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Bearbeitet von Nikita Noemi
Rothenbächer 2012
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Was es zwischen
Mann und Frau alles gibt.
Entweder Mann oder Frau – so einfach schien die Welt früher.
Diese Zeiten sind vorbei. Zunehmend machen Menschen von sich reden, die sich in
diese zwei Schubladen nicht einordnen wollen oder können. Anderen reichen die
zwei Schubladen zwar aus, aber sie wechseln von einer in die andere. Wie der
„Lesbische Ex-Mann“ mit drei Kindern, über den unlängst berichtet wurde. Eine
thailändische Airline wirbt mit ihren transsexuellen Flugbegleiterinnen.
Australien erlaubt in seinen Pässen neben den Geschlechtern „F“ und „M“
neuerdings auch ein „X“ als dritte Option. „Die Menschen wollen ihr Leben immer
stärker selbst gestalten. Auch wenn es um das Geschlecht geht“, sagt Sabine
Hark, Professorin für Soziologie und Leiterin des Zentrums für
Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der TU Berlin.
Nicht jeder Mensch will als (heterosexueller) „Mann“ durchs
Leben gehen, nur weil er mit einem Penis geboren wurde, und nicht jede Person
mit einer angeborenen Vagina betrachtet sich als (heterosexuelle) „Frau“.
Solche Menschen haben eine Geschlechtsidentität und/oder eine sexuelle
Orientierung jenseits der klassischen Kategorien: nicht nur als Transsexuelle,
sondern auch als Pansexuelle, Omnisexuelle oder Transgender. Manche geben ihre
Geschlechtsidentität gleich lieber mit „unsicher“ oder „wasauchimmer“ an. „In
großen Städten wie Berlin gibt es viele Milieus, in denen andere Geschlechter
gelebt werden“, sagt Hark.
Das Kreuzberger Café „Südblock“ hat sich darauf eingerichtet:
mit einer Gemeinschaftstoilette für Frauen, Männer und alle weiteren
Geschlechter: „Die Toilette ist ein klassischer Ort der Diskriminierung“, sagt
Dennis Kuhlow, Wirt vom „Südblock“. „Dort wird den Leuten zugemutet, sich den
Männern oder den Frauen zuzuordnen, obwohl sie das gar nicht können. Darum
haben wir das Transgenderklo.“
Transgender? Die neuen Kategorien sind für die
Mehrheitsgesellschaft verwirrend. Wer ist hier eigentlich wer?
Transgender/Trans
Transgender wird als Oberbegriff für alle Identitäten
verwendet, die sich nicht mit (Hetero-)„Mann“ oder -„Frau“ beschreiben lassen.
Gender ist das englische Wort für Geschlecht. Angesichts der großen Vielfalt
sprechen Kenner aber nur noch von „Trans*“. Der Stern verweist eben auf die
unendliche Fülle der Möglichkeiten, die sich gegen vereindeutigende Kategorien
sperrt. Manche Formen des Trans* werden vor allem spielerisch betrieben. Wer
etwa als Mann erzogen wurde, sich aber eines Morgens die Freiheit nimmt, sich
heute als „unbestimmt“ oder als „Frau“ zu fühlen, kann aufregende
Selbstbegegnungen machen, neue erotische Erlebnisse eingeschlossen.
Es kann sich bei Trans* um eine mentale Erfahrung handeln
oder um einen Auftritt bei einer Szene-Party: als Cross-Dresser, Drag Queen,
Drag King (Personen aller Geschlechter, die mit unterschiedlicher Absicht
stereotype Geschlechterrollen darstellen und sich entsprechend kleiden), als
Girl Fag (Frau, die besonders gerne mit Schwulen Umgang pflegt oder sich selbst
„als schwuler Mann im Körper einer Frau“ betrachtet) und vieles andere mehr.
Manche Trans* wollen einfach Spaß. Andere wollen
provozieren. Die meisten Menschen empfinden es als irritierend oder sogar als
anmaßend, wenn eine Person sich als „Mann“ in Szene setzt, ohne über die dafür
üblichen anatomischen Merkmale zu verfügen. „Solche Auftritte hinterfragen die
herrschenden Verhältnisse. Denn sie machen bewusst, wie künstlich die
Inszenierung von ,Mann’ und ,Frau’ überhaupt ist“, sagt Geschlechterforscherin
Hark. Oder in den berühmten Worten von Simone de Beauvoir: „Man kommt nicht als
Frau zur Welt, man wird es.“ Was natürlich auch für „Männer“ gilt. Während
manche Trans* ihr subversives Spiel jederzeit beenden können, ist für andere
das Leben als Trans* ein tiefes Bedürfnis. Diese Menschen leiden besonders
unter feindseligen Reaktionen.
Transsexualität/Transidentität
So empfinden manche Menschen eine Diskrepanz zwischen ihren
angeborenen körperlichen Geschlechtsmerkmalen und dem sozialen Geschlecht, in
dem sie sich zu Hause fühlen. Ein prominentes Beispiel ist der Stabhochspringer
Balian Buschbaum. Er wuchs als Yvonne Buschbaum auf, veränderte sich aber als
Erwachsener mit medizinischer Hilfe äußerlich zum Mann und erklärte, er habe
sich „schon immer als Mann gefühlt“. Weil das äußere Erscheinungsbild der schon
lang gefühlten Geschlechtsidentität angepasst wird, verwahren sich
transsexuelle Menschen gegen den Begriff „Geschlechtsumwandlung“. Stattdessen
sprechen sie von „Geschlechtsangleichung“. Transsexuelle Menschen lehnen sich
in aller Welt gegen entwürdigende medizinische Praktiken und Diskriminierung
auf.
Intersexualität
Voyeurismus und Häme bekommen auch Menschen zu spüren, die
mit uneindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen geboren wurden
(Intersexualität). Die südafrikanische Star-Sprinterin Caster Semenya wurde
2009 demütigenden Untersuchungen unterzogen und öffentlich entwürdigt, weil sie
dem herrschenden Bild von einer „Frau“ nicht entsprach und unter dem Verdacht
stand, intersexuell zu sein. Schon intersexuelle Kinder und Jugendliche werden
oft über Jahre hinweg medizinischen Eingriffen unterzogen, die zu ihrem
seelischen Wohl Eindeutigkeit herstellen sollen. Doch viele Intersexuelle (die
sich selbst auch Zwitter oder Hermaphroditen nennen) leiden lebenslang
körperlich und seelisch unter den Folgen der Eingriffe. Aktivisten kämpfen
darum für das Ende der Zwangsoperation von Kindern. Auch für viele
Intersexuelle wäre es eine Befreiung, wenn die Mehrheit sich an andere
Geschlechter neben Mann und Frau gewöhnen könnte. „Mehr als nur zwei Geschlechter:
Das würde den Realitäten viel besser entsprechen“, sagt Hark. Die Übergänge
zwischen den menschlichen Körpern seien sowieso fließend, im Rollenverhalten
sehe es nicht anders aus. „Südblock“-Wirt Kuhlow hält die Teilung in Frauen und
Männer für ein Auslaufmodell: „In der jetzigen Generation stellt sich diese
Frage gar nicht mehr.“
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„Wenn man den Geist nicht so verändern kann, dass er zum
Körper passt, dann sollten wir uns vielleicht dazu
entschließen,
den Körper so zu verändern, dass er dem Geist entspricht.“
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