Bearbeitet von Nikita Noemi
Rothenbächer 2012
Zum Verständnis von
Transsexualität
Für die meisten Menschen spielt das Geschlecht eine ganz
zentrale Rolle in ihrem Selbstverständnis. Daher ist es für viele sicher recht
schwierig, sich vorzustellen, dass jemand eindeutig die äußerlichen Merkmale
des einen Geschlechts besitzt und sich trotzdem dem anderen Geschlecht
zugehörig fühlt. Diejenigen, die so etwas empfinden, nennt man transsexuell.
Ein häufiger Versuch, dieses Dilemma zu erklären ist: 'Stell' dir vor, du
wachst eines morgens im Körper des anderen Geschlechts auf.' Es ist wohl kaum
möglich, eine solche Erfahrung nachzuvollziehen, allerdings kann man erklären,
wie es dazu kommt und wie man damit umgeht.
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Fehlbesetzung einer Rolle
Transsexuelle äußern oftmals das Gefühl, eine Rolle spielen
zu müssen, für die sie nicht geeignet sind. Nichtsdestotrotz haben sie sich in
das Theaterstück einzufügen. Sie lernen ihre Rolle und versuchen nach Kräften,
ihr gerecht zu werden. Gute Schauspieler können so ganz überzeugend wirken,
Gesten und Worte stimmen und alles scheint perfekt, niemand zweifelt. Doch wenn
sie dann die Bühne verlassen, ist ihnen vollkommen klar, dass diese Rolle nicht
das richtige für sie ist, sie fühlen sich völlig überfordert und fehl am Platz.
Im Gegensatz zu Schauspielern können Transsexuelle jedoch nicht einfach das
Kostüm ablegen, denn ihr Kostüm ist ihr eigener Körper.
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Theorien zur Entstehung von Transsexualität
Das körperliche Geschlecht wird im Kern durch die
Geschlechtschromosomen festgelegt. Ob sich dann daraus körperlich ein Junge
oder ein Mädchen entwickelt, hängt jedoch auch davon ab, welche Hormone das
ungeborene Baby im Mutterleib beeinflussen. Nach einer weit verbreiteten
Theorie gerät bei manchen Ungeborenen etwas mit dieser Hormonsdusche
durcheinander. Sei es die Zusammensetzung oder der Zeitplan, offenbar kommt es
zu einer Mischung des geistigen und körperlichen Geschlechts. Deshalb wird
Transsexualität manchmal auch als eine Art Geburtsfehler angesehen. Ob das nun
stimmt oder nicht, zu sehen ist von alledem dummerweise überhaupt nichts. Nur
die betroffenen Personen haben oftmals schon zu Kindertagen das sichere Gefühl,
dass etwas nicht zusammenpasst. Die Mitmenschen ihrerseits sind sich sicher,
das es sich um eine ganz 'normale' Frau oder einen ganz 'normalen' Mann
handelt. Da äußerlich nun rein gar nichts feststellbar ist, halten viele das
ganze für eine 'Macke' oder geistige Störung, die mit etwas gutem Willen und
einer Therapie wohl in den Griff zu ekommen sein sollte. Doch das funktioniert
leider nicht.
Es gibt keine Heilung, aber es gibt eine Behandlung
In der Vergangenheit haben Psychologen jahrzehntelang
versucht, das Problem durch irgendeine Behandlung in den Griff zu bekommen und
die betroffenen Menschen so zu 'heilen'. In keinem einzigen Fall ist dies
nachweisbar gelungen. Deshalb kam in den 50iger Jahren der amerikanische Arzt
Dr. Harry Benjamin auf die Idee, es von nun an andersherum zu versuchen:
Anstatt den Geist dem Körper anzupassen, so folgerte er, sollte man doch
vielmehr versuchen, den Körper dem Geist anzugleichen. Zum erstenmal wurde
damit transsexuellen Menschen die Möglichkeit gegeben, sich in ihrem Körper 'zu
Hause' zu fühlen.
Als Möglichkeiten dieser Behandlung stehen hormonelle und
chirurgische Maßnahmen bereit. Auch der erwachsene Mensch wird durch
Sexualhormone in seiner körperlichen Erscheinung noch maßgeblich beeinflusst.
Erhält zum Beispiel eine Frau über längere Zeit das Hormon Testosteron
verabreicht, bekommt sie recht bald erkennbaren Bartwuchs, eine tiefere Stimme
und kräftigere Muskeln. Umgekehrt setzt bei Männern, die mit weiblichen
Hormonen (Östrogenen) behandelt werden, das Brustwachstum ein und die
Muskelmasse schwindet. Zusätzlich zur Hormontherapie nehmen vielen
Transsexuelle auch chirurgische Hilfe in Anspruch, um das körperliche
Erscheinungsbild möglichst natürlich werden zu lassen.
Da diese Eingriffe größtenteils nicht mehr umkehrbar sind,
ist es dringend geboten, die Anwendung solcher Behandlungen zusammen mit den
betroffenen Personen gründlich zu überdenken. Ein bestehender Bartwuchs, egal
ob bei Frau oder Mann, kann nur in einer langwierigen und schmerzhaften
Prozedur wieder entfernt werden. Die meisten operativen Maßnamen hingegen sind
nicht rückgängig zu machen. Es ist Aufgabe einer psychologischen Betreuung, zu klären,
ob alle möglichen Maßnahmen sinnvoll und angebracht sind. Zudem soll den
Menschen dabei auch geholfen werden, die Probleme des Geschlechtsrollenwechsels
zu meistern.
Zur Änderung des Vornamens gibt es in Deutschland das sog.
Transsexuellengesetz. Auf Antrag und Vorlage von 2 Gutachten kann aufgrund
eines richterlichen Entscheides der Vornamen geändert werden. Zudem kann nach
einer angleichenden Operation der Geschlechtsmerkmale (Entfernen der Brüste und
der Eierstöcke bei der Frau, bzw. Entfernen der Hoden und des Penis beim Mann)
auch der Personenstand geändert und damit beispielsweise eine entsprechende
Eheschließung ermöglicht werden.
Beziehungen zu den Mitmenschen
Nachdem viele transsexuelle Menschen über lange Jahre ihre
Rolle so überzeugend gespielt haben, fällt es der Familie, Freunden und
Kollegen oftmals und verständlicherweise recht schwer, mit den plötzlichen
körperlichen Änderungen klarzukommen. Auch das Verhalten der transsexuellen
Personen ändert sich meistens, sie probiert nun eine neue Rolle aus, was
anfangs natürlich nicht immer gleich überzeugend gelingt. Nicht selten fühlen
sich die Mitmenschen dann betrogen und werfen den Betroffenen vor, egoistisch
zu handeln und die bisherige Ordnung zu zerstören. Oftmals wird der Ruf laut: 'Geh
doch mal zum Psychiater!' Man möchte die alten Verhältnisse wiederhergestellt
wissen.
In Beziehungen, bei denen das Geschlecht keine erhebliche
Rolle spielt, ist diese Umstellung sicher einfacher zu bewältigen. Schließlich
lässt sich anstelle der bisherigen Kollegin auch mit einem Kollegen gut
zusammenarbeiten. Und anstelle eines Sohnes ist sicher auch eine Tochter
liebenswert. Schwieriger sind da schon sexuelle Beziehungen, die einen
derartigen Wechsel nur in sehr wenigen Fällen überdauern. Auch im Hinblick auf
eine neue Beziehung gestaltet sich die Situation für viele transsexuelle
Menschen nicht ganz einfach, denn die Vergangenheit im anderen Geschlecht kann
nicht ungeschehen gemacht werden und nur wenige haben das Glück, körperlich der
Durchschnittserscheinung des ersehnten Geschlechts zu entsprechen. Zudem ändert
sich meist wenig daran, ob Männer oder Frauen als Sexualpartner bevorzugt
werden, weshalb sich Transsexuelle dann oft in der Situation wiederfinden, nun
als lesbisch oder schwul zu gelten, was es ihnen nicht gerade einfacher macht.
Statistiken
In Deutschland haben zwischen 1981 und 1990 ca. 1500
Menschen einen Antrag auf Änderung ihres Vornamens gestellt. Ungefähr die
Hälfte davon hat sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen. Das
Verhältnis zwischen Frauen und Männern ist nicht ganz gleich, der Anteil von
Männern, die sich als Frau empfinden, ist etwa doppelt so hoch. Es ist davon
auszugehen, dass viele betroffene Menschen sich allerdings niemals trauen, die
Geschlechterrolle zu wechseln. Aber diese Menschen liegen recht unterschiedliche
Schätzungen vor, sie schwanken zwischen einem Verhältnis von 1:1000 bis zu
1:10000, bezogen auf den Anteil von Transsexuellen in der Bevölkerung.
Nachweisbar gibt es Lebensbereiche, in denen Transsexuelle überproportional
häufig zu finden sind. Beispielsweise sind das bei Mann-zu-Frau Transsexuellen
nicht unbedingt Bars und Showbusiness, wie man annehmen möchte, sondern unter
anderem auch die französische Fremdenlegion und die U.S. Marines. Manche
Menschen treibt es aus lauter Angst vor dem Entdecktwerden in solche Gruppen,
da sie hoffen, nur hier als 'echte' Männer zu bestehen. Was solche
Einzelschicksale somit oft erdulden, lässt sich wohl kaum erahnen.
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