Dienstag, 6. Mai 2014

Diskriminierung von trans- und intersexuellen Menschen aufgrund des Geschlechts, der Geschlechtsidentität und des Geschlechtsausdrucks

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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2013

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Diskriminierung von trans- und intersexuellen Menschen aufgrund des Geschlechts, der Geschlechtsidentität und des Geschlechtsausdrucks!

Die europäischen Gesellschaften basieren auf Normen, die von der grob vereinfachenden Idee der Dichotomie zweier sich gegenseitig ausschließender und biologisch definierter Geschlechter ausgehen, denen traditionell verschiedene Rollen und Verhaltensweisen zugeschrieben werden (das binäre Geschlechtsmodell).

Menschen wie transsexuelle und intersexuelle Personen, die nicht genau in diese Normen passen, sind sowohl auf der praktischen Ebene des Alltagslebens als auch auf rechtlicher Ebene mit Schwierigkeiten konfrontiert. Das kann in einer Rechtsunion wie der Europäischen Union selbstverständlich nicht akzeptiert werden, deren Gründungsvertrag sich gemäß Artikel 2 EUV auf die Achtung der Menschenwürde und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören, gründet.
Am 1. September 2010 fand auf Ebene der EU-Institutionen die erste Konferenz zur Situation von Transgender-Personen in der Europäischen Union im Gebäude des Europäischen Parlaments in Brüssel statt. Der Konferenz „(Trans)Gender Equality?“ ging ein interner Bericht der Dienststellen des Europäischen Parlaments zu den Rechten von Transgender-Personen in der EU  voraus sowie ein Bericht des Parlaments,  in dem konkretere Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung aus Gründen der Geschlechtsidentität gefordert wurden.

Das Europäische Parlament hat tatsächlich bereits im Jahr 1989 eine Entschließung zur Diskriminierung von Transsexuellen angenommen.
 Das zeigt, dass das Europäische Parlament in der Europäischen Union schon lange seine Stimme für die Belange Transsexueller erhoben hat, insbesondere durch die Interfraktionelle Arbeitsgruppe zu den Rechten von Lesben, Homosexuellen, Bisexuellen und Transgender-Personen (LGBT).
Im Bereich Homophobie und Transphobie hat die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) wertvolle Arbeit geleistet.

Mit dem vorliegenden Bericht möchte das Europäische Netzwerk von Rechtsexperten im Bereich der Nichtdiskriminierung einen Beitrag zu den Anstrengungen der Europäischen Kommission im Kampf gegen die Nachteile leisten, die trans- und intersexuelle Personen haben.

Der Bericht untersucht die rechtliche Behandlung der Diskriminierung von trans- und intersexuellen Menschen aus Gründen des Geschlechts, der Geschlechtsidentität und des Geschlechtsausdrucks, insbesondere im EU-Recht, vor dem Hintergrund der schwierigen Lage, in der sich diese Menschen in unseren Gesellschaften befinden.

Der Ausgangspunkt für diesbezügliche Überlegungen ist - um einen Punkt des Generalanwalts Elmer aufzugreifen - die Notwendigkeit der Anpassung des EU-Antidiskriminierungsrechts an die Gesellschaft , und zwar dergestalt, dass der Antidiskriminierungsgrundsatz für die Rechtssachen herangezogen wird, die in der heutigen Gesellschaft vor den Gerichten anhängig gemacht werden.

 Sofern es sich anbietet, baut der Bericht auf den bisherigen Arbeiten auf, insbesondere auf Arbeiten des europäischen Regionalverbands des Internationalen Verbands der Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen, Trans- und Intersexorganisationen (ILGA-Europe), von Transgender Europe (TGEU) und der bereits genannten Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA).

I. Trans- und intersexuelle Menschen und Diskriminierung: Definitionen und sachliche Perspektive

1. Definitionen

Der Begriff trans schließt alle Personen ein, deren Geschlechtsidentität und/oder Geschlechtsausdruck sich von dem Geschlecht unterscheiden, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.

Der Begriff trans ist ein Sammelbegriff, der unter anderem Männer und Frauen mit einer transsexuellen Vergangenheit einschließt, sowie Menschen, die sich als Transsexuelle, Transgender, Transvestiten/Cross-Dresser, androgyn, polygender, genderqueer, agender oder geschlechtsvariant bezeichnen und Menschen, die eine andere Geschlechtsidentität oder einen anderen Geschlechtsausdruck haben, die nicht dem Standard „männlich“ oder „weiblich“ entsprechen und die ihr Geschlecht durch ihre Kleiderwahl, die Präsentation ihres Körpers oder durch Körpermodifikationen darstellen.

Dazu gehört auch, dass sie sich zahlreichen Operationen unterziehen.

Transsexuelle Menschen identifizieren sich mit der Geschlechterrolle des Geschlechts, das dem entgegengesetzt ist, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, und versuchen, dauerhaft in der bevorzugten Geschlechtsrolle zu leben.

Das geht häufig mit einer heftigen Ablehnung ihrer primären und sekundären Geschlechtsmerkmale einher und dem Wunsch, den Körper dem bevorzugten Geschlecht anzupassen. Transsexuelle Menschen beabsichtigen möglicherweise, sich einer Geschlechtsangleichung zu unterziehen, unterziehen sich gerade einer solchen oder haben sich ihr bereits unterzogen (das kann, muss aber nicht eine Hormontherapie oder operative Verfahren beinhalten).

Männer und Frauen mit einer transsexuellen Vergangenheit identifizieren sich vollständig mit dem erworbenen Geschlecht und versuchen, in diesem Geschlecht anerkannt zu werden, ohne dass auf ihr früheres Geschlecht und/oder den Umwandlungsprozess Bezug genommen wird, den sie unternommen haben, um ihr biologisches Geschlecht ihrem sozialen Geschlecht anzupassen.

Transgender  leben dauerhaft in ihrem bevorzugten Geschlecht. Im Gegensatz zu transsexuellen Menschen haben sie aber nicht unbedingt den Wunsch oder das Bedürfnis, sich medizinischen Eingriffen zu unterziehen.
Transvestiten/CrossDresser genießen es, für eine bestimmte Zeit die Kleider des anderen Geschlechts zu tragen.

Ihr Gefühl der Identifizierung mit dem anderen Geschlecht kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Die Ausprägung kann zwischen sehr stark (eigentliches Geschlecht) und so schwach variieren, dass die Identität nur geringfügig beeinflusst wird. Einige Transvestiten oder Cross-Dresser suchen möglicherweise medizinische Hilfe für die Angleichung und leben irgendwann in ihrem Leben dauerhaft in ihrem bevorzugten Geschlecht.

Andere tragen weiterhin für den Rest ihres Lebens manchmal die Kleider des anderen Geschlechts.
Die Begriffe androgyn, polygender und genderqueer sind in ihrer Definition sehr ähnlich und beziehen sich auf Menschen, die eine Kombination maskuliner und femininer Merkmale aufweisen und die nicht auf ein Geschlecht festgelegt sind, sondern sich zwischen den Geschlechtern bewegen und bei denen die Grenzen der Geschlechtsidentität, des Geschlechtsausdrucks und der sexuellen Ausrichtung verwischt sind.
Agender haben keine Geschlechtsidentität und wollen weder als männlich, weiblich noch auf eine andere Weise klassifiziert werden.

Geschlechtsvariant bezieht sich auf jeden Menschen, dessen normative Geschlechtsidentität und Geschlechtsrolle von dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht abweichen.

Intersexuelle Menschen unterscheiden sich von transsexuellen Menschen, da sich ihr Status nicht auf das soziale Geschlecht bezieht, sondern auf ihr biologisches Geschlecht (genetische, hormonelle und physische Merkmale), das weder ausschließlich männlich noch ausschließlich weiblich ist, sondern gleichzeitig typisch für beide Geschlechter oder nicht klar als eines von beiden definiert ist.
Diese Merkmale können sich in den sekundären Geschlechtsmerkmalen zeigen wie Muskelmasse, Haarverteilung, Brüste und Statur, in den primären Geschlechtsorganen wie den Fortpflanzungsorganen und Genitalien und/oder in den chromosomalen Strukturen und den Hormonen.

Der Begriff intersexuell hat den Begriff „Hermaphrodit“ ersetzt, der im 18. und 19. Jahrhundert unter Ärzten sehr verbreitet war.

In diesem Bericht wird ein deutlicher Unterschied zwischen biologischem und sozialem Geschlecht gemacht.
Das biologische Geschlecht bezieht sich auf die biologischen Parameter wie primäre und sekundäre Geschlechtsorgane, Gene und Hormone, während sich das soziale Geschlecht auf die innere Wahrnehmung des Menschen und auf seine Erfahrungen von Männlichkeit und Weiblichkeit bezieht und auf das soziale Konstrukt, das bestimmte Verhaltensweisen männlichen und weiblichen Rollen zuweist.
Diese Zuweisungen ändern sich im Laufe der Geschichte und variieren zwischen den einzelnen Gesellschaften, Kulturen und Klassen.

Das soziale Geschlecht ist folglich eng verbunden mit den Erwartungen der Gesellschaft und ist keine rein biologische Angelegenheit. Dieser Unterschied verschwimmt, wenn die rechtliche Bedeutung von „aufgrund des Geschlechts“ diskutiert wird, in erster Linie deshalb, weil der Begriff „Geschlecht“ so weit ausgelegt wurde, dass es auch Aspekte des sozialen Geschlechts betrifft. So hat „[der Gerichtshof […] festgestellt, dass die Tragweite des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen nicht auf das Verbot der Diskriminierung aufgrund des natürlichen Geschlechts einer Person beschränkt werden kann“ (Richtlinie 2006/54/EG, Erwägungsgrund 3).

Geschlechtsidentität bezieht sich auf die tief empfundene innere und individuelle Erfahrung von Geschlecht. Diese kann, muss aber nicht übereinstimmen mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht, dem persönlichen Körpergefühl (was, wenn es frei gewählt wird, Änderungen der körperlichen Erscheinung oder Funktion durch medizinische, chirurgische oder sonstige Mittel umfassen kann) und anderen Formen, das Geschlecht auszudrücken, wie Kleidung, Sprache und Manierismen.

Geschlechtsausdruck bezieht sich auf die Darstellung der Geschlechtsidentität einer Person und auf deren Wahrnehmung durch andere. Typischerweise versuchen Menschen, ihren Geschlechtsausdruck oder ihre Geschlechtsdarstellung ihrer/ihren Geschlechtsidentität/en anzupassen, unabhängig von dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.

2. Durch das binäre Geschlechtsmodell und durch Geschlechtsstereotypen verursachte Schwierigkeiten.

Negative Einstellungen gegenüber trans- und intersexuellen Menschen korrelieren häufig direkt mit der Bedeutung, die die Gesellschaft dem binären Geschlechtsmodell beimisst, sowie mit dem Maß an in dieser Gesellschaft bestehenden Geschlechtsstereotypen, an Sexismus und Ungleichbehandlung der Geschlechter. Das binäre Geschlechtsmodell klassifiziert sowohl das biologische als auch das soziale Geschlecht in zwei eindeutige und ausschließliche Formen männlicher und weiblicher Identitäten. Dieses System wird durch ein cisnormatives System aufrechterhalten, das mit Hilfe verschiedener Praktiken und Institutionen diejenigen legitimiert und privilegiert, die sich in dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht wohlfühlen. Darüber hinaus benachteiligt diese Norm systematisch alle Menschen und grenzt sie aus, deren Geschlecht, Geschlechtsidentität und Geschlechtsausdruck nicht den sozialen Erwartungen entsprechen.
Das geschieht durch die ausgedehnte Abgrenzung zwischen den beiden Geschlechtern (und den ihnen entsprechenden sozialen Geschlechtern), um die Menschen davon abzuhalten, diese Grenzen zu überschreiten oder alternative dritte biologische oder soziale Geschlechter zu etablieren.

Geschlechtsstereotypen spielen ebenfalls eine signifikante Rolle bei der Ab- und Ausgrenzung trans- und intersexueller Menschen. Tatsächlich setzen eschlechtsstereotypen, die eine bestimmte Form von „Männlichkeit“ in Bezug auf Männer und eine bestimmte Form der „Weiblichkeit“ in Bezug auf Frauen bevorzugen, viele trans- und intersexuelle Personen einer institutionalisierten Diskriminierung aus.
Zusätzlich zu den Nachteilen, die mit dem binären System verbunden sind, sind trans- und intersexuelle Menschen der Trans- und der Interphobie ausgesetzt, die auf kulturellen und persönlichen Überzeugungen, Meinungen, Haltungen und Verhaltensweisen basieren, die sich aus Vorurteilen, Abneigung, Angst und/oder Hass vor/gegenüber trans- und intersexuellen Menschen oder Variationen des Geschlechts, der Geschlechtsidentität und des Geschlechtsausdrucks speisen.

Institutionelle Transphobie und Interphobie manifestieren sich in legalen Sanktionen und einer Verwurzelung des binären Geschlechtssystems im Recht, einer Pathologisierung der Transidentitäten und intersexuellen Körper und in fehlenden oder unangemessenen Mechanismen zur Bekämpfung von Gewalt und Diskriminierung.
Soziale Trans- und Interphobie äußern sich in Form physischer oder sonstiger Gewalt, in Hassreden, Diskriminierung, Drohungen, Ausgrenzungen, sozialem Ausschluss, Exotisierung, Spott und Beschimpfungen.

Wie definiert in Die Yogyakarta Prinzipien: Prinzipien zur Anwendung der Menschenrechte in Bezug auf die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität (2006), (kurz: Yogyakarta-Prinzipien).

Die Geschlechtsidentität und der Geschlechtsausdruck von Cisgender-Personen entsprechen dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, sowie den sozialen Erwartungen, die mit ihrem sozialen Geschlecht verbunden sind.

Cisgender-Personen gelten als die gesellschaftliche Norm

3. Medikalisierung von Transidentitäten und intersexuellen Körpern

Geschlechtsangleichung

Eine Hauptsorge vieler transsexueller Menschen dreht sich um ihren Zugang zu angemessenen Leistungen für die Geschlechtsangleichung, einschließlich psychologischer, endokrinologischer und chirurgischer Fachkompetenz.

Nicht alle transsexuellen Menschen benötigen alle Aspekte dieser Leistungen und manche benötigen möglicherweise überhaupt keine.

Als Ergebnis des oben dargelegten binären Geschlechtsmodells werden jedoch sowohl Transidentitäten als auch intersexuelle Körper medikalisiert und pathologisiert, da sie nicht genau der Norm entsprechen, die von dem binären Modell festgelegt wurde.

Trans- und intersexuelle Menschen werden zu Patienten mit wenig Mitspracherecht an ihrer eigenen Identität und ihrem eigenen Körper gemacht und die Behandlungen, die ihnen zur Verfügung gestellt werden, basieren häufig nicht auf ihren persönlichen Bedürfnissen oder Wünschen, sondern auf sozialen und institutionellen Erwartungen.

Die angebotenen Behandlungen sind häufig an gesetzliche Bestimmungen geknüpft, wobei bestimmte soziale Rechte nur dann in Anspruch genommen werden können, wenn eine Reihe von gesetzlich festgelegten Verfahren durchlaufen wurde.

Das zeigt sich am deutlichsten in der Durchsetzung von bestimmten unnötigen und dennoch zwingend vorgeschriebenen medizinischen Behandlungen und Verfahren ( z. B. Sterilisation und die Bedingung einer „vollständigen“ Geschlechtsangleichungsowie im Fall von intersexuellen Menschen das Entfernen bestimmter körperlicher und sexueller Merkmale, die als dem anderen Geschlecht zugehörig wahrgenommen werden), um Zugang zu bestimmten Vorteilen zu erlangen, die fast allen Menschen in der Gesellschaft frei zugänglich sind (z. B. Namensänderung, Ausstellung von Ausweispapieren unter Angabe des richtigen Geschlechts im Fall von transsexuellen Menschen und im Fall von intersexuellen Menschen, Teilnahme an der Gesellschaft als eine Person, die einem der beiden sozial anerkannten Geschlechter angehört).

Viele transsexuelle Menschen durchlaufen einen Geschlechtsangleichung genannten Prozess, in dem sie das Geschlecht, in dem sie leben, neu definieren, um so ihre Geschlechtsidentität besser zum Ausdruck zu bringen.

Das ist ein Prozess, der möglicherweise medizinische Unterstützung erforderlich macht. Dazu können Hormontherapien und operative Verfahren gehören, denen sich transsexuelle Menschen unterziehen, um ihren Körper ihrem sozialen Geschlecht anzupassen. Zusammen mit diesem medizinischen Prozess müssen transsexuelle Menschen jedoch auch soziale und rechtliche Anpassungen über sich ergehen lassen, die in einer Gesellschaft, die nicht auf dem binären Geschlechtsmodell basiert, nicht erforderlich wären.

 Zu diesen Anpassungen gehört das Coming-out in der Familie, bei Freunden und Kollegen; der sogenannte „Alltagstest“, eine Phase, in der sich transsexuelle Menschen entsprechend dem angestrebten Geschlecht kleiden und verhalten, bevor sie offiziell als diesem Geschlecht angehörig anerkannt werden sowie je nach den nationalen Vorschriften die Durchführung sonstiger rechtlicher oder juristischer Verfahren.
Die Änderung des Namens und/oder der Geschlechtsangabe auf offiziellen Dokumenten ist häufig erst möglich, wenn die Angleichung irreversibel und „vollständig“ ist. Darüber hinaus variiert die Dauer des Angleichungsprozesses je nach den verfügbaren Behandlungen zur Geschlechtsangleichung und den rechtlichen/administrativen Verfahren und Bedingungen, die diesen Prozess regeln, beträchtlich zwischen den einzelnen Ländern.

Die Transgender Euro-Study hat gezeigt, dass selbst die Länder, die eine Geschlechtsangleichung vorsehen, die Behandlung nicht allen transsexuellen Menschen auf eine zugängliche Weise zur Verfügung stellen. 79% aller Befragten gaben an, dass ihnen für die Hormontherapie eine staatliche Unterstützung versagt wurde. 82% sagten, dass ihnen eine Unterstützung für minimale Operationen versagt wurde, die sie benötigten, um in dem bevorzugten Geschlecht leben zu können. 51% von ihnen haben sich entschieden, die Operationen selbst zu bezahlen, obwohl einige von ihnen nur Löhne unter dem jeweiligen nationalen Durchschnitt erhielten.
Die Kostendeckung ist jedoch nicht das einzige Problem.

Jeder vierte der transsexuellen Menschen gab an, dass ihm die Behandlung verwehrt wurde, da sein Arzt die Geschlechtsangleichung nicht befürwortete. Für viele transsexuelle Menschen hat das schwere Folgen, da der fehlende Zugang zu einer Geschlechtsangleichung zu sozialer Stigmatisierung, einem geringen Selbstwertgefühl und einem höheren Selbstmordrisiko führt.

Viele intersexuelle Menschen brauchen oder möchten sich keiner medizinischen Behandlung unterziehen.
Intersexuelle Säuglinge und Kleinkinder werden jedoch herkömmlicherweise kosmetischen Operationen unterzogen, mit denen sichergestellt werden soll, dass das Aussehen ihrer Genitalien und die Keimdrüsen den üblichen Erwartungen für das zugewiesene Geschlecht entsprechen.

Dazu gehören tendenziell auch Hormonbehandlungen, die zu einer Anpassung an einen „männlichen“ oder „weiblichen“ Zustand führen sollen.

Pathologisierung von Transidentitäten als psychische und als
Verhaltensstörungen

Die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) heißt Internationale Statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme. Revision  Version 2007 (ICD-10).12 Im Jahr 1977 hat die WHO Homosexualität in ICD-9 das erste Mal aufgeführt. 1990 wurde Homosexualität mit der Annahme der ICD-10 jedoch wieder gestrichen, da umfangreiche Forschungsarbeiten zeigten, dass die sexuelle Ausrichtung keine Krankheit ist. Der Schwerpunkt scheint sich jedoch auf Transidentitäten als psychische und Verhaltensstörung verschoben zu haben und es wurden neue Klassifikationen in der ICD eingeführt.

Die entsprechenden Verweise auf Transidentitäten in ICD-10 können unter Persönlichkeits und Verhaltensstörungen bei Erwachsenen in Kapitel V: Psychische und Verhaltensstörungen gefunden werden. Die einschlägigen Diagnosen fallen in zwei Unterabschnitte:

F64 Störungen der Geschlechtsidentität

(F64.0 Transsexualismus; F64.1 Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen; F64.2 Störung der Geschlechtsidentität im Kindesalter; F64.8 Sonstige Störungen der Geschlechtsidentität und F64.9 Störungen der Geschlechtsidentität, nicht näher bezeichnet)

F65 Störungen der Sexualpräferenz

(F65.0 Fetischismus; F65.1 Fetischistischer Transvestitismus; F65.6 Multiple Störungen der Sexualpräferenz)

Ähnlich dem Aufruf im Jahr 1990, Homosexualität aus der Klassifikation zu entfernen, wird der weltweite Ruf nach einer Entpathologisierung der Transidentitäten lauter, während über eine neue Version der ICD (ICD-11) debattiert wird.

Im Jahr 2010 hat der Vorstand der World Professional Association for Transgender Health, Inc. (WPATH) „nachdrücklich zur weltweiten Entpsychopathologisierung der Geschlechtsvarianten aufgerufen“, da „eine Psychopathologisierung der Geschlechtscharakteristika und -identitäten Stigmatisierung fördert bzw. verursachen kann und damit Vorurteile und Diskriminierung wahrscheinlicher macht. Das wiederum macht Transgender und Transsexuelle anfälliger, sozial und rechtlich ausgegrenzt und ausgeschlossen zu werden und setzt sie wachsenden Risiken für ihr psychisches und physisches Wohlergehen aus.

“ ILGA-Europe und Transgender Europe (TGEU) haben in ihrer gemeinsamen Erklärung Declaration of the Trans Rights Conference (2009) die WHO dazu aufgerufen „die Menschenrechte transsexueller Menschen zu schützen“, indem Störungen der Geschlechtsidentität (und ähnliche Pathologien) gestrichen werden und eine „alternative, nicht pathologisierende Kategorie in ICD-11“ aufgenommen wird, die Qualitätsstandards für medizinische Behandlungen festlegt. Diese Behandlungen sollten umfassend genug sein, dass transsexuelle Menschen ihr Geschlecht zum Ausdruck bringen können.

Die American Psychological Association (APA) überarbeitet derzeit ihr Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen (DSM) und zieht für das bevorstehende DSM-V eine Neueinteilung der Pathologien in Betracht, die sich auf Transidentitäten beziehen. Bislang schaut es nicht so aus, als ob die APA Transidentitäten von der Liste der Krankheiten streichen wollte, auch wenn der APA die Diskriminierung von transsexuellen Menschen bekannt ist und sie Leitlinien für die Behandlung von transsexuellen Menschen in der Gesellschaft herausgegeben hat.


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