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Trans als Trigger: Wie die „Welt“ den Kampf gegen lästige, obskure Minderheiten befeuert, mal realistisch gesehen!
Du wirst alt - sie sagten mir -, du hast aufgehört du zu sein, du wirst verbittert und einsam.
Nein, ich habe geantwortet; ich werde nicht alt, ich werde weise.
Ich habe aufgehört, das zu sein, was andere mögen, um zu werden, was ich gerne bin, ich habe aufgehört, nach Akzeptanz anderer zu suchen, um mich selbst zu akzeptieren, ich habe die verlogenen Spiegel hinter mir gelassen, die gnadenlos betrügen.
Nein, ich werde nicht alt, ich werde durchsetzungsfähig, wählerisch von Orten, Menschen, Bräuchen und Ideologien.
Ich habe Anhängungen, unnötige Schmerzen, Menschen, Seelen und Herzen losgelassen, es geht nicht um Bitterkeit, sondern nur um Gesundheit.
Ich habe die Partynächte wegen schlaflosen Lernzeiten aufgegeben, habe aufgehört Geschichten zu leben und angefangen sie zu schreiben, habe die auferlegten Stereotypen beiseite gelegt, aufgehört, Make-up zu tragen, um meine Wunden zu verbergen, jetzt führe ich ein Buch, das meinen Geist verschönert.
Ich habe die Weingläser gegen Tassen Kaffee getauscht, vergessen, das Leben zu idealisieren und angefangen, es zu leben.
Nein, ich werde nicht alt
Ich trage in meiner Seele die Unschuld derjenigen, die täglich entdeckt werden.
Ich trage die Zärtlichkeit eines Kokons in meinen Händen, der seine Flügel an andere unerreichbare Orte ausdehnen wird, für diejenigen, die nur die Leichtfertigkeit des Materiellen suchen.
Ich trage das Lächeln auf meinem Gesicht, das unartig entgeht, wenn ich die Einfachheit der Natur beobachte, ich trage das Schrägste der Vögel in meinen Ohren, das meinen Gang erfreut.
Nein, ich werde nicht alt, ich werde wählerisch, wette meine Zeit auf das Ungreifbare, schreibe die Geschichte, die mir einmal erzählt wurde, neu entdecke Welten, rette die alten Bücher, die ich halbseitig vergessen hatte.
Ich werde vorsichtiger, ich habe die Ausbrüche aufgegeben, die nichts lehren, ich lerne über transzendentes zu sprechen, ich lerne Wissen zu kultivieren, ich säe Ideale und fordere mein Schicksal.
Nein, es ist nicht so, dass ich alt werde, weil ich samstags früh schlafen gehe, sondern dass man auch sonntags früh aufstehen muss, den Kaffee ohne Eile genießen und in Ruhe ein Gedicht lesen muss.
Nicht wegen des Alters geht man langsam, sondern um die Ungeschicklichkeit derer zu beobachten, die es eilig machen und über Unzufriedenheit stolpern.
Es ist nicht wegen des Alters, warum man manchmal schweigt, sondern einfach weil man nicht jedes Wort widerhallt.
Nein, ich werde nicht alt, ich fange an zu leben, was mich wirklich interessiert.
Victor Hugo
1802 - 1885
Unter der Überschrift „Wie ARD und ZDF Kinder sexualisieren und umerziehen“ werfen in der „Welt“ „fünf Gastautoren, Biologen und Mediziner“ dem öffentlich rechtlichen Rundfunk vor, eine „bedrohliche Agenda“ zur verfolgen. (Der Online-Titel ist mittlerweile geändert worden in: „Wie ARD und ZDF unsere Kinder indoktrinieren.“)
Die „Welt“ suggeriert, ergebnisoffene wissenschaftliche Expert*innen hätten „Beiträge des öffentlich-rechtlichen Rundfunks analysiert“ und seien zu diesen angeblich „alarmierenden“ Ergebnissen gekommen. Dem ist nicht so. Die fünf Autor*innen gehören seit Jahren fast alle zum Who’s Who der deutschen Gegnerschaft von Trans-Identitäten. Es ist eine Gruppe von Menschen, die angesichts der Abschaffung des Transsexuellengesetzes und Einführung eines neuen Selbstbestimmungsgesetzes, die die Bundesregierung plant, gerade aus allen Rohren gegen Trans-Rechte schießen.
Uwe Steinhoff, der gerne von „Transideologie“ spricht, veröffentlichte noch im Februar im „Cicero“ einen Artikel, in dem er die AfD-Politikerin Beatrix von Storch in Schutz nahm, die in einer hetzerischen Rede im Bundestag der bayerischen Bundestagsabgeordneten Tessa Ganserer abgesprochen hatte, eine Frau zu sein. Die Überschrift seines Beitrages, der auch auf das Deadnaming Ganserers nicht verzichtete, lautete: „Der Abgeordnete ist ein Mann“.
Unter den fünf ist auch der Jugendpsychiater Alexander Korte, für den trans ein „Zeitgeistphänomen“ ist und der als Kronzeuge aller Gegner*innen des Selbstbestimmungsgesetzes gilt. Antje Galuschka warnt vor dem Selbstbestimmungsgesetz unter anderem, weil es Kinder zu „Versuchsobjekten der Pharmalobby“ machen würde, und Rieke Hümpel positioniert sich schon seit Jahren durch Gender-kritische Artikel wie: „Gendern – das erinnert mich inzwischen an einen Fleischwolf“.
Dass hier also Leute mit einer klaren, bedrohlichen Agenda dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine „bedrohliche Agenda“ vorwerfen, sollte nicht weiter beeindrucken. Tut es aber: „Umerziehung bei ARD und ZDF? Offener Brief von Wissenschaftlern löst Widerspruch aus“, schreibt etwa der „Kölner Stadtanzeiger“, der weder die Ambitionen noch die Wissenschaftlichkeit des „Welt“-Textes hinterfragt.
Die Scheibenhaftigkeit der Welt ist evident
Der Gastbeitrag beginnt so:
Zunächst ging es um wissenschaftliche Korrektheit. Wir, eine Gruppe verschiedener Wissenschaftler, hatten uns zum Ziel gesetzt, der Fehlinformation der „Vielgeschlechtlichkeit“ auf die Spur zu kommen. Wir wollten herausfinden, ob es tatsächlich stimmt, dass in Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) die bestätigte wissenschaftliche Erkenntnis der Zweigeschlechtlichkeit infrage gestellt wird. Das war uns berichtet worden, und wir mochten es zunächst kaum glauben.
Zur wissenschaftlichen Korrektheit: Vielgeschlechtlichkeit ist keine „Fehlinformation“, sondern eine Erkenntnis, die bereits der Berliner Sexualforscher Magnus Hirschfeld in seiner „Zwischenstufenlehre“ in den 1920er Jahren formuliert hatte. Was heute hierzu weitgehend Konsens ist, hat die UNO 2016 so formuliert:
„Bis zu 1,7 Prozent der Babys werden mit Geschlechtsmerkmalen geboren, die nicht den typischen Definitionen von männlich und weiblich entsprechen. Das macht Intersexualität fast so häufig wie Rothaarigkeit!
Beim Intersex-Sein geht es um die biologischen Geschlechtsmerkmale einer Person. Dazu gehören Genitalien, Keimdrüsen, Hormonspiegel und Chromosomenmuster. Es unterscheidet sich von der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität – eine intersexuelle Person kann heterosexuell, schwul, lesbisch, bisexuell oder asexuell sein, und sie kann eine Frau, ein Mann, beides oder keines von beiden sein.“
Weil es eben möglich ist, „keines von beiden“ zu sein, hatte der deutsche Ethikrat bereits 2012 aufgrund des wissenschaftlichen Forschungsstandes dafür plädiert, neben „männlich“ und „weiblich“ einen weiteren Geschlechtseintrag im deutschen Personenstandsrecht zuzulassen. 2017 folgte dem das Bundesverfassungsgericht, da seiner Auffassung nach die gängige Praxis Menschen in ihren Grundrechten verletzen, die sich dauerhaft weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordnen lassen. 2018 beschloss dann der Bundestag parteiübergreifend gegen die Stimmen der AfD die Einführung des Geschlechtseintrages „divers“.
Dass die „Welt“ trotzdem 2022 einen Beitrag veröffentlicht, der auf der Behauptung basiert, Zweigeschlechtlichkeit sei „bestätigte wissenschaftliche Erkenntnis“, dass man dort also in einem Wissenschafts-Beitrag die Form der Erde als Scheibe als evident voraussetzen kann, passt zum Selbstverständnis des Springer-Mediums.
Trans als Trigger funktioniert
Trans als Trigger funktioniert, und deshalb wird auch die in der „Welt“ verbreitete, über das trans Thema aufgeladene Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk funktionieren. Auch das ist Desaster. Denn anders als die Verfasser*innen behaupten, zeigen die im Dossier zusammengetragenen Programm-Beispiele nicht die Übermacht „woker“ Themen, sondern wie selten Vielfalt dort tatsächlich stattfindet. Wenn man sich die dort angeprangerten 40 mühsam zusammen getragenen Programminhalte (gegenüber den Zigtausenden, die jährlich produziert werden) wundert man sich, auf was sie alles zurückgreifen müssen, um Alarm zu erzeugen. Schon die grafische, schemenhafte Darstellung von weiblichen Geschlechtsorganen auf Erklärtafeln fällt unter den Indoktinationsvorwurf, weil diese so einem „lieblosen und entblößenden Blick“ ausgesetzt seien. Und man denkt: Was, sowas gut Gemachtes gibt es nicht viel öfter?
Das Problem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist nicht zu viel Diversität, sondern zu wenig. Der „Welt“-Beitrag wird dazu beitragen, die zaghaften Versuche der Anstalten, dies zu ändern, mit Kampfbegriffen wie „Frühsexualisierung“ zu skandalisieren.
Wer sich wirklich über so etwas wie „Frühsexualisierung“, also das frühkindliche Indoktrinieren absurder Geschlechterverhältnisse aufregen möchte, dem sei ein tatsächlich wissenschaftlicher Blick auf das Kinderfernsehen in Deutschland (das private wie das öffentlich-rechtliche) empfohlen. In ihrer Studie „Audiovisuelle Diversität?“ haben Elisabeth Prommer und Christine Linke 2017 die Rollendarstellungen in fiktionalen und nicht-fiktionalen Produktionen für Kinder analysiert. Die nicht so überraschenden Erkenntnisse auch hier wie im Gesamtprogramm: Männerrollen sind stark überrepräsentiert, Männer erklären die Welt. Besonders spannend aber: Selbst bei sprechenden Tieren werden Kinder indoktriniert; neun von zehn Tiertrickfilmfiguren sind Männer.
Gender-Gaga im deutschen Fernsehen. Mit trans hat all das nichts zu tun.
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