Montag, 7. Mai 2018

Normality does not exist Of sense and nonsense of normative categories /// Die Normalität gibt es nicht Von Sinn und Unsinn normativer Kategorien


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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2018
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Von Sinn und Unsinn normativer Kategorien

Die evangelische Kirche hat eine Handreichung herausgegeben: Transsexualität in der Kirche.
Gerhard Schreiber ist einer der Autoren. Ich kenne das Thema Transsexualität nur aus den Medien. Deshalb will ich, jetzt im Gespräch mit dem Experten erst mal wissen: Was heißt das eigentlich: Transsexualität?

Also Transsexualität ist ein Begriff erstmal, der einen bestimmten Sachverhalt beschreibt. Der Sachverhalt lässt sich wie folgt relativ einfach fassen: dass die geschlechtliche Selbstwahrnehmung eines Menschen nicht seinem oder ihrem bei der Geburt zugewiesenem Geschlecht entspricht.

Das Menschen aufgeteilt sind in Männer und Frauen ist eine gesellschaftliche Grundfeste, scheint mir. Als Kind habe ich Vater, Mutter, Kind gespielt. Und im Sportunterricht ging es oft Jungs gegen Mädchen. Da war an etwas dazwischen nicht zu denken. Aber gerade um die dazwischen geht es dem Theologen:

Kategorien, das kann man sich wie so eine Stuhlreihe denken. Man hat verschiedene Stühle, man kann darauf Platz nehmen, wenn man sich damit identifiziert mit dieser Position im wahrsten Sinne des Wortes. Aber was sind die, die zwischen den Stühlen sitzen?

Und das sind gar nicht so wenige, die da zwischen den Stühlen sitzen.

Also wenn man neuste Schätzungen zugrunde legt gibt es allein in Deutschland (…) mehr als einhunderttausend Menschen. Und sich das mal deutlich zu machen: in etwas so viele Postbotinnen und Postboten gibt es in Deutschland.

Kategorien helfen die Wirklichkeit zu ordnen. Große Dinge und kleine Dinge, Pflanzen und Tiere, wahr und falsch oder eben Mann und Frau. Daran ist erst einmal nichts auszusetzen. Problematisch wird es erst, wenn die Grenzen zwischen den Kategorien zu starr werden. Und: wenn diejenigen ausgeschlossen werden, die sich keiner Kategorie eindeutig zuordnen wollen oder können. Das trifft gerade auch auf die geschlechtliche Identität von Menschen zu. Gerhard Schreiber hat eine Vorstellung davon, wie es besser gehen könnte.

Ich glaube, dass die Rede von Mustern geschlechtlicher Vielfalt ein Weg wäre, diese starren Schubladen etwas aufzuweichen.

Muster bilden die Vielfalt der Natur besser ab als Kategorien, weil sie fließende Übergänge erlauben. Ich stelle mir das vor wie auf einer Farbpalette: da gibt es z.B. unzählige Arten von Rot. Im Übergang zu den anderen Farben entsteht ein Muster, aber kaum jemand kann genau sagen, wann die eine Farbe aufhört und die andere anfängt. Da ist viel Platz für das dazwischen. Ich finde die Vorstellung befreiend, dass es zwischen Mann und Frau einen ähnlich fließenden Übergang gibt. Gerhard Schreiber meint: auch in der Bibel kann man diese Vorstellung finden.
Die Vielfalt der Schöpfung:
Gott schuf sie männlich und weiblich, aber in Christus ist weder Mann noch Frau.

Der Theologe Dr. Gerhard Schreiber hat im Auftrag der evangelischen Kirche gemeinsam mit anderen Autoren und Autorinnen eine Handreichung zum Thema Transsexualität erarbeitet. Im Gespräch spürt man, wie wichtig ihm das Thema ist. Für ihn berührt es den Kern seines Glaubens:

Die Botschaft Jesu Christi, das Evangelium Jesus Christi gilt allen Menschen. Kirche ist für mich in ihrem Wesen inklusiv, alle Menschen in ihrer je eigenen Individualität einschließend. Unbesehen sozialer, geschlechtlicher, nationaler Tatsachen und Unterschiede.

Für Gerhard Schreiber ist klar: Kirche sollte offen sein für alle Menschen. Auch für die, bei denen die geschlechtliche Selbstwahrnehmung und das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht nicht übereinstimmen. Ich habe die Lutherübersetzung der Schöpfungsgeschichte im Ohr. Im ersten Buch Mose heißt es da: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn und schuf sie als Mann und Weib.“ Spricht das nicht dagegen?

Der hebräische Text ist da wesentlich uneindeutiger. Im hebräischen Original heißt es schlicht: Gott schuf sie männlich und weiblich. Und da wird deutlich, dass dieser Text (…) weniger im Sinne einer normativen Festlegung zu verstehen ist, als vielmehr eine Beschreibung verschiedener Merkmale, die uns alle betrifft.

Was bedeutet es, dass Menschen nach dem Bilde Gottes geschaffen sind? Um diese Frage geht es. Wieso sollte sich Gott derart auf zwei Geschlechter beschränken, wo er doch unendlich ist? Obwohl das ganz aktuell klingt und irgendwie nach Zeitgeist, haben sich schon die ersten christlichen Theologen damit beschäftigt. Und überraschende Schlüsse gezogen:

In der Auslegungstradition der ersten vier Jahrhunderte (…) gab es immer wieder Theologen (…) die überlegt haben: wie kann ich denn die Aussage im selben Satz: er schuf sie zum Bilde Gottes, wie kann ich das vereinbaren mit diesem Nachsatz: er schuf sie männlich und weiblich. (…) Entscheidend ist die erste Aussage (…) also die Gottebenbildlichkeit des Menschen, die den Menschen als solchen betrifft.

Gott verbindet sich mit den Menschen unverbrüchlich. Nach jüdisch/christlicher Vorstellung ist uns diese Verbindung in die Wiege gelegt. Jede und jeder von uns spiegelt ein Stück von Gott. Und da gibt es keine Ausnahme, das macht Gerhard Schreiber ganz deutlich.

Die Gotteskindschaft ist nun mal nicht abhängig von sozialen oder biologischen Tatsachen. Das ist ja gerade das Spannende, das Polemische, das Revolutionäre am Evangelium: Unterschiede überwinden zu wollen, Ausgrenzung zu beenden und alle Menschen als Kinder Gottes (…) anzusprechen.






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