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Geschrieben
und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2018
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Bundestag berät
Gesetzesentwurf
Das Recht auf ein
Geschlecht
Das
Geschlecht eines Neugeborenen darf in der Geburtsurkunde unausgefüllt bleiben.
Ein drittes Geschlecht einzutragen, soll aber bis Ende des Jahres möglich sein
– so lange gibt das Bundesverfassungsgericht der Regierung Zeit für eine
Gesetzesänderung. Doch wie soll die Bezeichnung lauten?
Geschlechtliche
Varianten zwischen männlich und weiblich gibt es immer wieder. Aber wie soll
der Gesetzgeber sie nennen, und wer soll sie beanspruchen dürfen?
„Nach der
Geburt hat erst mal niemand was gesagt. Mir schien es, als ob auch die Hebammen
und auch die Gynäkologen nicht Bescheid wüssten.“
Heike Kaiser
erzählt vom Tag der Geburt ihrer Tochter 2012. Der Grund für die Reaktion des
Klinikpersonals: Kaisers Kind ist intersexuell, es ist aus medizinischer Sicht
weder eindeutig weiblich noch männlich.
„Nach außen
hin ist sie sichtbar ein Mädchen und genetisch hat sie eben XY-Chromosmen.“
Eine der
vielen Varianten der Intersexualität. Grundsätzlich, sagt Dr. Stefan Siegel vom
Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin an der Charité in Berlin,
gibt es ein breites Spektrum zwischen männlich und weiblich, niemand ist
eindeutig das eine oder das andere. So hat mancher Mann mehr, mancher weniger
Bartwuchs. Für die Medizin werde dieses Spektrum erst dann interessant, so
Siegel, wenn bestimmte biologische Funktionen beeinträchtigt sind:
„Also ganz
konkret, bestimmte Dinge kann halt nur die eine Körperform und die andere
nicht.“
Als Beispiel
nennt er die Produktion von Spermien und das Austragen einer Schwangerschaft.
Gesetzesentwurf:
„Weiblich“, „männlich“, „divers“
Die Tochter
von Heike Kaiser – ein Pseudonym – wird irgendwann Hormone nehmen müssen, die
sie selbst nicht produzieren kann. Im Moment fühlt sich das Kind im
Vorschulalter selbst als Mädchen, erzählt Kaiser:
„Wir haben
uns zunächst auch überlegt, was ist sie denn. Aber wenn man sie angeschaut hat,
war sie eindeutig ein Mädchen.“
Zum
Zeitpunkt der Geburt von Kaisers Kind gab es allerdings auch noch keine andere
Möglichkeit, sich für ein Geschlecht jenseits von männlich und weiblich zu
entscheiden.
Seit 2013
können Eltern beantragen, dass die Geschlechtseintragung in der Geburtsurkunde
weggelassen wird, wenn ein Kind keinem Geschlecht zugeordnet werden kann.
Vor einem
Jahr entschied das Bundesverfassungsgericht: Das reicht nicht aus. Der
Gesetzgeber muss, wenn er auf einem Eintrag im Personenstandsregister besteht,
in dem alle Daten zu einer Person, wie Name, Geburtsdatum oder auch Geschlecht,
eingetragen werden, einen weiteren Geschlechtseintrag ermöglichen.
Bis Ende
dieses Jahres gaben die Karlsruher Richter der Bundesregierung dafür Zeit.
Donnerstag dieser Woche findet nun die erste Lesung zum entsprechenden
Gesetzentwurf der Bundesregierung statt, der nun neben „weiblich“ und
„männlich“ auch „divers“ als Eintrag vorsieht.
Die Entscheidung der
Verfassungsrichter
Das
Bundesverfassungsgericht geht in seiner Entscheidung von 160.000
intergeschlechtlichen Personen in Deutschland aus.
Der Großteil
der Kinder, die mit dieser Diagnose auf die Welt kämen, ca. 70 bis 80 pro Jahr,
würde sich jedoch mit einem weiblichen oder männlichen Geschlecht
identifizieren, sagt der Mediziner Stefan Siegel. Nur etwa sieben oder acht
Kinder pro Jahr würden sich später weder dem einen noch dem anderen Geschlecht
zugehörig fühlen, wie viele es genau sind, könne man aber nicht sagen.
Eine dieser
intergeschlechtlichen Personen ist Vanja. Er_sie, mit diesem Pronomen möchte
Vanja angesprochen werden, hat das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
angestoßen.
„Weil Vanja
in dieser Gesellschaft oder in diesem Rechtssystem bislang nicht vorgekommen
ist. Vanja konnte sich entscheiden, einen Eintrag als männlich oder weiblich zu
haben, aber eben nicht einen Eintrag, der dem eigenen Geschlechtsempfinden
entspricht“, sagt Sozialpädagoge Moritz Prasse, Mitglied der Kampagne 3.
Option, die für die Klage gegründet worden ist. An den Tag der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts kann er sich noch sehr gut erinnern:
„Wir waren
alle unglaublich perplex, dass das Bundesverfassungsgericht uns in allen Punkten
recht gegeben hat und quasi eins zu eins unserer Argumentation gefolgt ist.“
„Keine
valide Alternative, zu sagen: Ich bin nichts“
Auch die
Rechtsprofessorin Dagmar Coester-Waltjen liest die Entscheidung der
Verfassungsrichter als ausgesprochen weitgehend. Was für viele als
vernachlässigbares Einzelproblem erscheinen mag, nehmen die Verfassungsrichter
sehr ernst. Die Koryphäe des deutschen Familienrechts Coester-Waltjen weist
darauf hin, dass zwar nur wenige Menschen von dieser besonderen biologischen
Konstellation betroffen seien. Für die aber gehe es um Existenzielles:
„Die
Identität eines jeden Menschen, die er selbst empfindet und als die er von
außen empfunden werden soll, die hängt auch mit dem Selbstwertgefühl zusammen
und oder die prägt das Selbstwertgefühl.“
Das deutsche
Personenstandsrecht verschärfe bisher dieses Problem. Indem es dazu zwinge, das
Geschlecht festzuschreiben. Trotz der Lockerung von 2013, dass der
Geschlechtseintrag frei gelassen werden kann.
„Und das ist
natürlich auch keine valide Alternative, zu sagen: Ich bin nichts. Das drückt
im Grunde genommen natürlich noch viel stärker dieses Nicht-Dazugehören aus.“
Dabei geht
es nicht nur um den Eintrag im Pass. Es geht darum, dass den Betroffenen dieses
Nicht-Dazugehören im Alltag ständig vor Augen geführt wird. Moritz Prasse von
der Kampagne 3. Option:
„Das hat man
alleine, wenn man im Internet Socken bestellt und man muss sich entscheiden,
was für eine Anrede wählt man, wählt man Herr oder wählt man Frau, und beides
fühlt sich einfach immer falsch an und man wird einfach nie gesehen.“
Ein Kind
weiß, als was es sich fühlt
Das Gefühl
des Nicht-Dazugehörens kennt auch Heike Kaiser – und das, obwohl ihr Kind im
Moment einem der beiden bisher im Personenstandsrecht möglichen Geschlechter
zugeordnet wird. So hatten ihr Partner und sie im Krankenhaus das Gefühl, nach
der Geburt gemieden worden zu sein.
Sie überlege
ganz genau, sagt Kaiser, wem sie davon erzähle, denn die ersten Gespräche mit
Freunden seien eine schlimme Erfahrung gewesen. Manchmal habe sie auch nicht
die Kraft, Aufklärung zu leisten. Mit ihrer eigenen Tochter würde sie gerne
offener umgehen…
„Aber, ja,
sie ist noch sehr jung. Und die posaunen ihr Wissen einfach so frei in die Welt
hinein, ohne zu wissen, was das für Konsequenzen für sie hat. Deswegen
versuchen wir ihr das nicht in vollem Umfang zu erzählen, damit sie nicht
irgendwelchen Diskriminierungen ausgesetzt ist.“
Aber Kaiser will ihr ermöglichen, irgendwann selbst entscheiden zu
können, wie sie sich sieht:
„Wir haben die Erfahrung gemacht in unserem Verein „intergeschlechtliche
Menschen e.V.“, dass, wenn die Kinder sich dazwischen fühlen, ja, zwischen Mann
und Frau oder sich anders fühlen, sie werden als Mädchen aufgezogen und sie
fühlen sich als Junge, dann wissen sie das von allein, noch bevor sie wissen,
was Intergeschlechtlichkeit bedeutet. Und darauf verlass‘ ich mich einfach,
dass sie mir das rechtzeitig zeigt.“
Dass es überhaupt einen Geschlechtseintrag geben muss, ist dabei nicht so
selbstverständlich, wie es scheinen mag. Darauf weisen auch die Richter des
Verfassungsgerichts in ihrer Entscheidung hin.
Ohne Geschlechtseintrag kann es
international kompliziert werden
Sie gehen damit viel weiter als es die konkrete Frage erfordert hätte. Denn
sie geben nicht nur vor, wie das Personenstandsrecht mit Menschen wie Vanja
umzugehen hat:
„Der Gesetzgeber kann eine Lösung finden, indem er auf die
Geschlechtsbezeichnung im Personenstandsregister verzichtet.“
In jedem Fall wäre ein solcher Schritt nicht mal eben schnell umsetzbar,
aber machbar, glaubt die Münchner Familienrechtsprofessorin Dagmar
Coester-Waltjen:
„Es wäre sicherlich mit viel Überlegung und viel Recherche im ganzen
Rechtssystem verbunden, wenn man dieser Lösungsmöglichkeit folgen würde.“
Gleichzeitig wären damit andere Schwierigkeiten verbunden: Abkommen über
den internationalen Luftverkehr verlangen eine Geschlechtseintragung im Pass.
In manchen afrikanischen Ländern sind ohne klaren Eintrag als männlich oder
weiblich Unannehmlichkeiten zu befürchten. Ohnehin zweifelt auch Dagmar
Coester-Waltjen, ob ein solcher, weitgehender Schritt derzeit in der
Öffentlichkeit vermittelbar wäre.
Der Gesetzgeber geht den einzigen Weg, der dann nach der Entscheidung der
Verfassungsrichter bleibt: Einen weiteren Eintrag, nämlich „divers“. Außerdem
kann ganz auf einen Eintrag verzichtet werden. Allerdings sind auch diese
Alternativen in ihrer konkreten Ausgestaltung umstritten. So wünschen sich
manche statt der Bezeichnung „divers“ die Möglichkeit, den dritten Eintrag
selbst formulieren zu können. Moritz Prasse von der Kampagne 3. Option:
„Also, es kann gerne verbunden sein mit einem Sammelbegriff. Der
Geschlechtseintrag könnte zum Beispiel heißen: ‚Divers: Inter‘, jetzt in dem
Fall von Vanja, oder ‚Divers: nicht-binär‘, um eben die Geschlechtsidentität
tatsächlich niedergeschrieben zu haben.“
„Wo gibt es so ein Zwangsouting?“
Wichtiger ist eine andere Frage: Wer soll als „divers“ eingetragen
werden? Laut Gesetzentwurf jede intersexuelle Person, die überhaupt einen
Eintrag will.
Das Geschlecht muss also festgestellt werden. Lucie Veith, selbst betroffen, engagiert sich seit vielen Jahren für die Belange intersexueller Menschen.
So wichtig die zusätzliche Option sei, so wenig dürfe sie aber zum Zwang
werden, so die Forderung bei einer Anhörung der Grünen Fraktion vor wenigen
Tagen.
Intergeschlechtliche Menschen müssten jetzt tatsächlich aushalten, meint
Veith, „dass diese ihre Körperlichkeit noch einmal bescheinigt wird, sozusagen
schon ein direkter Hinweis gar nicht darauf, dass sie einen anderen
Personenstand wollen, sondern nein: dass sie einen Körper haben, der nicht den
Vorstellungen von männlich und weiblich entspricht. Wo gibt es so ein
Zwangsouting?“
Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte sieht hier ein Problem. In
der Grünen-Anhörung betont die Juristin Petra Follmer-Otto:
„Die im Moment im Gesetzentwurf nach wie vor vorgesehene Regelung, dass
zwingend bei intergeschlechtlich geborenen Kindern ein offener oder diverser
Geschlechtseintrag vorzunehmen ist, also, das ist, denke ich, der Ansatzpunkt,
an den man rangehen sollte und diese Regelung unbedingt durch eine
Kann-Regelung ersetzen.“
Zumal die Eintragung ein Attest voraussetzt, die Untersuchung also – anders
als bei der Bezeichnung Mädchen und Jungen – zur Pflicht wird. Die
Rechtsprofessorin Coester-Waltjen sieht das Problem, findet die Lösung aber
akzeptabel – solange eben die Möglichkeit bleibt, auf einen Eintrag ganz zu
verzichten.
„Sonderstellung, die wir nicht wollen“
Auch das grenzt freilich diese Kinder aus, darauf weist Ursula Rosen hin,
die sich als Mutter eines intergeschlechtlichen Kindes engagiert:
„Dann haben sie ja wieder diese Sonderstellung, die wir ja auch nicht
wollen. Also warum denn nicht für alle Kinder das Geschlecht offen lassen?“
Aber bis zu welchem Alter soll die Festlegung des Geschlechts erfolgen? Und
wollen, auch darauf weisen Betroffene hin, nicht gerade androgyne Menschen
zuweilen ihr Geschlecht schwarz auf weiß belegen?
Die Eintragung bleibt ein Dilemma. Der Gesetzentwurf löst es zwar
eindeutig, aber nur für die kleinstmögliche Gruppe von Betroffenen. Nämlich den
von intergeschlechtlichen Menschen wie Vanja oder dem Kind von Heike Kaiser.
Dabei hat das Bundesverfassungsgericht die Frage, wer eigentlich „divers“
ist, wohl nicht beantwortet.
An manchen Stellen der Entscheidung ist von so genannten „Varianten der
Geschlechtsentwicklung“ die Rede, das kann rein biologisch-medizinisch
verstanden werden.
Sind Transsexuelle dann auch „divers“?
Die eigentliche Begründung aber geht weiter, betont auch Dagmar
Coester-Waltjen:
„Das Bundesverfassungsgericht spricht von der geschlechtlichen Identität.“
Und die lässt sich nicht nur körperlich begründen. So wie bei René_
Hornstein:
„An mich wurde die Erwartung herangetragen, mich wie ein Mann zu verhalten
und als Mann auch zu identifizieren. Damit empfinde ich ein großes Unbehagen.“
Für Renè_ Hornstein ist Männlichkeit ein Ordnungsprinzip in der
Gesellschaft, das zur Unterdrückung beiträgt und an dem Hornstein nicht
teilhaben will.
René_ Hornstein ist groß, schlank, längere blonde Haare. Auf den ersten
Blick weder dem zuzuordnen, was als typisch männlich oder weiblich definiert
wird. Dem will der Mensch Hornstein auch nicht zugeordnet werden. Über die Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichtes hat René_ Hornstein sich sehr gefreut:
„Also, das Verfassungsgericht definiert ja Identitäten die weder dem
männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuzuordnen sind, als besonders
vulnerabel also verletzungsoffen und als besonders schützenswert und hebt
unsere Identitäten auf die gleiche Ebene wie binäre männliche und weibliche
Identitäten.“
Nach der Entscheidung der Verfassungsrichter hatten Betroffene wie Renè_
Hornstein gehofft, der Gesetzgeber werde nun auch den transsexuellen Menschen,
also Menschen, die zwar als Mann oder Frau geboren wurden, sich diesem
Geschlecht aber nicht zugehörig fühlen, den Eintrag „divers“ zubilligen.
Gesetzentwurf definiert „divers“ sehr eng
Der Entwurf tut das wohl nicht. Wie die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts auch geht er von einer „Variante der
Geschlechtsentwicklung“ aus. In der Begründung des Entwurfes wird das aber eng
definiert als „Diagnosen, bei denen die Geschlechtschromosomen, das
Genitale oder die Gonaden inkongruent sind“.
Also nicht so zusammenpassen, wie sie das bei Mann und Frau sollten. Das
ist bei intersexuellen, nicht bei transsexuellen Menschen der Fall.
Bleibt es bei dem Gesetzestext, über den nun der Bundestag berät, wäre also
nur einem Teil der Menschen geholfen, die sich als geschlechtlich, aber nicht
als männlich oder weiblich sehen. Wenn es nach Teilen der Opposition geht, soll
der Entwurf noch deutliche Änderungen erfahren. Sven Lehmann von den Grünen:
„Am Schluss muss das Gesetz kommen, weil intersexuelle Menschen dürfen
nicht weiter unsichtbar gemacht werden im deutschen Recht. Aber in dieser Form,
wie es die Bundesregierung macht, ist es bevormundend, pathologisierend, und
das lehnen wir ab.“
„Geschlechtliche Identität ist mehr etwas, das zwischen den Ohren
stattfindet als zwischen den Beinen, und das sollte jeder selbst für sich
entscheiden können“, meint FDP-Politiker Jens Brandenburg. Aus seiner Sicht
sollten auch transgeschlechtliche Personen die Möglichkeit für eine weitere
Option neben männlich und weiblich bekommen, wenn der Geschlechtseintrag nicht
sogar ganz weggelassen wird, wofür Brandenburg plädiert. Zweiter Kritikpunkt:
die benötigten Atteste.
„Das sehen auch andere Oppositionsparteien und einzelne
Regierungsabgeordnete ebenso.“
AfD äußert sich nicht zum Thema
Einzig die AfD äußert sich nicht. Auf Anfrage des Deutschlandfunks für ein
Interview zum Thema heißt es aus der Pressestelle, man halte davon nichts und
habe auch niemanden, der dazu etwas sage.
Linke, Grüne und FDP setzen in den anschließenden Beratungen des
Gesetzentwurfs im Innenausschuss vor allem auf die SPD. Aber auch in der Union
sieht man durchaus Handlungsbedarf – wenn auch nicht unbedingt sofort.
So sagt CDU-Innenpolitiker Marc Henrichmann, er könne sich zum Beispiel
auch eine weitergehende Lösung vorstellen, ohne Attest, und verweist auf
Vorbilder in anderen Ländern:
„In Skandinavien zum Beispiel gibt es eine doppelte Zustimmungslösung. Dass
ich also den Antrag stelle, dann eine Frist von sechs Monaten verstreichen lassen
muss, dann den zweiten und finalen Antrag stellen muss, zwischendurch eine
Beratung in Anspruch nehmen muss.“
Über solche Modelle würden laut Henrichmann zukünftig weitere Beratungen
stattfinden. Aber bis zur Umsetzungsfrist zum Jahresende für das Gesetz zum
Personenstandsregister sei das nicht machbar.
2019 weiterklagen auf neuer
Rechtsgrundlage?
Petra Follmer-Otto vom Deutschen Institut für Menschenrechte weist darauf
hin, dass das Gesetz, wenn es erst einmal in Kraft ist, wieder neue Fakten
schaffe. Transsexuelle Menschen könnten dann nämlich auf einer ganz anderen
rechtlichen Grundlage klagen. Sie könnten geltend machen, dass sie gegenüber
intergeschlechtlichen Menschen diskriminiert würden.
René_ Hornstein wäre jedenfalls bereit diesen Schritt zu gehen, hält den
Gesetzentwurf in der jetzigen Form für verfassungswidrig:
„Weil wir eine Ungleichbehandlung auf Grund des Geschlechts wieder
vorfinden, das heißt, es gibt ein behördliches personenstandsrechtliches
Verfahren für Menschen die nachweisen können, medizinisch, dass sie
intergeschlechtlich sind.“
„Dann brauche ich einen sachlichen Grund, der es zwingend erforderlich
macht, aufgrund des Geschlechts unterschiedlich zu behandeln. Und das sehe ich
nicht, wo man den herholen wollte.“
Auch Dagmar-Coester-Waltjen räumt solchen Klagen gute Chancen ein:
„Insofern wäre es eben vernünftiger gewesen, das nicht von diesen
medizinischen Kennzeichen abhängig zu machen, sondern dass das Psychologische
mit umfasst worden wäre, und dann wäre das eine gute, runde Lösung gewesen.“
Änderungsbedarf nicht nur beim
Personenstandsrecht
Allerdings nur für einen kleinen Ausschnitt des Problems geschlechtlicher
Zuordnung. Denn die Verfassungsgerichtsentscheidung verlangt zwar nur
Änderungen im Personenstandsrecht. Aber andere, noch komplexere Fragen stellen
sich. So sieht es auch die Bundesregierung, im Koalitionsvertrag steht:
„Homosexuellen- und Transfeindlichkeit verurteilen wir und wirken jeder
Diskriminierung
entgegen. Wir werden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hierzu umsetzen.“
entgegen. Wir werden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hierzu umsetzen.“
Solche Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gibt es viele. Das
Transsexuellengesetz ist inzwischen nicht mehr als ein Torso. Vielfach haben
die Verfassungsrichter korrigiert und gestrichen.
Die wohl wichtigste Forderung der Betroffenen: Wer als transgeschlechtliche
Person bisher nicht nur den Vornamen, sondern auch den Personenstand ändern
will, muss sich umfangreichen Begutachtungen unterziehen, die viele als
entwürdigend empfinden.
Eine Verfassungsbeschwerde dagegen hat allerdings das Bundesverfassungsgericht erst vor wenigen Monaten nicht zur Entscheidung angenommen.
Eine Verfassungsbeschwerde dagegen hat allerdings das Bundesverfassungsgericht erst vor wenigen Monaten nicht zur Entscheidung angenommen.
Trotzdem sieht die Professorin Coester-Waltjen auch in diesem Punkt
Handlungsbedarf für den Gesetzgeber, wenn es um die behördliche Eintragung des
Geschlechts geht, zum Beispiel bei der Endgültigkeit der Entscheidung:
„Denn manche Transsexuelle sind ja noch sehr jung. Manchmal taucht dieses
Problem ja schon in der Pubertät auf, und da wäre es vielleicht ganz gut, wenn
man das etwas beweglicher gestalten könnte und nicht schon festschreiben: dem
einen oder dem anderen Geschlecht zugehörig.“
Problem nicht einfach „für erledigt
erklären“
Die Frage des Personenstandsrechts ist in der Debatte um Intersexualität
nur eine von vielen. Die Bezeichnungen zur Elternschaft und operative Eingriffe
bei Kindern, deren Geschlecht nicht genau feststellbar ist, sind weitere
komplexe Fragen.
Die Juristin Coester-Waltjen hat deshalb Verständnis dafür, dass der
Gesetzgeber sich erst einmal nur der kleineren Frage des Personenstandsrechts
angenommen hat. Denn die muss nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts
bis Ende des Jahres beantwortet sein.
Trotzdem wünscht sie sich, „dass man diese Änderung jetzt nicht nehmen
soll, um das Problem für erledigt zu erklären, sondern weiter nachdenkt, was
sinnvollerweise in dieser Hinsicht zu tun ist.“
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