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Considered
transvestism and transsexualism historical - incarnations of the opposite sex
Ver-körperungen des anderen
Geschlechts - Transvestitismus und Transsexualität historisch betrachtet
Der Wechsel zur Kleidung des anderen Geschlechts und, oft damit verbunden, der Wechsel des sozialen Geschlechts sind in der europäischen Geschichte seit Langem bekannt, gerieten aber erst im späten 19. Jahrhundert in den medizinischen Blick.
Einleitung
Cross-Dressing - der Wechsel zur Kleidung des anderen Geschlechts - und, oft damit verbunden, der Wechsel des sozialen Geschlechts sind in der europäischen Kulturgeschichte seit Langem bekannt.
Cross-Dressing - der Wechsel zur Kleidung des anderen Geschlechts - und, oft damit verbunden, der Wechsel des sozialen Geschlechts sind in der europäischen Kulturgeschichte seit Langem bekannt.
Von einigen Ausnahmen
abgesehen wissen wir angesichts fehlender autobiografischer Aufzeichnungen
allerdings wenig über die Motive und den sozialen Alltag solcher historischer
Personen, deren "wahres" Geschlecht meist erst anlässlich
kriminologischer Ermittlung oder ärztlicher Untersuchung bei Krankheit oder Tod
entdeckt wurde, dann aber großes Aufsehen erregte. Überlegungen über ein
entsprechendes kulturelles Phänomen liegen aus früheren Zeiten nicht vor, auch
einen bezeichnenden Begriff gab es nicht. Unterstellt wurde den Betreffenden
eine juristisch zu ahndende Täuschung aus unlauteren persönlichen oder
politischen Motiven. In Deutschland galten heute sogenannte Cross-Dresser bis
Mitte des 19. Jahrhunderts als Hochstapler und Schwindler, einige wurden gar
der Spionage verdächtigt.
Cross-Dressing geriet erst auf dem Höhepunkt der
humanwissenschaftlichen Geschlechterdebatte innerhalb der psychiatrischen
Sexualpathologie des späten 19. Jahrhunderts in den medizinischen Blick.
Dabei wurde auf tradierte Konzepte der
Mischgeschlechtlichkeit zurückgegriffen, wobei man Verbindungen und Übergänge
zwischen den verschiedenen Formen annahm, deren wichtigste der
Hermaphroditismus war. Konkret geht das medizinische Interesse am
Cross-Dressing auf die moderne Diskussion um das gleichgeschlechtliche sexuelle
Begehren der Männer zurück, für das sich im 20. Jahrhundert der Begriff
"Homosexualität" durchsetzte. Maßgeblich waren hierbei die Texte von
Karl Heinrich Ulrichs, dem ersten bekennenden "Urning", wie er Männer
begehrende Männer in Anlehnung an den Planeten Uranus nannte. Seine ab 1864
erscheinenden emanzipatorischen Streitschriften richteten sich gegen die
drohende Fortschreibung der nach preußischem Recht geltenden Strafbarkeit
sexueller Handlungen zwischen Männern im geplanten neuen Strafgesetzbuch für
das Deutsche Reich. Ulrichs' Schriften regten um 1870 zunächst den Berliner
Ordinarius und Charité-Psychiater Carl Westphal und zehn Jahre später dessen
Grazer Kollegen Richard von Krafft-Ebing zur Begründung der modernen
Sexualpathologie an. Ulrichs stellte die These von der weiblichen Seele im
männlichen Körper auf und unterschied zwischen virilen und femininen Urningen,
wobei er traditionell weibliche Beschäftigungen und das Tragen von
Frauenkleidern als Kennzeichen der sogenannten Weiblinge verstand.
Als Beispiel nannte Ulrichs den berühmt gewordenen
Gardinenaufstecker Blank, der um 1850 "ganz als Dame gekleidet auf den
Wallpromenaden von Torgau" spazieren ging, sich zeitweise als Frau ausgab
und von der Polizei verhaftet wurde. "Jener Blank war sogar so kühn, bei
der Obrigkeit förmlich um die Erlaubnis einzukommen, sich weiblich nennen und
kleiden zu dürfen. Die Bitte ward abgeschlagen." Jener Fall fand in dem
1870 veröffentlichten Schlüsseltext "Die conträre Sexualempfindung"
von Carl Westphal ausführliche Erwähnung.
Die Fallgeschichten betreffen eine Frau, die "gern ein
Mann sein" wollte, "eine männliche Beschäftigung" suchte und von
sich sagte: "Ich fühle mich überhaupt als Mann und möchte gern ein Mann
sein."
Ein anderer Fall ist ein "auf einem hiesigen (Berliner,
R.H.) Bahnhofe unter verdächtigen Umständen" verhafteter "Mann in
Frauenkleidern". Dieser klagte: "Das weibische Wesen ist eine wahre
Qual für mich gewesen, das Verlangen, Frauenkleider anzuziehen, steigt öfter
(...) in mir auf."
Er gab dem zweifelnden Westphal aber gleichzeitig zu
verstehen, dass er sich sexuell nur zu Frauen hingezogen fühle. Westphal kam
nun zu dem Schluss, dass es "bei der geschilderten Neigung zum Anlegen von
Frauenkleidern wirklich um ein Symptom eines pathologischen Zustandes"
gehe, eine Stufe der angeborenen conträren Sexualempfindung: "Hier handelt
es sich wohl eben nur um Gradunterschiede."
In der sexualpathologischen Denkrichtung des letzten
Drittels des 19. Jahrhunderts fand eine Koppelung von Cross-Dressing mit
gleichgeschlechtlichem Begehren zu einem Gesamtphänomen statt, eben jener
"conträren Sexualempfindung". Diese neue Diagnose umgreift als
Sammelbezeichnung ausnahmslos alle von den Geschlechternormen abweichenden
Gefühls- und Verhaltensweisen. Als nur graduell verschiedene Phänomene wurden
gleichgeschlechtliches sexuelles Begehren, Cross-Dressing und der Wechsel der
sozialen Geschlechterrollen bei Männern und Frauen zusammengefasst. Um den
Wandel der Bewertung des Cross-Dressing von der Täuschung zum Symptom der
conträren Sexualempfindung zu illustrieren, sei auf zeitgenössische Abbildungen
verwiesen.
Krafft-Ebing entwickelte in seiner wirkungsmächtigen
"Psychopathia Sexualis" 1886 Westphals Idee der
"Gradunterschiede" zu einer hierarchisch-ontologischen Ordnung, in
deren aufsteigender Folge die Zeichen der Geschlechtermischung immer deutlicher
hervortreten. Und entsprechend dem Ansatz Griesingers, nachdem
Geisteskrankheiten Hirnkrankheiten seien, präzisierte Krafft-Ebing Ulrichs'
These von der weiblichen Seele im männlichen Körper in das weibliche Gehirn
respektive "Sexualcentrum" im Männerkörper. Sein diagnostischer Blick
weitete sich auf die Trias sexuelle Objektwahl, körperliches und soziales
Geschlecht aus. Weil Krafft-Ebing bei der conträren Sexualempfindung zwischen
"erworbener Perversität" und "angeborener Perversion"
unterschied, schlug er zwei analoge Reihen dieser Abstufungen vor. Erstere
steige bis zur "Metamorphosis sexualis paranoica (dem Wahn der
Geschlechtsumwandlung)" an, letztere über die "Effemination" der
Männer und die "Viraginität" der Frauen bis zur "schwerste(n)
Stufe degenerativer Homosexualität", der "Androgynie" respektive
"Gynandrie".
Für das Stadium der Viraginität der Frauen sei der große
"Drang" charakteristisch, "auch Haar und Zuschnitt der Kleidung
männlich zu tragen, unter günstigen Umständen sogar in der Kleidung des Mannes
aufzutreten und als solcher zu imponieren. Nicht selten sind die Fälle, wo
Weiber in Männerkleidern aufgegriffen wurden." Und über die
"Effemination der Männer" schreibt er: "Vielfach zeigen sich
auch Bestrebungen, in Gang, Haltung und Zuschnitt der Kleider sich der
weiblichen Erscheinung zu nähern." Ulrichs lehnte in seinem
emanzipatorisch angelegten Konzept eines mischgeschlechtlichen Uranismus jede
Krankheitszuschreibung ab, erst in der Rezeption seiner Schriften erfolgte
dessen sexualpathologische Ausdeutung: Cross-Dressing wurde Symptom und
Diagnose zugleich.
Aushandlungen
Im Kontext der um die Jahrhundertwende zunehmenden
Verwissenschaftlichung, Popularisierung und Politisierung der Homosexualität
begann auch der Selbstdiskurs der Cross-Dresser und Geschlechtswechsler. Mit
der Etablierung einer Homosexuellenbewegung in Gestalt des
Wissenschaftlich-humanitären Komitees (1897) wurde der Homosexuelle in der
Öffentlichkeit ein geläufiger Sozialcharakter. Infolge seiner Funktion als Mitbegründer
und Sprachrohr der Vereinigung avancierte Magnus Hirschfeld zur Schlüsselfigur
dieser Emanzipationsbewegung und für deren Klientel zum wichtigsten
Ansprechpartner in wissenschaftlichen, rechtlichen, aber auch ganz alltäglichen
sozialen Fragen. Ausgehend von seinen Forschungen über sexuelle Zwischenstufen
entwickelte er im Rückgriff auf Ulrichs die Auffassung, dass jeder Mensch eine
Mischung aus männlichen und weiblichen, körperlichen und seelischen
Eigenschaften sei. Ab 1903 setzte sich für diesen Ansatz der Begriff
"Zwischenstufentheorie" durch, wobei Homosexuelle und Hermaphroditen
die prominentesten Vertreter darstellten.
Cross-Dresser bildeten bei Hirschfeld zunächst keine
eigenständige Kategorie, auch er begriff ihre Passion als Anzeichen von Homosexualität.
Dies lässt sich in vielen Texten sowie anhand der ersten und einzigen Abbildung
eines "Homosexuellen" aus seinem programmatischen Aufsatz im Jahrbuch
für sexuelle Zwischenstufen von 1899 erkennen.
Das Jahrbuch war darauf angelegt, über die ganze Fülle
mischgeschlechtlicher Formen zu berichten. Dort erschienen wichtige Arbeiten
zum Hermaphroditismus wie auch die erste zum Cross-Dressing überhaupt. Diese
stammt nicht von einem ärztlichen Experten, sondern aus der Feder eines
Cross-Dressers.
Dieser beschreibt sich zunächst in Anlehnung an
Vordiskussionen als Urning, "welcher zu der Gruppe der ausgeprägtesten
Effeminierten gehört".
Obwohl seine Passion auf die Neigung, Frauenkleider zu
tragen, begrenzt war und er von einer "Liebesbeziehung" zu einer Frau
berichtet, schreibt er weiter: "Es kann nicht mehr festgestellt werden, ob
sich in frühester Jugend schon Erscheinungen von Homosexualität bemerkbar
machten." Als Hirschfeld diesen Mann knapp zehn Jahre später in der
Kasuistik seiner Monografie "Die Transvestiten" beschrieb,
kommentierte er dessen damalige Selbsteinordnung mit der Bemerkung: "Er
bezeichnet sich dort irrtümlicherweise als Urning, während er selbst
ausdrücklich angibt, sein Geschlechtstrieb sei stets auf das Weib gerichtet
gewesen."
1910 gibt jener Cross-Dresser nun auch an: "Homosexuell
bin ich nicht, im Gegenteil, ich kann sagen, ich bin ein echter Don Juan
gewesen."
Der Wandel in dieser Selbst- und Fremdzuordnung setzte erst
ein, als ein alternatives, passenderes Konzept vorlag, das die Differenz
zwischen sexuellem Begehren und Kleidervorliebe betonte. Während sich einige
Cross-Dresser an der sexualpathologisch hergestellten "Verwandtschaft"
mit den Homosexuellen nicht störten, fühlten sich andere missverstanden und
versuchten, sich dezidiert abzugrenzen.
Auch in der allgemeinen Öffentlichkeit war die Zuordnung der
Cross-Dresser zu den Urningen verbreitet. Ein vom Sexualwissenschaftler Iwan
Bloch beschriebener Mann berichtete, dass er vergeblich versuchte, bei seiner
Frau Verständnis für seine Neigung zu wecken. Sie forschte nach, indem sie
andere Frauen befragte: "Diese wußten ihr über Männer, die so veranlagt
wären wie ich, nur Schlechtes und Gemeines zu berichten, ich sollte unbedingt
ein Urning sein (...)."
Das Image des Urnings oder Homosexuellen war negativ
besetzt, sodass die Bezeichnungen auch als Schimpfwort gebraucht wurden. Dies
gab Anlass zur Distanzierung. So beschreibt ein von Hirschfeld als Transvestit
porträtierter Mann sich wie folgt: "Von sonstiger Homosexualität aber ist
keine Spur vorhanden. Urninge und effeminierte Männer verachte ich tief." Die ablehnende Haltung der Cross-Dresser
gegenüber den Homosexuellen veranlasste sie dazu, Hirschfeld anzuregen, sich
ihrer anzunehmen: "Ich kann es nicht begreifen, dass sich die Wissenschaft
nicht mit den Effeminierten abgibt, wo es doch etwas Alltägliches und
Natürliches ist; und leider werden wir fälschlich auch noch oft für Päderasten
gehalten." Damit initiierten die Cross-Dresser einen Dialog, im Zuge
dessen Hirschfelds Entwurf des Transvestitismus entstand.
Andererseits gab es auch bei homosexuellen Männern das
Bedürfnis, sich von der sichtbaren Effeminierung der Cross-Dresser zu
distanzieren; ihnen war der Abstand mindestens ebenso wichtig wie umgekehrt.
Die in Hirschfelds "Zwischenstufentheorie" vorgenommene Verknüpfung
von männlicher Homosexualität mit Weiblichkeit provozierte beim viril
orientierten Flügel der Homosexuellenbewegung Protest, wie ihm durchaus bewusst
war: "Der großen Mehrzahl der Homosexuellen, nicht nur der virileren, ist
die Verkleidung direkt unsympathisch."
Die als Zerrbild wahrgenommene Darstellung Hirschfelds
führte 1907 innerhalb des Wissenschaftlich-humanitären Komitees zur Sezession.
Nach Auffassung der tendenziell misogynen Sezessionisten
machte Hirschfeld die Homosexuellen zu "Halbweibern" und "einer
Art psychischer Mißgeburt", wie ihr Wortführer Benedikt Friedländer es
nannte. Das Ziel der Homosexuellenbewegung, die Abschaffung des Paragrafen 175
Reichsstrafgesetzbuchs (RStGB), erforderte aber gerade eine Bündelung der
Kräfte, was ein konsensfähiges Bild vom Homosexuellen voraussetzte. Die
Herstellung eines Konsenses zwischen den Lagern dürfte daher ein weiteres Motiv
für die Trennung der Effeminierten von den Homosexuellen gewesen sein; die
Einführung der neuen Kategorie "Transvestiten" kann somit als Konzession
an Hirschfelds Opponenten in der Homosexuellenbewegung gelesen werden.
Schwierigkeiten der Transvestiten ergaben sich jedoch nicht
nur aus den stigmatisierenden Fremdzuschreibungen ihrer Eigenart, sondern vor
allem aus juristischen Konsequenzen. Obwohl das deutsche Strafrecht der Kaiser-
wie der Weimarer Zeit das Tragen von Kleidung des anderen Geschlechts nicht
ausdrücklich sanktionierte, waren Personen, die polizeilich als Transvestiten
erkannt wurden, wegen der "Erregung öffentlichen Ärgernisses" und
somit "Störung der öffentlichen Ordnung" mit empfindlichen Strafen
bedroht. Bei vielen Transvestiten beiderlei Geschlechts blieben aufgrund ihres
Körperbaus, Haarwuchses, Gesichtsschnittes, ihrer Bewegungen oder der Stimmlage
trotz noch so perfekter Aufmachung Spuren des Herkunftsgeschlechts wahrnehmbar.
Abbildung 6 soll die Irritationen in der öffentlichen Geschlechter-Performanz
illustrieren. Einige Transvestiten wurden deshalb von der Polizei festgenommen
und mussten als "Wiederholungstäter" Haftstrafen verbüßen.
Für diesen Personenkreis handelte Hirschfeld gemeinsam mit
seinem Kollegen Iwan Bloch um 1910 mit der Polizeibehörde eine Übereinkunft
aus, nach der von einer Festnahme abgesehen wurde, wenn die Betreffenden eine
polizeilich bestätigte Bescheinigung vorlegen konnten, die sie als ärztlich
beglaubigte Transvestiten auswies. Der "Transvestitenschein" wurde in
der Folge häufig ausgestellt. Zu dieser Zeit hatte sich besonders in Berlin
eine vielfältige Transvestitenkultur mit eigenen Lokalen, Treffpunkten,
Organisationen und Zeitschriften entfaltet.
Dank einer mündlichen Übereinkunft mit dem Preußischen
Justizminister war es ab 1921 in einem gutachterlichen Verfahren möglich,
eindeutig auf das Geschlecht verweisende Vornamen durch einen neutralen, etwa
Alex oder Toni, zu ersetzen; in einem Fall gelang sogar die Umschreibung des
Personenstandes. Vornamensänderungen gaben die Behörden in Verwaltungszeitungen
bekannt, was einem amtlichen Outing gleichkam: Die Anzeigen enthielten die
Klarnamen, persönlichen Daten und Wohnadressen der Betreffenden. Beide Praxen
bedeuteten ein doppeltes Abhängigkeitsverhältnis der Transvestiten, nämlich vom
Wohlwollen der Gutachter und der Überzeugungskraft ihrer ärztlichen Expertise -
schließlich war die Anerkennung von Hirschfelds durchaus nicht unumstrittenem
Transvestitismus-Konzept die Voraussetzung. Abhängig waren sie aber auch vom
Verständnis der Polizei und Justiz, auf deren Genehmigung sie angewiesen und
deren Kontrollwillkür sie ausgeliefert waren. Insofern hatten die Transvestiten
trotz dieser Liberalisierungen also auch weiterhin einen prekären Status inne.
Zur (Be)Deutung des
Geschlechtskörpers
Zu den Transvestiten zählten auch Frauen und Männer, die
nicht nur die Kleidung des anderen Geschlechts bevorzugten, sondern sich diesem
ganz zugehörig fühlten. In den wenigen frühen Mitteilungen dieser
Personengruppe finden sich allerdings keine Hinweise auf Operationswünsche.
Punktueller, passagerer oder permanenter Wechsel des sozialen Geschlechts war
in ihrem Selbstkonzept offenbar nicht notwendig mit einem - wie es heute heißt
- "Unbehagen im falschen Körper" und dem Wunsch nach dessen
Umgestaltung verbunden. Hirschfeld berichtet allerdings von einigen Männern,
die über kürzere oder längere Zeit als Frau gelebt hatten, und fasst ihre
Körperwünsche und -wahrnehmungen wie folgt zusammen: "Vielfach bilden sich
zwar die Transvestiten vor dem Spiegel stehend ein, ihre Formen seien weicher
und weiblicher, wie die gewöhnlicher Männer; aber ihre meist rauhe Haut, die
behaarte Brust, der starke Bartwuchs, der schlanke, oft sehnige Körperbau, die
straffen Linien und Züge, die tiefe Stimme zeigen, dass es sich um eine
angenehme Selbsttäuschung handelt, die übrigens keine tiefgehende ist, auch
nicht den Charakter einer Wahnidee trägt; sie wissen ganz genau, dass ein
Widerspruch zwischen ihrem Körper und ihrer Seele klafft."
Mit dem Ausdruck vom "klaffenden Widerspruch"
weist Hirschfeld auf die empfundene Diskrepanz von Physis und Psyche hin. Damit
deutete sich zwar ein Handlungsfeld an, aber noch fehlten sowohl der
artikulierte Wunsch als auch die geeigneten Techniken zu dessen Umsetzung.
Selbstgestaltung des
Geschlechtskörpers
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfuhr der Körper sowohl in
der (Sexual-)Wissenschaft als auch in den alle Bevölkerungsschichten und
Bereiche des alltäglichen Lebens durchziehenden Lebensreformbewegungen eine
Rehabilitierung, Neudefinition und Aufwertung. Diese Bedeutungsaufladung des
Geschlechtskörpers für die Konstruktion des Selbst bildete die Voraussetzung
dafür, jene Personen, die sich dem anderen Geschlecht zugehörig fühlten, zur
physischen Umgestaltung zu motivieren. Die dazu nötigen Techniken wurden in der
um 1900 aufkommenden kosmetischen Medizin entwickelt, sei es die
Gesichtschirurgie, die Röntgenepilation oder die Paraffinbrustplastik. Diese
Kontextualisierungs- und Plausibilisierungsversuche können den Wunsch nach
operativer Geschlechtsumwandlung allerdings lediglich einordnen. Sie vermitteln
jedoch keinen Eindruck von der Tiefe individuellen psychischen Leids, das
Einzelne Anfang des 20. Jahrhunderts dazu trieb, irreversible Umgestaltungen
durch invasive Eingriffe - wie sie Kastration und Amputation darstellen - durchzusetzen
oder an sich selbst vorzunehmen.
Die nach 1910 datierten ersten Versuche körperlicher
Manipulation sogenannter Transvestiten zielten allerdings noch nicht auf
operative Umgestaltung, sondern zunächst "nur" darauf, die Zeichen
des Herkunftsgeschlechts zu tilgen. Diese Schlussfolgerung legen zumindest die
Quellen nahe. So berichten die Ärzte Tange und Trotsenburg 1911 über einen
niederländischen Transvestiten, der mittels verschiedener Manipulationen
versuchte, seinen Körper zu verweiblichen. Der Vater von vier Kindern hatte
sich bereits 1905 einseitig kastriert, später entfernte er mit Hilfe seiner
Frau auch den zweiten Hoden und versuchte durch Lufteinblasungen Brüste zu
bekommen, weshalb er mehrfach ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Von nun an
mehren sich derartige Mitteilungen in der Fachpresse. Dieses Selbstgestalten
des Geschlechtskörpers findet zunächst vor und außerhalb der medizinischen
Diskursivierung der Umwandlung statt.
Eine erste vorläufige Differenzierung zwischen den
"normalen" Transvestiten und jenem Personenkreis, der sich dem
anderen Geschlecht zugehörig fühlte, beginnt in diesem Zeitabschnitt. Sie geht
auf den englischen Sexualwissenschaftler Havelock Ellis zurück, der das
Phänomen des Cross-Dressing in Anlehnung an den Chevalier D'Eon
"Eonism" nannte.
Anlässlich der Präsentation entsprechender Fälle unterschied
Ellis zwei Typen: Neben der Mehrzahl, bei der "die Inversion hauptsächlich
auf die Kleidung beschränkt" sei, gebe es eine vollständigere Inversion,
bei der "die Änderung der Bekleidung als etwas verhältnismäßig
Gleichgültiges betrachtet wird". Ein Individuum dieser Prägung
identifiziere sich jedoch "mit seinen physischen und psychischen Zügen,
die an das entgegengesetzte Geschlecht erinnern, (...) dass es sich wirklich
diesem Geschlecht zugehörig fühlt, obwohl es über seine anatomische Bildung
keine Wahnvorstellungen hat".
Erste Versuche operativer
Geschlechtsumwandlung
Der Berliner Chirurg Richard Mühsam, dem in der Diskussion
eine Schlüsselposition zukommt, operierte 1912 einen ersten von ihm so
bezeichneten weiblichen Transvestiten, die sich, 35-jährig, Brüste und
Gebärmutter entfernen ließ, "da sie diese Organe als nicht zu ihr gehörig
empfand. Sie hielt sich für einen verkappten Mann und wollte auch äußerlich wie
ein Mann aussehen. (...) (Sie) war (...) eine nicht unbegabte Malerin, trug
Männerkleider und klagte über (...) das Gefühl, Fremdkörper im Leibe zu haben.
Als diese (...) sah sie die Eierstöcke an, um deren Entfernung sie dringend
bat." Nachdem er ihr auch die Ovarien entfernt hatte, schreibt Mühsam
"fühlte sie sich (...) freier und betrieb die Umschreibung ihres
Personalstandes".
Außer diesen kolportierten Operationswünschen führt Mühsam
keine Argumente zur Begründung der Eingriffe an, obgleich sie nach den
medizinethischen Standards schon damals als problematisch galten, weil es keine
Indikation dafür gab. Und obwohl die Eingriffe aus heutiger Sicht als erste
ärztlich ausgeführte Geschlechtsumwandlung von Frau-zu-Mann gelten dürfen,
wurden sie damals nicht als solche betrachtet. Auch Hirschfeld erwähnte 1918
zahlreich geäußerte Bedürfnisse und Versuche körperlicher Umgestaltung. Nachdem
er 1919 sein Institut für Sexualwissenschaft eröffnet hatte, teilte der dort
als Psychotherapeut tätige Arthur Kronfeld mit, dass allein im ersten Jahr
zwölf Männer um eine Kastration baten; zehn von ihnen konnte er davon
abbringen.
Ausschlaggebend für die ersten mitgeteilten Wünsche nach
Operationen ist folgender Kontext: Im Zuge der nach 1900 einsetzenden Forschung
zur Wirkung von Geschlechtshormonen wurden experimentelle
Geschlechtsumwandlungen an Haus- und Labortieren vorgenommen. Über die vom
Wiener Physiologen Eugen Steinach realisierten berichtete die deutschsprachige
Fach- und Tagespresse als wissenschaftliche Sensation. Wie solche Berichte bei
einigen Transvestiten Wünsche nach analogen Eingriffen wachriefen, lässt sich
am Beispiel eines 1916 vom Sexualwissenschaftler Max Marcuse beschriebenen
Mannes illustrieren: "Die im Mai v.J. durch die Presse gegangene Notiz
(...) veranlasste Herrn A., mich darüber zu konsultieren, ob eine derartige
Operation nicht auch am Menschen mit Erfolg ausgeführt und er auf diese Weise
zu einem Weibe gemacht werden könnte." Ihn bringe das "Vorhandensein
des Gliedes und der Hoden oft zur Verzweiflung", er sei völlig beherrscht
von der "Idee der Verweiblichung und ihrer Herbeiführung auf operativem
Wege". Deutlich zeigt sich hier, auf welch direkte Weise die
Medialisierung der Geschlechtsumwandlung auf diesen Personenkreis wirkte.
Die erste komplett dokumentierte Mann-zu-Frau-Geschlechtsumwandlung
erfolgte 1920/1921 bei einem Patienten des Hirschfeld-Instituts.
Bei diesem Medizinstudenten, der mit der Pistole in der Hand
mit Suizid drohte, wurde von Arthur Kronfeld eine "schwere
Sexualneurose" diagnostiziert. Sie diente als medizinische Indikation für
die Eingriffe, während die Suiziddrohung eine sogenannte Notoperation
rechtfertigte, wie ein weiterer Hirschfeld-Mitarbeiter später ausführlich
darlegte. Die von Mühsam ausgeführten Operationen umfassten zunächst die
Kastration, die Vernähung des Penis im Damm und die Ausformung einer Neovagina;
später wurde auch ein Eierstock implantiert. All diese Behandlungsschritte
waren in anderen medizinischen Kontexten entwickelt worden und wurden nun zur
Lösung einer bislang unbekannten Problematik zusammengeführt. Man könnte das
Vorgehen als Experiment mit ungewissem Ausgang charakterisieren, das der
individuellen Notlage eines Patienten und medizinischen Omnipotenzphantasien
entsprang, das "natürliche" Geschlecht medizinisch ändern zu können.
Mit Unterstützung des Instituts für Sexualwissenschaft
erfolgten bis 1931 eine ganze Reihe weiterer Umwandlungen. Über die Routine der
Operationen berichtet Felix Abraham in einer ersten medizinischen
Veröffentlichung im selben Jahr. Die bekannteste dieser frühen
Geschlechtsumwandlungen ist die des dänischen Malers Einar Wegener, der sich
aufgrund des Operationsortes Dresden "Lili Elbe" nannte.
Obgleich es nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten
1933 keine einheitliche Strategie im Umgang mit Transvestiten gab, standen
diese unter dem Generalverdacht der Homosexualität. Zur Verfolgung der
Homosexuellen wurde 1935 der entsprechende Paragraf 175 RStGB verschärft und die
Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und der Abtreibung
eingerichtet.
Transvestiten standen unter der Beweislast ihrer
Heterosexualität; für einige, denen dies gelang, wurden Transvestitenscheine
aus der Weimarer Zeit verlängert oder sogar neue ausgestellt. Und obgleich der
Berliner Charité-Psychiater Karl Bonhoeffer 1941 berichtete, dass ihm Wünsche
nach Geschlechtsumwandlung - wie aus der Weimarer Zeit - nicht mehr begegnet
seien, lässt sich zumindest eine ausgeführte Operation bei einem Mann-zu-Frau
Transsexuellen für die NS-Zeit nachweisen. Über das Schicksal der vor 1933
Operierten liegen keine systematischen Forschungen vor.
Erst in den 1950er Jahren setzte in den USA erneut eine
medizinische Diskussion über die Geschlechtsumwandlung ein, allerdings nicht
mit direkten Bezug auf die deutsche Vorläuferschaft, ohne die sie freilich
nicht zu denken ist. Harry Benjamin nahm für sich in Anspruch, den Begriff
transsexuality eingeführt zu haben.
Ähnlich wie Hirschfeld den Wunsch nach Geschlechtsumwandlung
bei "extremen Transvestiten" als "stärkste Form des totalen
Transvestitismus" bezeichnete, beschrieb Benjamin "den
Transsexualismus als höchsten Grad des Transvestismus" (sic) oder die
"Transvestiten als die mildeste Form unter den Transsexuellen".
In Deutschland bezeichnete man Personen mit dem Wunsch nach
Geschlechtsumwandlung noch bis in die 1950er Jahre als Transvestiten. Erst mit
der Rezeption von Benjamins Arbeiten in den 1960er Jahren wurde, ohne Bezug zur
hier beschriebenen Vorläuferdiskussion um Hirschfeld, in beiden deutschen
Staaten von "Transsexualismus", später von
"Transsexualität" gesprochen.
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