Montag, 12. Juni 2017

Thailand: Die Transgender-Fabrik



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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2017
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Thailand: Die Transgender-Fabrik

Die schönsten Frauen in Thailand, so heißt es, sind meistens Männer. Ladyboys werden sie oft genannt. Frauen, die als Männer auf die Welt kamen. Wer meint, im falschen Körper geboren zu sein, für den gibt es in Bangkok ein breites Angebot: Hochglanz-Kliniken für zahlungskräftige Ausländer, in denen Transgender ein neues Leben mit neu angepaßtem Geschlecht beginnen können.Für die weniger betuchten Patienten – oft Einheimische – bieten kleine Hinterhof-OPs eine erschwingliche und nicht ganz ungefährliche Alternative.

Gross gewachsen, lange Haare, rote Lippen: Bildhübsch, verführerisch, betörend. Die schönsten Frauen in Thailand, so heisst es, sind meistens Männer. Und einmal im Jahr, im Badeort Pattaya, küren sie den Allerschönsten. "Ich bin so aufgeregt”, sagt Tongta, Teilnehmerin bei  Miss Tiffany, die eigentlich Lehrerin ist. "Aber ich werde mein bestes geben.” Willkommen bei Miss Tiffany – dem Schönheitswettbewerb für Ladyboys und Transgender: Frauen, die als Mann geboren wurden. Für viele die hier gleich über den Laufsteg spazieren, hat das neue Leben einst wenig glamourös begonnen – in einem Operationssaal.

Thailand als Transgender-Land

Auch Litmar del Rosario, vor 31 Jahren als Mann geboren, möchte endlich zur Frau werden. Oder einfach gesagt: der Penis soll ab. Sie stammt von den Philippinen und ist eigens für die OP nach Thailand gereist. "Ich weiss, die OP lässt sich nicht rückgängig machen. Das macht mir aber eher Freude. Endlich kann ich mich so zeigen wie ich bin. Es wird eine Befreiung."
Thailand-Transgender Land. Wer meint, im falschen Körper geboren zu sein, der kommt nach Bangkok: aus Japan, Russland, den USA, Europa. Eine OP im Kamol-Hospital kostet vielleicht 8.000 Euro. In Übersee sind es 50.000 oder mehr. In Thailand gibt es keine Wartelisten und keine doofen Fragen. Wer zahlt, wird operiert. Zwar auf eigenes Risiko. Aber doch von Ärzten, die meistens sehr erfahren sind und fingerfertig. "Das ist, wie wenn du aus einer Hose, ein Kleid machen willst, sagt der Chirurg Dr. Kamol. Wir versuchen möglichst viel zu retten. Was unbrauchbar ist, schneiden wir weg. Und dann machen wir etwas Neues daraus."


Das dritte Geschlecht

Aus Mann wird Frau – günstig, schnell und täuschend echt. Ein Orgasmus z.B. ist auch in Zukunft drin. Kinder kriegen dagegen leider nein. Litmar nimmt ihr halbes Leben schon weibliche Hormone. Sie hat sich Brüste machen lassen. Nun sollen die Ärzte zum ganz grossen Schnitt ansetzen. "Ich war schon mit 3 oder 4 Jahren anders als die anderen Jungs. Ich wollte keine Pistole, ich wollte eine Barbie. Ich wollte mich schminken. Da habe ich schon geahnt, dass ich anders bin."
Halb Mann, halb Frau. Bei Miss Tiffany beginnt die grosse Show. Zwar kämpfen Transgender auch in Thailand immer wieder um Anerkennung und um ihre Rechte. Manche rutschen ab in die Prostitution. Aber verstecken müssen sie sich nicht, die sogenannten Kathoey. Sie gelten als drittes Geschlecht. Wenn es gut geht, arbeiten sie in der Kosmetikbranche, als Model, als Schauspieler.

Geschlechtsumwandlung im Akkord

Als Mann geboren, zur Traumfrau gemacht. Bei fast allen Schönheiten hat auch er irgendwie Hand und Messer angelegt: Chef-Juror Dr. Thep Vejvisith. "Als Juror soll ich bewerten, welches Gesicht sieht wirklich weiblich aus. Dann die Figur: Zu dick, zu schlank, zu männlich. Schwer, die richtige Wahl zu treffen. Alle sehen ja umwerfend aus." Mit dem Charme einer Änderungsschneiderei: Grelles Licht, Patienten, dicht gedrängt auf Plastikstühlen. Hier praktiziert Dr. Thep, einer der erfolgreichsten Schönheitschirurgen Thailands. Seit bald 30 Jahren korrigiert er, was schiefgelaufen ist bei der Schöpfung – zu Discounterpreisen. Eine komplette Geschlechtsumwandlung kostet bei ihm nicht mal 2.000 Euro. 60.000 Brüste hat er in seiner Karriere schon implantiert. "In ganz Grossbritannien gibt es pro Jahr 9.000 solcher OPs. Ich allein hier mache halb soviele. 4.500. Zwei von mir reichen für ganz Grossbritannien. Die sagen, ich bin Supermann."
Vormittags Brüste. Nachmittags Penis und Vagina. Dr. Thep baut Menschen um im Akkord. Hier oben unterm Dach, wo die Schwestern gerade das OP Besteck säubern und dann alle zusammen zu Abendessen. Grünes Curry mit Hühnchen und Reis. Gleich daneben der Operationssaal. "Manche Patienten sagen, nee, das geht nicht. Hier habe ich schiss. Ich rate dann, gehen sie doch zu so einer teuren 5-Sterne Klinik. Aber vertun sie sich nicht: der Arzt macht die OP, nicht das hübsche Gebäude."

Wie neu geboren

Für Litmar del Rosario ist der grosse Tag gekommen. Im feinen Kamol-Hospital in Bangkok soll sie heute operiert werden. Sie hat schlecht geschlafen. Zu viele Gedanken schwirren ihr durch den Kopf. "Ich bin immer wieder aufgewacht. Aber das ist wohl normal kurz vor so einer OP." Als Mann geht Litmar in den OP-Saal. Als Frau soll sie ihn wieder verlassen. Dr. Kamol und seine Kollegen machen solche OPs jeden Tag. Dazu alles andere, was ein Mann begehrt, der zur Frau werden will: Wangenknochen schleifen, Nasen oder Schultern schmälern, Lippen aufspritzen, Brüste implantieren. Knapp vier Stunden dauert die Operation, die nicht nur den Körper, sondern alles im Leben von Litmar verändern soll. Dann ist alles überstanden. "Meine Schwester, mein Ehemann, die Pfleger hier, sie haben mir alle zu meinem Geburtstag gratuliert. Ich bin ja neu geboren. Wie ein Schmetterling. Eine Verwandlung."
Wer ist der schönste Schmetterling im ganzen Land? In Pattaya erreicht die Party ihren Höhepunkt.Thailands neue Miss Tiffany heisst Mo, eine Musikerin, die gerne auch mal Hardrock singt mit Männerstimme. Alle hier haben vor allem einen grossen Wunsch: Daß man sie so nimmt, wie sie sind. Als Frau als Mann, halb oder ganz. Egal. Einfach als Mensch.


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