Mittwoch, 18. Juli 2012

Neues Geschlecht, neuer Job


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Überarbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2012

Neues Geschlecht, neuer Job

Monika Strub wurde biologisch als Mann geboren. Mit ihrer Geschlechtsanpassung wechselte sie auch ihren Beruf. Doch als Frau suchte sie lange nach einer neuen Arbeit.

Ein bisschen Horst steckt in Monika Strub immer noch. Das merkt man schnell, wenn man sich mit der 36-Jährigen unterhält. Dann erzählt die junge Frau aus dem Badischen mit tiefer Stimme und aus freien
Stücken, warum sie es seit Jahren so schwer hat im Berufsleben: weil sie heute ein anderes Geschlecht hat. Monika Strub wurde als Mann geboren.

Äußerlich ist ihr das nicht mehr anzusehen. Strub hat verschiedene Eingriffe einer Geschlechtsangleichung hinter sich. Nur ihre tiefe Stimme klingt noch männlich. Sie hat sich die Stimmbänder bislang nicht operieren lassen. "Ich dachte, ich versuche es erst einmal mit Singen zu Hause", sagt sie. Eine höhere Stimmlage lasse sich nämlich auch erlernen, aber das dauere seine Zeit.

Trotzdem hat Strub es schwer, einen Job zu finden. Zuletzt war sie in einem Vorstellungsgespräch bei einer Zeitarbeitsfirma gescheitert. "Glauben Sie nicht, dass es Probleme gibt?", hatte der Arbeitgeber sie gefragt. Es war nicht die fachliche Qualifikation, an der er zweifelte. Monika Strub glaubt, sie habe den Job nicht bekommen, weil ihr Gegenüber kein Verständnis für ihre geschlechtliche Identität hatte. "Viele Arbeitgeber sind damit überfordert", sagt sie.


Wer nicht in seinem biologischen Geschlecht leben möchte oder ohne eindeutiges biologisches Geschlecht geboren wurde, hat es schwer. 

So vielfältig wie die geschlechtliche Identität, so vielfältig sind auch die Begriffe. Um die Vielfältigkeit widerzuspiegeln, spricht die ADS-Studie von Trans*Personen.

Sie teilen das Schicksal anderer gesellschaftlicher Minderheiten – mit einem großen Unterschied: Schwule und Lesben etwa haben durch jahrelange Aufklärungsarbeit ein hohes Maß an Akzeptanz erreicht.

In manchen Branchen können sie mittlerweile sogar Karriere machen und angesehene Politiker werden oder Fernsehmoderatorin zur Primetime. Transen, wie es oft falsch und abfällig über transgeschlechtliche Menschen heißt, erwarten die Leute allenfalls beim Christopher Street Day oder in freizügigen Berliner Techno-Clubs – aber nicht nebenan im Büro.

"Die Aufklärung über Trans-Menschen in der Gesellschaft hinkt völlig hinterher", sagt Jannik Franzen.
Franzen hat mit seinem Forscherkollege Arn Sauer die Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erstellt. 

Sie stützt sich auf Daten aus diversen internationalen Untersuchungen: Danach sind bis zu 54 Prozent der Trans-Personen arbeitslos. Und wer einen Job hat, kommt über ein prekäres Beschäftigungsverhältnis meist nicht hinaus. Viele Trans-Menschen sind für ihre Tätigkeit überqualifiziert, Karriere machen die wenigsten. Stattdessen gibt es große Berührungsängste seitens Vorgesetzter und Kollegen, Mobbing und gar Gewalt sind keine Seltenheit. Der Fall des Microsoft-Managers Michael Wallent, der nach einer Geschlechtsumwandlung zur weiblichen Megan Wallent den Top-Posten im Konzern noch festigte, gehört zu den Ausnahmen.

Monika Strub begann 2007 mit ihrer Geschlechtsangleichung. Damals machte sie eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger. Als Horst Strub hatte sie in der metallverarbeitenden Industrie gearbeitet. "Ich habe mich dann aber neu orientiert, wollte etwas mit Menschen machen", sagt die 36-Jährige. Doch die Suche nach Arbeit sei ein "Spießrutenlauf" gewesen. Wegen ihrer Transidentität bekam sie auf Bewerbungen Absagen, lange Zeit war Strub arbeitslos. Im Frühjahr versuchte sie es sogar als Politikerin und bewarb sich für die Linken um ein Mandat im baden-württembergischen Landtag. Die Partei blieb aber unter der Fünf-Prozent-Hürde. "Ich habe mich dann zwischenzeitlich selbständig gemacht und Brötchen ausgefahren", erzählt sie.

Aufklärungskampagnen und ein dickes Fell

Das noch relativ junge Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von 2006 schreibt eigentlich vor, dass Menschen nicht wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität benachteiligt werden dürfen. Wer sich medizinisch-operativ angleichen lässt, kann seine gelebte Identität dann im Personenstandsregister festschreiben lassen. Viele Trans-Menschen aber wollen oder können sich gar nicht einem der beiden Geschlechter zuordnen.

Im Beruf werden solche Identitätskompromisse schwierig: Dort zwingen Arbeitgeber Trans-Menschen nicht selten, entweder als Frau oder als Mann aufzutreten. Da kann schon die Frage, welche Toilette der Trans-Mitarbeiter benutzt, zur Eskalation führen. Dabei sind für viele Betroffene schon Formulierungen wie "früher ein Mann" oder "heute eine Frau" eine Diskriminierung, da diese Formulierung ihre neue Identität nicht respektiert. Es gibt eben nicht nur schwarz und weiß, männlich oder weiblich. Doch in der Medizin werde eine Geschlechtsidentität, die nicht dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht entspricht beziehungsweise sich nicht als Frau oder Mann einordnen lässt, immer noch als "psychische Störung" angesehen, kritisiert Studienautor Franzen.

Wie viele Trans-Menschen in Deutschland leben, ist schwer zu sagen. Laut der erwähnten Studie gehen Schätzungen von 7.000 bis 100.000 Personen aus. Es könnte jedoch sein, dass die Zahl viel höher liegt.

Denn unklar sind die Abgrenzungen zwischen Menschen, die ohne eindeutiges Geschlecht geboren wurden, Menschen, die sich im falschen Geschlecht fühlen und Menschen, die sich in ihrem biologischen Geschlecht zwar generell wohl fühlen, aber dennoch hin und wieder entlang von Geschlechtergrenzen wandeln.

Hinzu kommen Unterschiede bei der sexuellen Orientierung. Schließlich ist nicht jede transgeschlechtliche Person automatisch gleich lesbisch oder schwul. Auch muss jemand, der sein Geschlecht ändert, nicht automatisch die sexuelle Orientierung ändern. Microsoft-Managerin Megan Wallent beispielsweise ist nach wie vor glücklich mit ihrer Ehefrau verheiratet.

Aufklärungsprogramme werden jedoch vor allem von queer lebenden Menschen vorangetrieben.
So bietet der Verein TransInterQueer in Berlin-Kreuzberg Workshops an, die Arbeitgeber für das Thema Trans-und Intersexualität sensibilisieren sollen.
Einige Vertreter von Behörden, sozialen Einrichtungen und Unternehmen waren schon da. Auch eine bundesweite Tagung beschäftigte sich mit dem Berufsalltag transgeschlechtlicher Menschen.

Im Ergebnisprotokoll des Workshops werden die Probleme aufgelistet: Falsche Anreden oder die Weigerung von Vorgesetzten, das richtige Pronomen zu verwenden. Kein firmeninterner Ansprechpartner für Fragen der Gleichstellung. Pathologisierung. Und schließlich offenes Lästern und Mobbing.
"Man entwickelt mit der Zeit ein dickes Fell", erzählt auch Monika Strub aus ihrem Alltag. Die Leute seien eben noch immer zu "altmodisch", um so etwas wie Transsexualität zu verstehen. Um das zu ändern, engagiert sich die 36-Jährige weiter außerparlamentarisch: auf Infoständen ihrer Partei in der Fußgängerzone oder auf CSD-Paraden.

Und neulich klappte es dann plötzlich auch mit einem Job. Seit kurzem
arbeitet Monika Strub in einem Altenpflegeheim in Freiburg im Breisgau – das Vorstellungsgespräch sei überraschend gut gelaufen, sagt sie. Der Arbeitgeber habe sich überhaupt nicht für ihre sexuelle Identität  interessiert.


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