Donnerstag, 9. September 2021

Mit welchen Schwierigkeiten werden Transgender-Jugendliche in ihrem psychosozialen Umfeld konfrontiert und wie wirken sich diese psychisch aus? /// What difficulties are transgender young people confronted with in their psychosocial environment and what are their psychological effects?


 

Mit welchen Schwierigkeiten werden Transgender-Jugendliche in ihrem psychosozialen Umfeld konfrontiert und wie wirken sich diese psychisch aus?

1. Einleitung

2. Definition Trans-Kids / Tianscienclei-Jiiciendliche

3. Hauptteil
3.1 Geschlechtsspezifische Dysphorie
3.2 Physischer. sexueller und verbaler Missbrauch
3.3 Obdachlosigkeit und dem Uberleben dienender Prostitution
3.4 Fehlender Zugang zur Gesundheitsversorgung
3.5 Bestehende Optionen im Gesundheitswesen
3.6 Mobbing
3.7 Suizidalitat bei Trans-Kids
3.8 Erfahrungen vor Gericht
3.9 Haftanstalten und Gefangnisse

4. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wenn man auf die Geschichte der Menschheit zuriickblickt, dann wird bewusst, dass Weltbilder selbst bei einer relativen Allgemeingiiltigkeit stets im Wandel waren, wobei die Akzeptanz von abweichenden Individuen, welche nicht normativen Mustern entsprachen, meist herab gesetzt war, Individualitaten in Ablehnung oder sogar Verfolgung resultierten. Erst im Laufe der letzten Jahrzehnte begann die Manifestierung von Menschenrechtsschutzssystemen eine gewisse Gleichstellung in das aktuelle Weltbild vieler Menschen zu implementieren, und gerade die letzten Jahre waren Jahre des Wandels, in denen die Stimmen der Unterstiitzung von Benachteiligten und abweichenden Lebenskonzepten und Wahrnehmungen lauter, politisch maGgebliche Anderungen vollzogen wurden. Dennoch scheinen diese Abanderungen zumindest partiell nur theoretischen Charakters zu sein, die alltagliche Realitat der Betroffenen ist nach wie vor mit Entbehrungen und Benachteiligungen verbunden, eine tatsachliche Gleichstellung reine Illusion.

Die vorliegende Arbeit soil deshalb darstellen, mit welchen Problemen Trans-Kids, die zu der Gruppe jener gehoren, die in einem Weltbild, das durch tradierte Werte strukturiert ist, nicht der Norm entsprechen, konfrontiert werden. Im Umkehrschluss kann dies innerhalb der praktischen Sozial-Arbeit genutzt werden, urn entgegen zu wirken und Trans-Kids dabei zu helfen, ein gesiinderes und gleichgestellteres Leben zu fiihren.

Dazu wird vorab eine theoretische Definition geschaffen, bevor im Hauptteil in Form von diversen Unterpunkten die Probleme von Transgender-Jugendlichen innerhalb ihres psychosozialen Umfeldes und den damit verbundenen psychischen Auswirkungen aufgeschliisselt werden. AbschlieGend wird im Fazit zusammengefasst, resiimiert, reflektiert und ein Ausblick geschaffen.

2. Definition Trans-Kids / Transgender-Jugendliche

Transgender-Jugendliche werden als Kinder oder Jugendliche definiert, die sich nicht mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren. Da Transgender-Jugendliche in der Regel auf ihre Eltern angewiesen sind, was Pflege, Unterkunft, finanzielle Unterstiitzung und andere Bediirfnisse betrifft, wobei die korpereigene Wahrnehmung oftmals von diesen weder toleriert noch unterstiitzt wird, und von arztlicher Sicht oftmals Bedenken gezeigt werden, hormonelle Behandlungen bei Minderjahrigen zu vollziehen, sehen sich Transgender-Jugendliche mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert. Die entsprechende auf das Geschlecht bezogene kontrare Wahrnehmung manifestiert sich zu unterschiedlichen Zeiten im Leben der Betroffenen. In den meisten Fallen von Geschlechterdysphorie tritt diese bereits in einer friihkindlichen Phase zu Tage, wenn ein solches Kind in seiner Verhaltensweise offenbart, dass mit dem ihm zugewiesenen Geschlecht nicht iibereinstimmt. Viele dieser Kinder erfahren jedoch aufgrund ihrer individuellen Abweichung vermehrt Ablehnung und versuchen in Folge dessen, den Kontrast innerhalb ihrer Wahrnehmung zu verdrangen. Diese Verdrangung kann die Ursache fur von Dysphorie und den daraus kausal resultierenden Depressionen sein (vgl. Travers 2019: 16ff.)•

3. Hauptteil

Im Folgenden wird auf die unterschiedlichsten Bereiche eingegangen, in welchen Trans-Kids mit Problemen konfrontiert werden sowie auf die jeweiligen psychischen Auswirkungen, eingeleitet wird dies mit einer Erklarung einer moglicher Weise auf Grund der abweichenden Wahrnehmung beziigliche des Geschlechterempfindens auftretenden Dysphorie.

3.1 Geschlechtsspezifische Dysphorie

Geschlechterdysphorie wird als ein starkes, iiber einen langeren Zeitraum anhaltendes Unbehagen und Leiden beziiglich des eigenen Geschlechts, der Anatomie, des Geburtsgeschlechts und sogar der gesellschaftlichen Einstellung zu der geschlechtsspezifischen Varianz bezeichnet (vgl. Stein 2012: 480-500). Transgender-Jugendliche, die an einer Geschlechterdysphorie leiden, sind sich ihres Korpers in hohem MaEe bewusst; Die zentrovertierte Reflexion ihres Aussehens, Gewicht sowie die Meinung Dritter iiber ihr auGeres Erscheinungsbild konnen eine hohe Relevanz einnehmen. In einer Studie wurde die Korperwahrnehmung mehrerer Trans-Kids gemessen, wobei in Form von 3 unterschiedlichen Kategorien differenziert wurde: Personliche Zufriedenheit mit dem allgemeinen eigenen Aussehen, personliche Zufriedenheit mit dem eigenen Gewicht und die wahrgenommene Zufriedenheit anderer mit dem eigenen Erscheinungsbild. Es zeigte sich, dass die Trans-Kids, welche weniger personliche Zufriedenheit beziiglich ihres Gewichts angaben, sowie die, welche allgemeine Zufriedenheit anderer mit ihrem Korper wahrnahmen, eher autoaggressive Verhaltensweisen praktizierten als diejenigen, die mit ihrem Gewicht zufriedener waren und vermuteten, dass andere ihren Korper in der Regel positiv bewerten (vgl. Grossman/D'Augelli 2007: 527-537). Die Geschlechterdysphorie unterscheidet sich dabei eindeutig von der Genderinkongruenz, welche eine menschenverachtende eindimensionale Differenzierung von Identitat und Korper impliziert. Man kann jedoch davon ausgehen, dass eine Dysphorie erst durch solch eine strikte Trennung verursacht wird, in welcher das abweichende korperliche Empfinden nicht akzeptiert und der damit verbundene mentale und identitare Zustand isoliert wird. Es ist an dieser Stelle noch wichtig zu erwahnen, dass nicht alle Transgender eine Geschlechtsdysphorie aufweisen, diese aber auch auf Grund der nach wie vor riickstandigen gesellschaftlichen Umstande uberdurchschnittlich haufig auftritt.

3.2 Physischer, sexueller und verbaler Missbrauch

Eine der folgeschwersten Erfahrungen im Leben von Transgender-Jugendliche ist Missbrauch innerhalb des psychosozialen Umfeldes. Trans-Kids sind einem erhohten Risiko fur physischen, verbalen und sexuellen Missbrauch ausgesetzt, welcher oftmals aus fehlender Akzeptanz resultiert. Im Umkehrschluss wird bei solchen Kindern und Jugendlichen, die physischen, verbalen und sexuellen Missbrauch erleben, haufig die Diagnose der Geschlechterdysphorie gestellt. Trotz dieser Korrelation ist nicht klar, ob Missbrauch kausal die Abweichung der sexuellen Identitat beeinflusst, oder ob der Missbrauch kausal durch die abweichende Wahrnehmung des Kindes entsteht. Es zeigt sich jedoch unabhangig davon ein signifikanter Zusammenhang zwischen Kindesmissbrauch und abweichender geschlechtlicher Identitat der Missbrauchten. Ca. 75% aller Transgender-Jugendlichen sollen laut Grossman/D'Augelli (2007) von ihren Eltern oder Betreuern verbal missbraucht und etwa 35% korperlich missbraucht worden sein (vgl. 527-537). "Mein ganzes Leben lang wurde ich von Verwandten innerhalb meiner Familie korperlich und geistig missbraucht. Ich trage Spuren an meinem Korper." [Aussage eines Transgender-Jugendlichen mit missbrauchlichen Erfahrungen] (Grossman/D'augelli 2006: 115). Oftmals werden Transgender-Jugendliche neben dem korperlichen Missbrauch audi von ihren Eltern dazu veranlasst, den gemeinsamen Wohnraum dauerhaft zu verlassen. In anderen Fallen Ziehen sie eine Flucht aus dem Elternhaus personlich vor, was unabhangig von der urspriinglichen Ursache der Entscheidung eine hochst traumatische Erfahrung darstellen kann. Mangelnde Unterstiitzung zu Hause und standige Belastigung in der Schule konnen zudem zu akademischen Schwierigkeiten fur die Jugendlichen fiihren, die im Vergleich zu ihrer cisgeschlechtlichen Peergroup eine viel hohere Abbruchquote aufweisen (vgl. Grossman/D'augelli 2006: lllff.). Es lasst sich also feststellen, dass Jugendliche, die eine elterliche Unterstiitzung ihrer atypischen Geschlechterdarstellung erfahren, beziiglich samtlicher Risiken resilienter sind.

3.3 Obdachlosigkeit und dem Uberleben dienender Prostitution

Wie bereits erwahnt wurde, gehen missbrauchliche Erfahrungen oftmals einher mit dem Verlust der Wohnung. In den USA weist nach Angaben des National Healthcare for the Homeless Council jeder fiinfte LGBT-Jugendliche eine unbestandige Wohnsituation oder gar keine Wohnung auf. Die Griinde, warum LGBT-Jugendliche iiber keinen festen Wohnsitz verfiigen, liegen in der Ablehnung durch die Familie und Schwierigkeiten in Institutionen wie der Schule oder den Betreuungs- und Pflegeheimsystemen. Selbst wenn LGBT-Jugendliche einen Plate in den eh schon pauschal kontraproduktiven Bedingungen eines Obdachlosenheims zur Verfiigung gestellt bekommen, erfahren sie auch dort Benachteiligung, sodass sie im Vergleich zu ihren heterosexuellen und cis-geschlechtlichen Altersgenossen, welche sich denen ihnen zur Verfiigung gestellten geschlechtsspezifischen Unterkiinfte anpassen und keine zusatelichen Dienstleistungen bei der Unterbringung in den Heimen benotigen, zu unverhaltnismaGig hohen Raten ihre Platee wieder verlieren (vgl. „Serving transgender youth: Challenges, dilemmas, and clinical examples": Correction to Tishelman et al. (2015). 2015: 249).

Urn diesem Dilemma zu entkommen, werden Trans-Kids deshalb oftmals in die Prostitution gefiihrt, da sie diese als einzige Moglichkeit betrachten, urn schlicht weg zu iiberlegen. Sogenannter Survival-Sex wird als ein Akt der sexuellen Aktivitat mit einer dritten Person definiert, welcher dem Ziel dient, grundlegenden Bediirfnisse des Uberlebens zu befriedigen (vgl. Shapiro 2016). Eine Studie in mehreren amerikanischen Stadten hat ergeben, dass etwa jeder vierte obdachlose Jugendliche bereits Survival-Sex praktiziert hat (vgl. Halcon/Lifson 2004: 7). Diese Transaktionsformen fiihren in der Regel dazu, dass der Jugendliche einen Geldwert erhalt, konnen aber auch dazu genutzt werden, ein Bett fur die Nacht, eine Mahlzeit oder Kleidung zu bekommen. Zwar ist man sich der moglichen Gefahren im Zusammenhang mit Survival-Sex bewusst, doch wird oft berichtet, dass ein Gefiihl des Stolzes darauf, finanziell autonom agieren zu konnen, drastische negative Begleiterscheinungen zumindest temporar iiberdeckt. Durch diese Form des Verdienens ihres Lebensunterhaltes, steigtbei den betroffenen Transgender-Jugendlichen das Risiko enorm, an einer STI/STD (sexuell ubertragbare Infektion/Krankheit) zu erkranken (vgl. Shapiro 2016).

3.4 Fehlender Zugang zur Gesundheitsversorgung

In der Vergangenheit sahen sich transsexuelle Jugendliche zudem bei der medizinischen Behandlung der Ursachen der Geschlechterdysphorie mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert. Die mangelnde adaquate Versorgung ist haufig darauf zuriickzufiihren, dass Arzte sich weigern, Jugendliche hormonell zu behandeln, oder dass Jugendliche negative Reaktionen von Gesundheitsdienstleistern im Allgemeinen befiirchten, unter anderem auch durch den Aspekt der Offenbarung. Psychiater, Endokrinologen und Hausarzte haben jedoch mittlerweile klare Richtlinien fur die Versorgung von Transgender-Jugendlichen in der friihen Pubertal bis zu deren Abschluss vereinbart. Diese kommen in weiten Teilen Europas und Nordamerika zum Tragen (vgl. Hembree et al. 2017: 3869ff.). Viele Jugendliche, die Hormone zur Entwicklung erwiinschter sekundarer mannlicher oder weiblicher Geschlechtsmerkmale einsetzen, erhalten diese illegal, vor allem wenn es sich urn Burger von Landern handelt, in denen nach wie vor eine problematische rechtliche Situation vorliegt. Dies kann potenziell gefahrlich sein und zu einer Vielzahl von Gesundheitsproblemen bei den Jugendlichen fiihren, darunter ein inadaquates durch die Pubertal bedingtes Wachstum oder die Erkrankung an dem HIV durch kontaminierte Nadeln (vgl. Grossman/D'augelli 2006: 111-128). Jiingste Uberarbeitungen der Standards fur die Versorgung der Gesundheit von Transsexuellen, Transgendern und geschlechtsspezifisch nicht konformen Menschen beriicksichtigen jedoch vermehrt die Bediirfnisse von Transgender-Jugendlichen, ein positiver Trend ist dementsprechend beobachtbar.

3.5 Bestehende Optionen im Gesundheitswesen

Wenn eine Person von Frau zu Mann (FTM) oder von Mann zu Frau (MTF) transformiert, gibt es mehrere Moglichkeiten der Umsetzung (vgl. Home - The Transgender Center o. J.), die zur Verfiigung stehen, abhangig von finanziellen Moglichkeiten, der Zustimmung der Versicherung zur Kosteniibernahme und dem personlichen Wunsch, diese Moglichkeiten zu nutzen, Minderjahrige haben aber auf einige der Optionen, je nach Land und rechtlichen Bestimmungen, keinen Zugriff. Eine der verfiigbaren Optionen fur Minderjahrige, ist die Verwendung von sogennanten Pubertatsblockern, die 2013 auf der Jahrestagung der Endocrine Society 95 in San Francisco offiziell als nicht schadlich fur die Knochengesundheit erklart wurden (vgl. Medical intervention in transgender adolescents appears to be safe and effective 2013). In der Pubertal wird erhebliche Knochenmasse aufgebaut, weshalb dieser Befund von groEer Bedeutung ist, urn Trans-Kids die Moglichkeit zu geben, psychologischen Schaden zu vermeiden, die ihren Korper in der Pubertal, welche nicht mit ihrer geschlechtlichen Identitat iibereinstimmt, begleiten konnen. Es wird angenommen, dass Pubertatsblocker die genetisch pradisponierte Abfolge der Pubertal unterbrechen und Veranderungen reversibel sein konnen. Typischerweise werden Pubertatsblocker im Alter von 12-14 Jahren verabreicht (ebd.). In den Niederlanden diirfen Transgender-Jugendliche im Alter von 16 Jahren mit der Einnahme von Kreuzungshormonen beginnen. Medizinische Interventionen in Form von Hormontherapie und Geschlechtsumwandlungsoperationen (SRS) sind im Fall der Schadensminderung bei vorpubertaren Kindern mit schwerer Geschlechtsdysphorie gerechtfertigt, da diese schwerwiegende und sich dauerhaft manifestierende psychische Leiden verhindern konnen (vgl. Fausto-Sterling 2012: 420).

Norman Spack, ein Endokrinologe, der vor allem mit Intersex-Patienten gearbeitet hat, war ein Vorreiter bei der Unterstiitzung junger Menschen bei der Bewaltigung des Ubergangsprozesses und der Ausbildung anderer. Seine Arbeit wird von dem Wunsch geleitet, Selbstmordraten unter unbehandelten Transgender-Personen zu senken und die Jugend vor psychologischen Traumata zu bewahren, die mit der Pubertal einhergehen konnen. Spack lasst sich dabei von der Forschung inspirieren, die in den Niederlanden in Bezug auf die Verwendung von Pubertatsblockern durchgefiihrt wurde. Wenn entsprechende Verf ahren mit Pubertatsblockern und der anschlieEenden Einnahme von Kreuzungshormonen angewendet werden, kann nach dem 18. Lebensjahr eine Umwandlungsoperation durchgefiihrt werden (vgl. Spack o. J.).

Quelltext und zum Bestellen :https://www.grin.com/document/903504 

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