Eine Trans-Hochzeit in Russland
Die Hochzeit vor dem Standesamt in der Hauptstadt der teilautonomen Republik Tatarstan fand bereits vor rund einem Monat am 12. Dezember statt, macht aber nach ersten regionalen und nationalen Medienberichten jetzt auch internationale Schlagzeilen.
Das Ja-Wort der 30-jährigen Askarowa und des 20-jährigen Manuilin gilt als eines der wenigen öffentlichen bekannt gewordenen mit Trans-Beteiligung in Russland und zudem als das erste in der strukturell erzkonservativen Region, in der rund 40 Prozent der Bevölkerung muslimischen Glaubens sind und rund 25 Prozent der russisch-orthodoxen Kirche angehören.
Die beiden Eheleute hatten wenige Monate zuvor eine Anerkennung in ihrem jeweiligen Geschlecht erreicht. Das Standesamt von Kasan habe sie ganz normal behandelt, ihnen problemlos einen schnellen Termin gegeben und auch die Ehezertifikate korrekt ausgestellt, so Askarowa und Manulin.
Kreml will trotz EGMR-Urteil Homo-Paare nicht anerkennen
Am Dienstag hatte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof Russland zur Anerkennung von Homo-Paaren verurteilt. Die Antwort aus Moskau kam prompt.
Der Kreml hat mit Nachdruck die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften oder Ehen abgelehnt. Nach der russischen Verfassung sei das nicht zulässig, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge am Mittwoch. Präsident Wladimir Putin und die russische Bevölkerung seien klar dagegen. "Nein, es ist nicht nötig, hier einen Kompromiss zu suchen", sagte er. Zuvor hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Russland verurteilt, weil es keine offizielle Anerkennung für gleichgeschlechtliche Paare vorsieht (queer.de berichtete).
Kremlchef Putin hatte im vergangenen Jahr bei einer Verfassungsänderung festschreiben lassen, dass eine Ehe nur zwischen Mann und Frau möglich sei. Festgelegt war bereits zuvor, dass die nationale Verfassung über den Urteilen internationaler Gerichte stehe. Russlands Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin forderte die Straßburger Richter*innen nun sogar zum Rücktritt auf. Die Jurist*innen seien nicht qualifiziert, wenn sie die nationalen Gesetze des Landes, auf die sich ihre Entscheidung beziehen, nicht kennen würden. Die Straßburger Entscheidung war auch von einem von Russland entsandten Richter mitgetragen worden – und hatte sich im Detail auch mit der russischen Rechtslage beschäftigt.
Kreml sieht Homosexualität als unrussisch an
Die Richter*innen hatten sich auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens der Europäischen Menschenrechtskonvention berufen. Wolodin meinte dazu, dass wieder einmal versucht werde, Russland fremde, gegen die Traditionen des Landes gerichtete Werte aufzudrücken.
Das russische Regime steht seit Jahren international in der Kritik. Seine Politik, sexuelle und geschlechtliche Minderheiten beispielsweise durch das Gesetz gegen "Homo-Propaganda" herabzuwürdigen, würde Hass und Gewalt gegen queere Menschen schüren. Russland gehört laut Umfragen zu den wenigen Ländern, in denen Homophobie in den letzten 20 Jahren zugenommen hat (queer.de berichtete).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat. Gemeinsam setzen sich die von der Europäischen Union unabhängigen Organe für den Schutz der Menschenrechte in den 47 Mitgliedstaaten ein. Russland ist Mitglied des Europarats und damit an die Menschenrechtskonvention und die Urteile gebunden. Der Europarat hat aber vergleichsweise wenig Macht, eine Umsetzung der Urteile seines Gerichtshofs zu erwirken.
Quelltext: https://www.queer.de/detail.php?article_id=39456
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