Freitag, 28. September 2012

Das Coming-out



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Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2012

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Das Coming-out

Die Konfrontation mit einer transsexuellen Person führt beim Umfeld häufig zu emotionalen Irritationen, anzüglichen Bemerkungen, Belästigungen, Beschimpfungen und sogar tätlichen Angriffen gegenüber Transsexuellen. Dieser Umstand macht es Transsexuellen nicht leicht, nach dem Gewahr werden der eigenen transsexuellen Identität an die Öffentlichkeit zu treten, sich zu outen.

Wie fühlen sich transsexuelle Personen und auf welche Probleme stoßen sie, wenn sie zum ersten Mal zu jemand Nahestehendem sagen: „Ich fühle mich als Frau/Mann und möchte auch so sein.“
„Frau-zu-Mann-Transsexuelle werden nach dem Coming out zunächst besser aufgenommen vom Umfeld als Mann-zu-Frau-Transsexuelle.“


„Frau-zu-Mann-Transsexuelle werden nach dem Coming out zunächst besser aufgenommen vom Umfeld als Mann-zu-Frau-Transsexuelle.“

Deshalb denke ich, dass es Frau-zu-Mann Transsexuelle zunächst einfacher haben als Mann-zu-Frau-Transsexuelle.

Ich vermute, dass Frauen zumal offener mit dem Wunsch umgehen, ein Mann zu sein, als dass Männer mit dem Wunsch, eine Frau zu sein, umgehen. Ich begründe meine Vermutung dadurch, dass es schon fast normal ist, wenn ich als Frau Fußball spiele, Metal höre oder mich bei Autos auskenne.


Da Frauen offener mit dem Wunsch umgehen, dem Gegengeschlecht anzugehören, schockiert es das Umfeld einer Frau-zu-Mann Transsexuellen weniger, wenn sie sich endgültig outet. Das Umfeld ist dann nicht sonderlich überrascht, es hatte schon immer eine Vorahnung gehabt. Somit fällt es dem Umfeld wesentlich leichter, die transsexuelle Identität des Frau-zu-Mann-Transsexuellen zu akzeptieren.

Der Transsexualismus ist nach der Internationalen Klassifikation der psychischen Krankheiten eine Störung der Geschlechtsidentität, einige Experten und Expertinnen verstehen den Transsexualismus jedoch als eine normale Variante der Geschlechtsidentität!

. Experten und Expertinnen rücken immer mehr vom Pathologiekonzept ab und bezeichnen den Transsexualismus als normale Form der Geschlechtsidentität.

Coming-out-Prozess

Der Begriff Coming-out-Prozess stammte ursprünglich aus der Homosexualitätsforschung. Der Coming-out-Prozess beinhaltet das Gewahrwerden der eigenen transsexuellen Identität und deren Akzeptanz. Das Heraustreten mit dieser Identität in das Umfeld, das Coming-out, ist ein weiterer, wichtiger Bestandteil des Prozesses. (vgl. Rauchfleisch  2009: 69) Etliche Forscher und Autoren haben versucht, diesen Prozess in Stufen- oder Phasenmodelle zu erläutern. Die Modelle differenzieren sich teilweise beträchtlich. Weite Verbreitung und Akzeptanz fand das Modell von Vivienne C. Cass.
Sie entwickelte ein Sechs-Stufen-Modell der Identitätsentwicklung. Es beschreibt den Weg zur vollkommenen Integration der homosexuellen, bisexuellen, transgender oder transsexuellen Identität ins Selbstbild und somit zur kompletten Akzeptanz dieser Identität.

1: Identitätskonfusion

Die Identitätsentwicklung beginnt mit dem Bewusstwerden, dass Informationen über die Transsexualität auf irgendeine Art und Weise auf die betroffenen Personen zutreffen. Dieses neue Bewusstsein stimmt mit dem bisherigen Selbstbild nicht überein. Diese Unstimmigkeit sorgt für emotionale Spannungen, die Zustände der Angst und der Verwirrung hervorrufen können. Aus dieser Phase sind drei Ausgänge vorstellbar: (vgl. Ritter Terndrup 2002; 91)
• Für die betroffene Person ist Transsexualismus eine zutreffende und akzeptable Selbstdefinition. Sie stellt sich die Frage, ob sie transsexuell sei und schreitet  zur nächsten Stufe vor.
• Die betroffene Person sieht Transsexualismus als eine zutreffende, aber nicht wünschenswerte Selbstdefinition an. Sie versucht, ihre transsexuellen Gefühle zu unterdrücken und „normal“ zu sein.
• Ist Transsexualismus eine inkorrekte, nicht wünschenswerte Selbstdefinition, wird die betroffene Person die Strategie der persönlichen Schuldlosigkeit übernehmen. Sie bezeichnet ihr transsexuelles Verhalten als ein einmaliges Experiment oder wird der Situation, in der sie sich transsexuell verhält, die Schuld dafür geben.

2: Identitätsvergleich

Die betroffenen Personen sehen sich nun als eventuell transsexuell an. Der erste Schritt zu einem transsexuellen Selbstbild wurde unternommen. Die Verwirrung über sich selbst und sein Handeln ist geringer geworden. Jedoch fühlen sich die Betroffenen von den Anderen entfremdet. Ein Gefühl der Nichtzugehörigkeit zur Gesellschaft stellt sich ein. Auch aus dieser Phase sind unterschiedliche Wege möglich:
• Die betroffene Person entwertet die Wichtigkeit anderer Personen. Sie führt ihr Verhalten auf die Nichtübereinstimmung mit der Gesellschaft zurück und sucht Informationen zu Gleichgesinnten. Jedoch ist es wahrscheinlich, dass sie weiterhin ihre Transsexualität verbirgt, da sie dadurch negativen Reaktionen ausweicht und zusätzliche Zeit zur Akzeptanz ihrer transsexuellen Identität erhält.

• Die betroffene Person vermindert die Wichtigkeit eines transsexuellen Selbstbildes und die Bedeutung ihrer transsexuellen Erfahrung. Sie erklärt sich ihre transsexuellen Gedanken und Handlungen als eine kurzweilige Phase oder beschuldigt ihr irgendjemand oder irgendetwas für ihr Verhalten.

• Erwartet die betroffene Person sehr negative Reaktionen von ihrem Umfeld, wird sie ihre transsexuellen Gedanken unterdrücken oder ihr Umfeld verlassen, indem sie zum Beispiel in eine andere Stadt umzieht.

• Die betroffene Person wünscht sich, ihre Wünsche, ihr Verhalten und ihr Selbstbild zu ändern. Sie verdrängt die Möglichkeit, transsexuell zu sein und versucht mit aller Macht, „normal“ zu sein.

3: Identitätstoleranz

In dieser Stufe erlangen die betroffenen Personen die Erkenntnis, wahrscheinlich transsexuell zu sein. Sie beginnen, ihre transsexuelle Identität zu tolerieren. Sie fühlen sich noch stärker von der Gesellschaft entfremdet und suchen deshalb den Kontakt zu anderen transsexuellen Personen und Organisationen. Dieser Kontakt zu Gleichgesinnten ist für den Verlauf der Identitätsentwicklung entscheidend. Fällt diese Begegnung negativ aus, entwertet die betroffene Person die transsexuelle Subkultur, bricht den Kontakt mit transsexuellen Personen ab und ihre Selbstachtung sinkt. Ist die erste Begegnung mit transsexuellen Personen positiv, steigert sich die Identifikation mit der transsexuellen Subkultur, was die Selbstachtung der betroffenen Person erhöht.

4: Identitätsakzeptanz

Die betroffenen Personen vertiefen und genießen den Kontakt mit der transsexuellen Subkultur. Diese sich normalisierenden Begegnungen helfen den betroffenen Personen, ihre transsexuelle Identität zu akzeptieren. Immer mehr Freunde stammen aus der transsexuellen Subkultur. In dieser Phase gibt es verschiedene Möglichkeiten, mit der Transsexualität umzugehen.

• Um den negativen Reaktionen aus dem Weg zu gehen, gibt sich die betroffene Person in der Öffentlichkeit als eine „normale“ Person aus. Diese Strategie kann für die betroffene Person akzeptabel sein und zu einer friedlichen und erfüllenden Stufe der Entwicklung führen.

• Die betroffene Person verschweigt in der Öffentlichkeit ebenfalls ihre Transsexualität, vermindert aber zusätzlich den Kontakt  mit Nicht-Transsexuellen. Dadurch vermindert sich das Gefühl der Differenziertheit zur großen Mehrheit der Bevölkerung.

• Um die Ungleichheit zwischen der betroffenen Person und der großen Mehrheit zu verringern klärt sie einige, ihr wichtigen Personen, über ihre transsexuelle Identität auf. Sie werden jedoch gebeten, ihr Geheimnis zu bewahren und zu beschützen.

Das Selbstbild ist aufgrund des Kontakts mit der Subkultur viel positiver geworden und eine größere Sicherheit mit der eigenen Transsexualität hat sich eingestellt. Mit Hilfe der neu gefundenen Freunde können die betroffenen Personen ihre Transsexualität vollkommen legitimeren.

5: Identitätsstolz

Die betroffenen Personen erreichen die 5. Stufe mit einem starken Gefühl der Ungleichheit zwischen dem positiven Gefühl ihrer Transsexualität und der negativen Einstellung der sozialen Umwelt. Diese Ungleichheit erzeugt Zorn gegenüber Nicht-Transsexuellen und gleichzeitigen Stolz auf die eigene Identität. Die betroffenen Personen beginnen, Nicht-Transsexuelle zu diskriminieren und betonen die Wichtigkeit anderer Gleichgesinnter. Aus diesem Grund werden viele Betroffene Aktivisten transsexueller Organisationen. Zum selben Zeitpunkt outen sich viele gegenüber ihrem Umfeld. Das  Outing hilft dem Betroffenen: Einerseits wird das Selbstbild gestärkt, da die betroffene Person vermehrt über ihre Transsexualität nachdenkt. Andererseits werden die vor der Öffentlichkeit gelebte Identität und die private Identität zu einer einzigen Identität verknüpft. Die Reaktionen des Umfelds sind entscheidend, ob sich die Identität der Betroffenen weiterentwickelt oder nicht.

Fallen sie negativ aus, ist die „Wir-gegen-sie“-Philosophie bestätigt. Werden die Reaktionen aber positiv sein, sind die Betroffenen verwirrt und überwinden ihren Zorn gegenüber Nicht Transsexuellen.

6: Identitätssynthese

Die Betroffenen, die die sechste Stufe erreicht haben, diskriminieren Personen nicht mehr aufgrund ihrer Geschlechterzugehörigkeit. Sie sind in der Lage, Gemeinsamkeiten zwischen ihnen und der großen Mehrheit der Bevölkerung und Unstimmigkeiten zwischen ihnen und Gleichgesinnten zu finden. Andere Eigenschaften als die Geschlechterzugehörigkeit sind entscheidend. Schlussendlich fühlen sich die Transsexuellen frei mit ihrer neu erlangten, alle Bereiche des Lebens einschließenden Identität.

Fazit zur Theorie

Mit Hilfe der Theorie zur Entwicklung der Geschlechtsidentität lässt sich begründen, weshalb viele transsexuelle Personen gehänselt und verstoßen werden. Bereits die Kleinkinder verinnerlichen die strikten Geschlechtsstereotype und –rollen, weshalb Personen, die sich geschlechtsuntypisch Verhalten, nicht nur im Kindesalter, sondern auch im Erwachsenenalter als anormal angesehen werden.  Diese Tatsache erschwert es den transsexuellen Personen, den Mut aufzubringen, ihre transsexuelle Identität zu akzeptieren und den Beschluss zu fassen, sich gegenüber der heterosexistischen Gesellschaft zu outen. Denn auch sie müssen zunächst ihre eigenen, strickten Geschlechtervorstellungen durchbrechen, um ihre transsexuelle Identität akzeptieren zu können.

 Erst danach ist das Coming-out gegenüber ihren Freunden und ihrer Familie möglich. 

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