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Geschrieben
und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2016
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Wie die Evolution Männer und Frauen dirigiert
Charles Darwin erkannte, worauf die
Geschlechterunterschiede beruhen. Seine Theorie hat sich bestätigt, trotz der
Kritik aus der Genderforschung.
Warum
unterscheiden sich Mann und Frau? Wer dieser Frage nachgeht und sie nicht
gleich als „falsch“ einstuft, weil die Geschlechter angeblich nur
sozial erwünschte Rollen spielen und alle Unterschiede (bis auf
die biologischen) gesellschaftlich bedingt sind, der stößt auf die Theorie der
sexuellen Auslese. Sie geht auf Charles Darwin zurück, den Begründer der
Evolutionstheorie. Darwin bereitete der prächtige Pfauenschwanz Kopfzerbrechen.
Der konnte eigentlich unmöglich die Überlebenschancen vergrößern. Er
verbrauchte Ressourcen, machte die Tiere unbeweglich und auffällig und so zu
einer leichten Beute. Der Pfauenschwanz verstieß gegen elementare Regeln der
von Darwin formulierten Theorie der natürlichen Auslese – die Natur müsste den
Blender längst ausgemustert haben.
Darwins geniale Lösung: Der Pfau
vermehrte sich nicht trotz, sondern wegen seines Federschmucks. Die Theorie der
sexuellen Auslese (Selektion) war geboren. Je makelloser der Radschlag, umso
größer die Erfolgschancen bei den Pfauenweibchen. Im Zentrum des
Gedankengebäudes steht die fundamentale Ungleichheit der Keimdrüsen. Sie
produzieren bei weiblichen Tieren die großen, wenigen Eizellen und bei
männlichen die kleinen, vielen Spermien. Ein Unterschied mit Folgen. „Billige“
Spermien werben um „kostbare“ Eizellen. Männchen investieren in die Balz und
konkurrieren untereinander, Weibchen kümmern sich um die Brutpflege. Männchen
mit mehr Partnerinnen haben mehr Nachkommen, bei Weibchen gilt das nicht.
Traditionelle Rollen im Tierreich -
oder?
Klingt nach
einer ziemlich traditionellen Rollenverteilung im Tierreich! Das ist einer der
Gründe, warum die über die Jahre verfeinerte Theorie dennoch immer wieder
Kontroversen hervorruft. Eine prominente Kritikerin ist die Biologin und
Genderforscherin Joan Roughgarden von der Universität Stanford. Sie hält die
Idee von der sexuellen Selektion für falsch und wirbt dafür, sie durch ein
Konzept namens soziale Selektion zu
ersetzen. An die Stelle von Auslese und Kampf setzt sie Zusammenarbeit. Umwelt
und soziale Einflüsse prägen die Rollen im Zusammenleben, nicht die Größe von
Spermium und Ei. Wirbeltiere leben in „Familienfirmen“ zusammen, denen
Kooperation – und lustvoller Sex – den größten Ertrag bringt.
Beim Sex kommt es nicht darauf an, ob er hetero-
oder homosexuell ist. Dieser Nicht-Unterschied ist für Roughgarden
entscheidend. Bei einer „Gay Pride“-Parade 1997 hatte
sie einen Geistesblitz. Darwins Theorie betrachte Homosexualität als Anomalie.
„Aber wenn der Zweck von Sex nur Reproduktion ist, wie Darwin glaubte, warum
gibt es dann diese Lesben und Schwulen?“ Für die Wissenschaftlerin der Anlass,
eine bessere Alternative zu finden. Roughgarden, die 1998 eine
Geschlechtsumwandlung vornehmen ließ und vom Mann zur Frau wurde, schrieb ein
populärwissenschaftliches Buch, in dem sie viele Beispiele homosexuellen
Verhaltens im Tierreich belegte. „Evolution’s Rainbow“ („Der Regenbogen der
Evolution“) bekam eine Menge positiver Kritiken. Evolutionsforscher lehnten
ihre Thesen dagegen überwiegend ab.
Kooperation statt Konkurrenz - eine
Wunschvorstellung
Kämpft hier
ein wissenschaftlich revolutionärer David gegen einen geistig erstarrten
Goliath, ein Underdog gegen ein Establishment aus Darwin-Dogmahütern? Das
Klischee liegt nahe, trifft aber nicht zu. Wer außergewöhnliche Behauptungen
aufstellt, braucht außergewöhnliche Beweise. Und die hat Roughgarden nicht. Im
Gegenteil. Eine vor Kurzem im Fachblatt „Science Advances“ veröffentlichte
umfassende vergleichende Studie an 66 Arten hat die klassischen
Geschlechterrollen im Tierreich bestätigt. Auch die Ausnahmen – von denen es
etliche gibt – lassen sich mit der herkömmlichen Evolutionstheorie vereinbaren.
„Roughgardens Idee von der Gruppe, die sich gemeinsam Ziele setzt, ist ein
schönes Ideal“, sagt der Biologe Nils Anthes von der Universität Tübingen.
„Doch solche Absprachen funktionieren unter Tieren nur selten.“
Das Prinzip der sexuellen Auslese gilt
auch für den Menschen. Allerdings ist es in den modernen westlichen
Gesellschaften schwierig geworden, es wissenschaftlich zu studieren. Im
Vordergrund steht der Einfluss von Kultur und Umwelt, zumindest auf den ersten
Blick. Aber im Hintergrund, verborgen wie hinter einer Milchglasscheibe, zieht
noch immer die Natur die Strippen.
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