Samstag, 7. Juli 2018

Das Leid der Transsexuellen vom Kurfürstenkiez

  
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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2018
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Das Leid der Transsexuellen vom Kurfürstenkiez
Die Männer in Frauenkleidern vom Straßenstrich werden vermehrt beschimpft und angegriffen. Sie hoffen auf mehr Schutz.
Die transsexuellen Prostituierten im Kurfürstenstraßen-Kiez stehen weitab vom Schuss. An der Frobenstraße hinter der Bülowstraßen-Bahntrasse, da, wo nur wenig Licht von den Laternen auf dem Gehweg landet. In letzter Zeit wurden die geschminkten Männer vermehrt angegriffen.
Mittes Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (51, Grüne) schlug Alarm: „Wir sind erschrocken und entsetzt über das aktuelle Ausmaß von Gewalt“, sagte er, kündigte Gespräche mit der Polizei an und rief die Anwohner zu mehr Wachsamkeit und Zivilcourage auf. Das Magazin „Siegessäule“ berichtete darüber.

B.Z. war an einem Samstagabend vor Ort

Eine voluminöse, etwa 30-jährige, weibliche Prostituierte nahe der Kurfürstenstraße zeigt uns, wo die „Transen“, so werden sie in Kurzform hier genannt, stehen. „Dahinten, hinter der U-Bahn“, sagt sie. „Hier dürfen die nicht.“ Hintergrund: Die weiblichen Huren, Bulgarinnen und Rumäninnen, haben allesamt Zuhälter. Die Transen nicht. Hinter der Trasse ist ihr Refugium, wo sie ohne Zuhälter stehen dürfen. es gibt da klare Regeln auf dem Straßenstrich.

Wir treffen die Transsexuelle Isabell  (25) aus Mazedonien, etwa 1,95  Meter groß, breite Schultern, große Nase, als sie gerade die Kurfürstenstraße entlang zur Arbeit geht, zu ihrem Abschnitt. Sie hat ihre dünnen Lippen rot angemalt und die Haut drum herum, um die Lippen größer erscheinen zu lassen, trägt eine große blonde Perücke. Ihre Schritte sind ausladend und energisch.

Kein Geld für chirurgische Eingriffe

Geld für chirurgische Eingriffe, wie Ladyboys in Thailand, die sich für bis zu 7000  Euro Brüste und Vaginas bauen lassen oder Hormone nehmen, um weiblicher zu erscheinen, hat hier kaum eine Transe. Die Prostituierten sind froh, wenn es am Ende der Schicht für einen Schlafplatz und etwas zu Essen reicht.
Junge Männer, an denen Isabell vorbeigeht, drehen sich nach ihr um und lachen über ihre eigenwillige Erscheinung. Stimmt es, was in der „Siegessäule“ stand?

„Ja, da kommen oft junge Männer in Autos vorbei, die Flaschen nach uns werfen uns bei Eiseskälte mit Wasser bespritzen“, sagt sie auf Englisch. So etwas passiere etwa einmal die Woche.
Eines der Wurfgeschosse traf sie neulich am Fuß, sie musste ins Krankenhaus, erstattete Anzeige wegen Körperverletzung, aber das brachte nichts. „Man fand sogar das Auto, ich hatte mir das Kennzeichen gemerkt. Aber es hieß, meine Täterbeschreibung stimme nicht mit den Insassen überein. Die Polizei muss uns besser schützen. Die Straße ist quasi mein Arbeitsbüro, wir zahlen Steuern“, sagt sie.

„Wenn es stimmt, dass jemand die Transen geschlagen hat, finde ich das gut.“

Wenige Meter weiter sprechen wir mit einem Dönermann aus dem Kiez, er sagt: „Wenn es stimmt, dass jemand die Transen geschlagen hat, finde ich das gut. Ich gehe da jeden Tag mit meiner Familie vorbei und die sagen ‚Ficki, Ficki‘, das geht nicht.“
Was sind das für Leute, die die Männer in Frauenkleidern angreifen? Sind sie aus dem Rotlicht-Milieu? „Das glaube ich nicht. Ich habe den Eindruck, das sind junge Männer, die betrunken sind, von Partys kommen und sich einen Spaß daraus machen, uns zu quälen.“
An einem Späti, Ecke Froben-/Bülowstraße, steht Bonnie. Bonnie sagt, sie sei 30. Da sie gerade nicht geschminkt ist, eine Männer-Jeansjacke trägt, sieht sie eher aus wie ein 45-jähriger bulgarischer Bauarbeiter mit kräftigem Kinn, rauer Haut und kurzen Haaren.
Aber ihre Stimme ist sanft, sie fühlt sich als Frau. „Komm morgen wieder“, sagt Bonnie. „Dann arbeite ich und bin geschminkt. Dann erzähle ich, was mir passiert ist.“

Die Polizei ist wachsamer geworden

In der nächsten Nacht, am Sonntag, hat Bonnie sich verwandelt. Sie trägt hochhackige Schuhe, eine Perücke, ein Kleid, ist stark geschminkt. „Ich brauche Hilfe“, sagt sie. „Ich habe epileptische Anfälle und kann mir Ärzte nicht leisten. Manchmal habe ich drei Tage lang keinen Kunden.“
Und die Kunden, die kommen, wollen oft wenig zahlen, fügt Isabell hinzu, die auch wieder da ist. „Manchmal kommen syrische Flüchtlinge, die sagen, sie seien gut ausgestattet und wollen nur fünf Euro bezahlen. Das geht nicht.“

Tatsächlich ist die Polizei wachsamer geworden. Als wir mit Bonnie, Isabell und den beiden bulgarischen Transsexuellen Alexa (25) und Monica Bellucci (37) am Straßenstrich sprechen, fährt eine Streife vorbei, hält kurz an und schaut, ob alles seine Ordnung hat. Ein Polizeisprecher sagt, man achte zwar im Rahmen des üblichen Streifendienstes verstärkt auf die Gegend, dabei gehe es aber vor allem um minderjährige Prostituierte, die dort häufiger angetroffen worden seien.

Verletzungen, Narben, Beschimpfungen

Bonnie zeigt uns eine Narbe an der Stirn, hier traf sie eine Flasche, am Arm ist die Narbe noch größer, hier verletzte sie ein Freier mit einem Messer. Jetzt liegt da dickes Make-up drüber. Im Winter bespritzte sie ein Mann mit Essig. Sie roch dann streng und konnte die ganze Schicht nicht mehr arbeiten.
Sobald ein Auto etwas langsamer fährt, eilen sie und ihre Freundinnen hin, versuchen, den Fahrer zu kobern. Wenn der Freier zusagt, geht es entweder im Auto auf einen dunklen Parkplatz unter der Bahntrasse, in eine 30-Minuten-Pension ums Eck, oder in den gegenüberliegenden Park.
Wenn sie Pech haben, sitzen da fiese Gestalten. Isabell hat jetzt immer Reizgas in der Tasche. Sie ist groß und kräftig und würde auch kämpfen. „Aber diese Feiglinge beschimpfen uns als ‚Hurensöhne‘, schmeißen etwas und fahren schnell weg“, sagt sie.



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