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Rothenbächer 2012
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vor, einer Minderheit anzugehören!
Mann oder Frau? Diese Kategorien sind überflüssig!
Transsexuelle werden häufig diskriminiert. Doch ist die
Frage 'männlich' oder 'weiblich' wirklich so entscheidend? Etwas Abstand von
diesem starren Raster würde uns allen das Leben erleichtern.
Als Jenna Talackova im letzten Monat das Finale des
Wettbewerbs "Miss Universe Canada" erreicht hatte, wurde sie
disqualifiziert, weil sie nicht "natürlich als Frau geboren" war. Die
große, schöne Blondine erzählte den Medien, sie habe sich seit dem Alter von
vier Jahren als Frau gefühlt, mit vierzehn eine Hormonbehandlung begonnen und
sich mit neunzehn einer Geschlechtsumwandlung unterzogen. Angesichts ihrer
Disqualifizierung stellt sich die Frage, was es wirklich bedeutet, eine
"Miss" zu sein.
Eine noch größere Frage wurde durch den Fall eines
achtjährigen Kindes in Los Angeles aufgeworfen, das anatomisch gesehen weiblich
ist, sich aber wie ein Junge anzieht und als Junge gesehen werden möchte. Seine
Mutter versuchte vergeblich, ihn in einer Privatschule als Junge anzumelden.
Ist es wirklich nötig, dass jeder Mensch entsprechend seines biologischen
Geschlechts als entweder männlich oder weiblich eingestuft wird?
Diskriminierung als Regelfall
Menschen, die sich über die geschlechtlichen Beschränkungen
hinwegsetzen, werden eindeutig diskriminiert. Letztes Jahr veröffentlichten das
nationale Zentrum für Transgender-Gleichheit und die Nationale Einsatzgruppe
für Schwule und Lesben eine Untersuchung, die ergab, dass die Arbeitslosenquote
unter Transgender-Menschen doppelt so hoch ist wie normal. Auch berichteten 90%
derjenigen Befragten, die einen Arbeitsplatz hatten, über schlechte Behandlung
durch Arbeitskollegen oder Vorgesetzte. Genannt wurden Belästigung, Spott oder
üble Nachrede, und auch Probleme bei der Benutzung von Toiletten.
Darüber hinaus können Transgender-Menschen aufgrund ihrer
sexuellen Identität Opfer physischer Gewalt und sexueller Übergriffe werden.
Angaben von Trans Murder Monitoring zufolge wurden im letzten Jahr aus diesem
Grund mindestens elf Menschen ermordet.
Schwierige Situation für Kinder
In einer besonders unangenehmen Lage befinden sich Kinder,
die sich nicht mit ihrem Geburtsgeschlecht identifizieren, und ihre Eltern
stehen vor einer schwierigen Wahl. Bis jetzt gibt es keine Möglichkeit, junge
Mädchen zu biologisch normalen Jungen zu machen oder umgekehrt. Selbst wenn es
möglich wäre, ihnen das Geschlecht zu geben, mit dem sie sich identifizieren,
warnen Spezialisten davor, unwiderrufliche Schritte zu unternehmen.
Viele Kinder zeigen geschlechterübergreifendes Verhalten
oder wünschen sich, vom anderen Geschlecht zu sein, aber wenn sie die
Möglichkeit zur Geschlechtsanpassung haben, unterzieht sich nur ein kleiner
Bruchteil der vollen Prozedur. Eine vernünftige Möglichkeit scheint die Verwendung
von Hormonblockern zu sein, die die Pubertät hinauszögern, was sowohl Eltern
als auch Kindern mehr Zeit gibt, über diese lebensverändernde Entscheidung
nachzudenken.
Jenseits üblicher Kategorien
Aber das Hauptproblem bleibt, dass Menschen, die sich über
ihre geschlechtliche Identifikation unsicher sind, ihr Geschlecht wechseln oder
sowohl männliche als auch weibliche Organe haben, nicht in das vorgegebene
Raster von männlich oder weiblich passen.
Im letzten Jahr nahm die australische Regierung dieses
Problem in Angriff, indem sie Reisepässe mit drei Kategorien ausgab: männlich,
weiblich und unbestimmt. Das neue System ermöglicht es den Menschen auch, ihre
geschlechtliche Identität unabhängig von ihrem Geburtsgeschlecht selbst zu
wählen.
Durch diesen Bruch mit den üblichen rigiden Kategorien wird
allen Individuen Respekt entgegen gebracht, und sollte sich dies auch in
anderen Ländern durchsetzen, würde das vielen Menschen die Last ersparen,
Einreisebeamten eventuelle Unterschiede zwischen ihrem Erscheinungsbild und dem
im Pass verzeichneten Geschlecht erklären zu müssen.
Eine überflüssige Information
Trotzdem könnte man sich fragen, ob wir andere Menschen
wirklich so oft nach ihrem Geschlecht fragen müssen, wie wir es tun. Im
Internet kommunizieren wir oft mit anderen, ohne ihr Geschlecht zu kennen.
Manchen Menschen ist es sehr wichtig, die Kontrolle über die über sie
veröffentlichten Informationen zu behalten, also warum zwingen wir sie so
häufig dazu, anzugeben, ob sie männlich oder weiblich sind?
Ist das Bedürfnis nach dieser Information ein Überbleibsel
einer Zeit, in der Frauen von vielen Rollen oder Positionen ausgeschlossen
waren, und dadurch von den damit verbundenen Privilegien? Die Frage nach dem
Geschlecht nur noch zu stellen, wenn es nötig ist, würde vielleicht nicht nur
das Leben derjenigen vereinfachen, die sich nicht in strikte Kategorien zwängen
lassen, sondern auch die Ungleichbehandlung von Frauen verringern. Verhindert
werden könnten auch die gelegentlichen Ungerechtigkeiten gegenüber Männern, wie
beispielsweise im Fall von Elternschaftsurlaub.
Geheimhaltung des Geschlechts
Stellen wir uns weiter vor, wie dort, wo homosexuelle
Beziehungen legal sind, die Hindernisse für Eheschließungen zwischen Schwulen
oder Lesben verschwinden würden, wenn die Eheleute gegenüber dem Staat nicht
mehr ihre Geschlechter angeben müssten. Dasselbe würde für Adoptionen gelten.
(Tatsächlich gibt es Anzeichen dafür, dass zwei lesbische Elternteile einem
Kind einen besseren Start ins Leben geben könnten als alle anderen
Kombinationen.)
Einige Eltern widersetzen sich bereits der üblichen Frage
nach "Junge oder Mädchen", indem sie nach der Geburt das Geschlecht
ihres Kindes nicht bekanntgeben. Ein schwedisches Paar erklärte, vermeiden zu
wollen, dass ihr Kind in "eine bestimmte Geschlechtsrolle" gezwungen
wird, und dass es grausam sei, "ein Kind mit einem blauen oder rosa
Stempel auf der Stirn zur Welt zu bringen." Ein kanadisches Paar fragte
sich, "warum die ganze Welt wissen muss, was sich zwischen den Beinen
eines Kindes befindet."
Jane McCreedie, die Autorin von "Making Girls and Boys:
Inside the Science of Sex", kritisierte diese Paare dafür, zu weit zu
gehen. In der heutigen Welt hat sie damit vielleicht recht, weil man dadurch,
dass man das Geschlecht eines Kindes geheim hält, nur noch mehr Aufmerksamkeit
darauf lenkt. Wäre ein solches Verhalten aber üblicher oder gar die Norm, wäre
dann etwas daran falsch?
Peter Singer ist Professor für Bioethik an der Princeton
University und Ehrenprofessor der University of Melbourne. Er veröffentlichte
unter anderem die Bücher "Die Befreiung der Tiere", "Praktische
Ethik", "The Expanding Circle" und "Leben retten".
Agata Sagan ist unabhängige Wissenschaftlerin und arbeitet momentan an einem
Buch über die Opfer sowjetischer Unterdrückung.
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