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Geschrieben
und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2018
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Bisherige Lösung "entwürdigend"
und "unzumutbar"
Juristen und Vertreter von Interessensorganisationen
kritisieren das Gesetz der Bundesregierung zum dritten Geschlecht. Trans- und
intersexuelle Menschen würden als Kranke stigmatisiert. Ein Antrag im Bundesrat
soll das ändern.
Die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Hamburg, Bremen und
Baden-Württemberg wollen das geschlechtliche Selbstbestimmungsrecht von trans-
und intersexuellen Menschen stärken und einen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom
August ändern. Diese hatte zwar ein drittes Geschlecht im
Geburtenregister beschlossen, Opposition und Betroffene kritisierten den
Entwurf aus dem Hause von Bundesinnenminister Seehofer jedoch als zu kurz
gesprungen. Außerdem setze er die Diskriminierung von trans- und intersexuellen
Menschen fort.
Als das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Oktober 2017 in einer spektakulären
Entscheidung die Einführung einer weiteren Geschlechtskategorie im
Personenstandsrecht neben "männlich" und "weiblich" bis zum
Ende dieses Jahres gefordert hatte, war der Jubel bei nicht-binären
Menschen – also Personen, die sich selbst nicht als Mann oder Frau
beziehungsweise als Mädchen oder Junge wahrnehmen – über ein historisches
Urteil groß. Deutschlands höchstes Gericht hatte ein starkes Signal für die
Anerkennung der geschlechtlichen Vielfalt und Selbstbestimmung gesetzt und
entschieden, dass die Angabe "Mann" und "Frau" als Angabe
im Personenstand nicht ausreiche, der Gesetzgeber müsse vielmehr eine weitere
Option zulassen – und zwar bis Ende 2018.
Der Senat machte in seiner Entscheidung deutlich, dass der
geschlechtlichen Zuordnung gerade im Hinblick auf die individuelle Identität
eine "herausragende Bedeutung" zukomme und eine Schlüsselposition im
Selbstverständnis einer Person einnehme. Dabei sei auch die geschlechtliche
Identität jener Personen geschützt, die weder dem männlichen noch dem
weiblichen Geschlecht zuzuordnen seien. Und sogar für eine weitgehende Lösung
zeigte sich Karlsruhe offen: Statt eines dritten positiven Geschlechtseintrags
könne der Geschlechtseintrag im Personenstand alternativ auch ganz gestrichen
werden.
Regierungsentwurf "Klatsche" für
intergeschlechtliche Menschen
Doch während es Rechtsordnungen gibt, die überhaupt kein
Personenstandsrecht kennen oder das Geschlecht nicht als
personenstandsrechtlich relevant einstufen, wie etwa das kanadische, englische
oder indische Recht*, entschied
sich die Bundesregierung am Ende für eine Schmalspurlösung. Im federführend
im BMI ausgearbeiteten Gesetzentwurf wird auf eine Eintragung des Geschlechts
im Geburtenregister nicht verzichtet; vielmehr soll fortan neben
"männlich" und "weiblich" auch der Eintrag
"divers" möglich sein.
Aber nicht allein das ist es, was Juristen und Vertreter von
Interessensverbänden kritisieren: Wie auf einer Tagung der Bundestagsfraktion
von Bündnis 90/Die Grünen am Freitag deutlich wurde, stört sie vor allem, dass
Betroffene bei der Änderung des Personenstandes zu "divers" ihre
Intersexualität durch ein ärztliches Gutachten belegen müssen. Diese
"Zwangsbegutachtung" wiederspreche dem geschlechtlichen
Selbstbestimmungsrecht, monierte etwa die Frankfurter Verfassungsrechtlerin
Anna Katharina Mangold. Die Bonner Familienrechtlerin Susanne Lilian Gössl, die
sich mit dem Thema auch rechtsvergleichend befasst, wies darauf hin, dass
bereits Länder wie Dänemark, Belgien oder Portugal bei der Geschlechtsänderung
auf ein derartiges Gutachten verzichten würden.*
Lucie Veith vom Verein intersexueller Menschen e.V. bezeichnete
die von der Bundesregierung geforderte Einschaltung von Medizinern gar als
"Klatsche" und für die Betroffenen "entwürdigend". Die
Leiterin der Abteilung Menschenrechtspolitik vom Deutschen Institut für
Menschenrechte, Petra Follmar-Otto, kritisierte die Voraussetzung medizinischer
Nachweise als eine "unzumutbare Barriere für intergeschlechtliche
Menschen". Familienrechtlerin Gössl hält diese auch nicht für
erforderlich, sprach sich aber für gesonderte Schutzbestimmungen für
Minderjährige aus. Gegenüber LTO forderte sie außerdem ein
Ende von Zwangsoperationen an Kindern, bevor sich diese selbst entscheiden
können.
Politiker der Grünen warfen der Bundesregierung vor, die
Diskriminierung von Trans- und Intersexuellen mit der Neuregelung
fortzuschreiben. Die Bundestagsabgeordneten Sven Lehmann und Monika Lazar
forderten, die Eintragung als "divers" müsse eine
"selbstbestimmte Entscheidung werden, die allen offen steht".
Eintrag "divers" auch für Transsexuelle
gefordert
Dieser Aspekt ist gleichzeitig ein weiterer Kritikpunkt, der
von Vertretern der Queer-Szene am Gesetzentwurf der Bundesregierung geübt wird.
Er umfasse nur einen engen Personenkreis, indem er etwa transsexuelle Menschen
ausschließe. So soll laut Gesetzentwurf der Bundesregierung die Option
"divers" nur für Menschen mit "Varianten der
Geschlechtsentwicklung" offenstehen. Damit ist allein eine Gruppe von
intergeschlechtlichen Menschen gemeint: Bei ihnen sind die
Geschlechtsmerkmale, also zum Beispiel Chromosomen, Hormone und Genitalien,
nicht eindeutig ausgeprägt. Intersexuelle verfügen über männliche und weibliche
Merkmale, etwa weibliche Geschlechtsteile und männliche Chromosomen.
Transsexuelle hingegen haben zwar eindeutige Geschlechtsmerkmale, fühlen sich
aber dem anderen Geschlecht zugehörig und somit als Mensch im falschen Körper.
Der Antrag der vier Bundesländer, der am Dienstag im
Familienausschuss des Bundesrates behandelt wird, könnte nun die Weichen dafür
stellen, dass ein größerer Kreis von nicht-binären Menschen von der Änderung
des Personenstandsrechts umfasst wird: Der Eintrag "divers" im
Personenstandsregister soll künftig allen Personen offenstehen, "die sich
einem anderen als dem eingetragenen Geschlecht oder keinem Geschlecht zugehörig
fühlen", wie es der Entwurf formuliert. Die Länder kritisieren die
Bundesregierung explizit dafür, dass sie in ihrem Gesetzentwurf "einen
Teil der intersexuellen Menschen sowie alle weiteren Menschen, die sich nicht
der binären Geschlechterkonstellation zuordnen (z.B. transgeschlechtliche
Menschen), von der Möglichkeit des neuen Geschlechtseintrags 'divers'
ausschließt".
Schriftliche Erklärung statt Arztbesuch
Weiter wenden sich Rheinland-Pfalz, Hamburg, Bremen und
Baden-Württemberg gegen die bislang vorgesehene Pflicht, bei einer Änderung
ihres Personenstandes einen Arzt aufsuchen zu müssen. Ausreichend solle
vielmehr eine schriftliche Erklärung gegenüber dem Standesamt sein. So stellen
die Weltgesundheitsorganisation und die Bundesärztekammer fest, dass Trans- und
Intergeschlechtlichkeit keine Krankheiten sind. Durch das Erfordernis eines
medizinischen Attestes bestehe jedoch die Gefahr, "dass Trans- und Intergeschlechtlichkeit
fälschlicherweise als Krankheiten wahrgenommen werden", heißt es im
Entwurf. Durch die Nachweispflicht werde die betroffene Person zudem gezwungen,
ihre körperliche Konstitution zu offenbaren, was einen erheblichen Eingriff in
die geschlechtliche Intimsphäre und damit in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht darstellt.
Ob der Änderungsantrag am Ende auch eine Mehrheit in der
Länderkammer bekommt, bleibt abzuwarten. Um jedenfalls der von Karlsruhe
geforderten Umsetzungsfrist bis Ende des Jahres zu genügen, soll die Änderung
im Personenstandsrecht noch im November im Bundestag beschlossen werden. Und
wohl erst danach wird sich die Bundesregierung dann einer Verbesserung der
Rechte von Transsexuellen annehmen. Bundesjustizministerin Katarina Barley
(SPD) hatte angekündigt, "in einem nächsten Schritt rasch" weitere
unzeitgemäße Regelungen für Transsexuelle zu beseitigen.
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