Donnerstag, 29. November 2012

Geschichte von einer Transsexuellen im Jahr 1976



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Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2012

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Geschichte von einer Transsexuellen im Jahr 1976
Wie mit dem Fuchs

Der TV-Auftritt einer Transsexuellen legt Versäumnisse des Gesetzgebers bloß: Wer operativ zur Frau gewandelt wurde, bleibt rechtlich ein Mann.

Der Fernseh-Plauderer Hansjürgen Rosenbauer bewunderte ihren "Mut, heute Abend hierher zu kommen". Die Zuschauer im Studio verziehen durch Applaus, daß sie nach eigenem Bekunden "aus Drang zur Perfektion noch eine Brustoperation machen" ließ. Vor den Bildschirmen regte sich, am Samstag vorletzter Woche, vielerorts Mitgefühl, kam Verständnis auf für die Ärztin Gernot Sandy Kim Hoffmann, 29, die ein Arzt gewesen war.

Talk-Meister Rosenbauer war, am Tag danach, von ihr "schockiert und enttäuscht". Die "Abendzeitung" hängte ihr einen "Skandal um Nackt-Photos" an. Zweifel waren mit einem Male da an der Lauterkeit der transsexuellen Ärztin aus St. Wendel.

Den Stimmungswandel hatte ein Oben-ohne-Bild bewirkt, das Boulevard-Blätter nach der Gesprächsrunde veröffentlichten. Die Frankfurter "Abendpost-Nachtausgabe" fand: "Eine attraktive Frau." Und "Bild am Sonntag" schrieb: "So sahen Sie Gernot gestern abend nicht im Fernsehen."

TV-Auftritt und Bild-Ausschnitt weisen gleichermaßen auf die Rolle hin, in die rund 3000 Transsexuelle in der Bundesrepublik gedrängt sind, auf deren Probleme auch, denen sich Behörden wie Gesetzesmacher weitgehend verschließen. Gernot Hoffmann, die Gerda Hoffmann genannt werden möchte: "Wir werden immer wieder mißverstanden."

Auch die Wertung der inkriminierten Photos und der Weg, wie sie zum Abdruck kamen, zeugen von mangelndem Verständnis. Ein gewisser Hang zur Schaustellung. das haben Sexualforscher längst erkannt, ist allen Transsexuellen eigen. "Sie wollen sich selbst und ihrer Umwelt", so erläutert der Hamburger Sexualpsychologe Wilhelm Schoof, "ihr neugewonnenes Geschlecht vor Augen führen."

Und dem Photoreporter, dem die Ärztin den Brustschuß gewährte, "bin ich voll ins Messer gelaufen", wie sie später erkannte. Sie bemüht ein Gleichnis. "Das war wie mit dem Fuchs, der dem Raben die Beute aus dem Schnabel entlockte: Du kannst doch gar nicht singen, beweis mir es doch."

Nur den Sexualwissenschaftlern sind die Transsexuellen keinen Beweis mehr schuldig. Die Forscher kennen das Phänomen der, wie sich der Hamburger Sexualmediziner Eberhard Schorsch ausdrückt, "Diskrepanz zwischen dem ursprünglich angelegten körperlichen und dem erlebten und gelebten Geschlecht", sie wissen von dem "Auseinanderklaffen der psychischen und physischen Geschlechtsidentität" -- der Transsexuelle fühlt anders, als er gebaut ist.

Der Transsexuelle hat nichts gemein mit Zwittern und Transvestiten. Er unterscheidet sich vom weiblich-passiv orientierten Homosexuellen. der Schmuck und Schminke nutzt, um leichter den gewünschten gleichgeschlechtlichen Partner zu finden; er verspürt einen verstärkten Drang nach äußerlicher Geschlechtsumwandlung, und nach Auffassung von Harry Benjamin, US-Sexforscher und Fachautor ("The Transsexual Phenomenon"), setzt dieser Wunsch schon "in frühester Kindheit" ein. Vergebens trachteten Psychiater und Psychologen bisher danach, das Seelenleben solch "geschlechtsgespaltener Persönlichkeiten" (Benjamin) entsprechend ihrer körperlichen Beschaffenheit auszurichten.

An den Urologischen Uni-Kliniken von Kiel und Gießen, Westdeutschlands bisher einzigen Plätzen, an denen Geschlechtsumwandlungen vorgenommen werden, wird zunächst einmal ein psychiatrisches und sexualwissenschaftliches Gutachten verlangt, ehe man sich zur Operation entschließt.

Der Gießener Urologie-Professor Carl-Friedrich Rothauge etwa machte die Erfahrung, daß Selbstmordversuche oder -androhungen bei den Aspiranten aufs andere Geschlecht "fast die Regel" seien. Motiv laut Rothauge, der auch Rosenbauers Talk-Show-Partnerin Gerda Hoffmann operierte: "Haß auf das eigene Geschlecht."

In solchen Fällen plädieren Rothauge und seine Kieler Kollegen für die Geschlechtsumwandlung: Nach einer "Ausschälung" des Penis wird dessen Haut als neue Vagina gleichsam nach innen gestülpt. Sodann werden die Schwellkörper, als die "besonders reizrezeptiven Teile des Penis" (Rothauge), "nach unten geschlagen" und zur "Unterpolsterung" der -- aus dem Hodensack gebildeten -- Schamlippen verwandt. Bei "technisch sauber ausgeführter Operation", so versichert der Urologe, blieben die Operierten auch nach der Geschlechtsumwandlung "orgasmusfähig".

Aber auch wenn die Geschlechtsumwandlung chirurgisch geglückt ist, sind die Probleme nicht gelöst -- in Geburtsregister und Reisepaß bleibt in der Bundesrepublik weiterhin das andere Geschlecht verzeichnet. Wer "Gerda" heißen möchte, heißt weiterhin "Gernot".

Das hat Folgen. In München etwa fragte eine Kellnerin beim Arbeitsamt vergeblich nach einem Job und erhielt auch keine Unterstützung. Ausgerichtet an einem Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein, befanden die Beamten, eine Beschäftigung sei "weder zumutbar noch zulässig oder auch nur möglich", weil als Frauen nur solche Personen vermittelt werden könnten, "bei denen es sich tatsächlich um Frauen handelt" (SPIEGEL 30/1975).

Freilich urteilten Gerichte auch schon anders. Das Landgericht Münster erspähte schon im Jahre 1963 "eine echte Lücke" im Personenstandsgesetz und gab einem Korrekturantrag statt, "da Fälle dieser Art dank der Fortschritte in der Medizin, Biologie und Genetik erst in den letzten Jahren möglich und bekannt geworden sind".

Der Bundesgerichtshof nahm, neun Jahre später, den Schritt zurück und bremste mit einer Grundsatzentscheidung den Elan der Untergerichte: Der Antragsteller "Helge" dürfe trotz medizinischen Gutachtens und "einer genitalverändernden Operation" nicht als "Helga" ausgewiesen werden. Gleiches gelte für alle gleichgelagerten Fälle, solange nicht "auf Grund einer gesetzlichen Regelung" Raum für die formelle Personenstandsänderung geschaffen werde.

Der Auftrag an den Gesetzgeber blieb bislang unerfüllt. Zu ändern wäre das Personenstandsgesetz, das heute nur die Berichtigung offenkundiger Schreibfehler in den Geburtsbüchern zuläßt. Und Artikel 1 des Grundgesetzes -- die Unantastbarkeit der Menschenwürde -- spräche eher dafür, niemanden nur wegen eines Eintrags im Geburtenbuch zu zwingen, sein Leben weiterhin als Angehöriger eines Geschlechts zu führen, dem er seelisch und körperlich nicht mehr zugerechnet werden kann.

Schwer tun sich aber auch die Befürworter einer Novellierung bei der Frage. von welchem Zeitpunkt an eine formelle Korrektur der Personendaten wirksam sein sollte -- vom Tag der Geburt, der Operation oder erst der Eintragung in den Personenstandsbüchern, weil daraus wiederum neue Rechtsprobleme erwüchsen. wie etwa Rentenansprüche oder Ehefähigkeit. Im Bonner Innenministerium wird eine entsprechende Novellierung, so ein Sprecher letzte Woche, "noch geprüft".

Da sind andere Länder schneller. In Schweden etwa kann, selbst ohne operative Geschlechtsangleichung, eine Korrektur verlangen, "wer von Jugend an erlebt, daß er nicht dem Geschlecht angehört, das für ihn in den Personenstandsbüchern eingetragen worden ist, und wer seit längerer Zeit dementsprechend auftritt und somit auch in Zukunft erwarten läßt, daß er in dieser Geschlechtsrolle leben wird.

Die Schweiz, Österreich und England tragen in den einschlägigen Bestimmungen dem Problem Rechnung. Und "selbst in Spanien", so hat Ärztin Hoffmann ausgekundschaftet, "hätte ich keine Schwierigkeiten gehabt".

Probleme hat Frau Hoffmann auch, ihren Status bei den Standesorganisationen durchzusetzen. Niederlassen könnte sie sich, das erfuhr sie in ihrer Heimatstadt Frankfurt, wenn sie als "Arzt" firmiert, sich "Gernot" nennt und "in einem Anzug auftritt. Die Transsexuelle: "Man verlangt von mir quasi eine transvestitische Haltung."

Im Saarland, wo sie zur Zeit in einer Privatklinik arbeitet, müßte sie in einer Praxis nicht die Kleider wechseln, ein "G. Hoffmann" auf dem Arztschild würde keinen Anstoß erregen -- mehr freilich ginge auch hier nicht. Denn, so bedauert Horst Kremers von der Ärztekammer des Saarlandes, "auch wir stehen vor dieser juristischen Schranke".

Gernot oder Gerda?

Jetzt muß das Bundesverfassungsgericht über den Vornamen einer Frau entscheiden, die ein Mann war

Eine Fernseh-Talkshow im September vorigen Jahres machte sie bundesweit bekannt: Die 30jährige Ärztin aus dem Saarland, die sich selbstbewußt genug zeigte, ihr Problem und das von etwa 3000 Transsexuellen in die Öffentlichkeit zu tragen. 1947 hatte sie sich der komplizierten Operation einer Geschlechtsumwandlung (unterzogen, um einen unerträglichen emotionalen Zwiespalt zu beenden. Doch mußte sie feststellen: einen weiblichen Vornamen durfte sie nicht tragen. Keine Behörde sah sich in der Lage, ihr zu erlauben, sich anstatt Gernot Yvonne Gerda Hoffmann zu nennen. „Nach der Sommerpause“, so verlautet das Karlsruher Verfassungsgericht, wolle man sich mit ihrem Fall befassen.
Einziges Zugeständnis hessischer Behörden im Jahre 1974, als Frau Hoffmann noch dort lebte: An ihren Vornamen Gernot darf sie die „geschlechtsneutralen“ Namen Sandy Kim anhängen. Was das wohl nützen soll?

Sie ist weiterhin Demütigungen, bohrenden Fragen, beleidigenden Bemerkungen ausgesetzt. Da kommt sie in eine Polizeikontrolle, an eine Zollschranke – und was passiert? Sie, eine Frau, zeigt ihren Ausweis auf den Namen Gernot Sandy Kim Hoffmann vor, und der Beamte wittert den Fang seines Lebens. Das „Fahren Sie doch mal rechts ran“ ist sie schon gewohnt, die endlos langen Verhöre auch, denn wo anders als in der Terroristenszene, mutmaßen eifrige Beamte, gibt es denn sowas. Oder sie will einen Scheck einlösen. Oder sie sucht eine neue Arbeitsstelle: Immer wieder lange intime Erklärungen, die entnerven.

Gernot Gerda Hoffmann aber versuchte alles: Sie schrieb an Bonner Politiker und bat in ihrem Fall um Unterstützung. Man schrieb ihr zurück: 1974, 1975 und ließ sie in der Hoffnung, ein „alsbaldiger Abschluß“ entsprechender Neuregelungen stehe bevor. Sie stellte Anträge im Saarland – alle wurden abgelehnt. Die Korrespondenz mit Bundestagsabgeordneten geht weiter, denn schon 1972 und 1975 wurde das Thema in Fragestunden behandelt, 1976 ein entsprechender Antrag angenommen. Noch in diesem Jahr, hieß es neulich, will die Bundesregierung dem Bundestag einen Entwurf zur Änderung des Personenstandsgesetzes zuleiten.

Die Briefe, die die Ärztin in diesen drei Jahren an Politiker wie Behörden schrieb, die Gutachten, die sie sammelte, füllen einen Aktenordner, Da gibt es medizinische Gutachten über Transsexualität, die auf eine Laune der Natur im fünften Schwangerschaftsmonat zurückgeführt wird, Berichte über die Situation der Betroffenen minder erschreckend hohen Zahl von Selbstverstümmelungen der verhaßten Geschlechtsmerkmale, der Zahl der Selbstmorde. Da wird auch der Unterschied zu Transvestiten erklärt, die nur die Kleider des anderen Geschlechts tragen wollen, doch das scheinen manche Behörden ein bißchen zu verwechseln.

Denn in der Begründung der Ablehnung ihres weiblichen Vornamens werden immer wieder zwei Urteile zitiert: eines des Bundesverwaltungsgerichtes von 1968, das verlangt, ein Vorname könne nur geändert werden, wenn das Geschlecht im Geburtenregister geändert sei.
Das andere Urteil fällte der Bundesgerichtshof im September 1971: „Die Rechtsordnung ist in ihrer Gesamtheit von dem Grundsatz der geschlechtlichen Unwandelbarkeit des Menschen bestimmt.“ Allein eine gesetzliche Neuregelung könne hier Abhilfe schaffen.

Gegen dieses Urteil wurde Anfang 1972 Verfassungsbeschwerde eingelegt. Dazu soll die Bundesregierung Stellung nehmen, was bisher nicht geschah.

Viele warten jetzt auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder eine Änderung des Personenstandsgesetzes. Es warten:
  • der Landrat des Saar-Pfalz-Kreises, der um Änderung des Vornamens gebeten wurde,
  • das Amtsgericht der Stadt Frankfurt, das um Berichtigung des Geburtenregisters gebeten wurde, nachdem das Standesamt Frankfurt-Höchst dies abgelehnt hatte.
Der saarländische Landtag bestätigte einstimmig die Empfehlung des Petitionsausschusses, dem Antrag von Frau Hoffmann statt zugeben, und jetzt wartet auch der Innenminister auf eine Entscheidung.
Was im Fall Gerda Hoffmann hierzulande geschieht, ist zum Beispiel in Amerika undenkbar.
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