Freitag, 11. Mai 2018

Transsexualität, Transgender, Transident... Alles dasselbe?


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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2018
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Transsexualität entsteht schon im Mutterleib

In den letzten zwanzig Jahren hat die Wissenschaft eine neue Ära in den Bemühungen eingeleitet, transsexuelle Menschen besser zu verstehen. Auf der Grundlage neuester neuro- und biowissenschaftlicher Erkenntnisse wird Transsexualität nunmehr als angeboren betrachtet.
Transsexuelle Menschen besitzen ein tiefes inneres Wissen, zu welchem Geschlecht sie wirklich gehören, unabhängig davon, welches Geschlecht ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde und wie z.B. ihre Genitalien ausgeprägt sind. Die Genitalien sind daher in diesem Fall in gewisser Weise geschlechtlich „diskrepant“ zum Gehirn, der Geschlechtskörper ist insgesamt durch Inkongruenz charakterisiert.

Das explizite Bedürfnis der Betreffenden nach Angleichung von Körper und Lebensweise an dieses bestimmende „Hirngeschlecht“ wird aus heutiger Sicht als natürlich und intersubjektiv gutnachvollziehbar betrachtet. Dieser durch die neurobiologische Forschung ausgelöste Paradigmenwechsel ist mit Entpsychiatrisierung und Entpsychopathologisierung von Transsexualität verbunden. Mit anderen Worten: Transsexualität als biologische Variante ist keinepsychische Störung, sondern ein typisches Muster innerhalb der individuellen geschlechtlichen Vielfalt (Joan Roughgarden) „im Grenzgebiet von Genetik, Biologie und Neurowissenschaft bzw. Neuropsychologie mit einer Leiden verursachenden Symptomatik“ (Horst-Jörg Haupt).

Weitgehend unbeeindruckt von diesem wissenschaftlichen Stand der Dinge zeigen sich bislang Theologie und Kirchen.

Die gründliche, insbesondere systematisch- und praktisch-theologische Reflexion von Transsexualität im Interesse eines veränderten Umgangs mit transsexuellen Menschen als Teil nicht nur der Gesellschaft, sondern auch der kirchlichen Gemeinschaft ist ein dringendes Desiderat, das die Konferenz zumindest ansatzweise beheben möchte.

Lange ging man davon aus, dass Transsexuelle einen unausgeglichenen Hormonhaushalt haben. Das haben Forscher nun widerlegt. Transsexuell werde man bereits geboren, betonen sie.
Sieben Jahre sind Transsexuelle im Schnitt alt, wenn sie bemerken, dass sie mit dem „falschen“ Geschlecht geboren wurden. Dass der Grund dafür in einem Ungleichgewicht der Sexualhormone liegt, konnten Forscher nun widerlegen: Der Hormonspiegel transsexueller Menschen ist unauffällig und passt zu ihrem biologischen Geschlecht, schreiben sie im Fachmagazin „Journal of Adolescent Health“. Die Wissenschaftler des Transyouth-Zentrums in Los Angeles untersuchten Daten von 101 jugendlichen Transsexuellen.

„Wir konnten mit der rückständigen Annahme aufräumen, dass Transsexualität durch ein Hormonungleichgewicht hervorgerufen wird“, sagt Erstautorin Johanna Olsen. Für den Hirnforscher Georg Kranz von der Medizinischen Universität Wien passt dieses Ergebnis gut ins Bild. Schließlich gehe man mittlerweile davon aus, dass sich die Anlagen zur Transsexualität bereits im Mutterleib bilden und nicht umkehrbar sind.
„Die geschlechtliche Prägung des Körpers – und damit auch die späteren Hormonwerte – und die des Gehirn geschehen zeitlich versetzt während der Schwangerschaft.“ Werde im ersten Drittel der Schwangerschaft viel Testosteron und gegen Ende weniger ausgeschüttet, könne ein biologischer Mann mit weiblicher Prägung entstehen.

Outing mit rund 17 Jahren

Die US-Studie skizzierte auch die Lebensweise der Betroffenen: Unter den Transmännern – körperliche Frauen mit männlicher Identität – gaben 94 Prozent an, ihre männliche Geschlechterrolle bereits auszuleben. Bei den Transfrauen – körperliche Männer mit weiblicher Identität – galt dies nur für etwas mehr als die Hälfte.

Im Schnitt hatten sich die Probanden mit 17,1 Jahren geoutet, rund zehn Jahre nachdem sie realisierten, im falschen Körper zu leben. Zehn Prozent der Teilnehmer schrieben sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zu.

Die oft schwierige Situation von Transsexuellen hinterlässt Spuren. Sowohl Übergewicht als auch Drogenmissbrauch kamen überdurchschnittlich oft vor, schreiben Olsen und ihre Kollegen. Die Teilnehmer klagten drei bis vier Mal so häufig über Depressionen wie andere Jugendliche.

Eine Identitätskatastrophe

Über die Hälfte hatte bereits an Selbstmord gedacht. Gerade in der Pubertät komme es mit der Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale oft zur persönlichen Krise, sagte Kranz.
„Wenn man das Gefühl hat, eine Frau zu sein, aber in einem männlichen Körper gefangen ist, dann ist das eine absolute Identitätskatastrophe.“ Der Leidensdruck der Betroffenen sei enorm.
Die US-Forscher planen nun weitere Untersuchungen zur Sicherheit und Wirksamkeit von klinischen Eingriffen. So gibt es beispielsweise Hormontherapien für Transsexuelle, die bestimmte äußere Geschlechtsmerkmale beeinflussen sollen.
Olson hat ein erklärtes Ziel: „Ich will, dass Jugendliche mit einer anderen Geschlechtswahrnehmung nicht nur überleben, sondern sich ganz selbst verwirklichen können.“

Insbesondere transsexuellen Frauen wird - gerade aus feministischen Kreisen - oft abgesprochen, "echte" Frauen zu sein. Sie sehen in transsexuellen Frauen eine Gefahr für die Gleichberechtigung oder der Weiblichkeit an sich. Warum diese Gefahr nicht besteht und sogar im Widerspruch zu den wesentlichen feministischen Zielen steht, möchte ich hier erläutern.

Transsexualität, Transgender, Transident... Alles dasselbe?

Die Begriffe Transsexualität, Transgender oder Transidentität werden oft synonym verwendet, was aber nicht korrekt ist. Transsexualität versteht sich als eine Unstimmigkeit des Geschlechtskörpers mit dem Wissen über das eigene Geschlecht. Es geht bei Transsexualität also vornehmlich um den Körper (sexus). Menschen mit Transsexualität stellen die Zweigeschlechtlichkeit (Binarität) von Mann und Frau meist nicht grundsätzlich in Frage.

Im Gegensatz zu transsexuellen Menschen beziehen sich Transgender/Transidentität meist weniger auf die körperliche Diskrepanz (oder Inkongruenz), sondern sie lehnen oft "nur" die ihnen zugewiesene gesellschaftliche Geschlechterrolle als Mann oder Frau ab bzw. beziehen sich auf ein Abweichen des Körpergeschlechts zum sozialen Geschlecht (Gender). 

Die fehlende Akzeptanz transsexueller Menschen in der Gesellschaft ist mitunter auch durch die mediale Berichterstattung - welche Transsexualität, Transgender und Homosexualität "in einen Topf wirft" - begründet. Transsexuelle werden auch unfreiwillig in die gesellschaftliche Auseinandersetzungen und Diskussionen bezüglich der Geschlechterrollen ("gender mainstreaming") gestellt.

Es hat nichts mit "Wollen" zu tun

Landläufig wird gesagt, dass transsexuelle Menschen ihr Geschlecht wechseln wollen, dass sie nun als Frau (oder Mann) leben wollen. Und genau diese Herangehensweise an die Problematik sorgt dafür, dass transsexuelle Menschen in die "Psycho-Ecke" geschoben werden. Die aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen jedoch, dass Transsexualität nichts mit "wollen" oder "sein möchten" zu tun hat. Unter anderen zeigen die Forschungsergebnisse von Swaab und Bao (2011), dass das Wissen eines Menschen um sein eigenes Geschlecht im Hypothalamus (BSTc) verankert ist. Diese "Programmierung" erfolgt während der fetalen Entwicklung im Mutterleib durch Veränderungen der Sexualhormone im Blut der Mutter. Sie ist nicht änderbar, oder um eines der Lieblingsworte unserer Bundeskanzlerin zu verwenden: "alternativlos".
"Das wichtigste Sexualorgan sitzt zwischen den Ohren und nicht zwischen den Beinen.
Milton Diamond (2008)
Durch die Geschlechtsdetermination im Gehirn ist es somit unerheblich, mit welchen äußeren und inneren Geschlechtsmerkmalen ein Mensch in Erscheinung tritt. Es wäre somit angebracht, die Selbstaussage einer Person zu ihrem eigenen Geschlecht anzuerkennen. 

Und was hat Feminismus mit Transsexualität zu tun?

Indem einem Menschen aberkannt wird, selbst zu wissen, welches Geschlecht er (der Mensch) hat, wird die gesellschaftliche Definition der Geschlechter anhand der Genitalien bzw. dem äußeren Erscheinungsbild zementiert. Die Körperlichkeit eines Menschen wird einer Norm unterworfen, welche derzeit noch überwiegend von Männern definiert wird. Wie hat eine Frau auszusehen, wie hat eine Frau sich zu verhalten, welche gesellschaftliche Rolle hat eine Frau einzunehmen. Frauen werden deutlich öfter auf ihr Aussehen reduziert, als Männer. Ein Blick in einschlägige Magazine, Zeitschriften oder Werbeplakate bestätigt dies. Frauen unterliegen damit einer stärkeren Reduktion auf ihr Äußeres als Männer. Und viel zu wenige wagen es diese Norm in Frage zu stellen oder daraus auszubrechen.

Transsexuellen Frauen wird auch von vielen Cis-Frauen aufgrund ihres - von der männlichen Definition eines weiblichen Erscheinungsbildes abweichenden - Körpers abgesprochen, Frauen zu sein. Die Werbung präsentiert uns, wie ein Frauenkörper auszusehen hat oder besser, wie sich Männer vorstellen, wie Frauen zu sein haben. Und viele Frauen eifern diesen "Idealen" nach und erziehen auch ihre Töchter so, dass diese dieses "Ideal" als normal ansehen.

Die Folge ist, dass sich damit die männliche Norm der Frau weiter gefestigt wird. Die Reduktion der Frau auf ihren Körper wird unterstützt. Es steht damit im Widerspruch zu den Zielen des Feminismus, es wirkt diesen sogar entgegen.

Und nun stellen Sie sich eine transsexuelle Frau vor, welche (durch jahrelangen Einfluss des Testosterons) noch viel mehr von diesem männlich definierten Ideal abweicht als viele Cis-Frauen. Starke Körperbehaarung, Bartwuchs, breites Kreuz, muskulöse Oberarme... Indem also Frauen auf transsexuelle Frauen das männlich definierte Ideal einer Frau anwenden, bestätigen sie gleichzeitig die Richtigkeit der "Norm" und unterwerfen sich damit automatisch selbst diesem Diktat.  

Die Akzeptanz von transsexuellen Menschen - insbesondere transsexueller Frauen - sollte also für jede Feministin (und jeden Feministen) nicht in Frage gestellt werden. 





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