Freitag, 2. September 2016

Akromegalie

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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2016
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Akromegalie
Diese Darstellung wurde von Frau Priv. Doz. Dr. Ursula Plöckinger, Charité, Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum erarbeitet. Sie ist bestimmt für Laien, kann aber in keinem Fall das Gespräch mit dem Arzt ersetzen. Nur dieser kann alle Einzelheiten des jeweils persönlichen Falles beurteilen, entsprechend weitere individuelle Aufklärung geben und gebotene diagnostische und ggf. therapeutische Maßnahmen einleiten. Die hier gegebenen Informationen entsprechen dem Wissensstand Mitte 2004. Neue Erkenntnisse können Teile hiervon oder die ganze Darstellung veraltet werden lassen.

Akromegalie entsteht durch einen (gutartigen) Tumor der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse), der vermehrt und unkontrolliert Wachstumshormon ausschüttet. Eine vermehrte Sekretion von Wachstumshormon (somatotropes Hormon [STH], oft auch englisch growth hormone [GH]) führt zum Krankheitsbild der Akromegalie. Kommt es bereits im Kindesalter hierzu, so entsteht ein Riesenwuchs (Gigantismus). Die Häufigkeit (Inzidenz) beträgt 3-4 Patienten/Mill/Jahr. Dies entspricht in Deutschland etwa 250-330 Neuerkrankungen/Jahr. Es leben etwa 3000-6000 Patienten in Deutschland mit dieser Erkrankung (Prävalenz). In der Regel vergehen ungefähr acht Jahre vom Auftreten erster Symptome bis zur Diagnose. Die körperlichen Veränderungen sind anfangs gering, da sich das charakteristische Krankheitsbild schleichend entwickelt, ohne sprunghafte Änderungen des Äußeren. Die Diagnose wird dann häufig zufällig gestellt, z.B. bei einem Arztwechsel. Dann liegt meist bereits das Vollbild der Akromegalie vor. Die Chancen einer Heilung sind dann - im Vergleich zu einer Diagnose im Frühstadium der Erkrankung - jedoch bereits deutlich geringer. In sehr seltenen Ausnahmefällen kann eine Akromegalie auch eine andere Ursache als einen Hypophysentumor haben (weniger als 1% der Patienten).

Klinisches Bild und Symptome

Die Akromegalie wird am häufigsten zwischen dem 3. und 5. Lebensjahrzehnt diagnostiziert. Die kräftig erscheinenden Patienten klagen über rasche Ermüdbarkeit, verringerte körperliche Belastbarkeit, Konzentrationsschwäche, vermehrte Schweißneigung, oft über Kopfschmerzen und gelegentlich über diffuse Gelenkbeschwerden. Die Veränderung der Haut - sie ist verdickt, zeigt deutliche Schweißneigung und vermehrte Talg-Sekretion (Seborrhöe) - wird häufig nicht als krankhaft wahrgenommen. Die charakteristisch warm-feuchte, leicht konsistenzvermehrte Hand des akromegalen Patienten ist verbreitert und plump. Veränderungen des Bindegewebes und der Knochen führen zu den spezifisch akromegalen Gesichtszügen mit ausgeprägten Stirnfalten, tiefen Falten um den Mund und dem häufig anzutreffenden Hervortreten der Lidwülste. Weitere Symptome können sein ein Carpaltunnel Syndrom (Missempfindungen in den ersten dreieinhalb Fingern der Hand durch Druck auf den Medianus-Nerven im Handgelenk), sowie Schnarchen und ein Schlafapnoe Syndrom (kurze Atemaussetzer während des Schlafes). Weitere typische Zeichen der Akromegalie sind ein Auseinandertreten der Zähne im Unterkiefer, Vergrößerung der Zunge und tiefe Stimme. Folgeerkrankungen sind oft Zuckerkrankheit, hoher Blutdruck und Gelenkveränderungen. Die Raumforderung in der Hypophyse kann zu Einschränkungen der Funktion des gesunden Teiles der Drüse führen (Menstruationsstörungen, Unterfunktion von Nebennieren oder Schilddrüse). Bei Ausdehnung des Tumors nach oben kommt es zur Beeinträchtigung der Sehnerven mit Tunnelsehen (Gesichtsfeld-Einschänkung) und ggf. Verlust des Sehvermögens.

Diagnostisches Vorgehen

Als Such-Test kann die Bestimmung des Insulin-like growth factor-I (IGF-I) herangezogen werden, der unter dem Einfluss des Wachstumshormons in der Leber gebildet wird und viele Wirkungen des Wachstumshormones vermittelt. Eine alters- und geschlechtsspezifisch normale IGF-I Konzentration schließt jedoch die Akromegalie nicht mit Sicherheit aus. Der "Goldstandard" in der Diagnostik ist der Zuckerbelastungstest. Die Gabe von Zucker (Glukose) führt bei Gesunden zur Hemmung der Wachstumshormon-Ausschüttung. Werden keine Wachstumshormon-Werte kleiner als 1µg/L erreicht, so ist die Diagnose gesichert. Dann muss auch die Funktion der übrigen Hirnanhangsdrüse überprüft werden (Hypophysenhormone, die für die Funktion von Eierstock/Hoden, der Nebenniere und der Schilddrüse wichtig sind). Ein Kernspintomogramm (MRT) muss den Tumor in der Hypophyse nachweisen und dessen Größe und seine Beziehung zu den umgebenden Strukturen bestimmen, besonders zur darüber liegenden Sehnerven-Kreuzung. Liegt ein Tumor vor, der über die Sella turcica (Türkensattel, die knöcherne Struktur an der Schädelbasis, in der die Hypophyse liegt) hinausgewachsen ist, so muss eine augenärztliche Untersuchung veranlasst werden.


Operative Therapie

Das Ziel der Therapie ist die Beseitigung des STH-Überschußes (STH kleiner als 1 µg/L im Zuckerbelastungstest, IGF-I normal) durch die vollständige Entfernung des Tumors. Dies soll möglichst unter Erhalt oder Wiederherstellung der übrigen Hypophysen-Funktionen geschehen (sog. selektive Adenomektomie). In der Regel wird hierzu ein transsphenoidaler Zugangsweg gewählt. Adenomektomie angestrebt (d.h. die Entfernung des Tumors über einen Zugang durch die Nase). Der Erfolg ist abhängig von der Größe des Tumors (und damit auch von der rechtzeitigen Diagnose) und der Erfahrung des Neurochirurgen. (Anhaltspunkt: mehr als 30 derartige Operationen/Jahr). In erfahrenen Händen ist das Komplikations-Risiko gering (unter 1-2%, Hirnhautentzündung, Abfluss von Gehirnwasser [Liquor]) und diese sind meist gut beherrschbar. Die Sterblichkeit liegt unter 0,5%. Bei Vorliegen eines Mikroadenoms (Tumordurchmesser kleiner als 1cm) liegen die Heilungsaussichten bei 80% und höher. Liegt jedoch ein Makroadenom vor (Tumordurchmesser größer als 1cm), so sinkt die Heilungsrate unter 50%, bei Vorliegen einer seitlichen Tumorausdehnung auf nur noch 35-45%.
Ist postoperativ das Therapieziel nicht erreicht, so stehen als Zweit-Therapie die medikamentöse Behandlung oder die Strahlentherapie zur Verfügung. Bei der medikamentösen Therapie kann nach einem Stufenschema vorgegangen werden:

Medikamentöse Therapie

Dopamin-Agonisten (DA) hemmen die STH-Ausschüttung bei rund 20%-50% der Patienten mit Akromegalie. Eine Normalisierung der STH Konzentration wird jedoch selten erreicht. DA müssen einschleichend verabreicht werden. Eine langsam ansteigende Dosierung erlaubt nach 6 Wochen die erste Erfolgskontrolle und verhindert nahezu vollständig Nebenwirkungen wie Übelkeit, Blutdruckabfall im Stehen (Orthostase), Müdigkeit und Konzentrationsschwäche. Neuere DA (Cabergolin, Quinagolid) sind möglicherweise etwas effektiver und Nebenwirkungs-ärmer als die DA der ersten Generation (wie Bromocriptin). Somatostatin Analoga (SSA) vermindern die STH-Konzentration bei 75% der Patienten um etwa 50%. Sie werden heute meist als lang-wirkende Präparate gegeben, die etwa alle 4 Wochen injiziert werden. Die Hälfte der Patienten erreicht das Therapieziel. Die klinische Besserung der Patienten ist oft ausgeprägter als die Senkung der STH oder IGF-I Konzentration. Der Therapieeffekt ist individuell nicht vorhersehbar. Empfohlen wird ein Therapieversuch für 3 Monate. Die Nebenwirkungen der Therapie, wie Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall, klingen in der Regel nach 3-5 Tagen ab. Während der Therapie ist die Kontrolle der Blutzuckerwerte und bei langjähriger Behandlung auch des Vitamins B12 erforderlich. Das Risiko einer Gallensteinbildung erfordert regelmäßige (alle 3 Monate) sonografische Untersuchungen.
Wachstumshormon Antagonist: Für Patienten, die mit SSA keine ausreichende Senkung der STH Konzentration erreichen, steht mit Pegvisomant ein neues therapeutisches Prinzip zur Verfügung. Dies ist ein Wachstumshormon-Antagonist, der die Wirkung des STH im Gewebe blockiert (ein sog. Rezeptor-Antagonist). 98% der Patienten erreichen eine normale IGF-I Konzentration. Die Erfahrungen mit dieser Therapie sind jedoch noch gering. Die Therapie kann möglicherweise mit einer Vergrößerung des Tumors einhergehen, eine entsprechende Überwachung (MRT) ist daher erforderlich. Auf einen Anstieg der Leberenzyme muss geachtet werden.

Strahlentherapie

Führen die genannten Maßnahmen nicht zum gewünschten Erfolg, oder kommt es zu erneutem Tumorwachstum, so ist die Strahlentherapie möglich. Sie senkt die Wachstumshormon-Konzentration um etwa 10% pro Jahr. Bei hoher Ausgangskonzentration sind die STH-Werte dann noch bis zu 10 Jahre und länger erhöht. Dieser Zeitraum muss mit einer zusätzlichen medikamentösen Therapie überbrückt werden. Wichtigste Nebenwirkung ist das Auftreten einer Unterfunktion der Hirnanhangsdrüse noch Jahre nach der Bestrahlung. Bestrahlungs-bedingte Zweittumore sind mit einer Wahrscheinlichkeit von 1-2% innerhalb von 10 Jahren nach Bestrahlung möglich. Auch Gefäßkomplikationen des Gehirns können möglicherweise eintreten.

Nachsorge

Alle Patienten mit einer Akromegalie müssen zeitlebens in ärztlicher Kontrolle bleiben. Leider sind Rezidive nach anfänglicher scheinbar vollständiger Heilung auch noch nach 10 und mehr Jahren beobachtet worden. Die Betreuung sollte in enger Kooperation von Hausarzt und einem Endokrinologen erfolgen.


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