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und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2016
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vor, einer Minderheit anzugehören!
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Geschlechtsumwandlung und
Zwangsscheidung: zwei bahnbrechende Klärungen des italienischen
Verfassungsgerichtshofes
Gender
reassignment and forced divorce: two groundbreaking clarifications of the
Italian Constitutional Court
Die italienische Gesetzgebung sieht die gleichgeschlechtliche
Ehe nicht vor. Genausowenig gibt es aber eine Regelung von
Lebenspartnerschaften homosexueller Paare. Diese haben demzufolge keine
Möglichkeit, eine eingetragene Partnerschaft zu führen, die in irgendeiner Form
vom Staat anerkannt ist und in der die Vermögens-, Erb- und
Fürsorgeverhältnisse geregelt werden, außer sie umgehen das Gesetz mithilfe
„zwielichtiger“ Strategien: Etwa indem sie privatrechtliche Verträge
abschließen oder sich in eigens dazu bestimmte, aber wenig bedeutsame Register
in einigen Gemeinden eintragen lassen.
Trotz zahlreicher Gesetzesinitiativen zur Einführung
eingetragener Lebenspartnerschaften (besonders während der Legislaturperiode
von 2006 bis 2008 stand man kurz vor der Verabschiedung eines entsprechenden
Gesetzes) fanden diese keinen Eingang in das italienische Recht. Italien bleibt
damit einer der letzten Staaten der Europäischen Union, in denen
gleichgeschlechtlichen Paaren sowohl die Eheschließung als auch die Eintragung
der Lebenspartnerschaft verwehrt werden.
Die Situation könnte sich mit dem diesbezüglichen jüngsten,
bahnbrechenden Urteil des italienischen Verfassungsgerichtshofes (itVerfGH, Nr.
170 vom 11. Juni 2014) endlich ändern. Auslöser der Diskussion war ein Fall,
wie er sich in Vergangenheit bereits auch in anderen Ländern ereignet hatte:
Ein verheirateter Mann unterzieht sich mit der Einwilligung der Ehefrau einer
Operation zur Geschlechtsumwandlung. Wie von einem Gesetz aus dem Jahr 1982
vorgesehen, wendet sie sich, jetzt als Frau, an das Oberlandesgericht in Bologna
zur Richtigstellung der Geschlechtszugehörigkeit, da sie nur auf diese Weise
vollständig als Frau anerkannt werden kann. Unmittelbar nach dem Richterspruch
zwingt der Standesbeamte das Paar jedoch dazu, sich scheiden zu lassen. Das
genannte Gesetz sieht nämlich vor, dass mit dem Urteil zur Richtigstellung der
Geschlechtszugehörigkeit die Ehe automatisch aufgelöst wird, wobei dem
Ehepartner nicht einmal das Recht auf Einspruch gegen die Eheauflösung gewährt
wird. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit wird vom Kassationsgerichtshof im Wege
eines Normenkontrollverfahrens aufgeworfen.
Im Rahmen seines Urteils klärt der Verfassungsgerichtshof
insbesondere zwei Aspekte, wobei er im Einklang mit der eigenen bisherigen
Rechtsprechung bleibt, aber die Rahmenbedingungen klarer regelt.
Der erste Aspekt strebt nach einer eindeutigen
Interpretation bezüglich der Ehe zwischen Personen des gleichen Geschlechts.
Der Verfassungsgerichtshof stellt fest, dass die italienische Verfassung so
auszulegen ist, dass diese Form der Ehe nicht erlaubt ist. Es handelt sich
hierbei um eine konservative Auslegung, die in erster Linie auf historischen
Elementen und auf der Wahrnehmung der Mehrheit innerhalb der Lehre und
besonders innerhalb der Politik basiert. Dass die Mitglieder der
verfassungsgebenden Kommission im Jahr 1947 dabei nur das Bild der
traditionellen, heterosexuellen Familie im Kopf haben, steht außer Frage. Es
gilt jedoch zu bezweifeln, dass der Ausschluss von homosexuellen Paaren von der
Möglichkeit der Ehe die korrekteste Auslegung der Verfassung ist. Der Wortlaut
des Artikels 29 der italienischen Verfassung ist nämlich sehr weitschweifig und
allgemein gefasst, womit er sich besonders dazu eignen müsste, sich gemeinsam
mit der Gesellschaft weiterzuentwickeln: Es ist nämlich von der Familie als
„eine natürliche, auf die Ehe gegründete Gemeinschaft“ die Rede, wobei die Ehe
nicht weiter definiert ist, sondern nur die „moralische und rechtliche
Gleichstellung der Ehegatten“ festgelegt wird. Der Verfassungsgerichtshof schließt
jedoch, teilweise entgegen einem früheren Urteil (itVerfGH, Nr. 138/2010),
jegliche Hypothese einer evolutiven Auslegung aus.
Daher ließe sich daraus schließen, dass der
Verfassungsgerichtshof dieses Gesetz für nichtig erklären könnte, falls ein
einfaches Gesetz die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern vorsehen
sollte.
Der zweite Aspekt in der Argumentation des
Verfassungsgerichtshofes betrifft die Verhältnismäßigkeit und die
Interessensabwägung. Fest steht, dass das Gesetz Nr. 164/1982 (Bestimmungen zur
Richtigstellung der Geschlechtszugehörigkeit) den Art. 29 der italienischen
Verfassung nicht verletzt und dass es demnach laut Verfassung rechtmäßig ist,
die Zwangsscheidung im Falle der Geschlechtsumwandlung einer der Ehepartner
vorzusehen. Jedoch bleibt die Frage offen, ob eine Regelung angemessen ist, die
zur unmittelbaren Aufhebung der Ehe mit all ihren Nebenwirkungen verpflichtet,
insbesondere der vermögensrechtlichen Verhältnisse und der Pflicht zur
gegenseitigen Fürsorge. Das Gesetz verstößt gegen das Prinzip der
Verhältnismäßigkeit und findet kein angemessenes Gleichgewicht „zwischen dem
Interesse des Staates, am heterosexuellen Modell der Ehe festzuhalten,
einerseits, und den erworbenen Rechten der beiden Ehepartner während ihres
vorhergehenden Ehelebens andererseits“. Daher erklärt der
Verfassungsgerichtshof das Gesetze für verfassungswidrig, wo es nicht vorsieht,
„dass das Urteil zur Richtigstellung der Geschlechtszugehörigkeit von Seiten
eines Ehegatten, das die Auflösung der Ehe mit sich bringt, es den Ehepartnern
trotzdem ermögliche – sofern beide dies wünschen – eine gesetzlich geregelte
Beziehung in Form einer eingetragenen Partnerschaft aufrechtzuhalten, die die
Rechte und Pflichten des Paares schützt gemäß der Bestimmungen, die vom
Gesetzgeber noch festzulegen sind“.
Die Grenzen, die der Verfassungsgerichtshof bezüglich des
Rechts auf Achtung des Familienlebens gleichgeschlechtlicher Paare vorsieht,
sind somit eindeutig: Die Verfassung ermöglicht es nicht, das Recht auf
Eheschließung auf gleichgeschlechtliche Paare zu übertragen, sondern zwingt den
Gesetzgeber dazu, eine Regelung der Beziehungen zwischen diesen Paare
einzuführen, die sowohl für die seltenen Fälle der Zwangsscheidung wie im
vorliegenden Fall gilt als auch für die häufigeren Fälle von Paaren, die auf
eine gesetzliche Regelung zählen können sollen, gerade weil ihnen das Recht der
Eheschließung verwehrt bleibt.
Abschließend noch eine letzte interessante Anmerkung: Unter
anderem hat man sich in der Klage auch auf die EMRK berufen, insbesondere auf
die Art. 8 und 12 in der Auslegung von Seiten des Europäischen Gerichtshofes
für Menschenrechte (H. v. Finland, 2012; Schalk and Kopf v. Austria, 2010). In
Italien steht die Konvention über dem einfachen Gesetz und unter der
Verfassung. Für den Verfassungsgerichtshof ist der Verweis auf die europäische Gesetzgebung
in diesem Fall nicht einschlägig, um das Recht auf die homosexuelle Ehe geltend
zu machen, denn mangels eines Konsenses zwischen den verschiedenen europäischen
Staaten hinsichtlich der homosexuellen Lebenspartnerschaften gilt die Frage des
Ermessungsspielraums bei der Wahl eventueller Formen des Schutzes, die
angewandt werden können. Während die Berufungen auf die europäische
Rechtsprechung bei den Urteilen des Verfassungsgerichtshofes mittlerweile nicht
mehr selten sind, sind die ausdrücklichen Verweise auf Präzedenzfälle im
Ausland doch eher rar. In diesem Fall hingegen hat sich der
Verfassungsgerichtshof ausnahmsweise auf Präzedenzfälle in Deutschland (BVerfG,
1. Senat, Beschluss vom 27. Mai 2008, BvL 10/05) und in Österreich (VerfGH Urt.
17849/2006, vom 8. Juni) berufen, da sich die dortigen Verfassungsgerichtshöfe
mit nahezu identischen Fällen befasst hatten. Es ist kein Zufall, dass in
Deutschland und in Österreich spezifische Rechtsvorschriften für
gleichgeschlechtliche Paare gelten. Diese Verweise auf die Rechtsprechungen im
Rahmen der Urteilsfällung scheinen den italienischen Gesetzgeber nicht nur auf
die Lösung des Problems hinweisen zu wollen, sondern ebenso auf die
ausländischen Regelungen, aus denen er Inspiration schöpfen könnte.
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