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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2013
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diesen euren Verwandten, Freunde, Bekannten und Familie denn Information beugt
vor, einer Minderheit anzugehören!
Vor einigen Tagen habe ich euch einen Bericht mitgeteilt mit Folgendem Text:
Pressemitteilung der Internationalen Vereinigung Intergeschlechtlicher Menschen (IVIM) / Organisation Intersex International – Deutschland (OII Germany)
07.02.2013
Mogelpackung für Inter*: Offener Geschlechtseintrag keine Option
Auf der Website des Deutschen Bundestags wird verkündet: “Bei Kindern, die ohne eindeutige Geschlechtszugehörigkeit zur Welt kommen, ist es künftig möglich, im Register auf eine Geschlechtsangabe zu verzichten.”
Diese Aussage legt nahe, dass der Bundestag die Wahlmöglichkeit für Eltern intergeschlechtlicher Kinder geschaffen habe, die Geschlechtsregistrierung offen zu lassen. Tatsächlich lautet jedoch der Beschluss:
„(3) Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen.“
• Das bedeutet im Klartext, dass es sich nicht um eine Wahlmöglichkeit, sondern um eine Vorschrift handelt.
07.02.2013
Mogelpackung für Inter*: Offener Geschlechtseintrag keine Option
Auf der Website des Deutschen Bundestags wird verkündet: “Bei Kindern, die ohne eindeutige Geschlechtszugehörigkeit zur Welt kommen, ist es künftig möglich, im Register auf eine Geschlechtsangabe zu verzichten.”
Diese Aussage legt nahe, dass der Bundestag die Wahlmöglichkeit für Eltern intergeschlechtlicher Kinder geschaffen habe, die Geschlechtsregistrierung offen zu lassen. Tatsächlich lautet jedoch der Beschluss:
„(3) Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen.“
• Das bedeutet im Klartext, dass es sich nicht um eine Wahlmöglichkeit, sondern um eine Vorschrift handelt.
Heute möchte ich euch diesen Vorstellen:
Mangelnde Aufklärung
von Kindern, Eltern und der Öffentlichkeit über Intersexualität
Es ist dem
Engagement der Betroffenen zu verdanken, dass das Thema Intersexualität auch in
Deutschland zunehmend Gehör findet. Noch 2001 findet sich in einer Antwort der Bundesregierung
auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der PDS die Feststellung: „Der Bundesregierung
ist nicht bekannt, dass eine Vielzahl von Intersexuellen im Erwachsenenalter
die an ihnen vorgenommenen Eingriffe kritisiert.“
Seit 2003
aber wird beispielsweise mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
ein nationales Forschungsnetzwerk „Netzwerk für seltene Erkrankungen“ gefördert,
das sich auch mit „Störungen der somatosexuellen Differenzierung und Intersexualität“
befasst.
Der
sogenannte Schattenbericht von Betroffenenorganisationen im Rahmen des UN Dialoges
Deutschlands mit dem UN-Ausschuss zur Überwachung des Abkommens zur Beseitigung
jeder Form der Diskriminierung der Frau (kurz: Frauenrechtskonvention) gegründet.
Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Organisationen und Selbsthilfegruppen,
die sich für die Interessen von intersexuellen Menschen stark machen, führte dazu, dass die Bundesregierung in den
damit verbundenen Abschließenden Bemerkungen (concluding observations) von 2009
unter Ziffer 62. dazu aufgefordert wurde, „[...] in einen Dialog mit
Nichtregierungsorganisationen von intersexuellen und transsexuellen Menschen einzutreten,
um ein besseres Verständnis für deren Anliegen zu erlangen und wirksame Maßnahmen
zum Schutz ihrer Menschenrechte zu ergreifen.“
Bundestagsdrucksache
14/5627 (2001): Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der
Abgeordneten Christina Schenk und der Fraktion der PDS – Drucksache 14/5425-,
S.5, Ziffer 4.
Die Folgen
sind erfreulicher Weise spürbar. So führte beispielsweise der Deutsche Ethikrat
(DER) im Juni 2010 das Bioethik-Forum „Intersexualität – Leben zwischen den
Geschlechtern“ durch. Es folgte der Auftrag an den Deutschen Ethikrat durch das
Bundesministerium für Bildung, Forschung und das Bundesministerium für
Gesundheit, den Dialog mit den Betroffenen fortzuführen.
Anhörungen und
Befragungen von Betroffenen sowie ein moderierter Online-Diskurs durch den DER
wurden daraufhin durchgeführt und dokumentiert.
Dennoch: Ein
direkter Dialog der Bundesregierung mit den Interessenvertretungen intersexueller
Menschen in Deutschland hat immer noch nicht stattgefunden!
Von den
Betroffenenorganisationen wurde darüber hinaus die Verletzung der Menschenrechte
von intersexuellen Menschen in Deutschland erneut vor die Vereinten Nationen
gebracht und im Rahmen der Berichterstattung zum jeweils 5. Staatenbericht der Bundesrepublik
Deutschland zum Sozialpakt (2010) und zur Anti-Folter-Konvention (2011) beim jeweils
zuständigen UN-Ausschuss ein gemeinsamer Schattenbericht von Intersexuelle Menschen
e.V. und XY-Frauen eingereicht.
Zuletzt fand
in Zusammenhang mit dem Statement des Deutschen Ethikrates zur Intersexualität
von 201223 und einem Bundestagsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Juni 2012
eine öffentliche Anhörung des Bundestagsausschusses für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend zum Thema „Grundrechte von intersexuellen Menschen wahren“ statt.
Die National
Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland, unter
Rechtsträgerschaft der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ,
hat im Rahmen ihrer Koordinierungsgruppensitzung im November 2011 den Beschluss
gefasst, sich mit der Situation von intersexuellen Kindern mit Blick auf den
2013 anstehenden Dialog Deutschlands mit dem UN-Ausschuss für die Rechte des
Kindes zu befassen.
Die weitere inhaltliche
Befassung mit der Situation von intersexuellen Kindern in Deutschland führte zu
dem Entschluss und schließlich weiteren Beschluss der KoG, deren Situation auch
im Rahmen der anstehenden Überprüfung Deutschlands durch den
UN-Menschenrechtsrat im Rahmen des Universal Periodic Review (im Folgenden
UPR-Verfahren) vorzubringen.
Die National
Coalition nahm dies zum Anlass, im August 2012 zu einem Expertenhearing zum Thema
„Intersexualität“ einzuladen, in dessen Rahmen sie folgende Problemfelder von
intersexuellen
Kindern in Deutschland mit den geladenen Expertinnen und Experten27
diskutiert
hat, die sie im Oktober 2012 an den UN-Menschenrechtsrat im Rahmen des UPR Verfahrens
übermitteln wird.
Diskriminierung von
intersexuellen Kindern aufgrund des Geschlechtseintrages in Geburtsurkunden und
Geburtenregister
Artikel 1
der UN-Kinderrechtskonvention legt fest, dass jeder Mensch, der das achtzehnte Lebensjahr
noch nicht vollendet hat, als Kind anzusehen ist.
Artikel 2
der UN-Kinderrechtskonvention enthält das für alle Menschenrechtskonventionen übliche
Diskriminierungsverbot, wonach kein Kind u. A. aufgrund seines Geschlechts diskriminiert
werden darf.
Artikel 7
der UN-Kinderrechtskonvention sichert jedem Kind unverzüglich nach seiner
Geburt den Eintrag in ein Register mit dem Recht auf einen Namen sowie eine Staatsangehörigkeit
zu.
Artikel 8
der UN-Kinderrechtskonvention sichert dem Kind darüber hinaus den Schutz seiner
Identität, einschließlich seiner Staatsangehörigkeit, seines Namens und seiner
gesetzlich anerkannten Familienbeziehungen zu.
Es ist das
Verdienst nationaler und internationaler Diskriminierungsverbote, dass das „Geschlecht“
in Deutschland als Rechtsbegriff zunehmend an Bedeutung verliert, es sei denn,
es geht um das Verbot von Diskriminierung wegen des Geschlechts.
Dennoch wird
im deutschen Recht daran festgehalten, das Geschlecht eines Menschen auf seiner
Geburtsurkunde (§ 59 Abs. 1 Nr. 2 Personenstandsgesetz) und seinem Reisepass (§
4 Abs. 1 Nr. 6 Passgesetz) zu vermerken sowie im Geburtsregister (§ 21 Abs. 1
Nr. 3 Personenstandsgesetz) zu erfassen.
Diese
Regelungen führen dazu, dass intersexuelle Kinder hier der Kategorie „weiblich“
oder „männlich“ zugeordnet werden müssen und an das hier eingetragene
Geschlecht (das rechtliche Geschlecht) im Folgenden gebunden sind.
Auch dann,
wenn die Geschlechtsidentität (also das tatsächliche, individuelle Geschlechtszugehörigkeitsempfinden),
die sich erst im Laufe eines Lebens entwickelt.
Im
Rahmen der Entwicklungen rund um das Transsexuellengesetz (TSG) hat das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) sich klar zur Geschlechtsidentität positioniert und mit der achten
Entscheidung zum TSG die Änderung des rechtlichen Geschlechts ohne körperliche
Angleichung zugelassen.
Begründet
wurde diese Entscheidung damit, dass die Zuordnung des Geschlechts eines
Menschen nicht von dessen physischen Geschlechtsmerkmalen abhänge, sondern auch
von der „psychischen Konstitution“ sowie der „nachhaltig selbstempfundenen Geschlechtlichkeit“,
eine andere ist.
Es lässt
sich daher feststellen, dass in Deutschland geborene intersexuelle Kinder,
durch die Pflicht der Zuschreibung zu den vorgegebenen zwei „Geschlechtern“ als
normabweichend eingestuft werden und damit entgegen den Vorgaben aus Art. 2 der
UN Kinderrechtskonvention sowie aus Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetz (GG)
diskriminiert werden.
Das geltende
Recht sieht vor, dass das Geschlecht eines Menschen bei seiner Geburt entsprechend
der Kategorien „weiblich“ oder „männlich“ registriert werden muss. Bei intersexuellen
Kindern führt dies dazu, dass bei der Geburt Hebammen bzw. Ärztinnen und Ärzte
zu kontrafaktischen Eintragungen gezwungen werden.
Eine
juristische Dissertation von 2010, die den Deutschen Studienpreis verliehen
bekommen hat, hat die Verfassungswidrigkeit dieser Regelung nachgewiesen.
Der Deutsche
Ethikrat schlägt vor, neben den Alternativen „weiblich“ und „männlich“ nach australischem
Vorbild auch die Kategorie „anderes“ einzuführen.
Die Folge
wäre eine Überprüfung der Öffnung von Eheschließung und Lebenspartnerschaft
durch den Gesetzgeber hinsichtlich einer solchen Kategorie.
Die National
Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention fordert eine diskriminierungsfreie
Anerkennung intersexuell geborener Kinder.
Seit einer
Änderung des Personenstandsgesetzes von 2009!
Die
Möglichkeit einer Offenlassung des Geschlechtseintrages auf der Geburtsurkunde
ist aus Sicht der National Coalition eine wegweisende Entwicklung, die für alle
Kinder bis zum 18. Lebensjahr kann auf Antrag auch eine vorläufige
Geburtseintragung ohne Eintrag des Geschlechts erfolgen.
Dann wird
jedoch lediglich eine Geburtsbescheinigung ausgestellt, die die betroffenen
Familien von Leistungen wie Kindergeld, Elterngeld u. A. ausschließt, für die
die Vorlage einer Geburtsurkunde notwendig ist.
Eine
Geburtsurkunde erhält der intersexuelle Mensch erst, wenn das Geschlecht
eingetragen wird, bzw. bei vorheriger
Eheschließung bis zum 16. Lebensjahr zu fordern ist.
Ein
möglicher Zwischenschritt wäre es aus Sicht der National Coalition, zumindest
bei intersexuellen Kindern zunächst auf die rechtliche Geschlechtszuweisung und
-erfassung zu verzichten und diesen eine Geburtsurkunde ohne Eintrag des
Geschlechtes, aber mit abgesichertem Status.
Es bliebe
Eltern so unbenommen, das soziale Geschlecht ihres Kindes zu benennen und ihr Kind
entsprechend dieser sozialen Geschlechtszuweisung auch zu erziehen.
Mangelnde Aufklärung
von Kindern, Eltern und der Öffentlichkeit über Intersexualität
Artikel 13
der UN-Kinderrechtskonvention sichert dem Kind das Recht auf freie Meinungsäußerung
zu und das Recht, sich ungeachtet der Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut
jeder Art zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben.
Artikel 17
der UN-Kinderrechtskonvention sichert dem Kind das Recht auf Zugang zu Informationen
und Material aus einer Vielfalt nationaler und internationaler Quellen, welche sein
soziales, seelisches und sittliches Wohlergehen sowie seine körperliche und
geistige Gesundheit zum Ziel haben.
Artikel 29
der UN-Kinderrechtskonvention führt darüber in den Bildungszielen auf, dass
diese darauf gerichtet sein müssen, die Persönlichkeit des Kindes, seine
Begabung und die geistigen und körperlichen Fähigkeiten voll zur Entfaltung zu
bringen.
Folgt man
den Bemühungen um die Anerkennung von intersexuellen Kindern ohne deren Zuweisung
in unser binäres Geschlechtssystem von „weiblich“ und „männlich“ sowie der Forderung
nach einem (zumindest) Aufschub geschlechtszuweisender medizinischer Eingriffe
bis zur Einwilligungsfähigkeit der Betroffenen, braucht es einen begleitenden gesellschaftlichen
Diskurs über das Thema Intersexualität bzw. eine frühe Aufklärung von Kindern
über Geschlecht und Geschlechtsidentität.
Dies
beinhaltet nach Auffassung der National Coalition für die Umsetzung der
UN-Kinderechtskonvention in Deutschland die Aufklärung der betroffenen Kinder
und deren Eltern genauso wie auch die Aufklärung von Kindern und Erwachsenen in
Deutschland beispielsweise durch die Bereitstellung von Aufklärungsmaterialien
und Informationen.
Dabei geht die Bandbreite von Materialien für Kinder
im Kindergartenalter bis hin zu Materialien für bestimmte Berufsgruppen
(Medizin, Rechtssprechung, u. A.) die direkt mit intersexuellen Kindern befasst
sind.
Erwähnenswert
sind in diesem Zusammenhang auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der
Altenpflege, die beispielsweise mit den Besonderheiten der Pflege eines
Menschen mit Neo-Vagina vertraut gemacht werden müssen.
Als Beispiel
für solche Materialien ist hier die „Kindergartenbox“!
Ein Blick
auf Lehrmaterialien für „ältere“ Kinder, wie ihn eine Studienarbeit an der
HU-Berlin im Sommersemester 2004 der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung zu nennen, die Informationen zur psychosexuellen Entwicklung von
Kindern anhand von Themen wie „den Körper entdecken“, [...]
Geschlechtsidentität, Gefühle [...]“ u. v. m. für Erzieherinnen und Erzieher
bereitstellt.
Ein Blick
auf Lehrmaterialien für „ältere“ Kinder, wie ihn eine Studienarbeit an der
HU-Berlin im Sommersemester vorgenommen hat, zeigt jedoch, dass hinsichtlich
der Frage von Geschlecht und Geschlechtsidentität erheblicher
Nachbesserungsbedarf besteht.
Unterrichtsmaterialien
wie beispielsweise „Natur – Biologie für Gymnasien, 7. – 10. Schuljahr“, in
denen ein „Mann-Schema“ und ein „Weib-Schema“ dargestellt und die Homosexualität
mit „angeborenen Veranlagungen und frühkindlichen Erlebnissen“ begründet wird,
scheinen einer Aufklärung im Sinne moderner Erkenntnisse über Geschlecht und Geschlechtsidentität
51 Vgl.
Häßler, Frank / Häßler, Heike / Reis, Olaf / Wunsch, Katharina (2010):
„Sexualaufklärung bei Vorschul- und Grundschulkindern“, in: frühe Kindheit. Die
ersten Jahre, 03/10, herausgegeben von der Deutschen Liga für das Kind in
Familie und Gesellschaft, Berlin, nicht gerecht zu werden. Gerade die
Bildungseinrichtungen sollten Lebensräume sein, in denen Kinder die Möglichkeit
bekommen in ihrem eigenen Geschlecht diskriminierungsfrei aufwachsen können.
Die National
Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention fordert eine sachgerechte
Aufklärung und Information von Kindern über Geschlecht und Geschlechtsidentität
in den Bildungseinrichtungen.
Hilfreich
wäre eine Befassung der Konferenz der Kultusministerinnen und Kultusminister
der Länder mit der Thematik, verbunden mit einer Aufforderung an die Länder, in
ihrer Verantwortung für die Bildung aktuelle Schulmaterialien regelmäßig zu
überprüfen.
Verbleibe mit freundlichen Grüßen
Nikita Noemi
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