Donnerstag, 18. Oktober 2012

Eigentlich wie bei jedem guten Paar



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Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2012

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Eigentlich wie bei jedem guten Paar

Jasper und Lukas haben sich als Mann und Frau ineinander verliebt. Heute leben sie als Männer zusammen. Über eine ganz normale Beziehung zwischen den Geschlechtern.

Es hatte ganz am Anfang einmal diese Frage gegeben. „Würdest du mich auch lieben, wenn ich ein Mann wäre?“, hatte sie gefragt.

Er hatte eine Weile überlegt, wie es seine Art ist, und gesagt: „Vielleicht, ja, das kann ich mir schon vorstellen.“ Als Lukas davon erzählt, kündigt er an, dass Jasper sich wahrscheinlich nicht daran erinnern wird. Und wenn man Jasper darauf anspricht, weiß er es tatsächlich nicht mehr so genau und muss lachen, weil das immer so ist, dass Lukas sich viel besser erinnert: an den Tag, an dem sie sich das erste Mal küssten. Was sie im Kühlschrank haben. An welchem Datum ihre Hochzeit war.
Wer zu Jasper und Lukas will, muss in ein Berliner Hinterhaus, in dem man die Stadt leicht vergessen kann. In der Wohnung ist kein Straßenlärm zu hören, aus den Fenstern sieht man in einen kleinen Garten, in dem Lukas Zitronenthymian gepflanzt hat, wilde Margeriten und Tomaten, die Black Prince und Green Zebra heißen. Auf dem Fensterbrett wachsen Setzlinge, im Regal stapeln sich DVDs mit amerikanischen Serien, an der Tür zum Wohnzimmer hängt ein Poster der Initiative „mehr-geschlechter.de“. Vor dem Sofa liegt Lukas' Hündin Laika, sie ist genauso alt wie ihre Beziehung.

Manche hatten Mitleid, andere waren sprachlos

Sie waren nicht sicher gewesen, ob sie noch einmal von den letzten Jahren erzählen wollten. Das Transthema nimmt seit etwa einem Jahr nicht mehr so viel Raum ein, Normalität sei ja auch nicht zu unterschätzen. Auf keinen Fall wollten sie wie Helden erscheinen, als ob Transsexualität ein anderes Wort für Katastrophe wäre, die sie zusammen überleben mussten. Aber dann entschieden sie, doch über ihre Liebe zu sprechen, die jetzt schon elf Jahre geblieben ist, obwohl sie zwischen einem Mann und einer Frau begann und inzwischen eine zwischen zwei Männern ist.
Es hatte viele Meinungen gegeben damals vor etwa sechs Jahren, als die Freunde und dann auch die Familien davon erfuhren. Manche hatten Mitleid, andere waren sprachlos. Jaspers Mutter versicherte sofort, dass alles gar kein Problem sei, mit Lukas' Eltern brach der Kontakt lange ab. Die wenigsten glaubten daran, dass sie ein Paar bleiben würden. Aber sie trennten sich nicht. Weil sie einfach immer weiter zusammen blieben.

Wenn aus der Frau ein Mann wird, ist dann der Freund schwul?

Es war im Juni letzten Jahres, als sie heirateten oder, wie es bei gleichgeschlechtlichen Paaren heißt, sich verpartnerten. Sie haben Fotos auf dem Wohnzimmertisch ausgebreitet: Väter mit feierlichen Gesichtern, Mütter, die Taschentücher verteilen, Freunde, die Reis werfen. Das Hochzeitspaar trägt die gleichen Anzüge in Zartbittergrau mit rosafarbenen Hemden. Als sie nach dem Ja auf den Treppen zum Standesamt standen, Lukas zwei Stufen weiter oben, kam eine Gruppe japanischer Touristen vorbei und fotografierte: eine Schwulenhochzeit! In Lukas' Haaren leuchtete eine rosa Strähne. Er hatte „irgendetwas Queeres“ tragen wollen an diesem Tag.Eigentlich hatte er von einer weißen Hochzeit geträumt, schon als kleines Mädchen, von einem Schleier und einem Kleid, in dem man sich in den Tag fallen lassen kann wie ein Wattebausch. Aber es war auch so schon für viele verwirrend. Eine Beziehung, in der einer sein biologisches Geschlecht wechselt, bricht mit Kategorien, die für die meisten fundamental sind. Wird aus einer heterosexuellen Liebe dann eine homosexuelle? War die Beziehung überhaupt jemals heterosexuell? Und wenn aus der Frau ein Mann wird, ist dann der Freund automatisch schwul?

„Du bist ja doppelt falsch“, sagte die Mutter

In der Diagnose des Gutachters stand: „Transsexualität. Verlust der weiblichen Geschlechtsidentität, keine latente Heterosexualität.“ Jasper sagt: „Ich war mit einer Frau zusammen, es gab keinen Anlass, etwas anderes anzunehmen.“ Lukas sagt: „Ich bin schon immer ein schwuler Mann gewesen, ich habe es aber lange nicht gewusst.“ Jasper sagt: „In gewisser Weise bin ich schwul. In anderer Hinsicht aber auch wieder nicht.“ Als Lukas' Mutter erfuhr, dass ihre Tochter ein Sohn ist, der Männer liebt, sagte sie: „Du bist ja doppelt falsch.“

Wenn es nach Lukas ginge, würde man ohne das Wort „Geschlechtsumwandlung“ auskommen, ohne die Formulierung, er sei „mal eine Frau gewesen“, und überhaupt auch ohne das Zwei-Geschlechter-System. Er sitzt in einem Café in Kreuzberg und nimmt es einem nicht übel, wenn man sich nicht immer politisch korrekt ausdrückt. Schon der Satz, er habe im falschen Körper gesteckt, sei nicht ganz richtig. Er hat nur den einen Körper, daran sei nichts falsch gewesen. Er weiß aber, dass einfache Sätze helfen, damit andere seine Geschichte nachvollziehen können, und es ist ihm klar, dass die Welt für die meisten eine binäre ist, in der die Genitalien automatisch mit der Identität gleichgesetzt werden.

Den Frauenkörper fand er nicht hässlich, aber unpassend

Deshalb band er sich die Brüste ab, klebte sich einen Bart an und fing an, einen Stuffer in der Hose zu tragen. Damit von außen erkannt wurde, wie er sich innen fühlte.
Lukas hat gerade seine Diplomarbeit in Agrarwissenschaften abgegeben, er ist jetzt dreißig, und wenn er davon spricht, dass er fertig sei, meint er seinen Körper, der inzwischen so ist, wie er ihm gefällt, dank der Testosteron-Therapie und den Operationen. Den Frauenkörper fand er nicht hässlich, aber unpassend, es blieb immer eine Distanz. Jetzt füllt er sich aus. „Ich passe“, sagt er.
Wenn man ihm gegenübersitzt, während er spricht und gestikuliert, kann es passieren, dass man in seinen Zügen nach etwas sucht, was von der Frau geblieben ist. Er ist klein für einen Mann, etwa einen Meter sechzig, die Hände schmal, die Finger schlank. Aber das bringt man nur mit etwas Femininem zusammen, wenn man seine Geschichte kennt. Lukas hat eine angenehme, tiefe Stimme, ein Piercing an der Lippe, dunkel gefärbte, kurze Haare, am Hemdkragen sieht man Brusthaare. Mit übereinandergeschlagenen Beinen sitzt er nie, allerdings auch nicht betont lässig, wie am Anfang. „Da konnte er gar nicht breitbeinig genug dasitzen“, sagt Jasper.

Schon als Mädchen lieber ein Junge - „Ist das schlimm?“

Als das Mädchen, das Lukas einmal war und das in einer norddeutschen Kleinstadt aufwuchs, in die sechste Klasse kam, hatte es Sexualkundeunterricht. Die Lehrerin wollte alles richtig machen und bat ihre Schüler, Fragen aufzuschreiben und in einen Schuhkarton zu werfen. Dem Mädchen fiel nur eine einzige Frage ein: „Ich wäre viel lieber ein Junge. Ist das schlimm?“ Die Lehrerin muss die Handschrift ihrer Schülerin erkannt haben und bat sie einige Tage später, ihr bei der Auswertung der Fragen zu helfen. Das Mädchen wurde rot, es wollte nicht über seine Frage reden. Drei Tage lang schwänzte es die Schule. Ihm war klargeworden, dass der Wunsch für andere nicht normal war
.
Danach fuhr das Mädchen mit seinen Eltern in den Urlaub. Irgendwann saß es auf einem einsamen Spielplatz in der Feriensiedlung und dachte: „Okay, dann lasse ich mich eben umoperieren.“ Es glaubte, dass es dafür von zu Hause weggehen müsse, und das jagte ihm solche Angst ein, dass es den Gedanken die nächsten zehn Jahre weit von sich schob.

Von den ersten Jahren als Junge und Mädchen gibt es kaum Fotos

Dann kam die Pubertät, kamen Plateauschuhe, die ersten Freunde. Vielleicht, sagt Lukas heute, wäre er eher dahintergekommen, wenn er auf Frauen stehen würde. Aber so war alles nicht greifbar: die Faszination für schwule Filme und Literatur, die verkorksten Beziehungen mit Jungs und dann diese Beziehung zu einem anderen Mädchen, die vor allem so gut war, weil es keine klaren Rollen zwischen ihnen gab. Danach kam Jasper.

Von den ersten Jahren, als sie als Junge und Mädchen zusammen waren, gibt es kaum Fotos, ein paar hat Lukas auch weggeworfen. „Guck doch noch mal in deiner Kramkiste“, sagt er, „da müssten noch welche von vor zehn Jahren sein.“ „Davon hab ich Bilder?“, fragt Jasper und steht auf, um im Schlafzimmer in seiner Kiste zu wühlen. Ein paar Minuten später kommt er zurück mit einem selbstgebastelten Heft, ein Geschenk von Lukas, als Jasper für zwei Semester zum Studieren in die Vereinigten Staaten ging. Das war 2003. Ein paar Seiten, lose aneinandergeheftet, mit Fotos, Kommentaren und kleinen Schmetterlingsaufklebern.

Für die Eltern war der Abschied vom Namen ihrer Tochter nicht einfach

Auf einem Bild knutschen sie, auf einem sitzen sie auf einem Steg im Garten von Jaspers Eltern. Die junge Frau hat kurze Haare, trägt ein ärmelloses T-Shirt und lehnt sich an ihren Freund, der die Arme um sie legt. Ihre Gesichtszüge, der Mund, die Arme, alles ist ein wenig zarter als bei dem Mann, der jetzt auf dem Sofa sitzt. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man denken, das auf dem Bild sei Lukas' Schwester.
Man kann Lukas alle möglichen intimen Fragen stellen, er beantwortet sie auch, aber seinen Mädchennamen möchte er nicht verraten. Wenn Jasper an früher denkt, hat er zwar das Bild der Frau im Kopf, aber nicht ihren Namen. Er denkt und sagt „Lukas“ oder „Lukas als Frau“. Lukas ist Lukas und war schon immer Lukas, da sind sie sich einig. Die Eltern konnten sich vom Namen ihrer Tochter nicht so einfach verabschieden, auch Personalpronomina haben sie lange vermieden. Das geht, wenn man sehr schwierige Sätze baut. Die Freunde lud Lukas auf eine Namensänderungsparty ein. Er sah noch aus wie eine Frau, und etwas Symbolisches, dachte er, würde es ihnen erleichtern.

Am leichtesten hat er es selbst. Wenn er von früher spricht, sagt er einfach „ich“.
Warum hatte ihm noch niemand von der Liebe unter Männern erzählt?

Jasper sieht heute weniger jungenhaft aus als auf den Fotos, geblieben sind die eckige Brille und der schlaksige Körper. Er ist dreißig, arbeitet an der Uni und sitzt an seiner Doktorarbeit in Erziehungswissenschaften, er liebt Science- Fiction und schreibt an einem Roman. Bevor er eine Frage beantwortet, denkt er eine Weile nach, es passiert auch, dass er etwas korrigiert, was er beim Treffen davor gesagt hat. Jasper ist jemand, der die Welt gerne logisch durchdringt.

Als Schüler las er über Liebe unter Männern und wunderte sich, dass ihm noch niemand davon erzählt hatte. „Schwulsein“, sagt er, „war für mich immer eine theoretische Möglichkeit.“ Doch zusammen war er immer nur mit Mädchen. An der Universität belegte er Seminare über Gender Studies, es interessierte ihn, wie man etwas in Frage stellt, was die Realität so grundsätzlich strukturiert. Auf einmal war es seine eigene.

„Wie schwierig das war“, erzählt Lukas, „weiß Jasper sicher besser“

Jasper sitzt in einem Café und versucht, sich an die Zeit zu erinnern, als Lukas sich zu verändern begann. Er schaut auf einen Punkt über dem Tisch, als könne er dort ein klares Bild der Vergangenheit in die Luft projizieren. Er erinnert sich an das erste psychologische Gutachten, die erste Testosteronspritze, die erste Operation. Aber nicht mehr daran, wie Lukas ihm davon erzählte. Es stürzte damals so viel auf ihn ein, dass er, der Kopfmensch, seinen Kopf zeitweise einfach ausschaltete. Er weiß aber noch, dass er oft dachte: „Das ist doch meine Partnerin, die muss ich ja erst mal unterstützen.“
Es hat keinen Hollywood-Moment gegeben. Die Freundin kam nicht eines Tages nach Hause und sagte, dass sie ein Mann sei. Es gab keinen Wendepunkt, kein Drehbuch und keine Vorbilder, ihre Beziehung war keine, die sie schon einmal im Fernsehen gesehen hatten. „Damit steht man ziemlich allein da“, sagt Jasper. „Wie schwierig das war“, erzählt Lukas, „weiß Jasper sicher besser, weil ich ganz schön bei mir selbst war in der Zeit.“

Es dauerte etwa ein Jahr, bis die Welt einen Mann sah. Jasper sah ihn früher

Vielleicht war der Anfang ein Bericht über Drag Kings gewesen, und die junge Frau, die Lukas damals war, wollte das auf einer Party ausprobieren. Und weil sie einander immer Freiheiten gelassen hatten, sagte Jasper: „Dann mach doch mal.“ Der Anfang hatte etwas Spielerisches.
Als dann die Hormontherapie begann, sah Jasper zu, wie die Frau, die er kennengelernt hatte, sich auflöste und Platz machte für den Mann, der in ihren Körper hineinwuchs. Mit dem Testosteron kamen die Haare im Gesicht und unter dem Bauchnabel, die Stimme rutschte nach unten, die Klitoris wuchs, das Gesicht verbreiterte sich. Es dauerte etwa ein Jahr, bis die Welt einen Mann sah. Jasper sah ihn früher.
Er ist ein Mensch, dem das Leben leichter fällt, wenn der Kopf die Emotionen steuern kann. Er beschloss, sich von der Frau zu verabschieden und den Mann kennenzulernen, sonst hätte er der Frau nachgetrauert. Dieser Entschluss veränderte seine Wahrnehmung. Als Lukas schon ein Bart wuchs, aber noch Brüste hatte, dachte Jasper: „Das ist keine weibliche, das ist eine große Männerbrust.“ Und er sah keine Klitoris mehr, sondern einen „eigenwillig geformten Penis“.

Der Sterilisationszwang besteht fort

Auf einmal guckten die Leute, wenn sie sich auf der Straße küssten, manche machten blöde Bemerkungen. Als Lukas ihre Beziehung längst als schwul bezeichnete, hatte Jasper das Wort noch nicht mit sich in Einklang gebracht. Eindeutig beantworten möchte er die Frage auch heute nicht. „Ich bin mit einem Mann verheiratet“, sagt er einmal, „schwuler geht's ja kaum“, und das nächste Mal erzählt er, dass er auf keinen Fall „Ich bin schwul“ in sein Tagebuch schreiben würde. Es ist ja beides wahr.
Wer in Deutschland sein biologisches Geschlecht ändern will, muss einiges an Bürokratie auf sich nehmen. Lukas hatte sich für die „große Lösung“ entschieden. So nennt man es, wenn man nicht nur den Vornamen ändert, sondern den gesamten Personenstand, inklusive Sozialversicherungsnummer und Geburtsurkunde. Nach dem Transsexuellengesetz muss man dafür unverheiratet und dauerhaft fortpflanzungsunfähig sein. Transfrauen müssen sich die Hoden entfernen lassen, Transmänner die Gebärmutter. Kritiker sagen, dies breche das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Die letzte Novellierung des Transsexuellengesetzes ist jedoch gerade wieder gescheitert. Der Sterilisationszwang besteht fort.

Einmal fing Lukas abends plötzlich an zu bluten

Sie hatten noch überlegt, ob sie ein Kind bekommen sollten. Es war der letzte Zeitpunkt, aber das machte ihn nicht zum richtigen. Sie waren so sehr mit sich selbst beschäftigt. Jetzt ist die Operation anderthalb Jahre her, und sie denken häufiger über eine Adoption nach oder ein gemeinsames Kind mit einem lesbischen Paar.
Es gibt Momente, in denen Lukas die Operation bereut, zu der ihn das Gesetz zwang. Die Hormone und die Brustoperation hätten ihm ausgereicht, er lehnt auch einen Penisaufbau ab, wie einige andere Transmänner, die für ihre Geschlechtsidentität kein neues Genital benötigen. Nach dem Eingriff gab es immer wieder Komplikationen, so wie neulich, als Lukas abends auf einmal zu bluten anfing, weil die Narben in seinem Körper wuchern und manchmal wieder aufgehen. Sie mussten mit dem Taxi ins Krankenhaus fahren, mitten in der Nacht, schon zum dritten Mal. Beim ersten Mal hatte Lukas so große Angst, dass er im Krankenhaus auf Jasper einschlug.

Sie mussten reden, probieren, herausfinden, was ihnen gefällt

Jasper glaubt nicht, dass sie zusammengeblieben sind, weil es einen Kern in einem Menschen oder einer Beziehung gibt, der immer gleich bleibt. Es ging nicht darum, etwas zu bewahren, sondern, etwas neu zu gestalten. Die Liebe ist geblieben, weil sie es geschafft haben, sich zusammen zu verändern. „Ich glaube, dass das eigentlich bei jedem guten Paar so ist“, sagt Jasper.
Eigentlich interessieren sich alle auch dafür, wie sie jetzt im Bett miteinander umgehen, aber die meisten wagen erst zu fragen, wenn sie etwas getrunken haben. Jasper und Lukas hätten sich getrennt, wenn es sexuell nicht geklappt hätte, das sagen beide. „Am Anfang wussten wir nicht, was wir miteinander machen sollen“, sagt Lukas. Sie waren gezwungen, die klaren Rollen zu verlassen, sie mussten reden, probieren, herausfinden, was ihnen gefällt. „Dafür muss man nicht trans sein“, sagt Jasper, „aber das tut einer Beziehung ganz schön gut.“

Manchmal lackiert er sich jetzt die Fußnägel, einfach so

Wenn man wissen will, was sich sonst verändert hat, bekommt man nur wenige Antworten. Die Frauen im Computerkurs, erzählt Lukas, hätten ihn als Mann plötzlich mehr um Rat gefragt. Jasper ist hellhöriger geworden, wenn er Schwulenwitze hört. Sie denken darüber nach, ob sie Hand in Hand laufen, weil sie keine Sprüche hören wollen. Sie teilen jetzt den Rasierschaum. Aber sonst ist vieles so geblieben, wie es war. Lukas kann sich immer noch vorstellen, aufs Land zu ziehen. Jasper weiß in der Natur nicht so recht, was er mit sich anfangen soll. Lukas hört die Toten Hosen, was Jasper fürchterlich findet. Dafür fängt Lukas an mitzukrächzen, wenn Jasper Bob Dylan auflegt. Lukas kocht gerne, neulich hat er ohne Nudelmaschine gefüllte Tortellini gemacht. Jasper kann nur eine Tomatensauce, „die aber exzellent“, sagt Lukas.

Seitdem Lukas jetzt überall als Mann erkannt wird, will er nicht mehr ständig darüber nachdenken, was männlich und was weiblich ist. Es hatte letztes Jahr eine Männerkollektion bei H&M gegeben, die ihm gut gefiel, mit viel Glitzer und Stickereien und Strickjacken mit Wickel an der Seite, und in einem Comicladen entdeckte er ein Bambi-T-Shirt, das er sich von Jasper zu Weihnachten wünschte. Manchmal lackiert sich Lukas jetzt auch die Fußnägel, rot oder rosa, einfach weil es ihm gefällt. Er ist jetzt so sehr Mann, dass er sogar Wimperntusche tragen kann.

Zwei Menschen, die Helden sind, nur für einen Tag

Auf ihre Hochzeitseinladung druckten sie einen Comic von Ralf König, zwei Männer, einer groß, einer klein, der Große beugt sich hinunter. „Sie dürfen sich jetzt küssen“, steht daneben. Zur Party kamen siebzig Gäste: die Eltern, die Freunde, alle, die in den letzten Jahren wichtig für sie waren. Es war wie am Ende einer Oper, wenn sich das ganze Personal noch einmal auf der Bühne versammelt und sich alle gemeinsam verbeugen.
Moritz G. trat auf, den man „Moritz G-Punkt“ ausspricht, die Travestie-Band Strawberry Kaeyk und eine Braut in weißem Kleid, die sich auszog und sich in einen Bräutigam verwandelte. Das war Océan, ein Gender Performer, der für schnelle Wechsel zwischen den Geschlechtern bekannt ist. Normalerweise klebt er sich bei den Shows die Brüste mit Klebeband ab, auf dieser Party nicht. Es gibt ein Foto, auf dem sieht man ihn mit nacktem Oberkörper, und am anderen Rand des Bildes steht einer der Verwandten mit irritiertem Gesicht. Später am Abend haben die Väter von Lukas und Jasper sogar getanzt.

Für das Standesamt hatten sie ein Stück von Element of Crime ausgesucht, „Das alles muss mit“, das von dem Körper handelt, den man am anderen liebt, aber auch von den unperfekten Seiten: „Ich will dein Haar, ich will deine Haut, und den ganzen Unsinn, den will ich auch.“ Und zum Hineinlaufen in den Saal hatten sie sich für „Heroes“ von David Bowie entschieden: „I, I will be king. And you, you will be queen.“ Ein Lied über zwei Menschen, die Helden sind, nur für einen Tag.

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