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Rothenbächer 2012
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Transsexualität und die Gender-Bewegung
Über
die Instrumentalisierung eines Leidens
Eine
der zentralen Thesen der Gendertheorien ist die Annahme, dass es kein
natürliches Geschlecht gibt, Geschlecht und soziale Geschlechtsrolle (Gender)
seien vielmehr rein gesellschaftlich „konstruiert“. Thorsten Voß, Dozent an
einem der 29 Institute für Gender-Studies an deutschen Universitäten, drückt es
so aus: „Gender-Studies haben nachgewiesen, dass es kein vorgefertigtes
Geschlecht gibt – es ist ein Konstrukt, abhängig von historischen und
kulturellen Kontexten.
Im
Jahr 2000 hat sich die Bundesregierung in ihrer Geschäftsordnung darauf
festgelegt, die Gendertheorien im sogenannten Gender Mainstreaming politisch
umzusetzen. Eines der Instrumente für die Umsetzung ist das vom
Bundesfamilienministerium finanzierte GenderKompetenzZentrum (GKZ) der Humboldt
Universität, Berlin. Auf der Webseite des GKZ ist zu lesen, dass Geschlecht
eine „sozial konstruierte Kategorie“ sei. Dort heißt es auch: „Geschlecht ist
keine ’natürliche’ Gegebenheit. Die Tatsache, dass es Frauen und Männer gibt
und diese als zwei unterschiedliche Gruppen von Menschen wahrgenommen werden,
ist vorrangig das Ergebnis einer Reihe von gesellschaftlichen Zuschreibungen
und Erwartungen, die durch Erziehung, Medien, Rollenvorstellungen und Normen vermittelt
werden.
Stimmt
das?
Die
Gendertheorien gründen auf der unbewiesenen Annahme, dass
„Geschlechtszuweisung“ an sich schon Unterdrückung und ungerechte Einengung
bedeutet. So schreibt die Freiburger Professorin Nina Degele in ihrem
Einführungsbuch für Studierende, Geschlecht als „Strukturkategorie“ sei Ursache
sozialer Ungleichheit. Geschlecht, so Degele, ist der „soziale Platzanweiser“,
der zur Unterdrückung, Ausgrenzung und Benachteiligung von Frauen führt.
Die
Gender-Theoretiker halten deshalb eine freie und gerechte Gesellschaft nur dann
für möglich, wenn der Mensch zuvor von der Zwangskategorie „Mann“ und „Frau“
befreit wird.
Zentrale
kulturverändernde Instrumente für dieses Ziel sehen sie in Transsexualität,
Transvestismus und Intersexualität. Deren Existenz gilt ihnen als Beleg für die
generelle „Konstruiertheit der normativen heterosexuellen
Zweigeschlechtlichkeit“. Transsexualität ist dabei „zielführend für das
Projekt der Denaturalisierung von Zweigeschlechtlichkeit.“ Sie
beweist angeblich, dass die Mann-Frau-Einteilung künstlich ist und dass jedem
das Recht zusteht, sein Geschlecht selbst zu wählen.
Aus
diesem Grund verwenden Gender-Theoretiker lieber den Begriff Transgender statt
Transsexualität; Transgender betont das Fließende der Identitäten zwischen Mann
und Frau. So schreibt die Transsexuellenorganisation „TransMann“, auf die das
Bundesfamilienministerium mit einem Link verweist: „So kann sich ein Mensch,
der eine vollständig weibliche Anatomie hat, dennoch nicht als Frau fühlen,
sondernteilweise oder vollständig als Mann, und möchte dann auch so
wahrgenommen werden. (…) Der Druck, sich auf ein bestimmtes Geschlecht
festlegen zu müssen, verursacht innere Spannungen… Abhilfe kann nur die Annahme
einer Geschlechtsrolle sein, mit der ein solcher Mensch leben kann – sei es die
gegengeschlechtliche, oder eine Zwischenrolle.“
Das
GenderKompetenzZentrum weist auf seiner Webseite auf eine 2006 veranstaltete
Tagung zum Thema „Trans“ hin. Auf dem Tagungsflyer heißt es: „So
gesehen, ist nicht Trans als Lebensform erklärungsbedürftig, wohl aber das
System der Zweigeschlechtlichkeit.“
In
diesem Zusammenhang muss noch einmal auf den 2007 in den Bundestag
eingebrachten Gesetzentwurf von Bündnis90/Die Grünen zur „Reform“
des Transsexuellengesetzes hingewiesen werden. Darin hieß es: Für die
rechtliche Bestimmung des Geschlechts dürfen nicht mehr die äußeren
Geschlechtsmerkmale ausschlaggebend sein, sondern nur noch das subjektive
Empfinden des einzelnen Menschen. Die „tatsächliche Vielfalt von Identitäten“
müsse akzeptiert werden, transsexuell empfindende Menschen dürfe man nicht in
„vorgegebene Raster… pressen“. Im Mai 2008 wurde
ein inhaltlich sehr ähnlicher Antrag eingebracht – diesmal von der FDP.
Vertreter
der Gendertheorien blenden die erhebliche Psychopathologie und das damit
verbundene Leiden der Betroffenen aus und stilisieren sie stattdessen zu
Vorreitern einer neuen Welt, in der die „Zwangskategorien“ Mann und Frau abgeschafft
sind und sich jeder sein Geschlecht als Frau oder Mann oder als beliebige
Zwischenform selbst aussuchen kann.
Doch
warum? Warum sollte es ein Ziel sein, „Verwirrung in Bezug auf Geschlecht [zu]
schaffen“ und, wie Judith Butler, Vordenkerin der
Gender Theorien, fordert, „die Kategorien des Körpers, des
Geschlechts, der Geschlechtsidentität und der Sexualität [zu] stören“? Woraus speist sich diese fundamentale Ablehnung der
Kategorien von Zuordnung?
Keine
Theorie – das wissen die Gender-Theoretiker am besten – entsteht nur im
Elfenbeinturm der Wissenschaft. Der Standort des Betrachters, seine
individuelle Prägung und Biographie bilden sein Denken und seine Argumente
maßgeblich mit. Die Gendertheorien zeichnen sich durch prägnante Feindbilder
aus und gewinnen dadurch eine aggressive Dynamik. Deren Motor sind vor allem:
Seelische Verletzungen und Verwundungen, Misshandlung und Missbrauch in der
(früh-)kindlichen Entwicklung und daraus folgend eine radikale Ablehnung des
eigenen weiblichen oder männlichen Selbst sowie ein (unbewusster) Hass auf
diejenigen, die das eigene geschlechtliche Selbst in der Entwicklung nicht
genügend bestätigen und fördern konnten: die Eltern. Weil die Verletzungen aber
nicht angeschaut werden, können sie nicht heilen. Stattdessen werden Groll und
Ablehnung auf die Gesellschaft und auf Geschlecht als Kategorie überhaupt (auch
auf alle Vaterschaft und Mutterschaft) übertragen. Der oben genannte Satz, dass
Geschlecht als solches Ursache für Unterdrückung sei, wird vor
diesem Hintergrund verständlich.
Die
Annahme, Geschlecht werde durch willkürliches Handeln konstruiert und könne
deshalb jederzeit dekonstruiert und neu zusammengesetzt werden, ist irrig. In
Wirklichkeit ist Geschlecht kein Handeln, sondern ein Sein, ein
Gegeben-Sein. Dieses Gegeben-Sein kann der Mensch nur annehmen oder sich
dagegen auflehnen.
Ebenso
irrig ist die Annahme, die Gesellschaft sei aus lauter autonomen Individuen
aufgebaut, die ihre Geschlechtsidentität jederzeit wechseln können. In
Wirklichkeit baut die Gesellschaft nicht auf lauter Einzelnen auf, sondern auf
dem sozialen Knoten der Elternschaft. Sie baut deshalb auch nicht auf sich frei
erfindenden Individuen auf, sondern auf dem gegebenen geschlechtlichen
Unterschied von Frau und Mann. Nur so hat sie Bestand.
Der
französische Philosoph Olivier Boulnois schreibt dazu sinngemäß: Die
Geschlechterdifferenz weist eineseinsmäßige Dimension auf, die erst
in der Mutterschaft und Vaterschaft ihre Konkretion erfährt. In Mutter- und
Vaterschaft erfährt man, dass die Unterscheidung zwischen Mann und Frau
unauflöslich ist. Der Mensch ist kein mit einer unendlichen Macht über alle
Dinge ausgestattetes Subjekt. Das Menschliche ist für den Menschen kein
Experimentierfeld; er ist innerhalb einer gegebenen Ordnung verankert, die er
respektieren muss, weil nur sie ihm Sinn verleiht.
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„Wenn man den Geist nicht so verändern kann, dass er zum
Körper passt, dann sollten wir uns vielleicht dazu
entschließen,
den Körper so zu verändern, dass er dem Geist entspricht.“
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