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Geschrieben
und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2018
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diesen euren Verwandten, Freunde, Bekannten und Familie denn Information beugt
vor, einer Minderheit anzugehören!
Hey Du hast es und brauchst es,
deswegen Spende Blut, denn es fehlt in der ganzen Welt!
Ich habe Ihn, Du auch?
Organspenden können andere zum Leben verhelfen, sei stolz auf dich selbst mache
Ihn Dir den Organspende Ausweis!
Hey you have it and need it, so donating blood,
because it is missing in the world!
I
had him, you also? Organ donation can help others to life, be proud of your self
doing Him Get donor card!
Geschlecht eindeutig uneindeutig
Während ihrer Schwangerschaft glaubt Maria Reuter, eine Tochter zu
bekommen. Erst ein Ultraschall nach der Geburt zeigt, dass es mehr als ein
Mädchen ist. Eine aufregende Zeit beginnt.
Maria Reuter
hatte erwartet, ein Mädchen zu bekommen. "Es war eine ganz normale
Schwangerschaft. Wir hatten bei der Frühdiagnostik schon gesagt bekommen: 'Es
ist zu 99,9 Prozent ein Mädchen.' Der Arzt rühmte sich dafür, jemand zu sein,
der das schon sehr früh erkennen kann." Die Geburt verlief dramatisch, das
Kind hatte sich kurz vorher, nach einem Zahnarztbesuch der Mutter, gedreht. Als
die Füßchen zuerst kamen, wurde das Baby in den Mutterleib zurückgeschoben und
blitzschnell mit einem Kaiserschnitt entbunden. Maria Reuter, die eigentlich anders
heißt, aber die Geschichte ihres Kindes zu dessen Schutz unter einem anderen
Namen erzählen möchte, kann sich genau erinnern: "Unsere Hebamme hat es
uns dann gezeigt: 'Sehen Sie, da ist was ein bisschen anders, aber das kann
schon mal sein durch den Hormonschub.' Es hat mich noch nicht mal beeindruckt.
Das war mehr so wie: Sehen Sie, hier ist ein größerer Leberfleck. Wir haben uns
überhaupt keine Gedanken gemacht. Für uns war ganz klar, das ist ein
Mädchen." Als kurz darauf Marias Freundin in den Kreißsaal kam, die sie
auch bei der Geburt des ersten Kindes besucht hatte, weinte das Baby. "Sie
hat so ein schluchzendes Weinen gehabt. Da hab ich noch gesagt: Guck mal, so
weint ein Mädchen!", erzählt sie. Aber das stimmte nicht.
Was ist
denn jetzt?
Bis zur
Geburt ihres Kindes hatte Maria Reuter noch nie von Intersexualität gehört. Um
die frisch operierte Mutter zu schonen, hatte der Kinderarzt des
Provinzkrankenhauses, in dem sie entbunden hat, mit ihrem Ehemann gesprochen.
"Dann kam mein Mann zu mir und sagte, dass das gar nicht so klar ist, dass
es ein Mädchen ist. Der Arzt hatte ihm gesagt: 'Das Kind ist gesund, nicht
behindert, aber da ist irgendwas mit dem Geschlecht nicht in Ordnung.'"
Als mögliche Ursache hatte er von AGS gesprochen, dem Androgenitalen Syndrom,
das als häufigste Ursache für Intersexualität gilt. Etwa eins von 10.000
Kindern kommt mit dieser Hormonstörung zur Welt. "Mein Mann hat das noch
in der Nacht gegoogelt, darüber kamen wir erst auf Intersexualität",
erzählt Reuter. "Am nächsten Tag marschierten mindestens sechs Personen in
mein Zimmer. Da kam eine Garde in Weiß: Chefarzt, Facharzt, Oberärztin und das
ganze Krankengeschwisterpersonal. Die standen vor mir und der Chefarzt fragte:
'Wie geht es Ihnen denn?' Ich habe geantwortet: 'Ich würde sagen den Umständen
entsprechend gut. Aber ich würde doch gern wissen, ob mein Kind jetzt männlich
oder weiblich ist.' Ich fand das eigentlich eine ganz gute Gesprächseröffnung.
Daraufhin guckte er sich um, die anderen an, und dann verließen alle wortlos
das Zimmer. Der wusste das gar nicht! Man hatte vergessen, ihn zu informieren!"
Die Ärzte waren noch so sehr mit der schwierigen Geburt beschäftigt, dass die
Intersexualität des Kindes hintenan stand.
Um auf AGS
zu untersuchen, das mit Störungen im Salzhaushalt und Flüssigkeitsverlust
einhergeht und schnell behandelt werden muss, wurde das Kind auf die
Intensivstation eines Krankenhauses in der nächsten Großstadt verlegt, Maria
Reuter ging mit. Auch zu diesem Zeitpunkt sieht sie noch nicht klar. "Ich
habe immer gedacht, die werden jetzt einfach nur feststellen, dass da irgendwas
verwachsen ist und dann wird es schon wieder gut sein." Der Blick auf die
inneren Organe des Kindes zeigt jedoch etwas anderes: "Beim Ultraschall
war dann klar, dass da nicht einfach nur was verwachsen war. Da wurden auch im
Bauchraum ganz klar weibliche und männliche Teile gefunden", sagt die
Mutter. Viele intersexuelle Menschen tragen innerlich und äußerlich Merkmale
von Mann und Frau. So kann es zum Beispiel vorkommen, dass neben Eierstöcken
und Gebärmutter auch Hoden gefunden werden.
Endlich
Aufklärung
Am gleichen
Tag haben die Eltern das erste Gespräch. Mehr als zwei Stunden nehmen sich die
Chefärztin und der Oberarzt der Endokrinologie (Hormonforschung) sowie die
Chefärztin der Pädiatrie (Kinderheilkunde) Zeit. AGS wurde ausgeschlossen und
ein sogenanntes chromosomales Mosaik vermutet. Gleich zu Beginn formulierte
eine Ärztin, was den Eltern möglicherweise bevorsteht: "Letzten Endes ist
Ihr Kind nicht krank, es handelt sich eher um ein gesellschaftliches
Problem", zitiert Maria Reuter sie. "Und trotzdem stand stets die
Frage im Raum: Müssen wir operieren oder nicht? Also bei der Erkenntnis, dass
es sich eher um ein gesellschaftliches Problem handelt, ist das doch
erstaunlich!" Zwar sprachen die Ärzte auch von einem erhöhten Krebsrisiko,
aber vor allem ging es um die Frage: Kann man einem Kind zumuten, uneindeutig
in dieser Welt zu sein?
Maria Reuter
haben die gesellschaftlichen Aspekte zu diesem Zeitpunkt überfordert: "Wir
wussten nichts von Intersexualität bis dahin! Es war Stunde 48 nach der Geburt,
als wir zum ersten Mal davon gehört hatten." Ganz offen erzählt sie, wie
sie bei dem Gespräch versucht hat, sich ein Bild von ihrem Kind zu machen:
"Ich hab da auch viel dummes Zeug gefragt, mein Mann lacht sich darüber
heute noch tot. Ich habe etwa gefragt: 'Ist das dann wie bei Eunuchen?' Mir kam
alles in den Sinn, was ich mal an Besonderheiten gehört hatte."
Die Ärzte
haben sich bemüht, den Eltern unterschiedliche Wege aufzuzeigen. Klärten sie
auf über die medizinischen Unterschiede von biologischem Geschlecht,
Geschlechtsidentität, chromosomalem Geschlecht, über Phänotyp und Genotyp und
dass das eine nicht das andere bedingt. Aber wie sollte es weitergehen? Das
Krankenhaus war wie ein Schutzraum, zu dem nur Freunde und Familie Zutritt
hatten. "Eigentlich wollte ich, dass wir schon auf der Heimfahrt wissen,
was wir den Leuten sagen. Denn es konnte ja jeden Moment sein, dass wir
irgendwo jemandem begegnen." Maria Reuter hätte gern einen Plan gehabt,
was sie auf die Frage "Na, was ist es denn?" beim Blick eines
Nachbarn, Bekannten oder Fremden in den Kinderwagen sagen wird.
Was sagen wir den anderen?
Kurz nach der Geburt erfahren die Reuters, dass sie ein intersexuelles Kind
bekommen haben. Erste Fragen an die Ärzte sind kaum beantwortet, da folgen die
Entlassung aus der Klinik und der Alltag.
Wenn Sie zum
ersten Mal von der Familie Reuter lesen, also noch gar nicht wissen, dass die
Reuters gar nicht Reuter heißen, dann klicken Sie hier und
sehen, wie alles begann. Wenn Sie aber bereits auf die Fortsetzung der
Geschichte gewartet haben, wie Maria Reuter den Schritt aus dem Schutzraum Krankenhaus in
ihren Alltag geschafft hat, dann lesen Sie einfach weiter.
Es war rund
eine Woche nach der dramatischen Entbindung, Not-Kaiserschnitt wegen Fußlage
des Babys, Diagnose uneindeutiges Geschlecht, als Familie Reuter nach Hause fuhr
und sich fragte: Was sagen wir? Engste Freunde und die Familie waren
eingeweiht, dass statt des erwarteten Mädchens ein Kind mit nicht eindeutigem
Geschlecht zur Welt gekommen war. Im Krankenhaus hatte eine zwar mitfühlende,
aber letztlich sehr medizinische Aufklärung stattgefunden, bei der
die Eltern zum ersten Mal mit der Tragweite des Befundes konfrontiert worden
waren. Intersexuell, zwischengeschlechtlich, mehrdeutig: Das heiß ersehnte
Mädchen hatte mehr mit auf die Welt gebracht, als alles, wovon die Eltern
jemals gehört hatten.
Jetzt
nichts Falsches sagen
Nun war also
die Woche in der Klinik vorbei, die Begegnung mit dem Alltag stand an. Neben
Freunden und Familie würden Fragen von Menschen kommen, die einfach
im Vorbeigehen kurz in den Kinderwagen schauen und ein Baby angucken wollen.
Und garantiert nach dem Geschlecht fragen, wenn die Kleidung nicht rosa oder
hellblau ist. "Ich sehe uns noch hier ankommen und ich wollte, dass wir
wissen, ob wir jetzt Junge oder Mädchen sagen", erzählt Maria Reuter von
der Stunde ihrer Heimkehr. "Es ist uns niemand begegnet, wir konnten
unbemerkt durch das Treppenhaus nach oben gelangen, aber dann war klar: Das ist
jetzt das, was ansteht." Statt stolz das eigene Kind präsentieren zu
können, muss eine Strategie her. "Das war der absolute Tiefpunkt",
weiß Maria Reuter noch genau.
Die ersten
Tage nach der Heimkehr aus dem Krankenhaus werden zur emotionalen
Achterbahnfahrt. Das Dilemma mit der geschlechtlichen Uneindeutigkeit ist
überwältigend, die eheliche Kommunikationsfähigkeit steht auf dem Prüfstand.
Und ganz nebenbei sind das Baby und der große Bruder zu versorgen. Während
die Mutter dem Problem aus dem Weg gehen möchte und zunächst darauf drängt,
einfach zu sagen, es sei ein Mädchen, ist ihr Mann strikt dagegen. Irgendwann
wird den Eltern die gesamte Dimension bewusst: "Wir hatten das Gefühl, was
auch immer wir jetzt sagen, könnte falsch ausgelegt werden. Was machen wir,
wenn es dann hinterher doch anders ist?" Die Eltern erkennen, mit wie viel
Stigma ein Geschlechtswechsel behaftet ist: "Der Gedanke, dass das
Geschlecht sich ändern kann, ist in dem Moment unheimlich erschreckend. Man
denkt, da kommt man gleich in einen Topf mit Transvestiten und Transsexuellen
und fragt sich: 'Mit wem werde ich da in eine Schublade gesteckt?' Das sind
Leute, die bisher immer weit weg waren." Bald merken die beiden, dass dies
genau die Art Vorurteil ist, vor dem sie sich selbst fürchten: "Ach so,
die haben sich das auch nicht ausgedacht, um die Welt zu ärgern! Die wollen einfach
nur sie selber sein."
Die
Hamburger Psychotherapeutin Hertha Richter-Appelt, eine der führenden
Expertinnen zum Thema Intersexualität, erklärt die Verunsicherung betroffener
Eltern Kinder so: "Eltern haben Fantasien über ihre Kinder, das geht schon
vor der Geburt los. Die Tatsache, dass es ein Kind ist, bei dem man nicht weiß,
ob es ein Mädchen oder ein Junge ist, verunsichert erst mal. Man fragt sich, ob
dieses Kind Partner haben wird, wie es im Beruf zurechtkommt et cetera. Eine
sehr aufgeklärte Familie wird offen damit umgehen können, das erfordert jedoch
starke Persönlichkeiten. Es gibt auch Familien, wo die Eltern nicht wollen,
dass die Geschwistererfahren, was mit diesem Kind los ist. Auch heute
noch."
Kind ohne
Namen
Schließlich
wird dem Paar klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Das Versteckspiel muss
ein Ende haben, sie waren ja auch früher keine verschlossene Menschen gewesen.
Es hilft nur Ehrlichkeit. Für Maria Reuter kommt es zur ersten Begegnung mit
einem Fremden: "Es war ein Nachbar, der die Straße fegte. Ein älterer
Herr, den ich nicht besonders gut kannte, und er fragte gleich: 'Was ist es
denn?' Dann habe ich gesagt: 'Ich kann es Ihnen leider nicht sagen. Wir wüssten
es auch gerne, aber das Kind ist mit uneindeutigem Geschlecht geboren und es
werden noch weitere Tests gemacht.'" Nachdem es erst einmal raus war, ging
die Mutter immer beherzter vor. "Ich habe sehr früh angefangen, die Leute
zu ermutigen, und gesagt: 'Ich freue mich, dass Sie fragen!'" Und als eine
gewisse Routine eingesetzt hatte, folgte der nächste Schritt und sie sagte:
"Ihr könnt mich auch übermorgen wieder fragen, ob es schon was Neues
gibt!" Sie hätte sonst das Gefühl gehabt, dass weiterhin Unsicherheit im
Raum steht. Das Verrückte war: Kaum jemand fragte nach. "Sobald man das
Kind kennt, verliert die Frage zum Geschlecht offenbar an Relevanz",
schließt Maria Reuter heute daraus.
Natürlich
gibt es auch kuriose Erlebnisse wie dieses: "Wir hatten eine
Versicherungskarte, da stand drauf: Ohne Namen und dann der Nachname, also
'Ohne Namen Reuter', weil das Kind ja noch keinen Vornamen hatte. Mit dieser
Versichertenkarte ging ich damals in die Apotheke bei uns um die Ecke, um die
Augentropfen zu bekommen, die Babys am Anfang kriegen. Die Apothekerin guckt
darauf und lacht sich kaputt. Das ist ja auch total lustig! Ich fand es schön,
dass sie so natürlich reagiert hat. Am nächsten Tag kam ich zurück, um das
Medikament abzuholen, da war ihr das hochnotpeinlich, dass sie so gelacht
hatte! Sie war offenbar inzwischen aufgeklärt worden, was Sache ist. Ich
glaube, das ganze Viertel wusste längst Bescheid, als wir noch darüber
nachgedacht haben, 'Wem sagen wir was?'."
Auswahl
an geschlechtsneutralen Namen wächst
Die Reuters
beschließen, ihrem Kind einen weiblichen Vornamen sowie einen
geschlechtsneutralen Mittelnamen zu geben. Letzteres wäre heute nicht mehr
notwendig: "Das würde ich heute anders machen, denn der Rufname ist der
Rufname, das ist das, was das Kind gewohnt ist und den wechselt man nicht
einfach so. An seinem Namen hängt man ja, das bin ich, das ist ein Stück meiner
Identität. Heute würde ich dem Kind sofort einen androgynen Namen geben."
Sascha, Robin, Luca, Mika - die Auswahl an geschlechtsneutralen Namen nimmt zu.
Ein Vorname muss heute nicht mehr geschlechtsspezifisch sein, spätestens seit
2010 auch nicht mehr durch einen eindeutigen zweiten Vornamen ergänzt werden,
wie die Juristin Konstanze Plett von der Universität Bremen, die sich schon
lange mit Intersexualität beschäftigt, im Gespräch mit stern.de erklärt.
Das Kind der
Reuters geht inzwischen zur Schule und findet seinen Namen zum Glück prima. Was
Maria Reuter ihrem Kind antwortete, als es zum ersten Mal gefragt hat:
"Was bin ich denn jetzt?"
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