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Transgender, Botschafter
des Geschlechts der Vielfalt?
Überarbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2012
„Im Transsexualismus verdichtet sich nämlich das Skandalon
einer vermeintlichen Grenzüberschreitung mit der fast beiläufigen
Zerstörung einer fundamentalen Alltagsgewissheit.“ (Runte, 1998)
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Die fundamentale Alltagsgewissheit, dass Geschlecht natürlich & unveränderbar sei (sh.
Kapitel II.1) wird durch den Geschlechtsrollenwechsel von Transgenderpersonen ad absurdum
geführt. Dieser revolutionäre Akt „gegen die Natur“, der auf psychischer wie physischer
Ebene absolviert wird, um das „gefühlte“ Geschlecht ans Tageslicht zu holen & damit
„eindeutig“ einem der beiden Geschlechter anzugehören, verdeutlicht wie stark das
Individuum dem Zwang einer Kategorie, einer Gruppe, einer Gesellschaft, angehören zu
wollen, unterliegt.
Transgender sind Experten alltagserprobter Geschlechtskonstruktion, die sich in der
Imaginität der erbrachten Anpassungsleistung ausdrückt & die Wandlungsfähigkeit des
Individuums veranschaulicht. Für die Biologie bleibt Transsexualismus ein Rätsel, „da indiesem Fall nicht dem Erziehungsgeschlecht die entscheidende Bedeutung für den Prozess
der Geschlechtsidentifizierung zukommt“ (Anke A. Ehrhardt, 1980: 102f).
Für Transgender ist das Wissen, dass das nach außen dargestellte Geschlecht eine
Diskrepanz zum „Gefühlten“ aufweist, oft eine Destabilisierung der Ich-Identität, die in
weiterer Folge die Ausgrenzung &/oder Stigmatisierung der Betreffenden in ihrem sozialen
Umfeld bewirkt.
Je nach Beschaffenheit der Persönlichkeitsstruktur der handelnden Personen, wird daher
früher oder später eine definitive Geschlechtszugehörigkeit angestrebt, die in Form eines
Geschlechtsrollenwechsels vollzogen wird, um eine Stabilisierung der sozialen & persönlichen
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Identität wieder herzustellen. Die Annahme, dass man nur ein Geschlecht hat, wenn
es auch im Außen als solches erkannt wird (vgl. Hirschauer 1989), wird für (einige)
Transgender das ausschlaggebende Moment, sich einem chirurgischen Eingriff zu
unterziehen. Die geschlechtsangleichende Operation legalisiert das „gefühlte Geschlecht“ &
stabilisiert damit die Geschlechtsidentität im Außen.
Goffman’s Begriff der persönlichen Fassade (Goffman, 1959: 25) – Geschlecht, Alter, Rasse,
etc. – erscheint hier sehr passend, weil alles unternommen wird, um die von der Gesellschaft
genormten Merkmale von Geschlecht, aufzuweisen. „[…]..soziale & persönliche Identität
sind Bestandteile der Definitionen, die die anderen für das Individuum aufstellen.“ (Goffman,
1963:56)
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Die Darstellung der Geschlechter
„Die Geschlechtsdarstellung ist eine hochgradig verankerte
Routine, die wir keinesfalls nach Belieben wechseln können“
(Hirschauer, 2001)
Stefan Hirschauers These betreffend die soziale Konstruktion von Geschlecht sieht den
Körper nicht als Grundlage sondern als Effekt sozialer Prozesse. Daraus folgt, dass Symbolezur Identifikation herangezogen werden müssen, da das biologische Geschlecht in der
Öffentlichkeit nicht sichtbar ist. Ein Rekurs auf natürliche Unterschiede ist daher ein Rekurs
biologischen Wissens auf Basis eines dichotomischen Alltagswissens. Damit können
Unterschiedlichkeiten nur im Rahmen der getroffenen Differenzierung festgestellt werden.
Diese werden durch den Attributionsprozess, der simpel ausgedrückt einen „Zuschreibungsvorgang“
darstellt, der sich im Sexuierungsprozess & der praktischen Implikation geschlechtlicher
Kategorisierung manifestiert, das heißt: Geschlechtsbedeutungen werden nicht nur
Personen sondern auch Objekten zugeschrieben. Daher ist Geschlechtszugehörigkeit mehr
als nur eine Unterscheidung vom jeweils anderen Geschlecht.
Die Darstellung des Geschlechts ist somit eine „Wirklichkeit“ & damit selbsterklärend; ihre
Bedeutung liegt in der sozialen Situation. Geschlechtszugehörigkeit wird solange als
natürlich empfunden, solange die bewusste Selbstdarstellung unterbleibt. Gefühle &
Emotionen übernehmen dabei einen wichtigen Faktor, den Gesa Lindemann in der
Soziologie zu wenig behandelt sieht. Nicht „how people try to appear to feel“, sondern „how
people try to feel“ (Hochschild, 1979: 560) wäre für sie der richtigere Zugang.
Für Pierre Bourdieu ist der Habitus das Mittel der Distinguierung, der durch die
Selbstdarstellung entsteht (vgl. 1984: 330) & so zu einem Erzeugungsschema von
„Gedanken, Wahrnehmungen & Gefühlen“ wird.
Daher ist für Transgender der Kontrast zwischen Körper & dem eigenen Erleben insofern
schwierig, als ein richtiges Maß an Geschlechtsindizien erst erlernt werden muss. Das
„knowing how“ (Hirschauer, 1989) muss Routine werden, d.h. es muss eine gewisse
„Selbstvergessenheit“ erlangt werden, die sich aus der Relation zwischen Darsteller & den
kulturellen Ressourcen, sowie der Beziehung zwischen Darsteller & Betrachter ergibt. Diese
impliziert die Fähigkeit, auf Unerwartetes geschlechterkonform zu reagieren, was gleichzeitig
heißt, über Erfahrung zu verfügen, wie man sich als Mann bzw. Frau verhält. Garfinkel sieht
darin die elementare moralische Selbstverständlichkeit der Praxis im Kontext zu unserem
Alltagswissen
Davon abgesehen, dass man nun darüber diskutieren kann, wo & wie es sinnvoll wäre,
genormt geschlechtsspezifischem Denken neue Wege zu eröffnen, werde ich nicht umhin
kommen, mich den (unausgesprochenen) Verhaltensregeln des Geschlechts anzupassen, um
als Frau oder Mann in der Gesellschaft akzeptiert zu werden. Quasi der zwanglose Zwang
authentischen Verhaltens. Unter diesem Gesichtspunkt untersuchte Stefan Hirschauer 1989
den Zusammenhang von offensichtlicher und natürlicher Geschlechtszugehörigkeit anhand
von Irritationen bei Verhaltens- und Wahrnehmungsroutinen von Transsexuellen und beim
Geschlechtswechsel involvierten Teilnehmern (Hirschauer, 1989:100).
Transgender müssen quasi im Zeitraffer eine Geschlechtsidentität herstellen & anwenden,
für die Gender eine durchschnittliche Entwicklungszeit von zwanzig Jahren zur Verfügung
haben. Goffman verwendet dafür den Ausdruck „Fassade“, der jenes standardisierte
Ausdrucksrepertoire impliziert, „das der Einzelne im Verlauf seiner Vorstellung bewusst oder
unbewusst anwendet.
Crossdresser, gender-bender,
Intersexuelle, Drag Kings & Queens
Der Begriff Crossdresser, wurde in den frühen 70-er Jahren geprägt & symbolisierte das
andere Geschlecht aufgrund der Kleidung. Cross-Dressing als „Zweck der die Mittel heiligt“
wurde schon im ersten Weltkrieg eingesetzt. Dorothy Lawrence verkleidete sich damals als
Soldat, um als Kriegsreporterin am Schauplatz zu sein. Da Cross-Dressing Ausdruck
geschlechtlicher Identität ist, zählt es zu Transgender.
Gender-bender hingegen symbolisiert die Aufweichung der Geschlechtergrenzen, die mit der
Diskussion um biologisches & soziales Geschlecht einhergehen. Sie gehen davon aus, dass esnicht nur Mann & Frau gibt, sondern auch Mischformen, also von beidem etwas. Als
Vertreter dieser Subgruppe gilt Boy-George, Kultfigur der Musikszene der 80-er Jahre.
Als intersexuell werden Menschen bezeichnet, die genetisch, anatomisch & hormonell
keinem Geschlecht zugeordnet werden können. Man spricht von Intersexualität oder
Hermaphrodismus.
Drag Queens hingegen sind Männer, die auf künstlerische oder parodistische Weise in
übertriebenem Aussehen & Verhalten eine Frau imitieren, während der Drag King jede Form
von Weiblichkeit darstellt, die männliches repräsentiert & schließt weite Teile von
Transvestitismus & Transgender ein.
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Transgender versus Geschlechterdifferenz
Trotz eines immer noch vorherrschenden androzentrischen Weltbildes im politischen,
sozialen & gesellschaftlichen Leben, vollziehen im Verhältnis 4 : 1 transsexuelle Männer den
Geschlechtsrollenwechsel um fortan als Frau zu leben, während nur eine transsexuelle Frau
zum Mann durchbricht. Unter diesem Aspekt wird man wohl kaum um die Frage herum
kommen, warum es gerade Männer sind, die eher das Geschlecht wechseln? Wäre es nicht
logischer, wenn sich immer mehr Frauen zu diesem Schritt entschließen würden, da sich aus
der Konstruktion des Geschlechtergegensatzes, der die Unterordnung der Frau impliziert,
schicht-, alters- & kulturübergreifend der Unterschied zum Weiblichen als geschlechtsbezogenes
Überlegenheitsgefühl ergibt? (Kersten, 1999: 80) Trotz der Rechte & Freiheiten,
die die Zugehörigkeit zur Kategorie Mann einräumt, scheint Mann zu sein, keine attraktive
Option.
Das „Warum“ zu beantworten, fällt vermutlich in die Zuständigkeit der Psychologie. Ein
möglicher Denkansatz aus feministischer Sicht wäre: Die Verweigerung der geschlechtlichen Identität Mann, als Ausbruch aus einem von Dominanz besetzten Herrschaftssystem zu
sehen.
Transgender flüchten demnach in die Knechtschaft, die sich im Geschlechtswesen Frau
manifestiert, um ihre Gefühle & Emotionen in einer Weise zu leben, wie es die Kategorie
Mann nicht zulässt. Dass damit die Differenzierung der Geschlechter neuerlich auf den
Boden der Zweigeschlechtlichkeit zurückgeworfen wird, ist eine unbestreitbare Tatsache.
Gleich-zeitig muss das Festhalten an tradierten Rollenzuschreibungen von Transgender aus
einer Perspektive der Toleranz betrachtet werden, da in unserem Normensystem
ausschließlich die Zugehörigkeit zur Kategorie Mann oder Frau, den Passierschein darstellt,
um der Gesellschaft anzugehören.
Motiv Geschlechtswandel
Im Zuge meiner Forschung beobachtete ich, dass dem ausschlaggebenden Motiv, um einen
Geschlechtsrollenwechsel durchzuführen, nicht zwingend „innere Zerrissenheit“ vorausgehen
muss, sondern auch der „Wunsch“ Vater des Gedankens sein kann.
Wenn Transgender von ihrem inneren Geschlecht sprechen, meinen sie in der Regel das
„gefühlte“ Geschlecht, das sich auf die eine oder andere Weise bemerkbar macht – jedoch
stets mit Emotion & Gefühl in Verbindung steht & auch auf dieser Ebene wahrgenommen
wird. Daher ist der Weg bis zum Durchbruch oft lang & leidvoll, doch nicht alle gehen diesen
Weg. Für die Psychiaterin, Dr. Inoszka Prehm, hat "Transsexualität so viele Gesichter, wie es
Transsexuelle gibt“ (O-Ton Interview), daher können einschneidende Erlebnisse in der
Kindheit oder Jugend, wie z.B. der Verlust einer engen Bezugsperson oder dominante
Elternfiguren, die Geburtsstunde für den Wunsch darstellen, nicht mehr länger das sein zu
müssen, was man ist.
Da der Wunsch aus einer gedanklichen Vorstellung entsteht, löst er auf der Gefühlsebene
keine Diskrepanz aus; daher wird die Entscheidung, das andere Geschlecht anzunehmen, nicht aufgrund des disharmonischen Verhältnisses zwischen gefühltem & biologischem
Geschlecht gefällt, sondern aufgrund der bewussten Verweigerung der eigenen geschlechtlichen
Identität.
Wenn nun allein der „Wunsch“ dafür ausschlaggebend sein kann, dass Personen ihr
Geschlecht ändern, um eine andere geschlechtliche Identität zu erlangen, dann stellt sich die
Frage, wie sehr ist unser Geschlecht wirklich mit „Leib & Seele“ verknüpft? Oder besteht
diese „Verknüpfung“ nur aus der Annahme eines determinierten biologischen Ursprungs, um
das kulturgeschichtliche Erbe der Zweigeschlechtlichkeit aufrechtzuerhalten, die in Zeiten
atemloser Veränderung als letzte Bastion für Stabilität & Sicherheit steht?
„Die soziale Konstruktion der Transsexualität bietet in einer Zeit der emanzipatorischen
Auflösung der Bedeutung der Geschlechtskategorien den Zeitgenossen
die Distinktionschance, sich trotz allen Aufbruchs noch als problemlose
Bewohner der alten Geschlechtskategorien zu wähnen
und von ihnen aus die soziale Welt zu betrachten.“
(Hirschauer, 1993
Die Vorstellung, dass es gleich-gültig ist, ob man als Frau, Mann, Fraumann oder Mannfrau
zur Welt käme, weil es genauso selbstverständlich wäre, wie die Tatsache, dass wir alle
Menschen derselben Gattung sind & damit keiner weiteren Unterscheidung bedürfen, ist
heute noch Utopie, doch: Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist...
(David Ben Gurion)4
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