Sonntag, 26. August 2018

Die Unterscheidung in Homo und Hetero finde ich skandalös /// Schwule dürfen endlich in Dänemark Blut spenden

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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2018

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"Die Unterscheidung in Homo und Hetero finde ich skandalös"
Homosexuelle durften lange Zeit kein Blut spenden, weil sie wegen einer potenziellen HIV-Ansteckung als Risikogruppe galten. Im August 2017 wurde diese Regelung aufgehoben. Doch es gibt noch immer Einschränkungen: Um spenden zu können, müssen Schwule ein Jahr lang enthaltsam leben. Das empfinden viele als Diskriminierung.


Schwule dürfen endlich in Dänemark Blut spenden
Länder wie die USA haben immer noch lange Verbote

Dänemark hebt das Verbot schwuler Männer auf, Blut zu spenden.
Die dänische Gesundheitsministerin Ellen Trane Nørby enthüllte Pläne für ein modernisiertes Blutscreeningsystem. Schwule Männer können jetzt geben, wenn sie innerhalb von vier Monaten nach der Blutspende nicht mit einem anderen Mann geschlafen haben. Der Zeitraum ist jedoch ungültig, wenn die Person in einer Beziehung ist.
Das Gesetz wird voraussichtlich im Jahr 2019 eingeführt werden.
"Die Behörde [Patientensicherheit] hat ein Modell gefunden, von dem wir glauben, dass es sicher ist, und wir werden es daher in Dänemark einbeziehen", sagte der Gesundheitsminister der dänischen Nachrichtenseite DR Nyheder .
"Alle Sicherheitsmechanismen in unserem Blutspende-System basieren auf Vertrauen und wir haben einige sehr fortgeschrittene Tests, die das Blut untersuchen."
Schwule Männer stehen weltweit einem Blutspendeverbot gegenüber
Das Vereinigte Königreich lockerte das Verbot von Blutspenden für Männer , die sich im Juli 2017 von einem Jahr bis zu drei Monaten mit oralem oder analem Sex beschäftigt haben. Unterdessen sind Länder wie die USA unter Beschuss, weil sie Männer, die Sex mit Männern haben, jahrelang verbannt haben, obwohl Organisationen wie das Rote Kreuz unter Blutmangel leiden .
Lange Überweisungsfristen für schwule Männer wurden in letzter Zeit stark untersucht. Ursprünglich waren diese vorhanden, um eine HIV-Kontamination von Blut zu verhindern, aber moderne Screening-Technologien haben diese Ängste gelindert.
Im Januar dieses Jahres kündigte Israel an, dass es sein 12-monatiges Blutspendeverbot vollständig aufheben würde . Das Land entwickelte eine "doppelte Testmethode", bei der es bei der ersten Spende nach Infektionskrankheiten durchsucht werden sollte. Dann wurde es ein zweites Mal getestet, nachdem es für 4 Monate eingefroren wurde.
Meir Ben-Ari, ein Knesset-Gesetzgeber, sagte damals: "Das sind gute Nachrichten für die Gemeinschaft, denn das wird den Pool der Blutspenden erweitern und somit Leben retten."

Homosexuelle Männer dürfen Blut spenden - nach einem Jahr Enthaltsamkeit
Männer, die Sex mit Männern haben, waren bisher ein Leben lang von der Blutspende ausgeschlossen. Jetzt fällt dieses Verbot. Doch auch die neue Regelung wird kritisiert.

Homosexuelle Männer können künftig unter bestimmten Bedingungen Blut spenden. Die Bundesärztekammer (BÄK) überarbeitete die entsprechende Richtlinien zur Blutgewinnung und zur Verwendung von Blutprodukten.

Zwölf Monate nach Beendigung "sexuellen Risikoverhaltens" dürfen Schwule demnach künftig Blut spenden, weil dies "nicht zu einer Erhöhung des Risikos für die Empfänger von Blut und Blutprodukten führt".
Bisher waren nicht nur Männer, die Sex mit Männern haben, ein Leben lang von der Blutspende ausgeschlossen. Dies galt auch für männliche und weibliche Prostituierte sowie für Heterosexuelle mit sexuellem Risikoverhalten - also etwa häufig wechselnden Partnern. Hintergrund ist, dass diese Personengruppen ein höheres Risiko haben, sich mit Infektionskrankheiten wie etwa HIV und Hepatitis C anzustecken.

Aus dem lebenslangen Ausschluss von der Blutspende wurde nun ein auf ein Jahr begrenzter. Die Frist gilt für schwule Männer, Heterosexuelle mit häufigen Sexkontakten, Prostituierte sowie Transsexuelle mit "sexuellem Risikoverhalten". Denn nach Ansicht der Arbeitsgruppe, welche die Richtlinie überarbeitete, führt eine "Zulassung zur Blutspende zwölf Monate nach Beendigung des sexuellen Risikoverhaltens nicht zu einer Erhöhung des Risikos für die Empfänger".

Dauerhaft ausgeschlossen bleiben Menschen mit bestimmten Erkrankungen. Die Angaben zum Lebensstil werden wie bisher per Fragebogen erhoben.

Verbot der Diskriminierung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte 2015 die EU-Regelungen zum Blutspendeverbot für Homosexuelle präzisiert, auf denen auch die deutschen Regelungen beruhen. Wenn der Gesundheitsschutz von Blutspendenempfängern durch neue Nachweistechniken zu HIV oder Befragungen der Spender gesichert werden könne, seien generelle Verbote unzulässig, urteilte der EuGH und verwies auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung.
Der Deutschen Aidshilfe geht die neue Richtlinie nicht weit genug. "Eine HIV-Infektion kann man heute sechs Wochen nach dem letzten Risiko sicher ausschließen", sagte Vorstandsmitglied Björn Beck. Eine Frist von einem Jahr schließe hingegen die meisten schwulen und bisexuellen Männer weiterhin unnötig von der Blutspende aus.

"Faktisch ausgeschlossen"

Auch Axel Hochrein, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland, kritisierte die Richtlinie als "wissenschaftlich nicht haltbar". So werde nicht berücksichtigt, dass bei geschütztem Sex ein weitaus geringeres Übertragungsrisiko bestehe. Nicht zuletzt sei davon auszugehen, "dass ein gesunder homosexueller Mann niemals ein Jahr lang zölibatär leben kann und wird, um dann endlich Blut spenden zu dürfen".
Tatsächlich betonten die Experten in ihrer Stellungnahme, dass sexuell aktive Homosexuelle sowohl durch ein komplettes Verbot einer Blutspende als auch durch eine zeitlich befristete Rückstellung "faktisch von der Blutspende ausgeschlossen sind".

Kein Blut von Lesben?
Beate Müller (Name geändert) ist fassungslos. "Über zehnmal habe ich ohne Beanstandungen Blut gespendet, jetzt soll ich auf einmal gefährlich sein", sagt sie. Seit sich die 28jährige Kinderpflegerin vor vier Wochen beim Roten Kreuz in Bayreuth als Lesbe geoutet hat, ist sie Persona non grata. "Anfang Oktober habe ich dem Arzt dort beiläufig erzählt, daß ich seit neun Wochen mit einer Frau zusammenlebe. Daraufhin sagte er mir: ,Es freut mich, daß Sie so offen sind, aber ich kann Sie als Spenderin nicht mehr brauchen.`"

Robert Offner, stellvertretender Leiter des Blutspendeinstituts, bestätigt diesen Vorgang: "In unseren Richtlinien steht, daß Homosexuelle auszuschließen sind, weil sie zu den Aids-Risikogruppen gehören und unsichere Sexualpraktiken haben. Deshalb habe ich gehandelt. Wir haben genug andere Spender. Vor Jahren habe ich schon einmal eine Spenderin abgelehnt."

Beate Müller will sich damit nicht abfinden: "Zum einen werde ich mit Huren, Geschlechtskranken und Drogensüchtigen auf eine Stufe gestellt. In meinem Blutspendepaß steht jetzt der Stempel ,Als Spenderin nicht geeignet`. Obwohl mein Aids-Test negativ ist."

Hermann Schuster, Leiter der Aids-Beratungsstelle des Diakonischen Werks in Bayreuth, versteht die Ablehnung nicht. "Ich habe in meiner Praxis noch nie eine HIV-positive Lesbe erlebt. Sie spielen bei den Risikogruppen keine Rolle. Da ist wohl Übereifer im Spiel gewesen", erklärt er.

Anders kann sich auch der Nürnberger Rotkreuzmann Franz Weinauer die Entscheidung seiner oberfränkischen Kollegen nicht erklären: "Bei uns könnte diese Frau problemlos Blut spenden. Die Bestimmung, Homosexuelle auszuschließen, bezieht sich eindeutig auf Männer."

Die Bayreuther Ärzte bleiben vorerst bei ihrer Entscheidung. Franz Saller, dem Pressesprecher des Bayerischen Roten Kreuzes, ist der Fall sichtlich peinlich. Auf Anfrage hat er klargestellt: "Lesben dürfen in Bayern Blut spenden."

"Die Unterscheidung in Homo und Hetero finde ich skandalös"
Homosexuelle durften lange Zeit kein Blut spenden, weil sie wegen einer potenziellen HIV-Ansteckung als Risikogruppe galten. Im August 2017 wurde diese Regelung aufgehoben. Doch es gibt noch immer Einschränkungen: Um spenden zu können, müssen Schwule ein Jahr lang enthaltsam leben. Das empfinden viele als Diskriminierung.

Blutbeutel, Wattetupfer und eine beachtlich große Nadel – das Arbeitsgerät von Klaus Wenzel. Er ist Helfer in der Blutspende-Zentrale des Deutschen Roten Kreuzes in Köln. Vor einer großen Fensterfront stehen zehn Liegen, in der Mitte des Raumes eine große Theke, auf der Dutzende leere Blutbeutel auf ihren Einsatz warten.

15.000 Blutspenden werden in Deutschland jeden Tag gebraucht. Trotzdem darf nicht jeder Blut spenden. Ob man zugelassen wird, prüft ein Arzt mithilfe eines Fragebogens. Seit Mitte Oktober gibt es auf den Bögen des DRK neue Fragen, denn die Bundesärztekammer hat ihre Richtlinien zum Blutspenden geändert. Stephan Küpper vom DRK:

"Bei dem neuen Anamnesebogen wird bei homosexuellen Männern danach gefragt wann man das letzte Mal oder ob man überhaupt schon mal Sexualverkehr mit anderen Männern hatte und da ganz konkret wann zuletzt. Und da zielt man auf die Novelle der Richtlinie ab, das heißt, wenn man als homosexueller Mann Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann hatte und das in einem Zeitraum kürzer als zwölf Monate war, darf man kein Blut spenden."

Kritik aus Reihen der Verbände

Heißt: Schwule müssen ein Jahr auf Sex verzichten, um Blut spenden zu dürfen – für viele homosexuelle Männer ein Skandal. Kritik kommt zum Beispiel von der Deutschen Aidshilfe und dem Lesben- und Schwulenverband. Auch Martin Heinze vom Kölner Verein "Rubicon", in dem sich Schwule und Lesben organisieren, findet deutliche Worte:

"Die Menschen fühlen sich – ich sag's mal auf Deutsch – wirklich verarscht. Die haben das Gefühl, jetzt ist das so ein bisschen geöffnet worden, eben auch für Homosexuelle, die können jetzt Blut spenden. Aber die Unterscheidung in Homo und Hetero finde ich nach wie vor skandalös. Zwölf Monate enthaltsam leben. Da fragt man sich: Warum soll ich das unterstützen?"

Was Heinze ärgert: Bei Heterosexuellen wird im Fragebogen nur nach dem Sexualverhalten der vergangenen vier Monate gefragt. Sexuelle Kontakte, die länger zurück liegen, führen nicht zwangsläufig zu einem Ausschluss von der Blutspende. Warum also schaut man bei schwulen Männern ein Jahr zurück? Das liege an der Zahl der neuen HIV-Fälle, sagt Stephan Küpper vom Deutschen Roten Kreuz:
"Der Neuanteil der homosexuellen Männer liegen (sic!) bei 68 Prozent. Dann geht man von einer höheren Promiskuität aus. Also, dass sie auch in monogamer Beziehung häufiger wechselnde Partnerschaften haben."
Nur viermonatiger Ausschluss in England

Homosexuelle Männer sind also eine Risikogruppe. Und ein Risiko kann für jemanden, der zum Beispiel nach einer OP Blut braucht, lebensbedrohlich werden. Jede Blutspende wird deshalb im Labor getestet. Aber: Ist HIV im Blut erst nach einem Jahr sichtbar?

"Tatsächlich ist es so, dass nach abgelaufenen vier Monaten eine Ansteckung zu 100% nachweisbar sein müsste. Für uns ist es aber natürlich auch so, dass wir uns an diese Regelung halten müssen. Wir müssen die umsetzen. Es gibt Länder, da gibt es diese 12-Monats-Regel schon, wie Italien. Es gibt aber auch Länder, wie zum Beispiel England, wo nur ein viermonatiger Ausschluss gilt. Aus rein medizinischen Gründen würden die vier Monate eigentlich reichen."

Was bleibt, so der DRK-Sprecher, ist bei vielen eine Verunsicherung. So wundert es nicht, dass die Zahl schwuler Blutspender bislang verschwindend gering ist. In Nordrhein-Westfalen haben in den ersten drei Monaten gerade mal (Zahl folgt) homosexuelle Männer Blut gespendet. Unter den schwulen Männern, die zu Martin Heinze in die Beratungsstelle "Rubicon" kommen, wird das Thema nach wie vor diskutiert:
"Was sollen wir den Leuten raten? Wir können sagen: Ihr könnt Blut spenden, aber ihr dürft ein Jahr keinen Sex haben. Das halte ich für nicht realistisch. Oder ihr könnt spenden und lügt, das finden wir nicht richtig. Deshalb würde ich eher abraten, Blut zu spenden. Das finde ich sehr schade, weil ich glaube, das Blut wird gebraucht und weil ich es grundsätzlich sehr gut finde, wenn Menschen Blut spenden."

Dass Blut gebraucht wird, weiß auch Helfer Klaus Wenzel aus der Kölner Blutspende-Zentrale so. Bis er aber ganz selbstverständlich Homo- und Heterosexuellen die Nadel in den Arm piekst, wird es noch dauern.











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