Freitag, 2. Dezember 2022

CDU-Frauen fordern Einsatz für Trans-Menschen, aber mit Einbindung der Gesellschaft

 Die Frauen-Union der CDU hat sich jetzt mit eindringlichen Worten gegen das geplante neue Selbstbestimmungsgesetz der Ampel-Koalition ausgesprochen. Dabei legte der Bund der Frauen großen Wert darauf, weder Trans-Menschen noch die Idee eines neuen Gesetzes als Ersatz des veralteten Transsexuellengesetzes (TSG) zu negieren, sehr wohl aber die aktuellen Pläne vor allem des Bundesfamilienministeriums in Teilen in Frage zu stellen.

Grenzen der Rechtsprechung

So erklärt die Frauen-Union anfangs: „Die Akzeptanz und Anerkennung des Individuums gelten dabei für uns nicht nur für die äußere Wahrnehmung, sondern muss auch für die innere Bestimmung des anderen Menschen gelten und für das Ringen um Identität, auch um geschlechtliche Identität (…) Unabhängig davon ist es längst geboten, das Transsexuellengesetz über die Teile, die aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts hinaus ohnehin obsolet sind, in seiner gesamten bisherigen Form abzuschaffen und komplett neu zu fassen. In diesem Zusammenhang wollen wir ausdrücklich, dass Menschen mit Geschlechter-Dysphorie angstfrei und selbstbestimmt über ihr Geschlecht und ihr zukünftiges Leben entscheiden können.“

Allerdings, so die Union weiter, gäbe es Grenzen in der Rechtsprechung: „Generell haben Anerkennung und Toleranz ihre Grenzen dort, wo das Gegenüber mich oder andere bedroht oder meine Freiheit einschränkt. Personen mit einer Geschlechter-Dysphorie sind per se keine Bedrohung; eine geschlechtliche Transition bedroht niemanden. Im Gegenteil: Die betroffenen Personen erfahren immer noch häufig einen großen Leidensdruck, den sie sich nicht selbst ausgesucht oder ausgewählt haben.“

Ein Gesetz, das Trans-Menschen nicht wirklich hilft?

Weiter heißt es in der Erklärung der Frauen-Union: „Wir kritisieren allerdings, dass die Regierung bereits durch den Titel des Gesetzes ´Selbstbestimmungsgesetz´ die Ernsthaftigkeit und Komplexität des Themas nicht zum Ausdruck bringt. Denn der Name suggeriert, dass geschlechtliche Identität für jeden Menschen zu jedem Zeitpunkt frei wählbar sei und sein muss und sich die geschlechtliche Identität im Laufe eines Lebens gegebenenfalls mehrfach ändert. In der Realität steht für die große Mehrheit der Bevölkerung ihre geschlechtliche Identität nicht in Frage - anders als es der Titel des geplanten Gesetzes vermuten lässt. Es geht gerade nicht um ´heute Mann, morgen Frau, übermorgen divers´, sondern für eine kleine Gruppe von Dysphorie Betroffenen um eine ernsthafte und dauerhafte Lebensentscheidung.“

Und weiter: „Der Respekt gegenüber Menschen mit Geschlechter-Dysphorie gebietet daher, dass die betroffene Person die Tragweite und persönlichen Konsequenzen der Entscheidung kennt und die hierfür notwendige Begleitung erfährt, insbesondere wenn sie noch minderjährig ist. Unter diesem Aspekt sowie in Bezug auf die gesellschaftspolitischen Konsequenzen halten wir daher die vorliegenden Eckpunkte der Ampelregierung in vielen Punkten für nicht durchdacht oder sogar ungeeignet.“

Beratung muss verpflichtend sein

Ein wesentlicher Punkt ist dabei die geplante künftige Möglichkeit, ohne eine fachliche Abklärung einmal im Jahr selbstständig das Geschlecht ändern zu können. Gerade um hier Missbrauch vorzubeugen, bedürfte es eines Nachweises über die Ernsthaftigkeit des Vorhabens. Dabei spricht sich die Frauen-Union durchaus gegen das derzeitige Verfahren aus, demnach laut TSG zwei psychologische Gutachten vorzulegen seien – dieses Verfahren empfinden viele Trans-Menschen als erniedrigend, so die Frauen-Union. Das dürfe aber auf der anderen Seite nicht dazu führen, jedwede Überprüfung ganz abzuschaffen, denn dies würde wiederum zu einer „Banalisierung des Geschlechtseintrages und dieses sensiblen Prozesses“ führen.

Die Frauen-Union weiter: „Eine zu liberale Regelung ermöglicht zudem auch Missbrauch. Gerade aus diesem Grund halten wir es für richtig, eine verpflichtende Beratung und Begleitung einzuführen, die die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit der Entscheidung untermauert. Unsere Empfehlung ist deshalb, im Zuge der Änderung des rechtlichen Personenstands eine verpflichtende Beratung durch qualifizierte Fachpersonen (nicht nur Peer-to-Peer, sondern auf jeden Fall auch Psychologen, Ärzte oder Sozialpädagogen mit entsprechender Fachqualifizierung) und eventuell eine Bedenkfrist vorzusehen.“ Zudem sei es wichtig, gerade junge Menschen vor weiteren Schritten einer körperlichen Geschlechtsumwandlung genau über kurz- und langfristige Folgen zwingend und ausführlich aufzuklären – zuletzt wurden hier immer wieder Stimmen laut, dass teilweise sehr einseitig oder gar nicht über Langzeit-Nebenwirkungen informiert werden würde, beispielsweise über die teils lebenslangen Folgen der Einnahme von Pubertätsblockern.

Im Fokus: Jugendliche in der Pubertät

Ein weiterer Aspekt bei der Kritik ist dabei der Plan von Bündnis 90 / Die Grünen, dass Kinder ab 14 Jahren vermeintlich auch ohne Einwilligung der Eltern eine Geschlechtsanpassung vornehmen lassen können sollen und dass dieser Schritt künftig ohne eine verpflichtende Beratung geschehen kann. „Kinder und Jugendliche sind eine besonders sensible Betroffenengruppe. Gerade in einem gesellschaftlichen Klima, das eine missverständliche Vorstellung von geschlechtlicher Identität als jederzeit frei wählbare und austauschbare Option befördert, sehen wir den Bedarf, Jugendliche vor falschen Entscheidungen zu schützen, zum Beispiel, indem sie die Personenstandsänderung vorschnell auch mit medizinischen Maßnahmen untermauern wollen. Für uns ist daher wichtig, zu gewährleisten, dass zwischen in der Pubertät zeitweise auftretenden Identitätsproblemen und tatsächlicher Erkenntnis, dass das biologische Geschlecht nicht der geschlechtlichen Identität entspricht, differenziert werden kann“, so die Frauen-Union weiter.

Es sei daher unverzichtbar, Jugendliche hier im besonderer Weise zu schützen, so der Bund der CDU-Frauen weiter: „Hier ist des Weiteren zu bedenken, dass viele Jugendliche während der Pubertät große Probleme mit ihrer Rolle haben. Speziell Mädchen und junge Frauen hadern oft mit ihrer Frauenrolle und haben Probleme, sie anzunehmen. Deshalb schlagen wir vor, die Altersgrenze, ab der Minderjährige nur mit Zustimmung der Sorgeberechtigten ihren rechtlichen Personenstand ändern können, frühestens auf das Alter von 16 Jahren festzulegen. Neben der verpflichtenden Beratung und Begleitung für Minderjährige und deren Eltern im Falle einer angestrebten Personenstandsänderung, muss bei Minderjährigen ein befürwortendes psychologisches Gutachten zwingende Voraussetzung mindestens für jegliche medizinische Maßnahmen sein.“

Frage der Geschlechter

Auch bei der Frage nach der Anzahl der Geschlechter ist für die Frauen-Union klar, dass die aktuelle Regierung sich einseitig und offensichtlich unreflektiert auf die Definition des sozialen Geschlechts schlägt. „Die Definition des Geschlechts wird demnach von einem objektiv überprüfbaren Merkmal hin zu einem subjektiv empfundenen Gefühl verschoben. Ein solcher ausschließlicher Blick auf das Geschlecht wird jedoch der Tragweite und Bedeutung des biologischen Geschlechts nicht gerecht, zum Beispiel in der Frage der Gebärfähigkeit, der körperlichen Reaktion auf Medikamente oder der körperlichen Leistungsfähigkeit im Sport. Gerade gesellschaftliche Rollenzuschreibungen aufgrund des biologischen Geschlechts sind häufig der Ausgangspunkt für die strukturelle Diskriminierung von Frauen, die einer Gleichstellung entgegenstehen.“

Viele Maßnahmen vom Einsatz gegen sexuelle Gewalt, den allgemeinen Schutz von Frauen bis hin zur Aufarbeitung der strukturellen Ungleichheit zwischen Männern und Frauen würden so obsolet werden. So würde die Ampel-Koalition mit den aktuellen Plänen des Selbstbestimmungsgesetzes auch alle Sportvereine und Organisationen im Stich lassen, die sich eigenständig mit der Frage beschäftigen müssen, ob oder wie Trans-Frauen beispielsweise in Frauenmannschaften antreten können – stets in der Gefahr, sich möglichen Klagen auszusetzen.

Bußgeld bei Deadnaming?

Auch das geplante Bußgeld in Höhe von 2.500,- Euro beim Benennen einer Trans-Personen mit dem alten andersgeschlechtlichen Vornamen (Deadnaming) müsse klarer ausgearbeitet werden. „Es darf nicht sein, dass jemand, der eine Person aufgrund der äußeren Merkmale irrtümlich mit dem falschen Geschlecht bezeichnet, ein Bußgeld zahlen muss. Zu diesem Missverständnis kann es zum Beispiel in Schwimmbädern, Umkleidekabinen beim Sport, Saunen, öffentlichen Toiletten, beim Frauenarzt, im Frauenhaus, bei Klassentreffen oder ähnliches kommen (…) Im gesellschaftlichen Miteinander muss auch Raum für Irrtümer und unbedachte Äußerungen bleiben, die keine rechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Daher lehnen wir ein umfassendes bußgeldbewehrtes Offenbarungsverbot ohne das Erfordernis der diskriminierenden Absicht beziehungsweise des Vorsatzes ab.“

Die Gesellschaft sollte einbezogen werden

Abschließend hält die Frauen-Union fest, dass vor einer Entscheidung über das Gesetz ausführlich die bisher ungeklärten Fragen diskutiert werden müssten, vor allem auch mit Blick auf Auswirkungen, die das Gesetzesvorhaben auf andere Rechtsbereiche und gesellschaftliche Gruppen haben könne. Bisher würde die Ampel-Koalition hier nicht auf den Willen der Gesellschaft Bezug nehmen: „Eine Abwägung in Bezug auf das gelingende Zusammenleben in unserer Gesellschaft spielt in den Eckpunkten der Ampel keine Rolle beziehungsweise wird ausgeklammert.“ Dabei habe schon die Einführung der Lebenspartnerschaften gezeigt, dass die gesellschaftliche Akzeptanz wächst, wenn neue Gesetzentwürfe mit einer entsprechenden Aufklärungsarbeit verbunden würden und vorab über Pro und Contra von Gesetzestexten diskutiert werden kann, um einen bestmöglichen Konsens zu erzielen.

Die Frauen-Union hat ihre Wurzeln in der Frauenbewegung Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Mai 1948 konstituierte sich in Frankfurt die CDU/CSU-Frauenarbeitsgemeinschaft Deutschland, seit 1988 ist ihr Namen Frauen-Union. Aktuell hat die Vereinigung rund 155.000 Mitglieder.

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