Samstag, 13. Juni 2015

Nicht gelebte Transsexualität hat tödliche Nebenwirkungen


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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2015

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„Nicht gelebte Transsexualität hat tödliche Nebenwirkungen“

Manuel Ricardo Garcia ist ein attraktiver Mann mit einer angenehm dunklen Stimme. Auf seinen trainierten Oberarmen hat der Münchner mit mexikanisch-bayrischen Wurzeln je ein Tattoo. Auf dem rechten Oberarm steht „Jesus Christus“, auf dem linken ein indianisches Symbol und die Abkürzung „FTM“ für „female to male“: Manuel ist ein Frau-zu-Mann Transsexueller.

Wer Manuel Ricardo Garcia trifft, steht einem selbstbewussten Mann gegenüber, der weiß, dass er auf viele Menschen männlich und attraktiv wirkt. Im Gegensatz zu seinem Umfeld wusste Manuel Ricardo Garcia schon seit seiner Kindheit, dass er ein Junge ist. Sein Problem war allerdings, dass die Gesellschaft ihm aufgrund seiner körperlich weiblichen Geschlechtsmerkmale die Rolle der Frau zugeschrieben hatte und er für seine Umwelt Manuela war. „Ich bin in einer bayrischen Kleinstadt aufgewachsen. Dort gab es keine Transsexuellen“, erinnert sich Manuel Ricardo Garcia. „Als Kind wusste ich, dass ich Manuel und ein Junge bin. Mit der Pubertät und der Verweiblichung meines Körpers fingen dann die Probleme an: Bestimmte Körperteile entsprachen nicht mehr meiner männlichen Identität.“

Für den 44-jährigen Transmann ist heute klar: „Nicht gelebte Transsexualität ist nicht möglich, denn Transsexualität ist nicht therapierbar. Das wurde längst anerkannt und deshalb gibt es auch ein Transsexuellengesetz, das uns die Transition, also die Geschlechtsangleichung, unter bestimmten Auflagen ermöglicht.“ 2002 fand der damals 32-Jährige einen Arzt, der mit ihm unbürokratisch die Hormontherapie mit Testosteron begann. Dies war der Beginn eines langen Prozesses, durch den sich sein Äußeres seiner männlichen Identität anpasste. Der Stimmbruch setzte ein, Haare und Bart fingen an zu wachsen. Die zweite Pubertät begann und der Körper wurde männlicher. Ein Jahr später ließ Manuel Ricardo Garcia die Mastektomievornehmen, das heißt, die Brustdrüsen wurden entfernt. „Die Brüste mussten weg, die gehörten einfach nicht zu mir und haben sich schon immer falsch angefühlt und mich unglücklich gemacht“, sagt Manuel Ricardo Garcia mit Nachdruck. Alle weiteren geschlechtsangleichenden Operationen waren ein längerer Prozess.

Eltern reagieren oft panisch

Sein „Coming Out“ verlief eher unspektakulär. Manuel Ricardo Garcia legte seinen Chefs selbstbewusst den gerichtlichen Beschluss der Vornamensänderung vor und teilte ihnen mit, dass er künftig mit dem männlichen Pronomen angesprochen werden wolle. Chefs und Kollegen akzeptierten seine Entscheidung. Emotionaler war die Reaktion von Familienangehörigen. „Es gibt schließlich keine Eltern auf der Welt, die ,juchu!´ schreien, wenn das Kind sagt, es ist transsexuell“, sagt Garcia. Dieses Verhalten habe leider viel mit Unwissenheit zu tun. Auch von anderen Transsexuellen weiß er, dass Eltern oft panisch reagieren und Angst vor den Nebenwirkungen der Hormone und Operationen haben. „Vielen ist aber nicht bewusst, dass nicht gelebte Transsexualität viel schlimmere – nämlich tödliche – Nebenwirkungen haben kann. Der Leidensdruck ist irgendwann so stark, dass die Betroffenen dem Alkohol verfallen, Drogenabhängig werden oder nicht selten keinen anderen Ausweg als den Selbstmord sehen.
Simone ist ein FTM. Er ließ sich in Italien  fotografieren. Foto: Manuel Ricardo Garcia
Simone ist ein FTM. Er ließ sich in Italien
fotografieren. Foto: Manuel Ricardo Garcia
Garcia setzt sich dafür ein, dass die Gesellschaft endlich damit aufhört, Transsexuelle und Menschen, die jenseits des Zweigeschlechtersystems leben, auszugrenzen und zu problematisieren – nur weil ihr Äußeres nicht der konventionellen Sichtweise entspricht. Viele Transgender befreien sich von dem Zwang des Zweigeschlechtersystems, das ihnen viel Leid gebracht hat, durch ihr „Coming Out“. Gleichzeitig beginnen dann aber die Probleme mit den Mitmenschen, weil diese den Anpassungsdruck erhöhen. Und genau hier setzt Manuel Ricardo Garcia´s Aufklärungsarbeit an: „Ich versuchen den Menschen, die Transgender diskriminieren, klar zu machen, dass auch sie unverschuldet - zum Beispiel durch einen Unfall oder eine Behinderung - täglich an den Rande der Gesellschaft gerückt werden können. Dann würden auch sie die volle Härte nachempfinden können, die einen trifft, wenn man nicht in ihrem Sinne „normal“ ist.“ Aus eigener Erfahrung weiß Garcia, dass Transgender nicht nur verbal attackiert werden, sondern oft auch Opfer von Gewalt sind und in einigen Ländern sogar ermordet werden.

Mit Fotos Menschen berühren

Um aufzuklären, engagiert sich Manuel Ricardo Garcia als Transaktivist und organisiert unter anderem die regelmäßig stattfindende „Transtagung München“. Er hat die Erfahrung gemacht, dass Teilnehmer und Eltern von transsexuellen Kindern nach der Tagung viel entspannter mit dem Thema umgehen. Denn die Workshops und Vorträge nehmen vielen ihre Unwissenheit, die oft der Grund für die Unsicherheit im Umgang mit Transgendern ist. Durch den direkten Kontakt zu anderen Transmenschen können die Teilnehmer der Transtagung positive Vorbilder sehen und erleben.


Da aber nicht alle Menschen auf einer sachlichen Ebene zu erreichen sind, versucht Garcia seit einigen Jahren auch als Künstler das Thema „Transsexualität“ den Menschen auf einer emotionalen Ebene näher zu bringen. Auf diese Weise will er Menschen die Angst vor Andersartigkeit nehmen. Er ist für sein Fotobuch „TransMen of the World“ durch die ganze Welt gereist und hat insgesamt 30 Transmänner in Europa, Afrika, Asien und Amerika fotografiert und sie ihre Geschichten erzählen lassen. Unter den Interviewpartnern waren Transmänner, die aufgrund ihres Andersseins verfolgt werden, aber auch Transmänner, die voll akzeptiert in der Gesellschaft leben. 500 Exemplare des Buchs konnte er bereits verkaufen. Außerdem wurden seine Fotos in München, Berlin, Amsterdam und Kiew ausgestellt.
Manuel Garcia ist heute ein Mensch, der mit sich im Reinen ist und selbst sagt, dass er sich „prächtig und vogelfrei“ fühlt. Wenn er eine Frau kennenlernt, die sich für ihn interessiert, sagt er ganz offen, dass er „trans“ ist. „Die Frauen sagen oft, das sei ihnen egal, sie mögen oder lieben mich so, wie ich bin“, sagt Manuel Ricardo Garcia. Als Transaktivist weiß er aber auch, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Er hat Freunde, die sich aus Angst vor Ausgrenzung bis heute nicht getraut haben, sich als Transmann zu „outen“. Deshalb wird er auch weiter seine Fotos von Transmännern weltweit ausstellen. Denn Manuel Ricardo Garcia hat einen großen Wunsch: „Ich möchte die Menschen mit meinen Fotos im Herzen berühren, denn nur so kann ich etwas ändern.“

Quelltext:http://www.journalistenakademie.de/dossierbeitrag.php?b=2930

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