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Bearbeitet von Nikita Noemi
Rothenbächer 2013
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diesen euren Verwandten, Freunde, Bekannten und Familie denn Information beugt
vor, einer Minderheit anzugehören!
Nun meine lieben Gäste und Besucher des Blog, zeit vielen Jahren beschäftige ich mich mit der Thematik Trans-Gender und bin eine Vollblut-Aktivistin für diese Minderheit!
Was ich jedoch immer und immer wieder feststelle ist die Tatsache das sehr viele dieser Gesellschaft diese Minderheit verurteilen! Jedoch sich kaum einige wenige in Wirklichkeit, Gedanken darüber machen wie es überhaupt ist einer Minderheit anzugehören!
Dieser Bericht könnte zum Nachdenken anregen!
Mit freundlichen Grüßen
Nikita Noemi
Greifvögel und
Bordsteinschwalben
Kein Geld, keinen Job und häufig keine
andere Wahl:
Für ein paar Euro verkaufen junge Männer ihre Körper
Wie Greifvögel, die ihre Opfer sorgsam ausspähen, kreisen
die Fahrzeuge um den fußballfeldgroßen Parkplatz.
Ihre Scheinwerfer sorgen hier, im Schatten der Essener Stadtautobahn
A 40, für ein flackerndes, unruhiges Licht - in dem die Beute schemenhaft
auszumachen ist: der junge Mann mit Perücke und knielangem Kleid, der auf dem
Bordstein auf und ab trippelt und den hier alle nur "die Transe" nennen.
Der blondierte Jugendliche, dessen hageres Gesicht hinter
einem der Betonpfeiler hervorlugt. Und Timo*, dessen Silhouette sich hinter der
Scheibe eines weinroten Ford-Transits abzeichnet. Heute, an diesem sommerlichen
Abend, werden die Greifvögel besonders leichtes Spiel haben: Denn der Monat hat
nur noch drei Tage, und die meisten Stricher haben ihr Hartz IV längst
verprasst. Sie brauchen Geld.
Abend für Abend verwandelt sich der "Wackel",
dieser düstere Parkplatz im Herzen Essens, zum Revier älterer Männer auf der
Jagd nach schnellem, billigem Sex. Sie holen ihn sich bei Strichern, die für
ein paar Euro ihre Körper verkaufen.
Bei Jungs wie Timo, der ihnen für 20 Euro "einen bläst
oder wichst" und der keine Ahnung hat, ob er sich nicht schon längst mit
HIV infiziert hat - so wie etwa jeder Dritte, der hier auf seine nächste
"Tour" wartet.
Anders als weibliche Prostituierte kommen Stricher in der
öffentlichen Wahrnehmung nicht vor.
Dabei schätzen
Sozialarbeiter der Essener Facheinrichtung Nachtfalke e. V., dass allein in der
Ruhrmetropole 300 bis 400 junge Männer ihr Geld mit schwulem Sex verdienen: Auf
dem Straßenstrich landen die Verzweifelten, Bordsteinschwalben, die nicht mehr
tiefer fallen können.
Timo, fleckiger Kapuzenpulli, schwarze Kappe, beugt sich
über eines der bereitliegenden Baguettebrötchen und schlingt es in sich hinein.
Er hatte heute noch keine richtige Mahlzeit, der Hunger treibt ihn in den
Beratungsbus der Nachtfalke-Streetworker. Frank, ein Sozialarbeiter, füllt ihm
eine Terrine auf, der Innenraum füllt sich mit feuchtem, fleischigem
Gulaschdampf. "Was hast du heute so gemacht?", fragt Frank. Mittags
habe er ein paar Sozialstunden abgearbeitet und sich danach eine seiner
gebrannten DVDs reingezogen, berichtet Timo zögerlich. Der Stricher guckt sich
jeden Tag die Billigstreifen an, sonst hat er nichts zu tun. Auch nachts, wenn
er vom Wackel nach Hause kommt, beruhigt er sich mit den Filmen. Den Tabletten,
die er früher gegen seine Schlafstörungen eingeworfen hat, will er abgeschworen
haben. "Ich bin jetzt clean", sagt Timo.
Keine Moralpredigten
Streetworker Frank verzieht keine Miene. Er weiß, dass er
auf solche Sätze nicht viel geben kann - und lässt sie kommentarlos im Raum
stehen. Bei seiner Nachtschicht geht es ihm nicht darum, Moralpredigten zu
halten. Der Streetworker ist zufrieden, wenn die "Jungs" an die
Kondome denken, die er ihnen in die Hand drückt, und tagsüber zur
Nachtfalke-Beratung kommen. Und immerhin, das macht Timo seit ein paar Wochen.
Die Sozialarbeiter wollen ihn jetzt erst einmal stabilisieren. Nach ein paar
Beratungstreffen hat Timo angefangen, von seiner verkorksten Jugend zu
erzählen. Davon, dass er es mit dem neuen Freund seiner Mutter nicht
ausgehalten hat, abgehauen und schließlich im Heim gelandet ist. Dort probierte
er Drogen. Er häufte Schulden an - und dann bekam er irgendwann den Tipp eines
Freundes: "Auf dem Strich kannst du dir leicht was dazuverdienen."
Timo hat seine Terrine ausgelöffelt. Als er die Ärmel seines
Pullovers bis zum Ellenbogen hochschiebt, kommen rote, parallel gezogene
Kratzer zum Vorschein, die seine Unterarme übersäen. "Mein Katze",
sagt er nur zu den Wunden - der Sozialarbeiter deutet sie als Hinweis auf eine
Borderline-Störung.
In kurzen Intervallen erhellen die Scheinwerfer der Autos
den Innenraum des Bullis, die Greifvögel lauern, und Timo rutscht unruhig auf
der Rückbank hin und her, starrt in kurzen Abständen durch die Scheibe nach
draußen. Dann fummelt er sich eine knittrige Zigarette aus der Gesäßtasche,
steht auf und verschwindet im Halbdunkel.
Timo ist mit Anfang dreißig verhältnismäßig alt für einen
Stricher, bald werden ihm die Freier die kalte Schulter zeigen. Bald muss er
andere Wege finden, um Geld zu verdienen - doch der Absprung vom Strich ist
schwierig.
Der junge Mann mit den gelb verfärbten Zähnen und dem
ausgeblichenen Pullover, der in der Zeitung gern Fabian heißen möchte, ist
einer der wenigen, der es geschafft hat. Der 26-Jährige ist an diesem Vormittag
in die Nachtfalke-Anlaufstelle gekommen. Männer aus der Szene bekommen hier kostenlose
Beratungsgespräche, günstige Mahlzeiten, sie können fernsehen, duschen und ihre
Klamotten waschen. Fabian kennt sich hier aus: Vier Jahre ist er anschaffen
gegangen, erst auf dem Straßenstrich, später hatte er dann ein Profil auf einer
Internetplattform und hat die Freier zu Hause besucht.
Sex mit hundert Männern
"Ich habe mit mindestens hundert verschiedenen Männern
Sex gehabt", sagt Fabian, "mit Lehrern, Touristen, reichen und armen
Leuten, eigentlich kamen die aus allen Gesellschaftsschichten." Viele
wollten es ohne Gummi machen, "aber das habe ich immer abgelehnt",
sagt er. Manchmal waren die Kunden auf eine schnelle Nummer im Auto aus,
manchmal bezahlten sie ihn für eine ganze Nacht. "Für Geschlechtsverkehr
habe ich 50 Euro genommen, für die ganze Nacht 90 bis 100", erinnert
Fabian sich. Es schwingt fast etwas Stolz mit, wenn er über seine Vergangenheit
spricht: "Ich hab mich schon begehrt gefühlt", sagt er und dreht an
seinen breiten silbernen Ringen. Nach einem Moment des Schweigens verzieht er
sein Gesicht: "Aber ich habe mich auch geekelt, ich musste mich jedes Mal
neu überwinden."
Im Gegensatz zu den meisten anderen Strichern hatte Fabian
mal ein "gutbürgerliches Leben", wie er es selbst nennt. Er hat eine
abgeschlossene Ausbildung, arbeitete als Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Doch
seine heile Welt brach zusammen, als er erst seinen Job und kurz darauf seine
Freundin verlor, die ihn aus der Wohnung schmiss. Rasch ging ihm das Geld aus,
und als er eines Abends in einer Bar auf einen älteren Mann stieß, der ihm
einen 20-Euro-Schein für Sex anbot, war es so weit. "Ich habe gar nicht
groß darüber nachgedacht, das war schnell verdientes Geld", erinnert sich
der Aussteiger. Aus Mangel an Alternativen trieb sich Fabian, der sich als
bisexuell bezeichnet, bald regelmäßig auf dem Wackel rum, stieg zu älteren
Männern ins Auto, befriedigte sie. Durch die Nachtschichten verschob sich sein
Schlafrhythmus so, dass er kaum noch Tageslicht zu sehen bekam. Seine Einnahmen
verpulverte er für Speed und Amphetamine, die ihn nachts wachhielten und
betäubten zugleich. Drogen, Schulden, Sex - ein Teufelskreis.
Erst als Fabian sich neu verliebte, wurde das Anschaffen zum
No-Go. Eine Nachtfalke-Beraterin begleitet ihn jetzt bei Behördengängen,
verwaltet sein Konto, hilft ihm, einen Job zu finden. "Ich will wieder in
mein gutbürgerliches Leben zurück", sagt der Exstricher.
Kaffee auch für Freier
Auf dem Stricherparkplatz ist es spät geworden. Zwei Männer
jenseits der 60 hieven sich aus einem silbernen Mittelklassewagen und wackeln
auf den Beratungsbulli zu. Wie ihr Autokennzeichen verrät, sind sie für ihr
nächtliches Vergnügen aus Duisburg angereist. Arnold* trägt einen abgewetzten,
dunklen Dreiteiler, an einer Leine trottet "Biene", ein Dackel mit
glattem, braunem Fell hinter ihm her. Dieter* hat einen Knopf im Ohr, hört
Radionachrichten und wirkt abwesend. Streetworker Frank spendiert ihnen Kaffee,
"weil es wichtig ist, auch mit den Freiern zu reden". Sie kennen sich
in der Szene aus, können helfen, wenn Jungs länger nicht in der Beratung
aufgetaucht sind.
Für das Freierduo ist der nächtliche Ausflug ein hübscher
Zeitvertreib: Arnold redet übers Wetter, Dieter plaudert von alten Zeiten auf
dem Amt, von Frau und Tochter. Doch sobald die Becher leer getrunken sind, ist
Schluss mit dem harmlosen Gerede. Die Freier ziehen ab, um in ihren Autos
Stellung zu beziehen und lauernd um den Parkplatz zu kreisen.
Als Streetworker Frank kurz vor Mitternacht die
übriggebliebenen Lebensmittel im Kofferraum verstaut, taucht Timo wieder auf.
"Ich mache heute keine Tour", sagt er frustriert. Die beiden
Duisburger hätten ihm mickrige 15 Euro angeboten. Dafür hätte er sie die ganze
Nacht nach Hause begleiten sollen. "Die sind geizig, dabei haben die
Kohle", schimpft Timo. Ein Angebot abzulehnen, seinen Körper nicht für
jeden Preis zu verkaufen, das kann er sich selten leisten. "Zum Glück
gibt's morgen endlich wieder Geld vom Amt", sagt Timo. Gleich am Vormittag
will er sein Hartz IV abheben, sich eine große Packung Tabak und ein paar neue
DVDs besorgen. Es ist absehbar, dass sein Geld nach ein paar Tagen aufgebraucht
sein wird. Dann wird Timo wieder auf dem Wackel stehen, die kreisenden Autos
beobachten - und es sich nicht leisten können, Nein zu sagen, wenn einer der
Greifvögel es auf ihn abgesehen hat.
Männliche Prostituierte
Offizielle Statistiken fehlen. Zählt man zusammen, was
Streetworker in den Großstädten beobachten, kommt man auf bundesweit über 6.000
männliche Prostituierte. Manche verabreden sich per Internet und führen ein
relativ geregeltes Leben, andere enden auf dem Strich.
Studien zeigen: Fast 40 Prozent der Stricher haben eine
Heimkarriere hinter sich und keinen
festen Wohnsitz.
Etwa jeder zweite steht
ohne Schulabschluss da, Drogen und Beschaffungskriminalität sind die Regel.
Experten schätzen, dass jeder vierte, vielleicht sogar jeder zweite
Straßenjunge mit HIV infiziert ist. Jeder fünfte ist heterosexuell und fühlt
sich nicht zu Männern hingezogen.
Zuhälterstrukturen sind die Ausnahme, trotzdem stammen immer
mehr Prostituierte aus Osteuropa. Vor zehn Jahren waren es 40 Prozent, heute
gehen Streetworker davon aus, dass noch mehr Ausländer, vor allem Roma aus
Rumänien und Bulgarien, für wenig Geld in Deutschland anschaffen gehen.
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