Transfeindlichkeit als "Kulturkampf"
Gesetzliche Vorhaben, die trans Menschen mehr Selbstbestimmung garantieren sollen, haben in den vergangenen Monaten zu hitzigen Debatten geführt. Diese Diskussionen werden teilweise mit falschen oder irreführenden Behauptungen geführt.
Das Selbstbestimmungsgesetz war von der Ampelkoalition als ein zentrales Projekt angekündigt worden. Doch bei der Umsetzung hakt es bis heute. Bundesjustizminister Marco Buschmann sagte in einem "Zeit"-Interview zu den Gründen für die Verzögerung: "Wir haben wahrgenommen, dass es Sorgen gibt, die sich auf die Rechtsfolgen des Geschlechtswechsels beziehen."
Der FDP-Politiker führt als Beispiel auf, dass sich Besucherinnen einer Frauensauna durch die Anwesenheit einer trans Frau in ihrer Privatsphäre gestört fühlen könnten. "Die Betreiberin einer Frauensauna soll auch künftig sagen können: Ich will hier dem Schutz der Intimsphäre meiner Kundinnen Rechnung tragen und knüpfe daher an die äußere Erscheinung eines Menschen an." Die Betreiber dürften in dem Fall nicht dem Risiko einer Klage nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ausgesetzt sein. Das müsse sauber geregelt werden.
Dies sorgte auch in der Koalition für Diskussionen. Der Queer-Beauftragte Sven Lehmann betonte auf Twitter, das geplante Gesetz solle Diskriminierung abbauen, nicht neue schaffen. Trans-Verbände teilen die Befürchtung und warnen, eine solche Regelung könnte eine Basis sein für die rechtliche Ausgrenzung von trans Personen aus verschiedenen Teilen des öffentlichen Lebens.
Der Vorsitzende der SPDqueer Oberfranken Sebastian Kropp kritisierte den FDP-Politiker auf Twitter scharf und wundert sich, wie die "TERF-Erzählung von der Frauensauna eigentlich bei Marco Buschmann verfangen" konnte. Jenny Wilken von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti e.V.) fügt auf Anfrage des ARD-faktenfinders hinzu, dass durch zahlreiche Briefe an Politikerinnen und Politiker gezielt versucht werde, auf das Selbstbestimmungsgesetz Einfluss zu nehmen und die Einführung des Gesetzes zu verzögern.
In transfeindlichen Kreisen werden die Aussagen Buschmanns hingegen teilweise als Bestätigung der eigenen Position gewertet und benutzt, um weitere Behauptungen in Sozialen Medien zu verbreiten.
Selbstbestimmungsgesetz enthalte unklare Aspekte
Paula-Irene Villa Braslavsky, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und Direktorin des Instituts für Soziologie an der LMU München, betont auf Anfrage des ARD-faktenfinders, dass es zum einen bei dem gesetzlichen Vorhaben tatsächlich einige unklare Aspekte gebe - beispielsweise: "Wer erhält aufgrund welcher Gründe Zugang - oder eben nicht - zu bestimmten Räumen? Wie lassen sich Schutzräume schützen?" Aber, so Villa Braslavsky weiter, diese Unklarheit sei weder neu noch einzigartig, "sondern war immer schon eine virulente Auseinandersetzung. In den 1980er-Jahren wurde diskutiert, bis zu welchem Alter Jungs in Frauenbuchläden rein durften, die 'Frauenräume' an den Unis hatten auch in den 1990er-Jahren immer wieder das Problem der 'Einlasskontrolle'".
"Diese Unklarheiten sorgen für Unruhe, Sorgen, Ängste, das ist durchaus verständlich", so die Soziologin. Allerdings führe dies dazu, dass diese Sorgen ausgenutzt würden, um teilweise bösartige, abwegige und diffamierende Behauptungen schlicht zu erfinden oder zumindest aufzubauschen, warnt Villa Braslavsky. "Es wird trans Personen all das 'Böse' unterstellt, was vor Jahrzehnten beispielsweise den Schwulen unterstellt wurde, nämlich kriminell-perverse Energie; sie werden als Sexmonster karikiert. Das ist auch angesichts der realen Fakten rund um sexualisierte Gewalt total abwegig. Wir wissen, dass diese vor allem im Nahbereich, in Partnerschaften, in den Familien stattfindet, oder in abgeschotteten Organisationen wie Kirche oder Vereine. Die Sauna oder der Frauenraum zählen eher nicht zu den Gewalt-Hotspots."
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