

"Diese schnelle und harte Verurteilung Andersdenkender, das Unterdrücken offener Diskurse: Mich erinnert das an die Denunziationspraktiken der DDR", sagt auch die Feministin Katrin Rönicke, die – einst Ziel solcher Angriffe geworden – ihren Twitter-Account löschte und sich ein ganz neues Umfeld suchte.

Das alles, so fürchten beide Dissidenten, führt dazu, dass Menschen sich einander nicht mehr neugierig und gutwillig annähern, sondern dem anderen von Anfang an das Schlechteste unterstellen. Und so verschanzt sich die Szene in ihrer Blase, zieht sich in sogenannte Schutzräume zurück, aus denen jeder verwiesen werden kann, der diskriminierender Äußerungen geziehen wird.

Einst sei es die Mission der queeren Aktivisten gewesen, einen Kampf für die Freiheit zu fechten, sagt Patsy l’Amour laLove. Dafür, dass jeder so leben und lieben kann, wie er will. Dieses Ziel sei vielen, die heute von der Unterdrückung und Umerziehung des Menschen träumen, verloren gegangen. "Der Maßstab muss doch das schöne Leben für alle sein", findet Patsy. "Damit muss man doch locken."

Zum Schluss erzählt sie von einer Szene, die klingt wie ein Witz: Sitzt ein Uni-Seminar zur Pronomen-Runde beisammen. "Mein Pronomen ist heute er", sagte einer, "meines sie", ein anderer, "ich bin hen", so geht die Reihe. Dann kommt eine Transfrau dran, gerade in die große Stadt gezogen und noch unerfahren mit dem großen Identitätsding. Sie schaut in die Runde und sagt: "Also, ihr könnt einfach Du zu mir sagen."

Und dann hocke ich noch im Büro von Mari Günther, langes Haar, mit schwarzer Spange hochgehalten, enge Jeans. Glückliche Transfrau soll ich sie nennen, sagt sie, oder Väterin. Auch zu Mari darf man Du sagen, Sie natürlich auch. Nur er bitte nicht, wenn’s geht. Länger sei der Beipackzettel ihres Selbst aber nicht, sagt Frau Günther, zum langen Theoretisieren über Mann oder Frau fehle ihr die Zeit.

Mari Günther berät beim Projekt "Queer Leben" Jugendliche, die zweifeln, ob ihr Geburtsgeschlecht für sie das richtige ist. Der Gesprächsbedarf sei riesig, sagt sie. Sie zeigt auf zwei Zettel an der Wand: "Die sind mein Antrieb." Auf dem einen ist ein Gesprächstermin notiert, den eine junge Frau verlangte, die aber nie aufgetaucht ist. Daneben die Nummer der Mutter mit Rückrufbitte, sie wollte wissen, was in ihrem Kind vorgegangen war. Das Mädchen hatte sich das Leben genommen.

Daneben hat Mari Günther einen kleinen Brief gepinnt. "Lieber Anton", steht da in Schülerschreibschrift. "Herzlichen Glückwunsch zum Namenstag. Dein alter Name Lisa ist jetzt Geschichte. Ich wünsche Dir viel Glück auf Deinem weiteren Lebensweg. Dein Freund Joel." Kinder seien die wahren Buddhisten, sagt Mari Günther. Die meisten reagierten völlig entspannt, wenn ein Mitschüler nun nicht mehr Anton heiße, sondern Lisa. Das sei eine Haltung, die sie auch Erwachsenen empfehle.

Am Ende der Recherche stauen sich in meinen Blöcken tausend Überlegungen zu Mann und Frau, zu Geschlecht und Rollenmustern. Kann die Beraterin Mari Günther, selbst zwischen Mann und Frau wandelnd, helfen, das Dickicht zu durchdringen? Wie ist es denn nun, frage ich zuletzt: Gibt es ein Geschlecht, Frau Günther? "Vor zehn Uhr morgens schon mal gar nicht", antwortet sie. "Und dann kann man sich natürlich über die Tatsache, was an unserem Bild von männlich und weiblich konstruiert und was angeboren ist, nächtelang streiten. Aber ich finde, man kann mit seinen Nächten viel Besseres anstellen."


Hinter der Geschichte

Unsere Autorin kam in Berlin mit dem Thema Geschlecht schon oft in Berührung, aber vor den ersten Interviews für diese Geschichte musste sie das Vokabular der Gender-Szene wie eine Fremdsprache lernen: nonbinär, Transfrau, heteronormativ. Dann folgte die Lektüre einer knapp 300-seitigen Sammlung der größeren Berichte, die von beiden Seiten der Gender-Front in den vergangenen drei Jahren veröffentlicht wurden. Erst dann hat sich Julia Friedrichs in ein knappes Dutzend Gespräche und Begegnungen gewagt.


Mittwoch, 25. Oktober 2017

Transsexual and intersexual - victims of the same ideology /// Transsexuelle und Intersexuelle - Opfer derselben Ideologie

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Wir wiederholen so einiges so auch dieses Forderungen welche vor 4 Jahren gestellt wurden zum großteil Unerhört bleiben!


Queeramnesty Hamburg traf sich kurz vor der Bundestagswahl mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Markus Löning (FDP), um sich zum Thema Menschenrechtsverletzungen an Lesben, Schwulen, Trans, Bi- und Intersexuellen (LGBTI) auszutauschen. Schwerpunkt des Gesprächs war die Menschenrechtssituation intersexueller Menschen in Deutschland.
Die Stellungnahme und die Empfehlungen des Deutschen Ethikrats bestärkten Queeramnesty 2012 in der Erwartung, dass das Thema mit großer Dringlichkeit auch im Rahmen gesetzgeberischer Regelungen im Sinne der Menschenrechte angepackt wird – dies ist aber nicht geschehen. Lediglich eine Änderung im Personenstandsgesetz wurde vorgenommen, die jedoch insbesondere nichts zu der dringend erforderlichen Verhinderung von Operationen an intersexuellen Kindern beiträgt.

Löning verteidigte die Bundesregierung in unserem Gespräch damit, dass die verantwortlichen Ärzte und auch Gesundheitsminister der einzelnen Länder noch zu wenig Einsicht hätten und das Thema insgesamt zu wenig verstünden. Eine gesetzliche Regelung sei nicht geplant, doch grundsätzlich werde sich wohl an die Empfehlungen des Deutschen Ethikrates gehalten.
Die schweren Menschenrechtsverletzungen an intersexuellen Menschen wurden in Deutschland mit dem Deutschen Ethikrat 2012 erstmalig von einer regierungsnahen Institution benannt, anerkannt und dokumentiert. Priorität für die Bundesregierung hatten diese Erkenntnisse nicht. Queeramnesty fordert mit aller Deutlichkeit die fundamentalen Rechte auf Selbstbestimmung, Würde und körperliche Unversehrtheit auch für intersexuelle Menschen!
Amnesty International hat bereits im August einen Forderungskatalog vorgelegt, der sich an die neue Bundesregierung und an die Mitglieder des neuen Bundestages richtet – darin werden auch LGBTI Rechte eingefordert.
Aus anderem Zusammenhang wird deutlich, dass Gesetzeslücken in vielen europäischen Ländern hinsichtlich des Schutzes von LGBTI bestehen. So wird die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität nicht als Tatmotiv für Hassverbrechen anerkannt. Dies geht aus demaktuellen Bericht von Amnesty International „Because who I am. Homophobia, transphobia and hate crimes in Europe“ hervor, der im September in Brüssel vorgestellt wurde. Der Bericht belegt außerdem, dass die heutigen EU-Standards bezüglich Hassverbrechen nicht ausreichen, um homophobe oder transphobe Gewalt wirksam zu bekämpfen und kritisiert dabei auch Deutschland.

Quelltext: http://www.amnesty-hamburg.de/bezirk-hamburg/veranstaltungsberichte/71-forderungen-an-die-bundesregierung-zum-thema-lgbti-und-menschenrechte



Transsexuelle und Intersexuelle - Opfer derselben Ideologie

Viele Menschen sind heute der Ansicht, dass man klar zwischen Intersexualität und Transsexualität unterscheiden muss. Intersexualität wird von diesen Menschen als geschlechtliche Uneindeutigkeit gesehen und Transsexualität als psychische Störung definiert. Dass dabei Transsexualität per Definition als Identitätsstörung angesehen wird, und intersexuelle Menschen genitalen Zwangsoperationen unterzogen werden, hat aber die selbe ideologische Ursache: Die Annahme, dass Geschlechtsidentität anerzogen werden kann, da Geschlecht lediglich ein "soziales Konstrukt" sei. Die Folgen dieser Ideologie sind bis heute massive Menschenrechtsverletzungen - eben bei trans- sowie intersexuellen Menschen.

Um die Hintergünde der Ideologie, die meint man könne das Geschlecht eines Menschen "umwandeln" besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Es war in den 60er Jahren als die Theorie um die "Wandelbarkeit von Geschlecht" in Mode kam, "Gender" als Begriff einstand, und Menschen anfingen zu glauben, dass die geschlechtliche Identität eines Menschen nichts mit der Natur zu haben müsse. Geschlechtsidentität, und damit auch letztendlich das gelebte Geschlecht (gender) wäre, ganz in der Tradition von Sigmund Freuds Psychonanalyse, etwas was nicht von Natur aus existent wäre, sondern erst in der Kindheit entstünde, so die These. Wenn es überhaupt ein körperliches Merkmal gäbe, an dem sich die Identität eines Menschen entwickele, wäre das zwischen den Beinen zu finden: Ein Penis. So die Theorie der Psychoanalyse Sigmund Freuds:

Die infantile Sexualität wird von ihm als polymorph-pervers bezeichnet, womit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass das Kind noch über keine stabile sexuelle Identität verfügt und unterschiedliche Arten des Lustgewinns praktiziert, welche teilweise an sexuelle Devianzen erwachsener Patienten erinnern. Freud postulierte in der Entwicklung der Libido eine orale (1. bis ca. 3. Lebensjahr), eine anale (ca. 3. bis 5. Lebensjahr), eine genitale (5.-7. L.j.), eine Latenzphase, Pubertät und Adoleszenz. [...] In der Adoleszenz werden die unterschiedlichen Partialtriebe schließlich unter das Primat der Genitalität gestellt.
(aus Wikipedia: Psychoanalyse)

Diese Ideologie könnte man mit "Die Psyche folgt der Erziehung und den Genitalien" zusammenfassen. Die Schlussfolgerungen dieser Menschen waren also:

- Geschlecht wäre wandelbar (Man könne aus Männern Frauen machen und aus Frauen Männer)
- Transsexualität sei eine psychische Störung, da sich die Psyche hier nicht analog zu den Genitalien entwickele
- Menschen, die mit uneindeutigen Genitalien geboren werden könne man zuordnen, wenn man ihre Genitalen zuordne und sie richtig erziehe

Man könnte auch sagen, in dieser Zeit wurden zweierlei Grundsteine gelegt, deren Auswirkungen wir heute noch erleben können:

Die erste Auswirkung der psychoanalytischen Geschlechterideologien der 60er-Jahre ist eine Stereotypisierung von Geschlecht. Schliesslich braucht der, der Geschlecht für eine Erziehungssache hält, dazu Stereotype wie z.B. feminine oder maskuline Kleidung, geschlechtsspezifisches Spielzeug, o.ä.. Insofern sind die gesellschaftlich, medial verbreiteten Klischeebilder über das, was ein Mann zu sein hat und wie eine Frau auszusehen hat, Folgen dieser Theorie.

Die zweite Auswirkung der Genderideologien der 60er und frühen 70er-Jahre ist weitaus heftiger, da sie direkte Menschenrechtsverletzungen zur Folge hat: Eine Stärkung phalluszentrierter Geschlechtsdefinition, die Reduktion des menschlichen Geschlechts auf den Penis bzw. das Fehlen des selbigen. Menschen mit uneindeutigen Genitalien begann man in dieser Zeit verstärkt genital zuzuordnen (in der aberwitzigen Annahme der Penis wäre identitätsstiftend), transsexuelle Menschen begann man als "psychisch krank" zu bezeichen - der Begriff "Geschlechtsidentitätsstörung" kam in Mode (Menschen, die sich dem "Gegengeschlecht" zugehörig fühlten, natürlich ausgehend vom genitalen Geschlecht, das kurzerhand zum biologischen erklärt wurde).

Der Link zwischen Intersexuellen und Transsexuellen

Wer auf der Suche nach dem "Missing Link" zwischend den beginnenden Menschenrechtsverbrechen zwischen intersexuellen und transsexuellen Menschen ist, wird beim Genitalverstümmler höchstpersönlich, John Money fündig. John William Money (* 8. Juli 1921 in Morrinsville, Neuseeland; † 7. Juli 2006 in Towson, Maryland) war ein US-amerikanischer Psychologe und Sexologe bekannt für seine Forschungen über Geschlechteridentitäten, Geschlechterrollen (aus Wikipedia). Er etablierte in den 60er Jahren an der Johns Hopkins University in Baltimore genitale Operationen an intersexuellen Kindern. In einem Artikel der FAZ vom 7. September 2006 heisst es:

"Entsprechend propagierte Money die 'Geschlechtsneuzuweisung' als Therapie für intersexuelle Säuglinge. Das bedeutet zunächst einmal chirurgische Eingriffe, zumeist die Entfernung der Hoden. Moneys Auffassung setzte sich weltweit durch - zumal sonst niemand eine Lösung für das Problem anzubieten hatte, schon gar nicht eine derart einfache. Ungezählte Kinder mit Fehlbildungen der Geschlechtsorgane wurden seither operativ, mit Hormongaben und durch Erziehung zu Mädchen umgebildet.

Money wandte seine Theorie der 'psychosexuellen Neutralität' auch auf Transsexuelle an. Unter seiner Leitung wurde am Johns-Hopkins-Krankenhaus die 'Gender Identity Clinic' zur operativen Geschlechtsumwandlung Erwachsener gegründet, die erste der Welt. Sie wurde zum wissenschaftlichen und publizistischen Eisbrecher dieses bald weithin anerkannten Verfahrens. Auch die Gesetzgebung in der westlichen Welt hat sich dem angepaßt. "

Welchen Einfluss John Money auch auf deutsche Medizinstandards sowie die Gesetzgebung hatte, lässt sich in einem Artikel "Der Zeit" von 1970 lesen:

"Im vorigen Jahr hat eines der auf diesem Gebiet erfahrensten Forscherteams einen Sammelband über die vorläufigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Transsexualität und über deren Behandlungsmöglichkeiten vorgelegt (Richard Green, John Money: Transsexualism and Sex Reassignment. The Johns Hopkins Press 1969). Noch in diesem Jahr wird im Enke Verlag, Stuttgart, die deutsche Fassung einer zweiten umfassenden und bisher unveröffentlichten Arbeit erscheinen, die die Ergebnisse sämtlicher am Johns- Hopkins-Hospital in Baltimore/Maryland ausgeführten Einzeltherapien darstellt. "

Interessant ist, was später einmal im selben Verlag erscheinen sollte (Friedemann Pfäfflin, Transsexualität - Beiträge zur Psychopathologie, Psychodynamik und zum Verlauf...Ferdinand Enke Verlag Stuttgart 1993), doch zu den weiteren Folgen der psychoanalytischen Gendertheorie später mehr. Hier zuerst einmal ein weiterer Ausschnitt aus dem Artikel "Der Zeit" von 1970. Er macht deutlich, dass sich später sowohl der deutsche Gesetzgeber an die Ausführungen und Empfehlungen John Moneys gehalten hat (nämlich als das sogenannte Transsexuellengesetz geschaffen wurde), als auch medizinische Standards eingeführt wurden, die direkt auf den Ideen des Genitalverstümmlers aus Baltimore basieren:

"- Der Proband muß 'authentisch' motiviert sein das heißt: Die gegengeschlechtliche Identifikation, nicht jedoch das Geschlecht des gewünschten Sexualpartners oder ein anderer Faktor bestimmmen sein Verlangen.
- Demgegenüber darf ein Patient, der in die Gender Ideritity Clinic aufgenommen wird, kein Kandidat für eine Psychotherapie sein. (Bei 'echten' Transsexuellen versagen sowohl Verhaltenstherapie wie Psychoanalyse wie alle anderen Methoden psychischer Beeinflussung.)
- Keinerlei Hinweise auf eine Geistes- oder Gemütskrankheit dürfen gefunden werden
- Es muß weitgehend ausgeschlossen werden können, daß der Patient nach Abschluß der Behandlung in eine soziokulturelle Krisensituation gerät. Dieses Risiko wird unter anderem dadurch verringert, daß die Probanden zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung schon zwei Jahre ausschließlich oder doch vorwiegend in der neuen Geschlechtsrolle gelebt haben
- Ehen in der alten Geschlechtsrolle müssen vor Beginn der Behandlung gelöst sein."

Auswirkungen auf die deutsche Gesetzgebung und Medizin

Wer sich diese Empfehlungen von John Money aus den 60ern näher betrachtet, wird, sofern er die einschlägige Natur der deutschen Sexologie seit den 70er-Jahren kennt, feststellen, dass hierin doch die Ursprünge liegen, für Behandlungsmethoden, die noch heute, menschenverachtenderweise, ihre Gültigkeit haben. So gibt es heute in Deutschland immer noch sogenannte "Standards of Care" (die hierzulande von der Psychoanalytikerin Sophinette Becker erstellt wurden, einer "Kollegin" von Friedemann Pfäfflin), die z.B. einen Alltagstest ala John Money verlagen und vorschlagen, dass "der Patient [...] das Leben in der gewünschten Geschlechtsrolle mindestens ein Jahr lang kontinuierlich erprobt (sog. Alltagstest)".

Dass die Theorien des John Money offiziell auch in Deutschland breite Unterstützer fanden (und immer noch finden), zeigt sich nicht nur an den zahlreichen Abhandlungen aus der "Sexologie" und "Psychoanylse", die weiterhin behaupten, es gäbe "Geschlechtsumwandlungen", sondern auch der Gesetzgebung. Bis heute gibt es ein Gesetz, welches die Geschlechtszugehörigkeit des Menschen sowohl an der Psyche (den Genitalien folgend), als auch an den Genitalien festmacht, eben ganz nach John Moneys Ideen. Es ist ein Gesetz, welches "Transsexuellengesetz" genannt wurde, aber eigentlich mit dem Namen "Transgendergesetz", besser beschrieben wäre, da hier die Gender-Theorien aus Baltimore ideologische Grundlage auch für dieses Gesetz waren. Es werden in diesem Gesetz nicht nur Gutachten über eine angebliche "psychische Störung", nämlich dem Wunsch dem "Gegengeschlecht" anzugehören (wobei hier wieder das genitale Geschlecht zum biologischen erklärt wurde) verlangt, die bis heute nicht bewiesen wurde, sondern auch die körperliche Annäherung der Genitalien an das "Gegengeschlecht", eine Zwangssterlisationspraxis, um die (natürlich dann eindeutigen) Genitalien wieder zum Mittelpunkt des geschlechtlichen Seins zu erklären.

Zwar mag sich die phallus-zentrierte Geschlechtsdefinition (der eine Teil der Moneyschen Transgender-Logik) langsam ändern, was auch längst überfällig war, wenn man die Auswirkungen dieser Penislogik kennt (wie Zwangssterilisationen bei transsexuellen Menschen und Genitalverstümmelungen bei intersexuellen Menschen), von der anderen, ebenso paradoxen und menschenverachtenden Seite der Money-Logik, wollen sich seine Jünger aber nur allzu ungern trennen: Dass das menschliche Geschlecht eine soziale Konstruktion wäre und "Geschlechtsumwandlungen" daher möglich seien. Die eine Seite einer falschen Geschlechterideologie als "Fehler" einzugestehen, andererseits aber an der anderen Seite festzuhalten, ist aber ein Unterfangen, das zwangsläufig scheitern muss. So schreiben die Nachkömmlinge der Money'schen Schule noch heute folgendes:

In einem Buch von Udo Rauchfleisch (Psychoanalytiker aus der Schweiz): "denn nach wie vor ist spürbar, dass der Trans-Mann kein »wirklicher« Mann und die Trans-Frau keine »wirkliche« Frau ist"
(Transsexualität - Transidentität. Begutachtung, Begleitung, Therapie 2006)

Sophinette Becker (Psychoanalytikerin aus Frankfurt): "Früher hat es mehr Männer gegeben, die Frauen werden wollten..."
(Anfang 2008, ZDF)

Hertha Richter-Appelt (Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung, Juli 2008 im DeutschlandfunkUnd): "ein biologischer Mann sagt, ich bin eine Frau und eine biologische Frau sagt, ich bin eigentlich ein Mann."

Noch deutlicher wird ein Mann, der wie Sophinette Becker in Frankfurt tätig ist:

Bernd Meyenburg (Führt reparative Therapien an homosexuellen und transsexuellen Jugendlichen an der Uni-Klinik in Frankfurt durch): "Sie sehen doch, das Kind hat einen Penis, also ist es kein Mädchen"
(Interview 2008)"

Worunter also transsexuelle Menschen, sowie intersexuelle Menschen tatsächlich zu leiden haben ist eine Geschlechtsdefinition, die entweder offen oder versteckt (aus Angst, zugeben zu müssen auch Moneyaner zu sein), den Phallus eines Menschen in den Mittelpunkt der Geschlechtsdefinition stellt. Dass in Wirklichkeit Menschen aber nicht nur aus einem Penis bestehen, sondern die geschlechtlichen Facetten eines Menschen zahlreich vorhanden und vielfältig in der Ausprägung sind, wäre die grosse Aufgabe, will man die Menschenrechtsverbrechen an Menschen mit geschlechtlichen Besonderheiten endlich beenden. Das Propagieren einer geschlechtlichen Zwischenstufe zwischen "Mann" und "Frau" dagegen - wie es auch bei Ex-Money-Anhängern mittlerweile schick geworden ist - ist lediglich der Versuch weiterhin Geschlecht auf weniger Merkmale zu reduzieren und diese dann als "biologisch" zu etikettieren. Dabei wäre es doch ein einfaches, bei der Realität zu bleiben bzw. zu ihr zurückzukehren.

Geschlecht ist mehrdimensional

Die Besonderheiten der Natur, und gerade das Vorhandensein geschlechtlicher Unterschiedlichkeit, das durch Intersexuaität oder Transsexualität offenbar wird (wie das Wissen darum, dass ein xy biologisch nicht immer zu einem Penis führt - wie bei Pseudohermaphroditismus -  aber das Fehlen eines Penis auch nicht immer ein Mädchen macht - wie bei Transsexualität) sollte doch wahrgenommen werden können. Dass sich das Geschlecht des Menschen dann eben nicht auf einer Linie zwischen Mann und Frau ansiedeln lässt, da Chromosomen eben etwas anderes sind, als die Genitalien oder da das Gehirngeschlecht nichts mit den inneren Geschlechtsorganen zu tun haben muss (was auch klar macht, dass genitale Operationen auch nicht das Geschlecht eines Menschen verändern), ist eine ebenso wichtige Schlussfolgerung aus der Beobachtung von geschlechtlichen Besonderheiten, wie die Tatsache, dass es Nur-Frauen und Nur-Männer daher als biologischer Sicht niemals geben kann. Wer dann, wie die Jünger John Moneys weiter behauptet, man könne Geschlecht umwandeln, obwohl die Existenz von geschlechtlichen Uneindeutigkeiten ja gerade der Beweis dafür sind, dass dies unmöglich ist (was für eine Geschlechtsfacette soll den umgewandelt werden?), muss sich den Vorwurf gefallen lassen, ideologisch verblendete Theorien zu verbreiten, die bis heute Menschenrecht verletzen. Sei es, dass versucht wird, das Geschlecht eines Menschen mit genitalen Operationen (z.B. Genitalverstümmelungen bei intersexuellen Menschen) zuzuordnen, dass Gesetze aufrecht erhalten werden, in denen genau diese Idee der genitalen Geschlechtszuordnung weiter propagiert wird (wie die genitalen Zwangsoperationen, die immer noch im deutschen Transsexuellengesetz verankert sind), aber auch dass Menschen, die das Wissen über ihre biologische Geschlechtszugehörigkeit äussern, als "identitätsgestört" bezeichnet werden können, da dieses Wissen - nach den psychoanalytischen Gendertheorien - nicht zu den Genitalien passen will.

Es gibt keine Geschlechtsumwandlungen - was es gibt, sind Menschen mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen.

Trotzdem existieren in Deutschland immer noch transsexuellen-, transidentitäts- oder transgender-Organisationen, welche sich aber in das Fahrwasser der Gender-Theorien John Moneys begeben. Warum sie das tun, ist ein paradoxes Rätsel der Geschichte, leiden ja gerade transsexuelle Menschen ebenso unter den Geschlechtertheorien der späten 60er-Jahre, wie intersexuelle Menschen. Alleine die psychische Zwangsbehandlung sich als Frau in die Hände eines Psychologen begeben zu müssen, der nach psychoanalytischem Lehrbuch diese Frau als "Mann mit Identitätsstörung" ansehen wird, weil sie mit Penis und Hoden geboren wurde, zeigt auf, in welche paradoxe Situation sich transsexuelle Menschen auch heute noch begeben müssen. Dass hier Transsexuellenorganisationen mitspielen, ist eine der traurigsten Vorstellungen, welche in Deutschland aufgeführt werden. So ist auf einschlägigen Seiten von transsexuellen Gruppierungen u.a. folgendes zu lesen:

"Transsexualität wird oftmals beschrieben als ‚... eine tiefe innere Gewissheit, dem anderen als dem Geburtsgeschlecht anzugehören ...'. Diese Gewissheit besteht oft schon seit frühester Kindheit."

"Fast alle Spezialisten auf diesem Gebiet sehen derzeit den Geschlechtswechsel samt geschlechtsangleichender Operation als einzige Möglichkeit der Linderung an."

"Transfrau ist eine Bezeichnung für Transgender der Richtung Mann-zu-Frau."

""Transsexuelle Menschen können sich nicht mit ihrem angeborenen, biologischen Geschlecht identifizieren, sondern sie wissen und empfinden sich als dem Gegengeschlecht zugehörig. Sie fühlen sich ‚im falschen Körper' und streben eine "Geschlechtsumwandlung" an."

Vielleicht liegt es an der Käuflichkeit der menschlichen Seele, dass es verlockend erscheint, sich auf die Theorien der Sexologie einzulassen und selbst daran zu glauben nicht das zu sein, von dem mensch weiss dass er es ist - eine Selbstverleugnung der einfachen Behandlung willen - wer mitspielt und die Gender-Theorien brav bestätigt, der braucht weniger Menschenrechtsverletzungen befürchten, als nun normalerweise üblich. Anstatt das "normalerweise" näher zu hinterfragen und eine grundsätzliche Kritik zu äussern, wird mitgespielt. Kein Wundern, dass manch intersexueller Mensch, der unter den Folgen genitaler Zwangsverstümmelung zu leiden hat, davon angewidert sein muss, wenn transsexuelle Menschen auch noch sich selbst für verrückt erklären um dann im gleichen Atemzug zu behaupten, dass "Geschlechtsumwandlungen" möglich wären.

Die Geschlechtsumwandlungs-Lüge

Wären "Geschlechtsumwandlungen" tatsächlich möglich, hätten wir nicht die fatalen Folgen genitaler Zwangszurodnungen - Menschen die sich plötzlich ganz und gar nicht so "fühlen" wollen, wie ihre genitale Zuordnung. Zu Recht fordern die meisten Intersexuellen-Organisationen auch deswegen einen Stopp derartiger Verstümmelungspraktiken und eine deutliche Nennung der Täter. Dies wird aber nur gelingen, wenn nicht nur die auführenden Operateure (die oft nur auf Anweisung von Psychologen ihren Job verrichten) auf der Anklagebank sitzen, sondern vorallem diejenigen, welche das ideologische Gedankengebäude errichtet haben, das solche Zwangszurodnungen erst ermöglicht hat. Jedem Menschenrechtler sollte daran gelegen sein, die Täter zu benennen, diejenigen zu "outen", die bislang unbehelligt an ihren Schreibtischen Texte für ihre Bücher entwerfen konnten, in denen von "Geschlechtsumwandlungen", "psychosexueller Neutralität" bzw. "psychosexueller Entwicklung" und "Geschlechtsidentitätsstörungen" gefaselt wird. Wer behauptet, dass das Geschlecht eines Menschen änderbar wäre, darf sich hier mitschuldig fühlen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Auflistung von Autoren, welche am sogenannten "International Journal for Transgenderism" mitgeschrieben haben. Hierzu gehörten, neben dem Herausgeber "Friedemann Pfäfflin" in Ulm auch, und so erstaunlich ist das nicht, John Money höchstpersönlich. Weitere Verbindungen nach Deutschland zeigen sich auch in folgendem Wikipedia-Eintrag:

"[John Money]...wurde 2002 von der Deutsche Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung, für die er arbeitete, mit der Magnus-Hirschfeld-Medaille ausgezeichnet."

Man mag ja fast fragen, für was er diese Medaille erhalten hat. Eine ebenso spannende Verbindung gibt es zu Volkmar Sigusch, einem der berühmtesten Sexologen Deutschlands. Dieser hatte 1973 zusammen u.a. mit John Money die sogenannte "International Academy for Sex Research" gegründet, deren aktueller Vorsitzender Eli Coleman ist, der zuvor bei der Organisation Präsident war, bei der auch schon Friedemann Pfäfflin Vorsitzender sein durfte: Der ehemaligen "Harry Benjamin International Gender Dysphoria Assoication, Inc.", die sich heute WPATH - "World Professional Association for Transgender Health" nennt. Volkmar Sigusch war derjenige welche, der in den 70er Jahren massgeblich an den Formulierungen des Transsexuellengesetzes mitgearbeitet hatte, Friedemann Pfäfflin derjenige, der sich stark dafür machte, den Begriff "Transsexualität" noch konsequenter durch den Begriff "Geschlechtsidentitätsstörung" zu ersetzen. Friedemann Pfäfflin ist aktuelle Mitglied des "Gender Identity Disorders Subcommittee" der APA, der American Psychiatric Association, die im Jahr 2012 eine neue Definition für "Geschlechtsidentitätsstörungen" erstellen will. Man darf nicht annehmen, dass sich die Moneyschen Jünger aber bereit ihre Fehler eingestehen. So streitet Pfäfflin weiterhin ein mehrdimensionales Geschlechterbild ab, und reduziert, ganz Psychoanalytiker, das Geschlecht des Menschen letztendlich doch wieder auf wenige Merkmale. In dem Buch "Sexualitäten" (von 2008) führt Pfäfflin auf, wie er und Kollegen einem Aufruf der englischen Organisation GIRES, biologische Tatsachen zu akzeptieren (wie die Angeborenheit von Transsexualität), nicht gefolgt ist, welche geschafft hat, im Vereinten Königreich zu weitreichen Menschenrechtsverbesserungen zu kommen (Gender Recognition Act):

"Richard Green (2006), ein früherer Mitarbeiter von Robert Stoller, Gründer und langjähriger Herausgeber der Archives of Sexual Behavior, die das offizielle Organ der International Academy of Sex Research sind, Ken Zucker (2006), der derzeitige Herausgeber dieser Fachzeitschrift, und ich (Pfäfflin 2006b) sind der Aufforderung, dieses Manifest zu unterzeichnen, nicht gefolgt, sondern haben kritische Kommentare geschrieben, worauf die Gender Identity Research and Ed-ucation Society (2006b) wiederum eine Entgegnung formulierte."

Interessant sind wieder die Namen, die hier auftauchen: So steht hier wieder etwas von "der International Academy of Sex Research" (siehe: Volkmar Sigusch), aber auch Namen wie Ken Zucker, einem offen agierenden Money-Jünger, tauchen auf, einem kanadischen Psychologen, der reparative Therapien an transsexuellen Kindern durchführt und meint, dass "geschlechtsuntypisches Verhalten" geheilt werden könne - ausgehend davon, dass die Genitalien eines Menschen natürlich wieder einmal im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Besser kann das dann, auch wenn das Zitat weiter oben schon einmal aufgetaucht ist, ein Freund Zuckers ausdrücken, der Frankfurter Bernd Meyenburg:

"Sie sehen doch, das Kind hat einen Penis, also ist es kein Mädchen" (2008)

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Zusammenhänge zwischen den Theorien John Moneys und der psychoanalytisch geprägten Sexologie nicht nur auf ein paar Figuren reduziert werden kann, sondern sich zahlreiche Professoren und Professorinnen in Deutschland an der Weiterverbreitung dieser Ideologien beteiligt haben, weitgehend unbehelligt und ohne, dass hier eine grosse Öffentlichkeit bereits wahrgenommen hätte, welche Schattenseiten die sexuelle Revolution der 60er hervorgebracht hat - eine Phalluszentriertheit im Denken, das Verstärken von Geschlechtersterotypen und letztendlich massive Menschnrechtesverletzungen an intersexuellen und transsexuellen Menschen. Am dringensten wäre es, die Menschenrechtsverletzungen zu beenden - die gesellschaftlichen Auswirkungen die sich aus einer offenen Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Moneyschen Gendergeneration ergeben, können nur positiv sein - auch bei den Menschen, die "lediglich" von einer geschlechtssterotypen Gesellschaft betroffen sind, und bislang nicht befürchten mussten, genitalverstümmelt oder zu psychisch krank erklärt zu werden. Es möge die Aufklärung beginnen.

Wikipedia:

John William Money (* 8. Juli 1921 in Morrinsville, Neuseeland; † 7. Juli 2006 in Towson, Maryland) war ein US-amerikanischer Psychologe und Sexologe bekannt für seine Forschungen über Geschlechteridentitäten, Geschlechterrollen. Er wurde 2002 von der Deutsche Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung, für die er arbeitete, mit der Magnus-Hirschfeld-Medaille ausgezeichnet.

Der gebürtige Neuseeländer Money migrierte 1947 in die Vereinigten Staaten und studierte an der University of Pittsburgh Psychologie. Er erwarb 1952 seinen Doktor der Psychologie an der Harvard-Universität. Er war in den 1950ern kurz verheiratet und hatte keine Kinder. Money war Professor für medizinische Psychologie an der Johns-Hopkins-Universität von 1951 bis zu seinem Tod.

Money war einer der ersten, die wissenschaftlich zu beweisen versuchten, dass Geschlecht nur erlernt sei, er war einer der Pioniere der Gender-Theorie. Money unterzog 1967 den knapp zwei Jahre alten Jungen Bruce Reimer einer Geschlechtsumwandlung, dessen Penis zuvor bei einer Beschneidung (versehentlich) verstümmelt worden war. Das Experiment lief jedoch aus dem Ruder: Schon als kleines Kind riss sich Brenda, wie Bruce nun hieß, die Kleider vom Leib, um Mädchenspielzeug machte sie einen weiten Bogen. Als Brenda mit 14 erfuhr, dass sie als Junge auf die Welt gekommen war, ließ sie die Geschlechtsumwandlung rückgängig machen. Im Frühjahr 2004 erschoss sich Bruce Reimer. Sein Zwillingsbruder starb zwei Jahre zuvor, es gibt Vermutungen, wonach er Selbstmord begangen haben soll, weil er die Leiden seines Bruders nicht mehr ertrug.

Trotz des Fehlschlags diente der "John/Joan-Fall" einem Teil der Frauenbewegung als wissenschaftlicher Beleg für die Thesen des Gleichheitsfeminismus. So schrieb Alice Schwarzer 1975, dass "die Gebärfähigkeit auch der einzige Unterschied ist, der zwischen Mann und Frau bleibt. Alles andere ist künstlich aufgesetzt." Das Experiment Money würdigt sie als eine der "wenigen Ausnahmen, die nicht manipulieren, sondern dem aufklärenden Auftrag der Forschung gerecht werden" ("Der kleine Unterschied", 1975, Seite 192f).


Ergänzung:

In dem deutschen Verlag, in welchem die Ideologien John Moneys Platz finden konnten, dem Enke Verlag, erschien zuvor auch ein anderes Werk. Es ist eine Abhandlung der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung, unter dessen Federführung das deutsche Transsexuellengesetz entstand:  

Tabelle 1939Bürger-Prinz, H., Albrecht, M., & Giese, H.: Zur Phänomenologie des Transvestitismus bei Männern. Beit. Sexualforsch., Stuttgart, F. Enke Verlag, 1953, No. 3.

Wer aber war Bürger-Prinz?

Hans Bürger-Prinz (* 16. November 1897 in Weinheim; † 29. Januar 1976 in Hamburg) war ein deutscher Psychiater.

Bürger-Prinz wurde 1931 Oberarzt der Universitätsnervenklinik in Leipzig, trat 1933 in die NSDAP und die SA ein und war zudem Mitglied im NS-Lehrerbund, NS-Ärztebund und im NS-Dozentenbund und Mitglied einer Kommission der Reichsstelle für deutsches Schrifttum. Nebenbei war er ehrenamtlicher Richter am Erbgesundheitsgericht.
[...]
1949-51 war Bürger-Prinz weiterhin Hochschullehrer und Klinikleiter. Er war an der Errichtung einer Forschungsstelle für menschliche Erb- und Konstitutionsbiologie beteiligt und seit 1950 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung.
(wikipedia)

Was war das Erbgesundheitsgericht?

Die Erbgesundheitsgerichte wurden im Deutschen Reich durch das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 eingeführt. Sie entschieden in äußerlich rechtsförmig gestalteten Verfahren über (Zwangs-)Sterilisationen (vermeintlich) Kranker und waren damit Werkzeug zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Rassenhygiene, die den Menschen zum bloßen Objekt staatlicher Verfügungsgewalt herabwürdigte. Bis Mai 1945 wurden aufgrund der Beschlüsse der Erbgesundheitsgerichte etwa 350.000 Menschen zwangssterilisiert.

Da verwundert es kaum, dass es in Deutschland bis 2011 noch ein Gesetz wie das Transsexuellengesetz gab, welches Zwangssterilisationen an transsexuellen Menschen forderte. Die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung beeinflusst immer noch Politik und Justiz, insbesondere in der Ansicht, wie mit transsexuellen Menschen zu verfahren sei. So gibt es immer noch richterliche Begutachtungen transsexueller Menschen, die an die Behandlung homosexueller Menschen in den 40er-Jahren erinnern, in der wie Transsexualität heute, Homosexualität für "widernatürlich" gehalten wurde.

So wird heute behauptet, transsexuelle Menschen seien "biologisch" un-echt und es handele sich bei Transsexualität um einen Wunsch (in einer Geschlechtsrolle leben zu wollen), der begutachtet werden müsse. Ähnlich wie beispielsweise 1944 noch "Lebensführung" und "Gesamtpersönlichkeit" eines homosexuellen Menschen vor Gericht begutachtet wurde (aus: Homosexualität in der NS-Zeit, Günter Grau, Fischer Verlag Frankfurt 2004), geschieht dies heute bei transsexuellen Menschen immer noch. So meinte das Bundesverfassungsgericht Anfang 2011 noch, dass man von transsexuellen Menschen gesetzlich fordern könne, als Voraussetzung für die Korrektur von Papieren, sich in "Kleidung, Aufmachung und Auftretensweise" zu zeigen, die ein Gerichtsgutachter für angemessen genug erachtet (Bundesverfassungsgericht 2011, - 1 BvR 3295/07 -). Das Kapitel der Menschenrechtsvebrechen an Menschen mit geschlechtlichen Abweichungen scheint in Deutschland (leider) immer noch nicht abgeschlossen.



Amnesty: Genitaloperationen an intersexuellen Kindern verstoßen gegen Menschenrechte


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Amnesty: Genitaloperationen an intersexuellen Kindern verstoßen gegen Menschenrechte
Kinder, die mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen zur Welt kommen, werden immer noch oft einer frühen „Geschlechtsangleichung“ unterzogen. Das verstößt nach Ansicht von Amnesty International gegen Menschenrechte und kann bei den Betroffenen zu langfristigen körperlichen und seelischen Schäden führen.

Als intersexuell werden Menschen bezeichnet, die aufgrund ihrer Chro­mosomen und / oder ihrer inneren und äußeren Geschlechtsorgane nicht eindeutig einem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugeordnet werden können. In Deutschland sind schät­zungs­­weise 80.000 Menschen be­troffen. Viele davon werden auch heute immer noch im Kindealter operiert. Doch dabei handelt es sich um eine Menschenrechtsverletzung, kritisiert jetzt Amnesty International. Einem aktuellen Bericht der Organisation zufolge sind die unumkehrbaren Eingriffe häufig mit langfristigen Schäden für Körper und Seele der Betroffenen verbunden.

Operationen können körperlich und seelisch negative Folgen haben


Für den Bericht hat Amnesty Interviews mit Betroffenen, ihren Familienmitgliedern, Medizinern und anderen Experten durchgeführt. Dabei wurde häufig von wiederkehrenden Schmerzen und psychischen Belastungen berichtet. Nicht selten haben Operationen auch eine eingeschränkte Empfindungsfähigkeit zur Folge. „Werden diese Behandlungen ohne akute medizinische Notwendigkeit vorgenommen, verstoßen sie gegen internationale Menschenrechtsstandards wie die Rechte auf Gesundheit und auf Selbstbestimmung“, erklärt Maja Liebing, Expertin für die Rechte von intergeschlechtlichen Menschen bei Amnesty International in Deutschland.

Die Bundes­ärzte­kammer (BÄK) hatte bereits 2015 eine Stellungnahme zur „Disorders of Sex Development“ (DSD) veröffentlicht. Die BÄK forderte damals, dem Recht auf Selbstbe­stim­m­ung und dem „Recht auf eine offene Zukunft“ der Kinder mehr Platz einzuräumen. „Wir brau­chen in unserer Gesellschaft mehr Verständnis für Menschen mit seltenen Vari­anten/Störungen der Geschlechts­entwicklung“, hatte BÄK-Vorstands­mitglied Heidrun Gitter bei der Veröffentlichung der Stellungnahme erklärt.

Auch der Deutsche Ethikrat hatte 2012 festgestellt, dass irreversible medizinische Maßnahmen zur Geschlechtszuordnung einen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit darstellen. Um es für Betroffene leichter zu machen, eine Entscheidung für ein bestimmtes Geschlecht zu einem späteren Zeitpunkt ihres Lebens zu treffen, wurde im November 2013 auch das Personenstandsgesetz geändert: Seitdem kann der Geschlechtseintrag im Geburtsregister bei Neugeborenen mit uneindeutigem Geschlecht offenbleiben.

 Kinder über ihre Situation aufklären


Experten empfehlen, die betroffenen Kinder möglichst früh, aber altersgerecht über ihre Situation aufzuklären. Das Problem ist jedoch, dass selbst die Eltern intergeschlechtlicher Kinder meist nur geringe Informationen bekommen. „In der Praxis empfehlen Ärztinnen den Eltern häufig Genitaloperationen, um die Kinder zu 'normalisieren'. Dabei werden die Eltern nur unzureichend über Methoden und Folgen der Operation informiert oder psychologisch unterstützt“, so Amnesty-Expertin Liebing. „Jede Behandlung sollte, wenn möglich, aufgeschoben werden, bis das Kind die Reife besitzt, um über seinen Körper mitzuentscheiden“, erklärt sie weiter.

Nach Ansicht von Amnesty International existieren schon gute Leitlinien zum Umgang mit Intersexualität. Doch sie müssten auch verbindlich gemacht werden, fordert die Organisation. Nur so könne sichergestellt werden, dass mit Ausnahme von Notfällen keine Eingriffe durchgeführt werden.





Studie zur Intersexualität: Wenn das Neugeborene weder Mädchen noch Junge ist
Schätzungsweise eines von 4.500 Kindern wird mit „uneindeutigen“ Geschlechtsmerkmalen geboren. Wissenschaftler untersuchen jetzt, wie es in Deutschland um die Versorgung von Familien mit intersexuellen Kindern steht.

Ist es ein Junge oder ein Mädchen? Üblicherweise liegt die Antwort auf der Hand. Doch manchmal lässt sich die Frage nicht so eindeutig beantworten. Schätzungsweise eines von 4.500 Kindern wird mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen geboren. Intersexuelle Körper weisen Ähnlichkeiten mit beiden, dem männlichen wie weiblichen, Geschlechtern auf und werden deshalb auch „zwischengeschlechtlich“ genannt. Wie gut betroffene Eltern in Deutschland beraten und unterstützt werden, untersuchen jetzt Wissenschaftler von der Bochumer Ruhr-Universität in einer Studie. Ziel der Studie ist es, Stärken und Schwächen der real praktizierten Medizin im Fall von intersexuell geborenen Kindern zu identifizieren. Dazu führen die Gender-Wissenschaftler um Prof. Dr. Katja Sabisch Interviews mit Eltern intersexuell geborener Kinder durch, die seit 2010 in Nordrhein-Westfalen zur Welt gekommen sind. Außerdem befragen sie Ärztinnen und Ärzte, welche Maßnahmen sie bei Geburt eines betroffenen Kindes ergreifen.

 
Geschlechtsumwandlung wird immer noch praktiziert


„Betroffene erfahren oft großes Leid“, sagt Prof. Sabisch. „Deshalb wollen wir die Versorgungsqualität prüfen und Schwachstellen identifizieren.“ Eine Hamburger Studie hatte 2007 bereits gezeigt, dass viele Intersexuelle mit ihrer Situation und der Behandlung in Kliniken äußerst unzufrieden sind. Aus Sicht von Experten wird das Leid durch geschlechtszuweisende Operationen im frühen Kindesalter oder medikamentöse Behandlungen noch verstärkt. Behandlungen dieser Art würden meist ohne Aufklärung vorgenommen und seien rechts- und menschenrechtswidrig, kritisiert etwa der Bundesverband Intersexueller Menschen.

Seit 2013 darf das Geschlecht im Geburtsregister offen bleiben


Geschlechtszuweisende Operationen bei intersexuellen Kindern werden seit den 1970er Jahren praktiziert und sind auch heute noch gang und gäbe. Dabei stellte der Deutsche Ethikrat 2012 fest, dass irreversible medizinische Maßnahmen zur Geschlechtszuordnung einen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit darstellen. Kurz darauf sprach sich die Gesundheitsministerkonferenz der Länder auf Initiative der nordrhein-westfälischen Landesregierung dafür aus, die Empfehlungen des Deutschen Ethikrates zur Intersexualität aufzugreifen und geeignete Maßnahmen zu entwickeln, um die Diskriminierung und das damit verbundene schwere Leid der Betroffenen zu beenden. In diesem Zusammenhang damit steht auch die seit dem 1. November 2013 gültige neue Vorschrift im Personenstandsgesetz: Seither kann der Geschlechtseintrag im Geburtsregister bei Neugeborenen mit „uneindeutigem“ Geschlecht offen bleiben.

Die Studie „Intersexualität in NRW. Eine qualitative Untersuchung der Gesundheitsversorgung von zwischengeschlechtlichen Kindern in Nordrhein-Westfalen“ wird vom Landeszentrum Gesundheit NR unterstützt.

Das Menschliche

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