Sonntag, 27. März 2022

Diskriminierung und Gewalt gegen transgeschlechtliche Menschen /// Discrimination and violence against transgender people


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Diskriminierung und Gewalt gegen transgeschlechtliche Menschen   ///  Discrimination and violence against transgender people 

Diskriminierende Strukturen und Diskurse

Manche Menschen fühlen sich unsicher im Umgang mit trans* Menschen oder mit Personen, die sie geschlechtlich nicht einordnen können. Oder sie fragen sich, wie sie sich als Vereinskollegin, Onkel oder Nachbar_in solidarisch und unterstützend verhalten können.

Ist Transgeschlechtlichkeit eine Krankheit?

Nein.3  Dass Geschlechtsidentitätund Geschlechtseintragsich bei einem Menschen unterscheiden, ist keine Krankheit oder Störung. Allerdings kann transfeindliche Diskriminierung oder das erzwungene Verbergen der eigenen Geschlechtsidentität die Gesundheit von trans* Menschen beeinträchtigen.

Auch Gesetze oder Institutionen können trans* Menschen schlechterstellen. Verschiedene Menschenrechtsorgane und Rechtsexpert_innen sehen etwa eine Diskriminierung darin, dass trans* Menschen ihren Geschlechtseintragin Deutschland derzeit nur über den Weg psychiatrischer Begutachtungen mit ihrem Geschlecht in Einklang können.9 Das Bundesfamilienministerium listet in einem Positionspapier notwendige Änderungen auf und versucht eine Verbesserung der rechtlichen Situation von trans* Menschen zu erreichen. 

Individuelle Anfeindungen, strukturelle Ausschlüsse und institutionelle Hürden gehen Hand in Hand mit alltäglichen Abwertungen transgeschlechtlicher Personen in Werbespots, respektlos formulierten Zeitungsmeldungen oder Büro-"Witzen". Hier gilt es ebenso wie in der Politik einen Anfang zu machen beziehungsweise einen Schlussstrich zu ziehen und Flagge gegen Alltagsdiskriminierung zu zeigen. Auch so gelingt es in unserer Gesellschaft, trans* Menschen zu stärken und ihr Recht auf gleichwertige Lebensbedingungen anzuerkennen.

Selbstbestimmung über persönliche Informationen

Trans* Menschen haben, wie alle, ein Recht auf Privatsphäre. Das gilt insbesondere für den Bereich von Körper und Sexualität. Auch Fragen nach dem "alten" Namen oder Fotos "von früher" empfinden die meisten trans* Menschen als unangenehm. Wer den Wunsch hat, solche Erinnerungen mit Ihnen zu teilen, wird es vermutlich von sich aus tun.


Und: Trans* Personen wissen selbst am besten, in welchen Situationen und in welchem Umfeld sie die eigene Transgeschlechtlichkeit ohne Nachteile offenlegen können. Outen Sie darum niemals einen anderen Menschen als trans*, außer Sie haben dessen Auftrag und/oder ausdrückliches Einverständnis für genau diesen Ort und Personenkreis.

Die meisten Menschen identifizieren sich ein Leben lang mit dem Geschlecht, das in ihrer Geburtsurkunde eingetragen wurde, und bleiben der Geschlechterrolle verbunden, die damit vorgezeichnet scheint. Für manche ist das nicht so.

Wie Diskriminierung und Stress krank machen

Trans* Menschen erleben in vielen Lebensbereichen – inklusive in der Gesundheitsversorgung – Diskriminierung, Gewalt, Ausgrenzung und Stigmatisierung. Dies führt dazu, dass sie seltener medizinische oder therapeutische Behandlung und Beratung in Anspruch nehmen. Dadurch werden Krankheiten zum Teil nicht oder erst (zu) spät erkannt und behandelt.

Ebenso bewirken transfeindliche Diskriminierung – und die Furcht vor dieser – ein hohes Maß an Stress, was sich über längere Zeiträume sehr negativ auf die psychische und körperliche Gesundheit auswirkt und so auch die Suizidgefährdung erhöht. Diese Erklärung wird in der Wissenschaft das "Minoritätenstressmodell" genannt und ist durch Studien belegt.

Pathologisierung und Ausschlüsse im Gesundheitssystem

Auch das Gesundheitssystem selbst trägt wesentlich dazu bei, dass trans* Menschen pathologisiertund diskriminiert werden und dem daraus resultierenden Stress ausgesetzt sind. 

So wird im Gesundheitswesen in Deutschland noch voraussichtlich bis Ende 2021 die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) verwendet, die trans* Menschen als psychisch krank bezeichnet – obwohl es schon jetzt möglich wäre, die aktuellste Version der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) zu verwenden, welche trans* Menschen nicht mehr als psychisch krank betrachtet. Auch hätte bereits die gesundheitspolitische Entscheidung getroffen werden können, Transgeschlechtlichkeit – unabhängig vom beziehungsweise entgegen der ICD 10 – im deutschen Gesundheitswesen zu entpathologisieren, was beispielsweise Dänemark und Malta getan haben.

Neben der Pathologisierung stellt zudem der lange Weg durch das Gesundheits- und Rechtssystem, der für den Abschluss einer Transition in Deutschland zurückgelegt werden muss, für viele trans* Menschen eine enorme psychische Belastung dar.

Auch in den Konzepten der gesundheitlichen Prävention werden trans* Menschen trotz spezifischer, und oft höherer, Risiken nicht regelmäßig berücksichtigt. So gibt es zum Beispiel keine Präventionsstrategie bezüglich HIV und sexuell übertragbarer Krankheiten für trans* Menschen in Deutschland.

Die Rechte von Menschen, die sich nicht dem ihnen bei Geburt zugeordneten Geschlecht zugehörig fühlen (Transmenschen), werden in Europa vielfach missachtet und verletzt. Das dokumentiert Amnesty International in einem heute veröffentlichten Bericht. Transmenschen werden zum Beispiel gezwungen, sich teils schwerwiegenden medizinischen Eingriffen und Behandlungen zu unterziehen, bevor sie ihr amtliches Geschlecht und den Namen ändern dürfen.

In der Europäischen Union leben schätzungsweise 1,5 Millionen Transmenschen. In vielen europäischen Ländern erlaubt das Gesetz eine Änderung des amtlichen Geschlechts nur unter sehr strengen Voraussetzungen. Transmenschen können eine rechtliche Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität nur dann erhalten, wenn eine psychische Erkrankung diagnostiziert wurde, wenn sie in medizinische Behandlungen einwilligen, die längst nicht alle von ihnen wünschen - etwa Hormontherapien und Operationen, die eine irreversible Sterilisation zur Folge haben -, und wenn sie beweisen, dass sie alleinstehend sind. Dieser Prozess kann Jahre dauern.


«Es ist entwürdigend und unmenschlich, jemanden gegen den eigenen Wunsch zu invasiven, schwerwiegenden Behandlungen zu zwingen, nur weil er oder sie das amtliche Geschlecht ändern will», sagt Stella Jegher, Gender-Fachfrau der Schweizer Sektion von Amnesty International. «Transmenschen haben ohnehin einen schweren Weg voller Hindernisse zu gehen, bis sie ihrer Geschlechtsidentität entsprechend leben können. Dass der Staat sie noch zusätzlich diskriminiert und ihnen Hürden in den Weg stellt, darf nicht sein.»


Der Bericht von Amnesty International The state decides who I am: lack of legal recognition for transgender people in Europe hat die Situation von Transmenschen in sieben europäischen Ländern untersucht: Dänemark, Finnland, Frankreich, Norwegen, Belgien, Deutschland und Irland. Während in Irland bisher überhaupt keine Änderung des amtlichen Geschlechts möglich ist (ein entsprechendes Gesetz ist zurzeit erst in Planung), verletzen die geltenden Verfahren in den anderen Ländern fundamentale Menschenrechte.


Staaten müssen dafür sorgen, dass Transmenschen ihre Geschlechtsidentität in einem raschen, transparenten und niederschwelligen Verfahren amtlich anerkennen lassen können.

Dabei muss ihr Recht auf Privatsphäre geschützt werden, und es dürfen keine Auflagen gemacht werden, die die Menschenrechte der Betroffenen verletzen. 

Das Recht auf Privatsphäre muss ebenso geschützt werden, wie das Recht, nicht diskriminiert zu werden.»


Die Änderung ihres offiziellen Geschlechts ist für die Menschenrechte von Transmenschen von fundamentaler Bedeutung. 

Stimmt ihr amtliches Geschlecht nicht mit ihrer Geschlechtsidentität und ihrer äusseren Erscheinung überein, riskieren sie jedes Mal, wenn sie in einem Dokument entsprechende Angaben machen oder sich ausweisen müssen, diskriminiert zu werden.

Artikel 1, 2 und 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantieren das Recht auf Würde des Menschen, Leben und Unversehrtheit.

Artikel 6, 7 und 8 garantieren das Recht auf Freiheit und Sicherheit, auf Achtung des Privat- und Familienlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten. 

Artikel 14 anerkennt das Recht auf Bildung und Artikel 20 das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz. 

Artikel 21 garantiert das Recht auf Nichtdiskriminierung, auch aufgrund des Geschlechts, 

Artikel 35 garantiert das Recht auf Gesundheitsschutz, 

Artikel 45 das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit und

Artikel 47 auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht.

Eine gleichberechtigte und umfassende gesellschaftliche Teilhabe aller ohne Diskriminierung ist eine Vorbedingung für inklusive und solidarische Gesellschaften.

In dieser Hinsicht zeichnen die Ergebnisse der Erhebung eine erschreckende Realität. Sie zeigen, dass ie Gleichbehandlung von trans* Menschen ein bislang schwer zu erreichendes Ziel ist.

Erschreckend nicht wahr?


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