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Nikita Noemi Rothenbächer 2015
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Transsexueller
Stadtrat in Kuba
Geschlechtsumwandlung kostenlos
José Agustín Hernández ist für viele
Kubaner „Abweichler“, denn er ist transsexuell. Trotzdem konnte er Stadtrat
werden. Denn Hernández ist überzeugter Kommunist.
Klein, zierlich, blond gefärbtes Haar, Stöckelschuhe – José
Agustín Hernández entspricht kaum dem Klischee vom männlichen
lateinamerikanischen Revolutionär. Als „Abweichler“ wurden Trans- und
Homosexuelle auf Kuba beschimpft.
Trotzdem hat es der 49-Jährige zur neuen Polit-Prominenz in
Villa Clara gebracht – der Provinz, wo einst „Che“ Guevara kämpfte. 50 Jahre
nach dem Triumph der „Bärtigen“-Revolution von Fidel Castro sehen kubanische
Helden anders aus. Denn Hernández ist Transsexueller. Seit Oktober ist er auch
gewählter Stadtrat – ein Novum im Land.
„Das war ein großer Sieg“, erinnert er sich stolz. In seinem
Viertel, einem Slum am Rande der Hafengemeinde Caibarién im Zentrum der Insel,
wird er von Nachbarn liebevoll nur „Adela“ gerufen. Doch wie man ihn anredet,
mit José oder Adela – ob als Mann oder als Frau, ist ihm egal.
Seit seiner Wahl bekam er viel Besuch von Journalisten, auch
Abgesandte von Mariela Castro, der Tochter von Staatschef Raúl Castro, waren
da. Seine Armut zeigt er offen: eine Holzhütte, etwa zehn Quadratmeter Fläche.
Kein Leitungswasser, kein Klo.
Straßenbeleuchtung für den Slum
In der Nachbarschaft ist er beliebt. „Er hat immer den
Schritt nach vorne getan, hat uns immer geholfen“, erzählt die 48-jährige
Magaly Álvarez. In seiner kurzen Zeit als Stadtrat habe er schon erreicht, dass
der Slum Straßenbeleuchtung bekomme. Das habe früher keiner geschafft.
Hernández kam in Oktober bei den Regionalwahlen nach einer
Stichwahl ins Amt. Sein Fall zeigt, dass gesellschaftlichen Veränderungen auf
Kuba stattfinden. Trotz politischer Starre.
Die von einem Einparteiensystem kommunistisch regierte
Karibikinsel verteidigt ihre Wahlen als demokratisch. Auf dem Papier werden
Volksvertreter auf lokaler und nationaler Ebene direkt von Bürgerversammlungen
nominiert und später an der Wahlurne bestätigt. Dissidenten haben in der Regel
keine Chance. Tatsächlich lenkt der Staatsapparat alles durch örtliche
Komitees, so dass vor allem politisch Andersdenkende nicht zum Zuge kommen.
Hernández wurde mangels anderer Kandidaten in seinem
Wahlbezirk nominiert. „Die Nachbarn schlugen ein Parteimitglied als Kandidaten
vor, aber der wollte nicht“, erzählt er. „Dann sagten sie: Hier gibt es keine
anderen Vorschläge als Adela“. Auch dies ist ein Merkmal des politischen
Systems auf Kuba: Das politische Interesse ist oft nicht besonders groß.
Die Wahlbehörde war skeptisch.
Für Hernández kam alles zum richtigen Zeitpunkt.
Entscheidend bei seiner Wahl war auch, dass er überzeugter Kommunist ist. „Ich
bin genau so homosexuell, wie ich revolutionär bin“, sagt er. „Alle Länder
machen Fehler, und wenn es Momente für Wiedergutmachung gibt, heiße ich das
willkommen“. Trotzdem war doe Wahlbehörde zunächst skeptisch, als die Wahl auf
ihn fiel. „Sie dachten, das wäre ein Scherz“, erinnert sich Nachbarin Álvarez.
Dann gaben sie aber nach.
Homosexuelle hatten es in den Jahren nach der Revolution von
1959 nicht einfach. Die sogenannten „Abweichler“ wurden oft in Arbeitslager
gesteckt und allgemein als „konterrevolutionär“ gesellschaftlich ausgegrenzt.
2010 bezeichnete Revolutionsführer Fidel Castro die Verfolgung als Unrecht.
Seine Tochter Mariela Castro tritt für die Rechte von
Schwulen und Lesben ein. Die Tochter des Staatschefs leitet in der Hauptstadt
Havanna das Nationale Zentrum für Sexuelle Erziehung (Cenesex). Als Abgeordnete
in der Nationalversammlung setzt sie sich für die Einführung der Homo-Ehe ein.
Kritik an staatlicher Repression vermeidet sie aber.
Sie lud Hernández kürzlich nach Havanna zu einem Straßenfest
gegen Homophobie ein. Jetzt, da er eine Art „Vorzeige-Homo“ geworden ist. Auch
soll Hernández sich bald einer Geschlechtsumwandlung unterziehen dürfen – einer
Operation, die seit 2008 vom kubanischen Staat kostenlos angeboten wird. Rund
zwei Dutzend Personen sind seitdem operiert worden.
Hernández plagen aber auch andere Sorgen: Sein rund 30 Jahre
jüngerer Lebenspartner sitzt im Gefängnis, weil er Vieh gestohlen hat. Ihm
selbst ist derartiges nicht fremd. Als er jung war, ließ ihn sein Vater
aufgrund seiner Homosexualität ins Gefängnis stecken.
Allein schlug er sich später als junger Mensch in der
Provinz durch, machte eine Ausbildung als Krankenpfleger. An seinen freien
Wochenenden tritt er regelmäßig in einer Travestie-Show in der Nähe von
Caibarién auf.
Quelltext: http://www.taz.de/!116374/
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