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Geschrieben
und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2018
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vor, einer Minderheit anzugehören!
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"Wir hatten nur tote Vorbilder"
Bernd Gaiser initiierte 1979 den ersten Berliner CSD, Rapperin Sookee kam
20 Jahre später dazu. Zum 40. Jubiläum sprechen die beiden über ihre Kämpfe
damals und heute.
Am
Samstag jährt sich der Christopher Street Day (CSD) in Berlin zum vierzigsten
Mal. 500.000 Menschen werden in einer bunten Parade durch die Innenstadt ziehen
und für einen offenen Umgang mit Geschlechteridentitäten und sexuellen Orientierungen
demonstrieren. Seit vier Jahren wollen die Organisatorinnen und Organisatoren
die Parade wieder politischer gestalten und haben dafür elf Forderungenaufgestellt.
Wir sprechen mit Bernd Gaiser, einem der Initiatoren des CSD, und der feministischen Rapperin Sookee über einen Kampf in
unterschiedlichen Generationen.
ZEIT
ONLINE: 1979
fand der ersteChristopher
Street Day (CSD) in Berlin statt, eine Erinnerung an die ersten
bekannt gewordenen Proteste von Homo- und Transsexuellen in der New Yorker
Christopher Street 1969. Dort war es zu tagelangen Straßenschlachten
gekommen, sie markieren den Beginn der Lesben- und Schwulenbewegung. Herr
Geiser, Sie haben mit Freunden den ersten Berliner CSD initiiert. Wie erinnern
Sie sich an den Tag?
Bernd
Gaiser: Es war
ein großes und aufregendes Gefühl. Wir haben ja schon sechs Jahre zuvor, an
Pfingsten 1973, eine Demo auf dem Berliner Ku'damm organisiert. Da waren Lesben
und Schwule gemeinsam auf die Straße gegangen, um auf ihre Situation aufmerksam
zu machen und ihre Lebensweise sichtbar zu machen. Uns war damals schon
bewusst: Nur wenn wir uns als Lesben und Schwule öffentlich machen und die
Gesellschaft mit uns konfrontieren, können wir sie dazu zwingen, zu uns
Stellung zu nehmen und ihre Einstellung zu uns zu verändern. Zum ersten CSD
kamen dann auch entgegen aller Widerstände 500 Schwule und Lesben.
Bernd Gaiser wurde 1945
geboren und gehört zu den bekanntesten Schwulenaktivisten Deutschlands. Er ist
Mitbegründer des Berliner Christopher Street Day und des Clubs SchwuZ. 2017
erhielt er den Soul of Stonewall Award.
ZEIT
ONLINE: Und bei
Ihnen, Sookee? Zum Zeitpunkt der ersten Proteste in Deutschland waren Sie noch
gar nicht geboren.
Sookee: Bei meinem ersten CSD war ich
15, das muss Ende der Neunziger gewesen sein. Ich war sehr aufgeregt, fühlte
mich aber auch etwas verloren, weil ich alleine hingegangen bin und noch keine
Anbindung an queere Gruppen hatte. Aber ich habe sofort gespürt, dass der CSD
ein ganz besonderer Raum war. Die Menschen hatten an diesem einen Tag alles
rausgelassen, was sie sonst nicht zeigen konnten. Ich habe gemerkt: Da geht es
um etwas.
ZEIT
ONLINE: Was war
Ihre Motivation, zum CSD zu gehen?
Sookee: Ich komme aus einer sehr
politischen Familie, meine Eltern waren Dissidenten in der DDR, ich
interessierte mich für Fragen von Freiheit und Unfreiheit. Dazu kommt, dass ich
als Kind schon festgestellt habe, dass ich bisexuell bin. Wenn der Sänger Elton John oder dieDragqueen RuPaul im Fernsehen waren, wusste ich: Das
ist mein Moment.
Sookee ist eine
queer-feministische Rapperin und performt zum Abschluss des CSD vor dem
Brandenburger Tor. Mit ihrem letzten Album "Mortem & Makeup"
(2017) will sie sich Menschen außerhalb der linken akademischen Blase öffnen.
ZEIT ONLINE: Hatten
Sie jemals Angst?
Gaiser: Ganz am Anfang, in den Siebzigern, da hatte ich Angst. Wir hatten extreme
Reaktionen aus der Bevölkerung bekommen. Einer sagte mir: "Schade, dass
ihr als Schwule nicht alle vergast worden seid." In der Zeit zwischen der
ersten Demo 1973 und dem ersten CSD hat aber eine gesellschaftliche
Liberalisierung stattgefunden. Die Abwehr war nicht mehr ganz so stark. Die
Leute waren eher bereit, unsere Anregungen aufzunehmen und darüber nachzudenken.
ZEIT ONLINE: Sie
konnten also auch im Alltag offen mit IhrerHomosexualität umgehen?
Gaiser: Ich habe mich
nach dem ersten CSD auch an meinem Arbeitsplatz als homosexuell geoutet. Ich habe
mich mit meinen Freunden mittags in der TU-Mensa getroffen, einen Fummel
angezogen, mich schöngeschminkt. So bin ich zur Arbeit gegangen, einer großen
Berliner Buchhandlung. Meine Kollegen hatten immer behauptet, keine Schwulen zu
kennen. Ich wollte sie damit konfrontieren, dass das nicht so ist. Sie haben
darauf ganz offen und zustimmend reagiert. Anders war das bei den schwulen
Lehrern unter uns. Als sie vor ihrer Klasse ihre Homosexualität offenbart
haben, wurden sie sehr schnell fristlos entlassen. Homosexualität wurde im
Schuldienst nicht geduldet. Wir haben anderthalb Jahre gekämpft, bis die
Schulbehörden durch ein Gericht gezwungen wurden, Homosexualität als
Kündigungsgrund zu streichen.
Sookee: Wenn ich solche
Geschichten höre, kann ich gar nicht so viele Hüte aufsetzen wie ich ziehen
will. Da krieg ich richtig Gänsehaut, wenn Leute etwas auf den Weg bringen, das
später in die Geschichte eingeht.
Sookee: Wenn man an die
Stonewall-Aufstände in der Christopher Street 1969 denkt oder die Jahre danach
– das sind Zeiten, da sind Menschen ums Leben gekommen: Marsha Johnson, Harvey
Milk, all die zum Teil noch ungeklärten Fälle.* Es ging nie nur darum, dass
Menschen kurz mal Bock hatten, jemanden zu vögeln. Es ging um Fragen von Leben
und Überleben.
ZEIT ONLINE: Und
heute?
Sookee: Manche fordern
mehr Toleranz und Akzeptanz, aber ich habe Probleme mit diesen Begriffen. Man
tut so, als könne und solle die Mehrheit die Existenz der Minderheiten
netterweise hinnehmen. Das ist mir zu wenig. Ich halte es eher so: Wir sind
hier, wir sind queer, kommt klar damit. Warum fragen sich nicht Menschen der
Mehrheit, wann sie zum ersten Mal gemerkt haben, dass sie heterosexuell sind?
Ob es in der Kindheit einen Anlass oder eine Erfahrung gab? Wie die Eltern
darauf reagiert haben? Ich wünsche mir, dass Leute, die sich nie mit diesen
Fragen befassen müssen, realisieren, was Geschlechterrollen bedeuten. Da geht
es um Herzensbildung.
ZEIT ONLINE: Herr
Geisler, ist Ihnen die Forderung nach Toleranz auch zu wenig?
Gaiser: Mir
ist viel wichtiger, dass wir den CSD dazu nutzen – in meinem Fall: ich als
schwuler Mann –, um mir bewusst zu machen, dass es neben mir noch viele andere
Identitäten gibt. Dass ich als schwuler Mann nicht die dominierende Figur bin,
sondern eine von vielen. Deswegen ist es auch wichtig, an die
Stonewall-Aufstände 1969 zu erinnern: Da standen nicht die Schwulen an
vorderster Front, sondern diejenigen, die am stärksten ausgegrenzt und
diskriminiert und verfolgt waren, nämlich Transpeople und lesbische Frauen.
Erst in zweiter Linie haben sich Schwule eingebracht.
Ich wünsche mir, dass auch lesbische Frauen noch
sichtbarer werden, auch beim CSD. Dafür müssen schwule Männer vielleicht mal
einen Schritt zurücktreten und ihnen, aber auch anderen Gruppen wie
transsexuellen und intersexuellen Menschen, den Raum lassen.
Sookee: Deshalb sind schwule
Männer nicht die dominanteren, schlechteren Queers. Die patriarchale Prägung
trägt dazu bei, dass Männern mehr Gehör geschenkt wird, dass sie als
kompetenter gelten.
Es ist gut, wenn sie das nutzen, um auch Platz zu
schaffen für die vielen anderen Stimmen und Gruppen. Deswegen finde ich auch
den Regenbogen so schön. Da sind alle Farben gleichwertig, kein Balken ist
dicker als der andere. Seit letztem Jahr gibt es durch die Philadelphia Pride
noch die Ergänzung um Schwarz und Braun, um auf Queers of Colour aufmerksam zu
machen. Das finde ich eine gute Entwicklung. Sie zeigt, dass es nicht nur um
irgendeinen Regenbogen geht, den man auch auf Kinderspielzeug findet, sondern
um eine politische Frage.
* Marsha Johnson war eine
US-Amerikanische Dragqueen und maßgeblich an den Stonewall-Aufständen
beteiligt; 1992 wurde sie tot im Hudson River gefunden, ihr Tod gilt als
ungeklärt. Harvey Milk war der erste offen schwule US-Politiker und wurde 1978
im Rathaus von San Francisco erschossen, Anm.d.Red.
Gaiser: Als wir in den
Siebzigerjahren angefangen haben, war der Fokus auf uns selbst gerichtet. Erst
später hat sich unser Blick geweitet. Wir haben festgestellt: Da gibt es ja
noch viele andere Identitäten, und wir haben uns solidarisiert. Am Anfang gab
es zudem Spannungen zwischen Lesben und Schwulen. Lesbische Frauen waren vor
allem über die feministische Frauenbewegung organisiert und definierten sich
weniger über ihre sexuelle Identität. Die Gruppen haben nebeneinander
koexistiert, es gab wenige Verbindungen. Der erste CSD war auch ein Versuch,
die beiden Gruppen zusammenzubringen.
ZEIT ONLINE: Sookee, Sie sprechen viel
von Queerness, einer bewusst schwammigen Sammelkategorie für verschiedene
Geschlechteridentitäten und sexuelle Orientierungen. Wenn Sie von den Kämpfen
und Unterschieden von Schwulen und Lesben hören, kommt Ihnen das altmodisch
vor?
Sookee: Ich kann ja nur so frei
leben, weil andere vor meiner Zeit dafür gekämpft haben – mit ihrer eigenen
Biografie und ihren eigenen Begriffen. Ich finde es eher ein bisschen oll, wenn
Leute aus meiner Generation den Älteren sagen, dass man bestimmte Wörter nicht
mehr sagt oder bestimmte Dinge nicht mehr tut. Ich kann nicht davon ausgehen,
dass Leute 50+ alle möglichen Blogs abonniert haben und immer auf der Höhe des
Diskurses sind. Ich weiß ja selbst, wie viel Zeit es frisst, an den Debatten
dranzubleiben. Da wünsche ich mir von meiner eigenen Generation, dass sie mehr
auf die Älteren zugeht.
Gaiser: Wir lernen umgekehrt auch
von den Jüngeren. Ich bin zum Beispiel ganz begeistert, dass es im CSD-Verein
ganz viele junge Menschen gibt, die dafür sorgen, dass wir einmal im Jahr durch
die Straßen gehen können. Dieses Jahr wird es auch wieder eine
Fahrradrikscha-Gruppe für über Fünfzigjährige geben. Viele von uns können nicht
mehr so weite Strecken gehen, wollen aber dabei sein. Ich werde meine Rikscha
aber noch selber fahren.
Sookee: Zum diesjährigen CSD gibt es
elf Forderungen, und meine Lieblingsforderung ist: "Wir fordern einen
aktiven kultur- und geschlechtersensiblen Umgang mit unterschiedlichen
Lebensweisen älterer Menschen." Ich weiß, dass ältere schwule Männer oft
vom Jugendkult und der Körperbetontheit in schwulen Kontexten enttäuscht sind.
Das ist so ähnlich wie wenn Frauen plötzlich nicht mehr als schön gelten und
unsichtbar werden. Die Haltung "Jetzt bist du nicht mehr sexuell relevant
und nicht mehr auf unserer Party" finde ich eine große Frechheit gegenüber
jenen, die mit der Machete durch den gesellschaftlichen Dschungel gegangen sind
und uns die Wege erstritten haben. Selbstverständlich mache ich in der U-Bahn
Platz für ältere Leute, und ich mache das auch in meiner Community.
Gaiser: Wir können ja auch Vorbilder
sein. Als wir uns vor vierzig Jahren in Bewegung gesetzt haben, hatten wir
keine Vorbilder. Da hatten wir nur unsere Wut darüber, dass wir aus der
Gesellschaft ausgegrenzt wurden. Wir hatten nur tote Vorbilder, zum Beispiel
den englischen Dichter Oscar Wilde, der Ende des 19. Jahrhunderts für seine
Homosexualität ins Gefängnis musste. Heute hat sich die Situation verändert.
Die lesbische Aktivistin Mahide Lein aus Kreuzberg ist ein Vorbild für uns alle
– auch für uns Männer. Sie ist mutig und hat unheimlich viel geleistet, war
immer vorne mit dabei. Jetzt bricht sie ein neues Tabu, wenn sie Sexualität im
Alter thematisiert. Alle wissen, dass auch ältere Menschen sexuelle Bedürfnisse
haben, aber keiner redet darüber. Aber Mahide sitzt auf dem Stadtfest und fängt
an, über ihre sexuellen Bedürfnisse im Alter zu reden. Das finde ich ganz
wunderbar.
Wenn euch dieser Blog gefällt, helft „Teilt“ Ihn mit mir
denn Wissen ist Macht!
Bonjour,
oui ces événements sont terribles, avec des regrets de notre côté!
Violations
des droits de l'homme, beaucoup ne savent pas ce que cela signifie!
Malheureusement,
ces incidents sont devenus de plus en plus nombreux dans le monde ces derniers
temps!
Que
pouvons-nous faire objectivement à l'international?
Actuellement,
seule solidarité avec les victimes!
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