Mittwoch, 22. März 2023

Intersexuelle wurden in der Nazi-Zeit in die Gaskammer geschickt, nach dem alle sich Vergnügten!

Jahr 1956 kam ich als „typisches“ Mädchen zur Welt, und ich bin auch so aufgewachsen“, erzählt Freya Jung. „Ich hatte zwar nie das Gefühl des Andersseins, kloppte mich aber gerne mit den Jungen auf dem Schulhof.“ In der Pubertät änderte sich Freyas Leben schlagartig. Zwar setzte normales Brustwachstum ein, aber andere Anzeichen des Frauseins, die Schambehaarung und die Regel, blieben aus. Ihre Mutter ging mit ihr zum Frauenarzt, der sich ihr gegenüber aber nicht äußerte.

Die Schambehaarung und die Regel blieben aus

Freya fühlte sich zunehmend isoliert, und ihre Probleme waren nicht mehr zu ignorieren. Nach der Bauchspiegelung sagte man ihr, dass ihre Gebärmutter nicht richtig ausgeprägt sei und sie keine Kinder bekommen könne. Dennoch heiratete sie mit 21 Jahren und hatte mit ihrem Mann Sexualverkehr, der aber aufgrund der zu engen Scheide oft schmerzhaft war. Bald setzten starke Blutungen ein, worauf Freya sofort ins Krankenhaus ging – in der Hoffnung, doch schwanger zu sein.

Hormonersatztherapie

Hier begann ihr Trauma. Freya wurde 14 Tage lang von 27 Ärzten untersucht. Dann eröffnete man ihr, sie sei eigentlich ein Mann. Freya habe sogenannte Embryonalhoden, die das Dreifache an männlichem Testosteron produzierten wie bei einem „normalen“ Mann. Sie fühlte sich als „Monster“. Man sagte ihr, dass die Hoden entfernt werden müssten, da sonst Krebs entstehen könne. Nach der Operation erlitt sie einen Nervenzusammenbruch. Erst durch eine Selbsthilfegruppe und eine Hormonersatztherapie mit dem weiblichen Sexualhormon Östrogen fühlt sie sich wieder als zufriedener Mensch.

Diagnose Zwitter kann die Psyche stark belasten

„Ungefähr einer von 8000 bis 10.000 Menschen ist in Deutschland intersexuell geprägt. Wobei 100 bis 160 im Jahr dazukommen, bei denen es gleich bei der Geburt erkannt wird“, sagt Professor Olaf Hiort, Sprecher der klinischen Forschergruppe „Intersexualität“ an der Universität Lübeck.

Am Anfang sind wir alle Zwitter: Bis zur sechsten Woche tragen alle Feten Anlagen für beide Geschlechter. Erst danach prägen die Gene ein männliches oder weibliches Wesen. Ein XY-Chromosomenpaar lässt Hoden, später den Penis wachsen, XX führt zu Eierstöcken und Klitoris. Doch auf dem Weg vom „neutralen“ Fötus zu Frau oder Mann kommt der Natur manchmal etwas dazwischen. Chromosomen fehlen oder sind überzählig, Enzyme versagen, Hormone fallen aus. Ärzte kennen Dutzende Störungsbilder.

Bei Freya Jung können die männlichen Hormone nicht wirken, weil Rezeptoren dafür fehlen. Das Syndrom heißt AIS (Androgen Insensitivity Syndrome). AIS-Patienten verfügen zwar über Hoden im Körper und männliche Erbanlagen, kommen aber äußerlich als Mädchen zur Welt.

Nebennieren produzieren zu viele männliche Sexualhormone

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Beim häufigsten intersexuellen Befund, dem Adrenogenitalen Syndrom (AGS), produzieren defekte Nebennieren zu viele männliche Sexualhormone. Dies führt bei weiblichen Feten manchmal zu einer sehr großen, penisartigen Klitoris. Man spricht dann von weiblichen Pseudo-Hermaphroditen. Echte Hermaphroditen hingegen, mit Hoden und Eierstöcken, sind äußerst selten. „Häufig fallen Kinder erst in der Pubertät auf, wenn vermeintlichen Mädchen ein Penis wächst, oder sich keine Brüste entwickeln“, sagt Hiort. „In anderen Fällen wird die untypische Geschlechtsentwicklung jedoch im Laufe der Kindheit im Zusammenhang mit einem Leistenbruch erkannt. Andere haben bereits bei der Geburt veränderte Genitalien.“

Sammelbegriff Intersexualität

Der Sammelbegriff „Intersexualität“ umfasst eine Vielzahl von Diagnosen. Gemeinsames Merkmal: Nicht alle das Geschlecht bestimmende Merkmale – Chromosomen, Gene, Hormone, Keimdrüsen, äußere Geschlechtsorgane – entsprechen einem Geschlecht.

Menschen mit einem XY-Chromosomensatz können zum Beispiel auf Grund fehlender Testosteronwirkung weiblich erscheinen („XY-Frauen“). Umgekehrt ist die Vermännlichung bei Menschen mit XX-Chromosomensatz möglich, zum Beispiel mit vergrößerter Klitoris. In anderen Fällen entwickeln sich gleichzeitig männliche und weibliche Geschlechtsmerkmale.

 Die Eltern wollen natürlich, dass sich ihr Kind in eine Richtung entwickelt. Ein Kind, das mit uneindeutigem Genitale zur Welt kommt, löst Verwirrung, Unsicherheit und Angst aus“, sagt Professor Hertha Richter-Appelt, Leiterin der Forschergruppe Intersexualität in Hamburg. „Liegt kein pathologischer Handlungsbedarf vor, ist der Eingriff im Kindesalter eine rein kosmetische Angelegenheit.“


Frühe chirurgische Korrektur kann schlimme Folgen haben

Bis vor wenigen Jahren erhielten intersexuelle Kinder sehr früh eine chirurgische Korrektur. Ärzte und Eltern folgten der Doktrin des amerikanischen Forschers John Money, dass intersexuelle Kinder möglichst vor dem 18. bis 24. Monat einem Geschlecht zugeordnet werden müssen. Eine vergrößerte Klitoris wurde auf Normalgröße gestutzt oder ein winziger Penis entfernt und eine Vaginalplastik konstruiert, was die einfachere Methode ist.
Tabuisierung muss gebrochen werden

Die moderne Medizin hat dies verworfen. Die Forschergruppe hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erfahrungen von Intersexuellen zu untersuchen, um Empfehlungen für die zukünftige Behandlungspraxis aussprechen zu können.

Wichtig ist den Medizinern, dass intersexuelle Menschen über ihre Situation altersentsprechend vollständig aufgeklärt werden. Tabuisierung und Verheimlichung der Diagnose und der Behandlungsmaßnahmen – wie früher üblich – sollen der Vergangenheit angehören. Betroffene sollten umfassend in die einzelnen Behandlungsschritte integriert sein, sagen die Experten. Sie sollten mitentscheiden, ob und, wenn ja, welche Form der medizinischen und psychotherapeutischen Behandlung sie in Anspruch nehmen wollen.

Intersexuelle müssen von unterschiedlichen
betreut werden

Betroffene Kinder, ihre Eltern und erwachsene Intersexuelle sollten keine voreiligen Entscheidungen über geschlechtsanpassende Eingriffe treffen.
Sie sollen sich vielmehr Zeit nehmen, um sich zu informieren, Unterstützung von erfahrenen Ärzten und Therapeuten einzuholen und Kontakt zu anderen Betroffenen aufzunehmen. Die meisten Interventionen sind nicht rückgängig zu machen, sodass gut überlegt werden will, ob und wann welche Eingriffe durchgeführt werden sollten und welche Alternativen dazu bestehen.

Sowohl die Kritik der Intersexuellen als auch neuere Forschungsergebnisse machen die Notwendigkeit deutlich, dass sich Eltern, Betroffene sowie Chirurgen, Kinderärzte, Gynäkologen, Psychotherapeuten, Urologen und Hormonexperten miteinander abstimmen müssen. Zum Wohl des intersexuellen Menschen.

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