Donnerstag, 17. März 2016

Transsexualität: Drei Grundformen // Transsexualism: Three basic forms

Copyright © 2011-2021 Nikita Noemi Rothenbächer- Alle Rechte vorbehalten!
Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2016

Bitte kopiert den Link und Gebt diesen euren Verwandten, Freunde, Bekannten und Familie denn Information beugt vor, einer Minderheit anzugehören!

 Transsexualität: Drei Grundformen
Der Psychiatrieprofessor Ray Blanchard vom Clark Institute für Psychiatrie in Toronto hat über viele Jahre hin transsexuell empfindende Menschen untersucht und behandelt. Er unterscheidet bei den Männern zwei Grundformen: a) homosexuell-Transsexuelle und b) autogynophil-Transsexuelle.5
Bei den Frauen findet man nur eine Grundform, die weiter unten besprochen wird.
a) Homosexuell-transsexuell empfindende Männer
Homosexuell-transsexuelle Männer6 werden in ihrem Aussehen, ihren Gesten und Sprechweisen als „weiblich“ wahrgenommen. Sie fühlen sich zu sehr männlich aussehenden Männern hingezogen. Sie glauben, wenn sie als „echte Frauen“ auftreten, können sie für diese Männer attraktiv sein und sie anziehen.
Nahezu alle homosexuell-Transsexuellen hatten schon im Kindesalter eine Geschlechts­identitätsstörung (siehe unten). Sie konnten sich in ihrer Entwicklung nie mit ihrem Vater, ihren Brüdern oder mit gleichgeschlechtlichen Gleichaltrigen identifizieren. Entweder hielten sie sich für ein Mädchen, zumindest wünschten sie sich, eines zu sein. In der Regel verachteten sie in der Kindheit ihr männliches Geschlechtsorgan; sie versuchten, es zu verstecken; sie weigerten sich, im Stehen zu urinieren; sie bestanden darauf, Mädchen­kleidung zu tragen und spielten oft ausschließlich mit Mädchen. In der Folge wurden sie von den männlichen Gleichaltrigen gehänselt und abgelehnt. Obgleich einige homo­sexuell empfindende Erwachsene in der frühen Kindheit die gleichen Verhaltensmuster zeigen, verschwinden diese bei ihnen im Lauf ihrer Entwicklung. Bei homosexuell-transsexuellen Männern bleibt die Identifikation mit dem Weiblichen bestehen. Häufig sieht man bei ihnen eine übertriebene „Weiblichkeit“.
Viele homosexuell-Trans­sexuelle gehen sexuelle Kontakte zu homosexuellen Männern ein. Die Beziehungen sind für sie aber nicht befriedigend. (Männlichkeit hat unter homosexuell lebenden Männern einen hohen Stellenwert, weiblicher wirkende Männer sind meist weniger begehrt.) Homosexuell-Transsexuelle möchten eine sexuelle Beziehung zu einem heterosexuellen Mann und sind der Auffassung, dass sie sich diesen Wunsch erfüllen können, wenn sie selbst eine attraktive Frau werden.
Der Psychiater Paul McHugh ist der Auffassung, dass homosexuell-Transsexuelle „einen inneren Konflikt bezüglich ihrer Homosexualität haben und mit Schuldgefühlen kämpfen. In der Geschlechtsumwandlung sehen sie die Lösung für ihren Konflikt, denn die Operation ermöglicht es ihnen, als Frauen mit Männern einen sexuellen Kontakt aufzunehmen.“7
Viele homosexuell-Transsexuelle sagen, dass sie einfach nur die Frau werden wollen, als die sie sich schon immer gefühlt haben. Anne Lawrence, ein autogynophil-Transsexueller, der heute als Frau lebt, ist aber der Überzeugung, dass sexuelles Begehren auch bei homosexuell-Transsexuellen eine größere Rolle spielt, als viele es zugeben möchten:
„Homosexuell-Transsexuelle sind nicht frei von sexueller Motivation. Kollegen, die sehr viel Zeit mit der Befragung von homosexuell-Transsexuellen verbracht haben, sagen mir, man könne sie am ehesten als sehr effeminierte homosexuelle Männer bezeichnen, die ihre femininen Züge während der Pubertät nicht abgelegt haben. Fast alle haben eine Phase des ‚schwulen Jungen’ durch­gemacht. Ihre Entscheidung für oder wider eine Geschlechtsumwandlung hängt oft in hohem Maß davon ab, ob sie meinen, in der weiblichen Rolle ausreichend annehmbar zu sein, um heterosexuelle männliche Partner anziehen zu können. Diejenigen, die meinen, dass sie sowieso nicht als Frau durchgehen werden, unterziehen sich in der Regel keiner Geschlechtsumwandlung, unabhängig davon, wie ‚weiblich’ ihr Verhalten sein mag. Stattdessen nehmen sie, vielleicht widerwillig, eine schwule männliche Identität an und bleiben in der Homosexuellenszene, wo sie realistischerweise davon ausgehen können, interessierte Partner zu finden. (…) Die Quintessenz lautet, dass auch bei der homosexuellen Transsexualität sexuelles Kalkül oft eine Rolle spielt. Bei der Transsexualität geht es zu einem großen Teil um Sex – unabhängig davon, um welche Form von Transsexualität es sich handelt.“8
Geschlechtsidentitäts­störung im 
Kindesalter
Homosexuelle Transsexualität manifestiert sich fast immer zuerst als Geschlechts­identitätsstörung im Kindesalter (GIS).9 Geschlechtsidentitätsstörungen im Kindesalter zeigen sich schon früh in der Kindheit. Einige meinen deshalb, dass sie biologische, genetische oder hormonelle Ursachen haben müsse. Dafür gibt es aber bisher keinen Nachweis. Ebenso meinen einige, eine GIS sei unveränderbar. Dagegen sprechen die psychotherapeutischen Erfolge. GIS im Kindesalter gibt es bei Jungen und Mädchen, im Folgenden geht es vor allem um Jungen.
Schon sehr früh haben Kinder im Normalfall ein Gefühl dafür, dass es zwei Geschlechter gibt und zu welchem sie selbst gehören. Ein positives Selbstbild sollte sich entwickeln: „Ich bin ein Junge. Ich bin wie Papa und meine Brüder. Es ist gut, ein Junge zu sein. Meine Eltern freuen sich, dass ich ein Junge bin.“ Entsprechendes gilt für das Mädchen: „Ich bin wie Mama. Es ist gut, dass ich ein Mädchen bin. Ich bin geliebt und angenommen.“
Bei Kindern mit GIS verläuft die frühe Entwicklung anders.
Kenneth J. Zucker, Psychologe und Psychiater, sowie Susan J. Bradley sind die führenden Experten in der Diagnose und Be­handlung von Kindern mit GIS.10
Aufgrund ihrer langjährigen klinischen Erfahrung gehen sie davon aus, dass GIS bei Jungen in der frühen Kindheit mit einer unsicheren Mutter-Kind-Bindung beginnt und vor allem emotional sensible und daher leicht verwundbare Jungen trifft:
„Der Junge, der hochsensibel die mütterlichen Signale aufnimmt, spürt die Depressivität und die Wut seiner Mutter. Da er selbst ja auch noch unsicher ist, fühlt er sich durch diese Wut und Feinseligkeit bedroht; er empfindet diese Emotionen als gegen ihn selbst gerichtet. Seine Angst, die Mutter zu verlieren, intensiviert seinen Konflikt mit seiner eigenen Wut und führt zu einem hohen Niveau an Erregung oder Angst.“11
Wenn sich Ängste in dieser frühen, empfindlichen Entwicklungsphase einstellen, kann es sein, dass ein Kind Verhaltensweisen „wählt“, die typisch für das andere Geschlecht sind, weil es unbewusst meint, dadurch mehr Sicherheit zu haben oder mehr Wertschätzung von der Mutter zu bekommen.
Susan Bradley beschreibt die Zusammenhänge sowie die Unterschiede zwischen frühen Angststörungen und GIS: „Der Unterschied zwischen GIS und Angststörungen liegt darin, dass in der Familie mit GIS das Geschlecht und die Geschlechtsrolle eine spezielle Bedeutung haben. Insbesondere Jungen mit GIS glauben, dass sie als Mädchen von ihrer Familie in höherem Maß wertgeschätzt werden oder nicht so viele Schwierigkeiten haben werden wie als Junge. Das hat mit den Erfahrungen der Eltern in deren eigenen Herkunftsfamilien zu tun, insbesondere mit Tendenzen bei den Müttern, sich vor männlicher Aggressivität zu fürchten oder selbst fürsorgebedürftig zu sein, was als weibliche Eigenschaft geschätzt wird.“12
Die ersten Versuche des Kindes, sich mit dem anderen Geschlecht zu identifizieren, werden dann möglicherweise – subtil oder offen – mit einem Lächeln, besonders von der Mutter, belohnt. Sie und andere Frauen in der Familie rufen womöglich aus: „Ist er nicht niedlich, wenn er Mamas Schuhe trägt? Das gäbe ein hübsches Mädchen!“
Die positive Reaktion der Mutter auf das mädchen­hafte Verhalten des kleinen Sohnes beurteilen Zucker und Bradley so: „Das Bedürfnis der Mutter, selber fürsorglich umsorgt zu werden und ihre Angst vor [männlichen] Aggressionen führen dazu, dass sie das Verhalten des Kindes toleriert. Wenn die Mutter ihren Sohn damit „attraktiv“ findet, kann sich dieses Verhalten verfestigen. Die wohlwollende Toleranz der Mutter kann zu einer positiven Verstärkung des cross-dressing führen.“13
Die Mutter möchte ihren Sohn vielleicht nicht „unglücklich“ machen, indem sie ihn vom cross-dressing (Anziehen von Frauenkleidung) abhält, währenddessen der Vater möglicherweise überzeugt ist, dass sein Sohn eines Tages homosexuell wird. Erst später, wenn die Identifizierung des Jungen mit den Mädchen dazu führt, dass er gehänselt und abgelehnt wird, bekommt die Mutter Bedenken.
Zucker und Bradley fanden heraus: Viele Eltern „zeigen eine ausgesprochene Ambivalenz“, wenn sie bei ihrem Sohn deutliche Anzeichen von GIS sehen und ignorieren das Problem so lange, bis es nicht mehr geht.14 Ist die Ambivalenz noch stärker, suchen sie vermutlich gar keine Hilfe.
Wenn Eltern eigene Probleme haben, sind sie nicht immer in der Lage, die Bedürfnisse ihrer Kinder nach Sicherheit, Wertschätzung, Akzeptanz und Liebe zu erfüllen und ihnen zu einem positiven Selbstbild als Junge oder Mädchen zu verhelfen.
Häufig gehen Väter eine Beziehung mit den Söhnen ein, indem sie mit ihnen gemeinsam Sport treiben. Sie wissen aber nicht, wie sie die Männlichkeit ihres Sohnes stärken können, wenn dieser kreative, künstlerische oder andere nicht-sportliche Talente hat. Väter mit kreativ oder künstlerisch begabten Söhnen müssen lernen, diese Begabungen als etwas authentisch Männliches anzusehen und ihre Söhne darin zu unterstützen. Vielleicht wissen die Eltern auch nicht, wie wichtig es gerade für diese Jungen ist, schon früh in der Kindheit tragfähige Freundschaften zu anderen Jungen, die ähnliche Interessen haben, aufzubauen.
In einigen Fällen hatte sich ein Elternteil statt eines Jungen ein Mädchen (oder umgekehrt) gewünscht und zieht es an und behandelt es, als sei es ein Mädchen. Manche Eltern setzen die Schule unter Druck, damit diese das cross-dressing erlaubt, oder bringen es zu einer Selbsthilfegruppe für Transsexualität/Transgender, in der das pathologische Verhalten des Kindes zumeist verstärkt wird.15
Die in der Familie bestehenden dysfunktionalen Elemente haben das Kind in seiner Identität verunsichert und verletzlich gemacht: „Die anhaltenden Schwierigkeiten der Eltern, mit dem cross-gender Verhalten des Kindes angemessen umzugehen, können die Ängste und Unsicherheiten des Kindes noch intensivieren. Zugleich führt dieses Verhalten dazu, dass das Kind in eine Fantasiewelt abdriftet, in der es eine geschätzte, geliebte Person des anderen Geschlechts ist. Im Lauf seiner Entwicklung hat das Kind dann immer wieder das Bedürfnis, diese andere fantasierte Person zu sein, [denn dadurch kann es vorübergehend seine Ängste und das Gefühl, als reale Person nicht wertgeschätzt zu sein, abwehren]. Das führt dazu, dass das Kind oft einen großen Widerstand hat, diesen Schutzmechanismus der Fantasiewelt aufzugeben.“16
Insbesondere Jungen mit GIS erfahren häufig Ablehnung, Hänseleien, Mobbing. Jungen etwa mit schwacher Hand-Augen-Koordination werden ausgegrenzt oder gnadenlos gehänselt, weil sie einen Ball nicht richtig treffen können. Wenn ein solcher Junge schon eine unsichere Bindung an die Eltern, insbesondere an den Vater hat, kann diese Ablehnung dazu führen, dass er denkt, die anderen hassen ihn. Das wiederum kann zu Selbstablehnung führen, wobei die Ablehnung seines Geschlechts im Mittelpunkt stehen kann. („Ich hasse es, ein Junge zu sein.“) Die Selbstablehnung kann sich auch auf bestimmte Körperteile, etwa die Genitalien, konzentrieren. Jungen versuchen dann, ihre Genitalien unbedingt zu verbergen.
Bei Mädchen mit GIS ist vieles anders. Sie sind nicht weniger, sondern stärker sportlich talentiert und vom Temperament her eher wettbewerbsorientiert; Spiele, bei denen es rau zugeht, machen ihnen weniger aus als anderen Mädchen. Dabei erfahren sie aber meist nicht die offene Ablehnung, die Jungen durch Gleichaltrige erfahren. Doch gibt es bei ihnen andere Gründe, die dazu führen, dass Mädchen mit GIS eine sehr große Verletzlichkeit empfinden, eine „Geschlechtsdysphorie“ (tiefes Unbehagen über das eigene Geschlecht, den eigenen Körper) entwickelt haben und unglücklich über ihr Weiblichsein sind. Sie fürchten sich deshalb auch vor der Entwicklung ihrer biologischen Geschlechtsmerkmale wie dem Wachstum der Brüste oder dem Einsetzen der Menstruation.
Die Ablehnung des eigenen, natürlichen Körpers zusammen mit Selbsthass und masochistischen Tendenzen können zu dem Wunsch nach Geschlechtsumwandlung führen. Würde in den Therapien der Schwerpunkt der Arbeit mit den Kindern (und den erwachsenen Patienten) darauf gelegt, die Wut der Kinder auf sich selbst und auf die, von denen sie sich abgelehnt fühlen, aufzulösen, könnten viele Kinder und Erwachsene sich mit ihrem Geburtsgeschlecht aussöhnen.
Nach Erkenntnissen anderer Therapeuten können sich bei Kindern mit GIS auch chronisches Selbstmitleid und das Übernehmen einer Opferrolle entwickeln, in der sie ihr persönliches Leid verabsolutieren und das zu ihrer Lebenseinstellung wird. Solche Gewohnheiten sind dann schwer aufzugeben.
Ohne eine konstruktive therapeutische Intervention im Kindesalter entwickeln sich bei vielen Jungen mit GIS in der Pubertät homosexuelle Neigungen, ein kleiner Prozentsatz wird transsexuell.17
Kinder mit GIS konnten sich nie mit dem Guten und Positiven ihres Geschlechts identifizieren. Das kann dazu führen, dass sie andere beneiden, die scheinbar haben, was sie bei sich vermissen. Diejenigen, die später homosexuell empfinden, beneiden oft Personen des eigenen Geschlechts um bestimmter Eigenschaften willen, die sie bei sich vermissen – und begehren sie. Diejenigen, die später transsexuell empfinden, beneiden Personen des anderen Geschlechts, ebenfalls um deren bestimmter Eigenschaften willen. Personen, die zum anderen Geschlecht gehören möchten, erhoffen sich oft: Wenn sie eine Frau werden, statt Mann zu bleiben (oder umgekehrt) können sie sich endlich psychisch sicher fühlen, weil sie dann angenommen und geliebt werden.
Über die Einordnung der Geschlechtsidentitätsstörung im Kindesalter als psychische Störung gibt es Kontroversen. Da GIS häufig ein erster Schritt zur Entwicklung homosexueller Neigungen ist und diese nicht mehr als psychisches Problem gelten, fordern einige Therapeuten, auch GIS als „gesunde“ und „normale“ Entwicklung anzusehen. Zucker und Bradley lehnen das aber ab. Sie verweisen auf die seelischen Probleme und seelische Belastung von Kindern mit GIS und auf die Häufigkeit psychischer Erkrankungen bei den Eltern, insbesondere der Jungen.18 Nach Zucker und Bradley sind diese Jungen nicht einfach glückliche, seelisch ausgeglichene Kinder, die nur meinen, sie seien in Wirklichkeit Mädchen. Sie sind problembelastete Kinder aus problembelasteten Familien.
Zucker und Bradley untersuchten die Familien von zehn Jungen mit GIS, die nacheinander in ihre Praxis kamen. In sämtlichen Familien gab es gravierende Probleme: Acht der zehn Mütter hatten mindestens eine diagnostizierte psychische Störung. Von den anderen beiden Müttern war eine wegen familiärer Probleme in psychotherapeutischer Langzeitbehandlung, die andere litt an schwerer, kräftezehrender Migräne.19
Konstruktive therapeutische Interventionen sind bei den vorpubertären Kindern mit GIS sehr wohl möglich. Zucker und Bradley berichten: „Unsere Erfahrung zeigt, dass zahlreiche Kinder und ihre Familien sich erheblich verändern können. In diesen Fällen ist die Geschlechtsidentitätsidentitätsstörung völlig verschwunden.“20
Da die Anzeichen einer GIS offenkundig sind, auch für Kinderärzte, Erzieherinnen und Lehrer, sollten die Eltern unbedingt ermutigt werden, sich möglichst früh Hilfe zu suchen.
Leider sind Eltern nicht immer gewillt, am therapeutischen Prozess mitzuwirken. Wird die psychische Störung in der Kindheit nicht behandelt, so Kenneth Zucker und Susan Bradley, ist es in der Pubertät sehr viel schwieriger, sie zu behandeln, insbesondere wenn der Jugendliche glaubt, die Geschlechtsumwandlung sei die Lösung:
„Jugendliche in der Adoleszenz mit Geschlechtsidentitätsstörung haben eine geringe Angsttoleranz. Ihr Wunsch nach Geschlechtsumwandlung ist ein seelischer Abwehrmechanismus, um ihre Ängste zu kontrollieren. Die Vorstellung, keine ‚Lösung‘ für ihr inneres Leid zu haben, vergrößert ihre Ängste; und das macht es sehr schwierig, eine therapeutische Allianz herzustellen. Selbst wenn die Jugendlichen (zumindest an der Oberfläche) verstehen, warum sie die Wünsche nach Geschlechtsumwandlung haben, sind sie oft doch nicht in der Lage, den Abwehrmechanismus aufzugeben. Ohne ihn fürchten sie, von ihren Ängsten überwältigt zu werden. Das führt zu einem fordernden Verhalten und zu Ungeduld mit dem Therapeuten, wenn er versucht, mit dem Jugendlichen tiefere Gefühle und Verhaltensweisen zu explorieren. Viele Jugendliche, die sich geschlechtsangleichende Operationen wünschen, ziehen sich aus der Therapie zurück, weil sie den Angstpegel nicht aushalten können, der sich zeigt, sobald tiefere Ursachen für ihre Operationswünsche erkundet werden sollen.“21
Angesichts dieser Schwierigkeiten, bei Adoleszenten mit GIS durch Psychotherapien noch positive Ergebnisse zu erzielen, befürworten Zucker und Bradley Hormongaben und Operationen, allerdings nur, wenn die Betroffenen volljährig sind.
Die Verfügbarkeit der „geschlechtsumwandelnden“ Operationen bestärkt aber die Adoleszenten in der Auffassung, dass ihr Widerstand gegen eine Psychotherapie belohnt wird, nämlich damit, dass man ihnen den Wunsch nach den Operationen erfüllt.
b) Autogynophil-transsexuelle 
Männer

Nach dem Psychiater und Sexualwissenschaftler Ray Blanchard, der den Begriff „autogynophil-transsexuell“ prägte, sind dies Männer, die in das Bild von sich selbst als Frau verliebt sind.

Blanchard ist der Auffassung:
1. Alle biologisch gesunden Männer mit Geschlechtsdysphorie sind entweder homosexuell (sexuell erregt durch andere Männer) oder autogynophil (sexuell erregt durch die Vorstellung von sich selbst als Frau).
2. Bei Frauen gibt es keine Autogynophilie, d.h. Frauen werden nicht sexuell erregt durch die Vorstellung, dass sie eine Brust und ein weibliches Genitale haben.
3. Der Wunsch einiger autogynophiler Männer nach „geschlechtsumwandelnden“ Operationen stellt eine Form der „Bindung“ an das Liebesobjekt dar (das fantasierte eigene weibliche Selbst) und ist analog zu dem Wunsch heterosexueller Männer, eine Frau zu heiraten, oder dem Wunsch homosexuell lebender Männer, dauerhafte Beziehungen zu männlichen Partnern einzugehen.
4. Autogynophilie ist ein fehlgeleiteter heterosexueller Impuls, der neben normalen heterosexuellen Wünschen bestehen kann oder mit diesen konkurriert.
5. Autogynophilie ist ein Beispiel aus einer größeren Gruppe sexueller Variationen, die sich aus einer Entwicklungsstörung bei der erotischen Objektwahl ergeben.22
Autogynophilie gehört zum Transvestitismus23 und damit zur Gruppe der Paraphilien. Paraphilien sind psychische Störungen, bei denen die sexuelle Erregung zwanghaft mit etwas anderem als mit einer realen, ganzen Person verknüpft ist.
Manche autogynophil-Transsexuellen wehren sich gegen die Einordnung ihres Problems als Paraphilie, da sie (zumindest anfangs) nicht darauf beschränkt sind, eine bestimmte Fantasie zu inszenieren, um zu einer sexuellen Erregung zu gelangen. Sie empfinden eher, dass die Fantasien mit ihren realen sexuellen Beziehungen konkurrieren.
Lawrence, selbst autogynophil-transsexuell, der nach den Operationen heute als Frau lebt, schreibt:
„Was die Sache kompliziert macht, ist der Umstand, dass Autogynophilie nicht unbedingt die Anziehung zu anderen Menschen ausschließt. Deshalb kann man sagen, dass einige Transsexuelle zwar autogynophil sind, sich aber zugleich als heterosexuell oder bisexuell oder ohne Anziehung zu anderen Menschen einordnen… Autogynophile Erregung scheint aber oft mit der Anziehung zu anderen Menschen zu konkurrieren. So berichten heterosexuell oder bisexuell empfindende Autogynophile oft, dass die autogynophilen Fantasien in den Hintergrund treten, wenn sie einen neuen Sexualpartner haben und sich ihre Aufmerksamkeit auf den Partner konzentriert. Doch mit der Zeit, wenn der Reiz des Neuen nachlässt, kehren sie häufig zu den autogynophilen Fantasien zurück. Für biologische Männer ist der Reiz des Neuen vielleicht sowieso ein wichtiger Faktor bei ihrer Entscheidung, wohin die sexuelle Erregung geht.“24
Die Macht der Fantasien kann so groß sein, dass der reale Partner zu einem Mitspieler in den Fantasien reduziert wird. Noch einmal Lawrence:
„Eine weitere Beobachtung, die autogynophile Personen häufig machen, ist folgende: Zwar mögen sie Sex mit einem Partner, aber so, dass der Partner fast überflüssig wird oder nur Requisite im Drehbuch autogynophiler Fantasien ist. Blanchard hat beobachtet, dass dies insbesondere für autogynophile Fantasien zutrifft, in denen männliche Partner eine Rolle spielen. Die männliche Figur ist oft gesichtslos oder abstrakt. Sie dient dazu, die Weiblichkeit der autogynophilen Person zu bestätigen, ist aber kein eigenständiger, begehrenswerter Partner. Das liegt auch daran, dass Autogynophilie die Anziehung zu anderen, realen Menschen nicht ausschließt, sondern eher damit zu konkurrieren scheint. Blanchard hat bisweilen Autogynophilie als eine ‚Orientierung’ und nicht als Paraphilie bezeichnet.“25
In ihren Fantasien stellen autogynophil-transsexuelle Männer sich vor, dass sie sexuell penetriert werden. Sie sehen sich also selbst als heterosexuelle Frau. Viele leben eine Zeitlang als Transvestiten [ziehen Frauenkleidung an], einige heiraten und haben vielleicht Kinder. Erst später im Leben entscheiden sie sich, dauerhaft als Frau leben zu wollen. Andere fühlen sich auch nach den Operationen weiterhin zu Frauen hingezogen und beharren dann darauf, lesbisch zu sein.
Die meisten heterosexuell empfindenden Transvestiten begnügen sich mit cross-dressing, nur einige haben den Wunsch nach „geschlechtsumwandelnden“ Operationen. Roy Blanchard stellt die Hypothese auf, dass ein Mann, der „seine Impulse durch gelegentliches cross-dressing im Privaten oder in der Gesellschaft anderer Transvestiten befriedigen kann“, in der Regel keine Geschlechtsumwandlung sucht. Ein Mann, „dessen Fantasie sich in erster Linie darum dreht, ein weibliches äußeres Genitale zu besitzen“, sucht die Geschlechtsumwandlung.26
Blanchard schreibt:
„Autogynophilie nimmt unterschiedliche Formen an. Manche Männer fühlen sich bei dem Gedanken, Frauenkleider zu tragen, sexuell erregt. Daran sind sie am meisten interessiert. Andere Männer haben die stärkste sexuelle Erregung bei der Vorstellung, den Körper einer Frau zu haben, und so ist ihr erstes Interesse, den Körper einer Frau zu erhalten.“27
Der Psychiater Paul McHugh beschreibt aus seiner Erfahrung, weshalb autogynophil-transsexuelle Männer sich zu den Operationen entschließen:
„Sie finden beim Tragen von Frauenkleidern intensive sexuelle Erregung. Mit zunehmendem Alter sind sie begierig, ihren Verkleidungen mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. Deshalb haben sie Operationen gesucht oder es wurde ihnen dazu geraten…, um dadurch einer Frau ähnlicher zu sehen. Studien in der psychiatrischen Abteilung des Clark Institute in Toronto fanden heraus, dass diese Männer sexuelle Erregung verspüren, wenn sie eine sexuell verführerische Frau nachahmen. Viele von ihnen stellen sich vor, ihre Darstellungen könnten für Zuschauer, insbesondere für Frauen, sexuell erregend sein.“28
Autogynophil-Transsexuelle hatten in der Regel in der Kindheit keine GIS. Meist beginnen sie in der Pubertät mit transvestitischem Fetischismus, bei dem sie weibliche Kleidung, häufig weibliche Unterwäsche, tragen, sei es in der Fantasie oder in der Realität.
Lawrence bestätigt zwar die erotischen Aspekte der Autogynophilie, ist aber der Ansicht, dass es auch andere wesentliche Punkte gibt: „Autogynophilie kann man besser als sexuelle Orientierung, als eine Spielart romantischer Liebe beschreiben. Es gehören erotische, emotionale und Bindungselemente dazu.“29 Nach Auffassung von Lawrence möchte der autogynophil-Transsexuelle zu dem werden, was er liebt: „Zu werden, was man liebt, hat gewöhnlich höchste Priorität. Andere Aspekte des Lebens – Familie, Freunde, Arbeit – sind meist von nachgeordneter Bedeutung, zumindest vorübergehend. Bei der Einteilung seiner Zeit, Energie und Ressourcen räumt der transsexuell Lebende dem geschlechtsumwandelnden Prozess die Vorrangstellung ein.“30 Die Art von romantischer Liebe, die Lawrence beschreibt, hat einen ungesunden, zwanghaften, obsessiven Aspekt, insbesondere wenn das „Liebesobjekt“ das fantasierte Bild von sich selbst als Frau ist.
Lawrence erkennt aber auch, dass autogynophil-Transsexuelle „wahrscheinlich­ ein­
größeres Risiko für die Entwicklung einer narzisstischen Störung“ haben, weil sie „besonders anfällig sind, Gefühle der Scham zu haben, und auf empfundene Beleidigungen mit narzisstischer Wut zu reagieren.“31 Lawrence schreibt dies der Tatsache zu, dass diese Menschen seelisch verwundet sind, weil man sie behandele als „Männer, die vorgeben, Frauen zu sein“. Lawrence zieht daraus aber nicht den Schluss, dass aufgrund des Narzissmus und der damit einhergehenden Wut eine Therapie sinnvoll sein könnte. Vielmehr legt Lawrence den Ärzten nahe, den Betroffenen keine narzisstischen Verletzungen mehr zuzufügen. Doch genau das ist schwierig, wie Lawrence zugibt, denn viele autogynophil-transsexuelle Männer seien als Frauen eben doch nicht überzeugend. Selbst wenn andere Menschen Akzeptanz ausdrückten, so würden ihre tatsächlichen Gefühle in Mimik und Körpersprache sichtbar – und Transsexuelle könnten das als Zurückweisung erleben.
c) Die Grundform bei Frauen
Der Wunsch nach „geschlechtsumwandelnden“ Operationen, der ursprünglich bei Frauen selten vorkam, wird immer häufiger. Fast alle Frauen empfinden zunächst lesbisch. Sie können eine starke maskuline Identifikation haben, das muss aber nicht sein. Die meisten Frauen mit starker männlicher Identifizierung litten schon als Kinder an einer Geschlechtsidentitätsstörung (GIS). Sie konnten sich in ihrer Kindheit nicht mit ihrem Körper und ihrem Mädchensein als etwas Gutem und Schönem identifizieren. Viele hatten von Anfang an eine unsichere Bindung an die Mutter, die sie als schwach und verletzt wahrnahmen. Häufig glaubten die Mädchen, wenn sie Jungen wären, würde ihr Vater sie anerkennen, zumindest aber könnten sie sich und ihre Mütter dann vor männlicher Aggressivität schützen. Wie auch Jungen mit GIS hatten sie zumeist keine engen gleichgeschlechtlichen Freundschaften.
GIS bei Mädchen ist etwas anderes als die viel häufiger vorkommende „Jungenhaftigkeit“ bei Mädchen („Wildfang“). Bei GIS weigern sich die Mädchen zwanghaft, Mädchenkleidung zu tragen oder sich an Mädchenspielen zu beteiligen. Jungenhafte Mädchen mögen für Mädchen untypische Interessen haben, sind aber insgesamt in ihrem Verhalten flexibler.
Zucker und Bradley beschreiben das Mädchen, das eine GIS entwickelt, als „ein von seinen Anlagen her leicht verletzbares Kind, das schnell ein hohes Maß an Ängsten entwickelt“. Hinzu kommt eine Mutter, die Schwierigkeiten mit ihrem Gefühlsleben hat und möglicherweise während des ersten Lebensjahres des Mädchens depressiv ist. Häufig liegen Familienkonflikte vor, das Mädchen erlebt den Vater als respektlos gegenüber der Mutter oder gegenüber Frauen allgemein. Das Mädchen „erlebt im Konflikt der Eltern eine Mutter, die nicht für sich selbst einstehen kann“. Wenn das Mädchen dann „mit cross-gender Verhalten beginnt, um seine Ängste zu verringern“, reagiert die Mutter meist positiv, da sie glaubt, das männliche Verhalten wird ein Schutz für die Tochter sein. Möglicherweise ermutigt auch der Vater zu cross-gender Verhalten. „Durch Identifikation mit dem Aggressor kann das Mädchen die Fantasie entwickeln, Mutters Beschützerin zu sein.“32 In manchen Fällen erinnern sich Frauen mit GIS, dass der Vater fortwährend Frauen abwertete, insbesondere die Mutter.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Das Menschliche

Und Sie wissen nicht, mit was Sie es zutun haben! Doch diese bekommen euch, ein Fakt!

Heute in den TV- Medien, die Massen - Vergewaltigung einer 15 jährigen Schülerin, angeblich "Gastarbeiter bzw. FLÜCHTLINGE auch Poliz...