Mittwoch, 15. August 2012

Zwischen Himmel und Hölle die Prostitution von Transvestiten und Transsexuellen in der Türkei


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Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2012

Zwischen Himmel und Hölle

die Prostitution von Transvestiten und Transsexuellen in der Türkei

Der Schriftsteller Mehmet Murat Somer versucht in seinen Krimis ein Tabu seiner türkischen Heimat zu brechen: die Prostitution von Transvestiten und Transsexuellen.

Verloren und verlassen steht sie da, Strandgut des Lebens, aber entschlossen, sich ihr Unglück nicht anmerken zu lassen. Arzu friert, raucht eine Zigarette, zieht sich den schäbigen blauen Mantel enger um die Schultern und wartet.
Sie wartet an diesem kalten Abend darauf, dass es endlich später wird. Jetzt ist es kurz vor elf. Das ist viel zu früh fürs Geschäft. Es ist noch nichts los in der Sahra Bar in Istanbul. Der Barkeeper und die Türsteher sind da und ein einziger Gast. Der alte Mann bewegt sich auf der Tanzfläche, wirft die Arme in die Luft, dreht sich verzückt zur lauten Discomusik.

Mit dem, das sagt ihr die Erfahrung, kommt Arzu nicht ins Geschäft. Sie hat sich sorgfältig zurechtgemacht, wie jeden Abend. Sie hat sich die rötlichen Locken gebürstet, das dicke Make-up und den goldenen Lidstrich aufgetragen, sich in eine enge Jeans gezwängt, die ihre knabenhafte Figur betont, den gepolsterten BH angelegt und den Strickpulli übergezogen.

Heute ist es zu kalt fürs Geschäft. Zu kalt für Sex. Arzu, die behauptet, 39 Jahre alt zu sein, ist ein Transvestit, der sich prostituiert, einer von vielen in Istanbul.

Arzu könnte eine Figur aus den Romanen von Mehmet Murat Somer sein. Aber die beiden kennen einander nicht. Somer, 50, hat schon ein paar erfolgreiche Karrieren hinter sich. Er war Ingenieur, Banker und zuletzt Unternehmensberater. Er brachte ganzen Abteilungen bei, wie man effizienter, kostengünstiger arbeitet, also mit weniger Personal auskommt. Aber der Beraterjob, sagt Somer, habe ihn ausgelaugt. Deshalb hat er den Beruf gewechselt. Jetzt ist er Schriftsteller. Ein erfolgreicher - natürlich. Der Mann mit den modisch ovalen Brillengläsern schreibt Krimis, die im Istanbuler Transsexuellen- und Transvestitenmilieu spielen. Sein Roman "Die Propheten-Morde" erscheint jetzt mit einigen Jahren Verzögerung auf Deutsch*.

Somer wohnt zentral, in einem hellen, großen Apartment. In seinem Viertel ist Istanbul sauber und einigermaßen übersichtlich, um die Ecke befindet sich das Deutsche Generalkonsulat. Und vor allem ist es hier ruhig. Eine Gegend für den wohlhabenden Mittelstand.
Seine Wohnung hat Somer traditionell eingerichtet, mit Teppichen und türkischen Antiquitäten. Ungewöhnlich sind nur die Tausenden Opern-CDs und die vielen Kunstbücher. Somer wohnt nicht weit vom Taksim-Platz, dem Times Square von Istanbul.

Von hier sind es zu Fuß keine 20 Minuten zum Arbeitsplatz von Arzu in der Sahra Bar. Vom Taksim-Platz geht es die Istiklal Caddesi hinunter, die Straße der Unabhängigkeit, und dann in die Nebenstraßen hinein, die mit jedem Schritt dunkler, schmutziger und unübersichtlicher werden. In der Sadri Alisik Sokak, einer Seitengasse, die zum Bosporus abfällt, finden sich einfache Lokale, Gay-Clubs und Istanbuls einzige Schwulensauna. Hier liegt die Sahra Bar. Die ist von allen Etablissements der Stadt, in denen Transsexuelle und Transvestiten verkehren, das anerkannt schäbigste.

Mehmet Murat Somer, der Autor, und Arzu, die Prostituierte, verdienen ihr Geld mit demselben türkischen Tabu. Arzu auf dem Strich, Somer am Schreibtisch.
In keiner anderen europäischen Stadt, heißt es, schaffen mehr Transvestiten und Transsexuelle an als in Istanbul. Der Islam ächtet Homosexualität und Sex außerhalb der Ehe. Offen lebende Schwule sind in der Türkei rar. Viele Männer mit Lust auf einen Männerkörper gehen lieber zu einem Transvestiten wie Arzu als zu einem Stricher. Die meisten von Arzus Kunden sind verheiratet. Transvestiten halten für sie die Illusion aufrecht, mit einer Frau zu schlafen, irgendwie.
Aber sie stehen am untersten Ende der gesellschaftlichen Hierarchie. "Vor zehn Jahren", sagt Arzu, "war es für uns noch wie die chinesische Folter." Als Arzu anfing, in Istanbul anzuschaffen, waren Transvestiten Freiwild, verspottet, verhöhnt, verachtet.

Auf dem Transen-Straßenstrich an den Ausfallstraßen wurden immer wieder Prostituierte von Autos überfahren. Die Täter waren wohl Männer, die es sich nicht verzeihen konnten, zu Transsexuellen oder Transvestiten zu gehen. Mord aus Selbsthass, getarnt als Unfall.

Heute, sagt Arzu, sei es "ein bisschen besser geworden" mit der Akzeptanz. Heute gibt es sogar einen Christopher Street Day in Istanbul, an dem einige mutige türkische Schwule und viele Party-Touristen durch die Stadt paradieren. Die Strenggläubigen macht der Umzug mit den Regenbogenflaggen und den Männern, die sich öffentlich küssen, fassungslos.

Türken, heißt es heute noch immer, "werden als Soldaten geboren". Das sagen Väter ihren Söhnen. Schwulsein ist in einer patriarchalischen Gesellschaft nicht vorgesehen. Aber es gibt Notlösungen. Privat und öffentlich. Verborgen, heimlich, angstbeladen. Davon lebt Arzu. Für gut 20 Euro aufwärts ist sie zu Diensten. Die Männer, die sie bezahlen, wollten von ihr "das, was sie zu Hause nicht bekommen", sagt Arzu, "oral und anal". Der Sex findet im Auto oder in Stundenzimmern statt.

Dabei hat die Türkei durchaus eine alte Tradition, was das zweideutige Spiel mit der Geschlechterrolle betrifft. Bis in die Gegenwart gibt es Männer, die sich - im Dienste der Kunst - als Frau verkleiden und damit großen Erfolg haben.

Der kurioseste und prominenteste Fall ist der Sänger, Komponist und Schauspieler Zeki Müren (1931 bis 1996), der im Laufe seiner Karriere immer mehr zu einer exaltiert weiblichen Erscheinungsform fand. Je effeminierter Müren sich gab, desto größer wurde sein Ruhm. Die Türken nannten ihn "Sanat Günesi", Sonne der Kunst.

Als der Künstler vor laufender Kamera während einer TV-Show starb, blendete das Fernsehen den Schriftzug ein: "Die Sonne ist untergegangen." Die Beerdigung war wie ein Staatsbegräbnis. Sonnenfinsternis eben.

Müren hat sein Privatleben immer abgeschottet. Ein Outing war für ihn undenkbar. Und so hielten ihn seine unzähligen gutgläubigen Fans auf dem Land für einen begnadeten Künstler mit einem extravaganten Geschmack, und die Gays in den großen Städten sahen in ihm das byzantinische Gegenstück zum US-Entertainer Liberace.

Mürens Kollege Bülent Ersoy ging offensiver zu Werke. Vor 28 Jahren ließ sich Ersoy, der schon damals ein Gesangsstar war, zur Frau operieren, behielt aber provozierenderweise den männlichen Vornamen. Dann setzte Bülent in einem zähen Kampf durch, vom Staat als Frau anerkannt zu werden, und heiratete vor einigen Jahren einen deutlich jüngeren Mann. Auf Kritik reagierte Ersoy kühl: "Laut Gesetz bin ich eine Frau, genauso wie die Ehefrauen des Ministerpräsidenten oder des Staatspräsidenten, und es ist mein Recht zu heiraten."

Auch Mehmet Murat Somer, der Krimi-Autor, erlaubt sich zu leben, wie er will. Er verehrt Diven aller Art, von Barbra Streisand bis zur Callas, und er schwärmt für amerikanische Pornodarsteller. Einer seiner liebsten Schlager stammt von Katja Ebstein und heißt: "Was hat sie, das ich nicht habe?" Somer spricht ein wenig Deutsch, sein Vater war Anfang der sechziger Jahre Arzt in einem Sanatorium im Schwarzwald. Mit seinen bislang sechs Transen-Krimis will der Kosmopolit Somer nicht in erster Linie Schwulenpolitik machen, sondern vor allem eine Marktlücke schließen.

Als er anfing, suchte er, "als Marketingidee", nach einer besonderen Hauptfigur. "Es gab schon schwule und lesbische Detektive." Und so kam er auf seinen namenlosen Helden und Ich-Erzähler, den Betreiber eines fiktiven Clubs, der in der Nacht als aufwendig hergerichtete Frau im Audrey-Hepburn-Look unterwegs ist. Eine Kunstfigur durch und durch, die in immer neue Todesfälle stolpert.
In "Die Propheten-Morde", dem ersten Krimi der Reihe, ist es gleich eine ganze Serie. Mehrere Transvestiten werden brutal ums Leben gebracht. Alle haben, so stellt sich bald heraus, die Namen von Propheten bekommen, als ihre Eltern sie noch für vielversprechende Stammhalter hielten. Alle arbeiten als Prostituierte in Istanbul.

Somer erzählt das nicht als Sozialanklage oder Psychodrama, sondern belässt seinen brisanten Stoff im Grenzgebiet zwischen Überzeichnung und vagem Realitätsbezug.
Trotzdem fand Somer zunächst für seinen Erstling keinen Verlag in der Türkei. Die Angst überwog, ein Tabu zu verletzen. Erst diese einhellige Ablehnung der Branche machte dem Autor klar, "wie groß die Abscheu vor diesem Thema in unserem Land immer noch ist". Nun wollte er erst recht sein Buch veröffentlichen. Die einzelnen Kapitel kursierten zunächst bei Somers Freunden im Netz. Und immer häufiger bekam er Mails, er möge seine Story möglichst bald fortsetzen.

Schließlich hatte der Verlag Iletisim Yayinlari, in dem auch die Werke von Nobelpreisträger Orhan Pamuk erscheinen, den Mut, Somers Buch anzunehmen. Der Verlag richtete für Somer eigens eine Krimi-Reihe ein. Als "Die Propheten-Morde" endlich 2003 herauskam, waren die Reaktionen überraschend positiv. Die erste anerkennende Kritik erschien ausgerechnet in einer ultrakonservativen Zeitung.

Das lag sicher auch an Somers fast komödiantischem Ton. Sein Romanpersonal ist so geschickt zwischen Klischee und Kunstfigur plaziert, dass die Geschichten keinen Vergleich mit der Wirklichkeit provozieren. Somers Held, die Nachtclub-Transe, ist witzig, belesen und selbstbewusst. Als Kerl ein Supermann mit Kampfsporterfahrung - und im Fummel eine begehrenswerte Granate mit Hang zu Uniformträgern: eine türkische Schwester von Lena Odenthal aus dem "Tatort", nur mit perfekterem Make-up, höheren Absätzen und einem aufregenderen Sexleben.

Arzu, der Transvestit aus der Sahra Bar, hat von Somers Krimis noch nie gehört. Arzu ist nicht belesen, nicht geistreich und schon gar nicht selbstbewusst.
Ihre Geschichte ist so traurig, dass sie für keine Krimi-Komödie taugt, und ihre Kunden interessiert ihre Biografie erst recht nicht. Arzu, die den Jungennamen, den ihr die Eltern gaben, nicht nennen will, wuchs in Alanya am Meer auf. Als Knabe half sie in einer Autowerkstatt aus, als Laufbursche. Sie habe aber immer schon wie ein Mädchen ausgesehen, sagt sie.
Als das Kind elf war, wurde es in der Werkstatt von einem Arbeiter vergewaltigt. Arzu schwieg, und die Gewalttat wiederholte sich. Arzu war begehrt bei Männern. "Sie fuhren mit mir im Auto ins Gebirge." Die Männer "waren nicht homosexuell", sagt sie, "die wollten schnellen Spaß". Sex mit Männern wurde für Arzu zur Gewohnheit, viel später zum Lebensunterhalt.

Arzu arbeitete zwischenzeitlich als Reiseleiter in Alanya, lernte, einen Bus zu fahren. Aber das war nicht das Leben, von dem sie träumte. Sie wollte weg, und sie wollte ein schwules Leben führen. "Aber ohne festen Job ging das am einfachsten mit der Prostitution", sagt Arzu heute. Seit fast zehn Jahren schafft sie jetzt an.
Zu einer Wohnung hat es bei Arzu nicht gereicht. Sie haust in einem Hotel.
Seit kurzem ist sie stolz darauf, dass sie auch einen zweiten Beruf nennen kann. Sie bezeichnet sich als Schauspielerin. Der Film, in dem sie mitspielen sollte, wurde vom Kultusministerium dann aber doch nicht gefördert. Es ging um Freier, Transen, Kurden. Der Film sollte "Die auf den Beinen bleiben" heißen. Vielleicht wird er ja noch gedreht. Das wäre für Arzu die Erfüllung aller Wünsche. Ihr Leben, sagt sie, bewege sich "zwischen Himmel und Hölle".

Wenn sie vor der Arbeit durch ihren Stadtteil geht, ungeschminkt, das Haar zurückgekämmt, dann wird Arzu als Frau angesprochen.Dann betteln die Kinder im armen Viertel auch um ein bisschen Geld für Süßigkeiten. Und sie nennen Arzu "Abla". Das heißt ältere Schwester. In der Türkei ist das ein Zeichen für Wertschätzung.

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„Wenn man den Geist nicht so verändern kann, dass er zum
Körper passt, dann sollten wir uns vielleicht dazu
entschließen,
den Körper so zu verändern, dass er dem Geist entspricht.“


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