Dienstag, 11. Juli 2017

Intersexuelle Kinder noch nicht umfassend geschützt /// Intersex children are not yet fully protected



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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2017
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Intersexuelle Kinder noch nicht umfassend geschützt

„Intersexuelle Kinder erleben bis zum heutigen Tag keinen staatlichen Schutz.“ Operationen zur Anpassung der Geschlechtsmerkmale ebenso wie das Fehlen einer umsetzbaren Regelung im Personenstandsrecht waren grundlegende Kritikpunkte des öffentlichen Expertengespräches in der Kinderkommission (Kiko) des Deutschen Bundestages am Mittwoch, 31. Mai 2017. Die Sitzung unter der Leitung von Beate Walter-Rosenheimer (Bündnis 90/ Die Grünen) war das dritte von vier Fachgesprächen zu Themen von queeren, lebischen, schwulen trans* und intergeschlechtlichen Jugendlichen. Im Fokus der aktuellen Expertenrunden standen Kinder und Jugendliche, die genetisch, anatomisch oder hormonell nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen sind. Sie werden als intergeschlechtlich oder intersexuell bezeichnet.

Großer Teil der Gesellschaft
Nach Schätzungen leben bis zu 1,7 Prozent der deutschen Bevölkerung als sogenannte Inter-Erwachsene oder -Jugendliche. Entgegen häufiger Darstellungen entspräche das einem großen Teil der Gesellschaft, sagte Maja Liebig von Amnesty International Deutschland.

Ein aktueller Bericht der Menschenrechtsorganisation zeigt, dass immer noch zahlreiche Kinder, die ohne ein binäres Geschlechtsmerkmal, also männlich oder weiblich, geboren werden, irreversiblen Operationen oder Hormontherapien unterzogen werden. Zwar gebe es in Deutschland Leitlinien, die sich auch an Forderungen der Europäischen Union und der Vereinten Nationen orientierten, diese würden aber nicht umgesetzt, so die Expertin.

„Geschlechtereintrag für alle Kinder verschieben“
Dem stimmte auch Dr. Petra Follmar-Otto, Leiterin der Abteilung Menschenrechte Inland/Europa des Deutschen Institutes für Menschenrechte zu. Neben dem Schutz vor aufschiebbaren Eingriffen forderte sie ebenso wie ihre Kolleginnen eine Reform des Personenstandsrechts (PSTG). Zwar regelt nach Artikel 22 Absatz 3 PSTG, seit 2013, dass wenn das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann, „so ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtsregister einzutragen“. Diese Änderung sei ein erster wichtiger Schritt, der oftmals jedoch nicht umgesetzt werde, so Follmar-Otto. „Statt eines Standardeintrages sollte man überlegen, den Geschlechtereintrag für alle Kinder zu verschieben.“

Darüber hinaus drang die Expertin ebenso wie ihre Kolleginnen auf die Einführung eines Verbots für Operationen an Inter-Kindern und -Jugendlichen. Studien zeigten, dass die Zahl von geschlechtsverändernden Eingriffen, in die die Kinder nicht einwilligen konnten, in den letzten Jahren gleichgeblieben sei. Darüber hinaus forderte sie einen Entschädigungsfonds für Betroffene, die in ihrer Jugend ungewollt einer Operation unterzogen wurden und unter den Folgen leiden.

Intervention gegen Genitaloperationen
„Einerseits herrscht eine große gesellschaftliche Offenheit für geschlechtliche Themen, aber andererseits ist das Thema Intersexualität kaum bekannt“, berichtet Ev Blaine von der Inter- und Transberatung Queer Leben. Das binäre Denken von männlich und weiblich in der Gesellschaft müsse durch Sprachvariationen und Rollenvorbilder von geoutet Intersexuellen verbessert werden. Auch „Fortbildungen für Fachpersonal und die Unterstützung von Eltern“ sei notwendig. „Entscheidungen, die stellvertretend für intersexuelle Kinder getroffen werden, haben Einfluss auf ihr ganzes Leben.“

Immer noch würden zahlreiche Kinder durch ungewollte Genetialoperationen physisch und psychisch beeinträchtigt, resümierte auch Lucie Veith vom Bundesverband intersexueller Menschen. Im Sinne der UN-Menschenrechtskonvention und einer Entschließung des Europäischen Parlaments gegen Genitalverstümmelung bei intersexuellen Menschen forderte sie eine rasche Intervention der Politik. (lau/01.06.2017)



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