Montag, 3. September 2012

Ein Leben zwischen Mann und Frau



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Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2012

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Ein Leben zwischen Mann und Frau

Kaum eine Unterscheidung wird als so selbstverständlich und deutlich akzeptiert, als jene zwischen Mann und Frau. Dabei ist diese scheinbar klare Linienziehung für viele Menschen reine Ansichtssache. Nicht Körper, sondern Geist entscheidet über die Geschlechtsidentität von Transgendermenschen.

 „Man stelle sich vor, man lebe in einer Gesellschaft, die darüber bestimmt, welches soziale Geschlecht man ist. Wie würde sich unser jetziges Leben ändern, wenn wir auf einmal die einzigen wären, die unsere echte Geschlechtsidentität kennen?“ So wird in einem Internetforum angeregt, sich den Alltag von Menschen vorzustellen, die offiziell als „krank“ gelten, weil sie sich nicht, oder nicht nur, mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren.

Kein Entweder-Oder

Die binäre Unterscheidung zwischen Mann und Frau, auf der dieses Spannungsverhältnis zu Transgendermenschen beruht, wird längst nicht in allen Kulturen als selbstverständlich gesehen. Noch immer gibt es Kulturkreise in Mexiko, Nordamerika, oder auch Südostasien, die ebenso selbstverständlich zwischen drei, oder mehreren Geschlechtsidentitäten unterscheiden.
Im westlichen Kulturraum ist Geschlechtsidentität traditionellerweise an Körpermerkmale gebunden, der Geist hingegen spielt keine Rolle. Das ist naheliegend und wird als „normal“ akzeptiert. Doch „Identität“ ist nicht zwangsweise an Gene gekoppelt. Ist der Körper nicht mehr ausschlaggebend, kann die Gegenüberstellung Mann – Frau auch als Skala gesehen werden. Manche Menschen identifizieren sich selbst mit dem „gegenüberliegenden“ Geschlecht, sehen sich als Mann und Frau gleichzeitig, oder sogar als keines von beidem – die Kombinationsmöglichkeiten laufen ins Unüberschaubare. Als Sammelbegriff hat sich der Ausdruck „Transgender“ durchgesetzt, der übrigens weder Homosexualität, noch Geschlechtsumwandlungen voraussetzt.

Transgender ist an sich kein neues Phänomen. Ein allgemeines Bewusstsein über dessen Existenz begann sich vor allem in den 60er- und 70er Jahren herauszubilden. Im Unterhaltungsmainstream ist Transgender inzwischen längst angekommen. Der Oskar-nominierte Kinofilm „Transamerica“ (2006) mit Desperate Housewives Star Felicity Huffman, zum Beispiel, bietet schon eine weit tiefreichendere Behandlungen mit dem Thema, als dies in Hollywood lange Zeit Usus war. Dazu gibt es neben elektronischen Medien auch eine Menge an Erfahrungsliteratur, wie zum Beispiel Helen Boyds „She's not the man i married“ („Sie ist nicht der Mann, den ich geheiratet habe“) über Boyds Leben mit ihrem Ehemann, der plötzlich Frau sein wollte.

Schwieriger Status

Kommen wir aber noch einmal auf die Statusfrage zurück. Transgender gilt aus medizinischer Sicht als „Störung der Geschlechtsidentität“. Ausgrenzung oder sogar Gewalt begegnen Transgendermenschen praktisch täglich. Kleinigkeiten werden im Alltag oft zur Gedulds- oder Bewährungsprobe. Spricht man sie endlich mit dem gewünschten Pronomen an, werden sie als Mann oder Frau bezeichnet? Selbst ein simpler Toilettengang kann zum firmeninternen Skandal, bis hin zu beruflichen Konsequenzen führen, allein dadurch, dass „aufs falsche Töpfchen“ gegangen wird.
Die Hysterie um Transgendermenschen wirkt oft ebenso reflexartig wie überzogen. Ob es sich nun tatsächlich um eine „Störung“ handelt, oder ob diese, von Mitgliedern der Transgender Community teils heftig angefochtene Bezeichnung eine ungerechtfertigte Herabsetzung eines völlig natürlichen Phänomens ist, sei vorerst dahin gestellt. Doch „krank“ oder nicht, ansteckend ist es bekannter Weise nicht. Gerade deswegen erwarten sich Mitglieder der Community, vielleicht nicht ganz zu Unrecht, wenigstens ein bisschen mehr Gelassenheit von konservativer Seite.

Die Welt der Ladyboys

Ladyboys oder Kathoeys sind das dritte Geschlecht in Thailand – Frauen in Männerkörpern. Sie sind nicht nur im Rotlichtmilieu anzutreffen, sondern Bestandteil der toleranten thailändischen Gesellschaft.
Das dritte Geschlecht hat in Thailand ein lange Tradition, länger jedenfalls, als bei uns im Westen die Diskussion um die Transgender-Thematik währt, und vor allem wird in der buddhistischen Gesellschaft Thailands nicht darüber diskutiert – sondern toleriert.

Allein in Bangkok leben tausende Kathoeys. Es sind Männer, die sich mittels Hormonen und kosmetischen Operationen äußerlich in eine Frau verwandelt haben, wenngleich ihnen das männliche Geschlecht geblieben ist. Diese Maßnahmen werden in der Regel freiwillig gesetzt, will heißen, dass sich thailändische Jugendliche sehr früh einer solchen Behandlung unterziehen.

Wenngleich das „natürliche“ Reservoir eines Kathoeys das Rotlichtmilieu ist, sind viele von ihnen auch in alltäglichen Berufen anzutreffen, als Kellner, Supermarktkassierer, Lehrer, Rezeptionisten oder Bankangestellte. Sie sind in der Gesellschaft auch nicht schlechter gestellt oder gar ausgestoßen, sondern leben mitten in ihr.

In einschlägigen Bezirken von Bangkok wie Patpong oder in Pattaya kann man zum Beispiel Ladyboys beim Kickboxen sehen: Ein ästhetischen Erlebnis, wie sich weibliche Eleganz und Schönheit mit männlicher Kraft verbindet. Es gibt in Thailand sogar eine Volleyballmannschaft, die vollständig aus Kathoeys besteht und einen passablen Platz in der Landesliga besetzt.
Niemand weiß genau, wie viele Kathoeys es insgesamt in Thailand gibt, doch sind sich Experten sicher, dass es jedenfalls „sehr viele“ sind. Schätzungen liegen bei 0,75 Prozent der Bevölkerung, das wären dann mehr als 500.000. Dies sorgt auch für komplizierte Probleme: Bevölkerungsstatistisch gelten die Kathoeys als Männer, und deshalb werden sie auch mit 21 wie jeder andere Thai-Bursche zur Wehrpflicht einberufen. Mit ihren langen Haaren und geschminkten Gesichtern, den Brüsten und den parfümierten Körpern sorgen sie bei der Stellungskommission regelmäßig für Verwirrung. Meist werden sie dann auch untauglich erklärt, wegen „mentaler Probleme“ oder wegen „Verformung des Brustbereiches“.

Der Wechsel des Geschlechts beginnt früh in der Pubertät mit der Einnahme von Hormonen, was das Wachstum von Brüsten und die Formung weiblicher Figur Merkmale begünstigt. Körperhaare und Bartwuchs werden mittels Elektrolyse entfernt, die Brüste anschließend mit Implantaten vergrößert. Die Kosten für die Umwandlung betragen einige tausend Dollar.

Beziehungen von Kathoeys sind meist homosexueller Natur und wenig dauerhaft, es werden aber auch quasi „normale“ Ehen geführt. Beziehungen von thailändischen Kathoeys zu Ausländern sind nicht selten.
Da sich die Kathoeys ausgiebig ihrem äußeren Erscheinungsbild, der Kleidung und dem Make-up widmen, sind viele von ihnen außerordentlich attraktiv und aufreizend. Wenig erfahrene Trawler lassen sich dadurch häufig täuschen und entdecken zu spät, dass sie es mit einem Ladyboy zu tun haben. Dabei gibt es bei näherer Betrachtung Merkmale, die auf eine Kathoey schließen lassen. Diese sind die Größe der Hände und Füße, die Stimme und nicht zuletzt das Vorhandensein eines Adamsapfels. Katheoys sind nicht verlegen, wenn man sie als solche enttarnt, sondern stolz darauf.

Thailand ist die Hochburg der Ladyboys, doch auch in anderen Ländern ist das Phänomen anzutreffen. In Indien heißen sie Hirja (meistens Kastraten), in Mexiko Vestidas.


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