Erst Frau, dann Mann, jetzt wieder Frau
Eli outete sich mit 19 als trans Mann und ließ sich die Brüste entfernen. Zehn Jahre später lebt sie wieder als Frau. Ihre Transition bereut sie nicht – im Gegenteil.
Für viele transidente Menschen ist die Geschlechtsangleichung ein Schritt in Richtung Normalität. Manche stellen aber fest: Das war die falsche Entscheidung. Für beide Gruppen gilt: Oft fehlt es an psychologischer und medizinischer Beratung.
Es ist halt schwierig, damit aufzuwachsen, wenn man die ganze Zeit hört – das hatte ich ja nicht von meiner Familie gehört, sondern von anderen – wenn du dich so und so verhältst, dann bist du doch keine richtige Frau, du bist ein Mannsweib, du hässliche Lesbe oder irgendetwas so in die Richtung.“
Sarah (Name geändert) wächst in einem Dorf in Bayern auf. Sie gilt als eher burschikoses Mädchen. Wie Mädchen und Jungen zu sein haben, davon haben die Menschen um sie herum eine sehr enge Vorstellung, und Sarah passt dort nicht hinein. Als 21-Jährige beginnt sie eine Hormontherapie mit Testosteron und lässt sich ihre weibliche Brust entfernen. Insgesamt fünf Jahre lebt Sarah während Fachabitur und Studium offiziell mit einer männlichen Identität. Mittlerweile sagt Sarah, sie habe keine Geschlechtsidentität. Sie sei biologisch eben eine Frau.
Das ist die Geschichte von Sarahs Detransition – von ihrer Entscheidung, den Prozess der Geschlechtsangleichung rückgängig zu machen. Es ist auch die Geschichte über eine aufgeladene Debatte, deren wissenschaftliche Grundlagen noch zu wenig erforscht sind.
„Mit 19, 20 bin ich auf die Idee von der Transition gekommen. Da habe ich eine Bekannte aus Ungarn getroffen. Sie meinte, dass sie ein Transmann ist. Sie oder er hat mir halt ihre oder seine ganze Geschichte erzählt. Und was ich so in Bayern erlebt habe, klang für mich total gleich. Ich hab mich total damit identifiziert und womöglich dachte ich, dass das bei mir auch so ist. Wobei ich mir da jetzt auch nicht hundertprozentig sicher war.“
Selbsthilfe statt Therapie
Nach dieser Begegnung mit ihrer Bekannten beginnt Sarah sich eine Frage zu stellen: Passt mein biologisches Geschlecht zu meinem Selbstbild? Als sie 2012 nach Berlin zieht, geht sie erste Schritte in Richtung einer transmännlichen Identität.
„In Berlin bin ich dann in so eine Selbsthilfegruppe für Transmänner gegangen und hab gleichzeitig immer nach einem Therapieplatz gesucht.“
Eine schwierige Suche – für Sarah genauso wie für viele Menschen mit ähnlichen Fragen: Es gibt kaum freie Therapieplätze, und wenn, dann mit langen Wartezeiten. Und nur wenige Psychotherapeut*innen kennen sich mit dem Thema Geschlechtsidentität aus.
„Ich hatte immer Therapeuten gefunden, die bereits im Vorgespräch gesagt haben, dass sie diesen Zettel nicht ausstellen wollen. Irgendwann war ich dann so genervt, dass ich gesagt habe: Okay, mach ich halt bei so einer Person Therapie.“
„Dieser Zettel“ – das ist die ärztliche Indikation für weitere Behandlungen. Wer in Deutschland eine Hormontherapie mit Testosteron oder Östrogen in Anspruch nehmen will, muss zuvor eine sogenannte Geschlechtsdysphorie attestiert bekommen. So wird das Unbehagen oder Leiden genannt, das aus einer dauerhaften Diskrepanz zwischen dem eigenen Geschlechtsidentitätserleben und dem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht resultiert.
Eine aufgeladene Debatte
Geschlechtstransition und Detransition: Das Thema ist aufgeladen. Transmenschen – und überhaupt all jene, die nicht einem binären Mann-Frau-Schema entsprechen – werden häufig diskriminiert und sind Gewalt ausgesetzt. Geschichten von Detransitionierer*innen laufen daher schnell Gefahr, benutzt zu werden: um Transidentitäten insgesamt infrage zu stellen. Fordern einige Detransitionierer*innen etwa aufgrund ihrer Erfahrungen mehr Zurückhaltung bei geschlechtsangleichenden Behandlungen, sieht die Trans-Community dadurch hart erkämpfte Rechte in Gefahr. Aber um wie viele Menschen geht es überhaupt?
„Transgender-Diagnosen nehmen zu – mit teils bedenklichen Folgen.“ (NZZ, November 2020)
Wir erleben einen regelrechten Hype.“ (Tagespost, August 2019)
„Wir wissen nicht, was wir anrichten.“ (Emma, Dezember 2020)
So aufgeregt die Debatte in den Medien geführt wird, so dünn ist die Datenlage – und das gilt gleichermaßen für Trans-Personen wie für diejenigen, die detransitionieren. Offizielle Zahlen gibt es in Deutschland nicht. Studien und Umfragen zufolge identifizieren sich etwa 0,5 bis 1,3 Prozent der Bevölkerung als transgender.
Wie groß dabei der Anteil derer ist, die diese Selbsteinschätzung später ändern, ist unbekannt. Nach allem, was bekannt ist, ist ihre Zahl eher klein. Für sichere Aussagen bräuchte es aber eine bessere Datenlage, sagt Annette Richter-Unruh, Hormonexpertin in einem Fachzentrum für Jugendliche mit Geschlechtsdysphorie an der Universitätsklinik Bochum: „Wie ist es mit den Desisters und den Persisters? Also wer ist sehr zufrieden nach zehn, 20 Jahren und wer ist es nicht? Und ich glaube auch, dass die persönliche Zufriedenheit ein ganz, ganz wichtiges Moment ist.“
Dass Zahlen fehlen, ist auch eine Frage der Definition: Wer gilt überhaupt als trans, wer als detrans? Längst nicht alle Menschen, die eine Geschlechtsdysphorie attestiert bekommen, entschließen sich später zu einer Hormontherapie oder einer geschlechtsangleichenden Operation. Und nicht bei allen bleibt die Geschlechtsdysphorie bestehen.
Eine 2021 veröffentlichte Studie der Universität von Toronto legt nahe, dass rund zwölf Prozent der Jungen mit Geschlechtsdysphorie im Erwachsenenalter mit einer weiblichen Identität leben. Aber: Wie aussagekräftig sind diese ab 1975 erhobenen Zahlen heute noch – unter ganz anderen therapeutischen Bedingungen?
Das ist unklar, schreiben die Autor*innen. In einer Statistik auftauchen wird jedenfalls nur, wer eine medizinische oder psychologische Behandlung in Anspruch nimmt oder seinen Namen und Personenstand ändert. Deshalb wünscht sich auch Julia Monro von der Deutschen Gesellschaft für trans und inter (dgti) dringend mehr Informationen.
„Das wäre wirklich mal ganz gut. Wann in welchem Stadium welche Schritte gegangen werden, und da spielt natürlich dann auch der Abbruch der Hormoneinnahme eine Rolle. Dass man das alles einmal richtig statistisch erfasst, dass man da repräsentative Zahlen hat, mit denen man arbeiten kann. Das würde ich mir sehr wünschen, dass man das so ein bisschen forciert.“
Prekäre Gesundheitsversorgung für Transpersonen
Wie viele Menschen beginnen eine medizinische Transition? Wie viele bleiben dabei und wer bricht die Behandlung ab? Welche Gründe es für eine Detransition gibt – und ob Betroffene darunter dann tatsächlich leiden: Diese Fragen lassen sich nur individuell beantworten. Klar wird bei einem genaueren Blick aber: Dass wir bislang oft nur individuelle Geschichten kennen und die Datenlage schlecht ist, wirkt sich auf die Gesundheitsversorgung von Detransitionierer*innen wie Transmenschen aus. Die ist nach wie vor prekär.
Sarah steht also mit 21 vor der Frage: Wenn die Therapeut*innen einen Behandlungsschein von vornherein ausschließen, was dann? Schließlich erfährt sie über Bekannte von einem Arzt, der Testosteron auch ohne medizinische Indikation verschreibt.
„Dann bin ich auch recht schnell zu diesem Arzt gegangen. Es war ein Gynäkologe, und dort habe ich Testosteron verschrieben gekriegt. Ich weiß gar nicht, ob ich dafür überhaupt irgendwas unterschrieben habe, wegen Risiken oder so was. Davor wurde auf jeden Fall ein Bluttest gemacht, und ich habe das Testosteron nicht direkt gekriegt, sondern es wurde erst einmal ein Blutbild gemacht.“
Sarah nimmt die Hormone, spürt, wie sich ihr Körper verändert und die Stimme tiefer wird. Über mögliche Nebenwirkungen wird sie von ihrem Arzt nicht aufgeklärt. Aber auch einen Therapieplatz findet sie nicht, der ihr erlauben würde, von Spezialist*innen behandelt zu werden.
Ganz ähnlich läuft es zwei Jahre später, als Sarah eine Mastektomie vornehmen lassen will. Die Entfernung ihrer weiblichen Brust ist für die damals 23-Jährige der nächste Schritt.
„Wir wissen nicht, was wir anrichten.“ (Emma, Dezember 2020)
So aufgeregt die Debatte in den Medien geführt wird, so dünn ist die Datenlage – und das gilt gleichermaßen für Trans-Personen wie für diejenigen, die detransitionieren. Offizielle Zahlen gibt es in Deutschland nicht. Studien und Umfragen zufolge identifizieren sich etwa 0,5 bis 1,3 Prozent der Bevölkerung als transgender.
Wie groß dabei der Anteil derer ist, die diese Selbsteinschätzung später ändern, ist unbekannt. Nach allem, was bekannt ist, ist ihre Zahl eher klein. Für sichere Aussagen bräuchte es aber eine bessere Datenlage, sagt Annette Richter-Unruh, Hormonexpertin in einem Fachzentrum für Jugendliche mit Geschlechtsdysphorie an der Universitätsklinik Bochum: „Wie ist es mit den Desisters und den Persisters? Also wer ist sehr zufrieden nach zehn, 20 Jahren und wer ist es nicht? Und ich glaube auch, dass die persönliche Zufriedenheit ein ganz, ganz wichtiges Moment ist.“
Dass Zahlen fehlen, ist auch eine Frage der Definition: Wer gilt überhaupt als trans, wer als detrans? Längst nicht alle Menschen, die eine Geschlechtsdysphorie attestiert bekommen, entschließen sich später zu einer Hormontherapie oder einer geschlechtsangleichenden Operation. Und nicht bei allen bleibt die Geschlechtsdysphorie bestehen.
Eine 2021 veröffentlichte Studie der Universität von Toronto legt nahe, dass rund zwölf Prozent der Jungen mit Geschlechtsdysphorie im Erwachsenenalter mit einer weiblichen Identität leben. Aber: Wie aussagekräftig sind diese ab 1975 erhobenen Zahlen heute noch – unter ganz anderen therapeutischen Bedingungen?
Das ist unklar, schreiben die Autor*innen. In einer Statistik auftauchen wird jedenfalls nur, wer eine medizinische oder psychologische Behandlung in Anspruch nimmt oder seinen Namen und Personenstand ändert. Deshalb wünscht sich auch Julia Monro von der Deutschen Gesellschaft für trans und inter (dgti) dringend mehr Informationen.
„Das wäre wirklich mal ganz gut. Wann in welchem Stadium welche Schritte gegangen werden, und da spielt natürlich dann auch der Abbruch der Hormoneinnahme eine Rolle. Dass man das alles einmal richtig statistisch erfasst, dass man da repräsentative Zahlen hat, mit denen man arbeiten kann. Das würde ich mir sehr wünschen, dass man das so ein bisschen forciert.“
Prekäre Gesundheitsversorgung für Transpersonen
Wie viele Menschen beginnen eine medizinische Transition? Wie viele bleiben dabei und wer bricht die Behandlung ab? Welche Gründe es für eine Detransition gibt – und ob Betroffene darunter dann tatsächlich leiden: Diese Fragen lassen sich nur individuell beantworten. Klar wird bei einem genaueren Blick aber: Dass wir bislang oft nur individuelle Geschichten kennen und die Datenlage schlecht ist, wirkt sich auf die Gesundheitsversorgung von Detransitionierer*innen wie Transmenschen aus. Die ist nach wie vor prekär.
Sarah steht also mit 21 vor der Frage: Wenn die Therapeut*innen einen Behandlungsschein von vornherein ausschließen, was dann? Schließlich erfährt sie über Bekannte von einem Arzt, der Testosteron auch ohne medizinische Indikation verschreibt.
„Dann bin ich auch recht schnell zu diesem Arzt gegangen. Es war ein Gynäkologe, und dort habe ich Testosteron verschrieben gekriegt. Ich weiß gar nicht, ob ich dafür überhaupt irgendwas unterschrieben habe, wegen Risiken oder so was. Davor wurde auf jeden Fall ein Bluttest gemacht, und ich habe das Testosteron nicht direkt gekriegt, sondern es wurde erst einmal ein Blutbild gemacht.“
Sarah nimmt die Hormone, spürt, wie sich ihr Körper verändert und die Stimme tiefer wird. Über mögliche Nebenwirkungen wird sie von ihrem Arzt nicht aufgeklärt. Aber auch einen Therapieplatz findet sie nicht, der ihr erlauben würde, von Spezialist*innen behandelt zu werden.
Ganz ähnlich läuft es zwei Jahre später, als Sarah eine Mastektomie vornehmen lassen will. Die Entfernung ihrer weiblichen Brust ist für die damals 23-Jährige der nächste Schritt.
Auf diesem Weg fühlt sie sich von ihrer Selbsthilfegruppe bestärkt.
„Ich habe zwei Jahre lang Testosteron genommen und war eben der Meinung, dass noch eine Mastektomie ganz sinnvoll wäre, weil mir die ganze Zeit erzählt wurde, dass es besser ist, wenn man eine Mastektomie hat, weil man dann ein besseres Passing hat.“
Operation ohne informierte Zustimmung
Passing, das heißt in Sarahs Fall, in der Öffentlichkeit als Mann wahrgenommen zu werden. Für einen Teil der Transmenschen ist das ein wichtiges Kriterium für eine erfolgreiche Transition. Doch wie eine Klinik finden, die ohne psychotherapeutische Diagnose operiert?
„Irgendwann war ich so genervt, dass ich mir gedacht habe, ich bezahle jetzt die Mastektomie einfach. Und dann war ich deutschlandweit auf der Suche: Wo kann ich denn Mastektomie bekommen? Und welche Operateure machen es überhaupt, wenn man selbst bezahlt und nicht diese vorgeschriebenen Fristen von den Krankenkassen und keine Krankenkassenzusage hat?“
Sarah findet schließlich eine Klinik bei Hamburg, in der sie operiert wird, ohne Vorgespräch über die Operationsmethode, ohne Aufklärung über die Risiken einer Operation.
„Per Post habe ich einen Zettel gekriegt, ich hätte ein Vorberatungsgespräch gehabt. Was aber gar nicht gestimmt hat. Ich war davor nie in diesem Krankenhaus.“
Eine fachkundige Gesundheitsversorgung ist nur wenigen Betroffenen zugänglich – das gilt für Detransitionierer*innen wie für Transmenschen. Oft wirkt es in dieser Debatte so, als gäbe es nur zwei Extrempositionen: Transmenschen, die unbedingt alle Behandlungen so schnell es geht durchführen lassen wollen, und Detransitionierer*innen, die alle Eingriffe zutiefst bereuen.
Tatsächlich aber ähneln sich die medizinischen Bedürfnisse aller Betroffenen – an erster Stelle der Wunsch nach psychotherapeutischer Unterstützung bei Fragen wie: Welches Verhältnis habe ich zu meinem biologischen Geschlecht? Wie gehe ich mit psychischen Problemen um, die wegen oder neben meiner Geschlechtsdysphorie bestehen? In welcher Rolle möchte ich künftig leben? Dazu kommt die ärztliche Begleitung vor, während und nach Hormontherapien und Operationen.
Dass Sarah vor der Operation keine umfangreiche Aufklärung erhalten hat, verletzt zudem die Empfehlungen der World Professional Association for Transgender Health (WPATH). Dort heißt es: „Diese Diskussionen sind der Kern des Prozesses der informierten Zustimmung, die sowohl eine ethische als auch rechtliche Voraussetzung jeglicher chirurgischen Intervention darstellt.“
Kaum Aufklärung über Risiken
Wie alle Operationen bergen auch geschlechtsangleichende Eingriffe Risiken. Bei feminisierenden Genitaloperationen wird beispielsweise der Harntrakt verkürzt. Häufige Blasenentzündungen und sogar eine Beeinträchtigung der Blasenfunktion können die Folge sein. Und auch über die Nebenwirkungen einer Hormontherapie muss vor Beginn Klarheit herrschen, sagt Annette Richter-Unruh.
„Man muss auch sagen, dass die Hormone negative Auswirkungen auf den Körper haben. Sie müssen ja dann auch Ultraschalluntersuchung mal machen, von der Leber, die Blutwerte kontrollieren, gucken, unter dem Testosteron, dass das Blut nicht zu dick wird. Wenn man seinem Körper Hormone gibt, die er eigentlich nicht selber produziert, ist es natürlich schon schön, wenn man das auch kontrolliert, dass es keine Folgeerkrankungen gibt.“
„Ich habe eine vaginale Atrophie, Scheidenatrophie entwickelt. Es ist quasi wie eine Frau in den Wechseljahren, wenn das Gewebe immer dünner und zerbrechlicher wird“, erzählt Laura. „Und später, nachdem ich schon kein Testosteron mehr genommen habe, bin ich dann mit einer Blasensenkung diagnostiziert. Mein Beckenboden ist quasi kaputt. Und ich bin mir sicher, und auch meine Frauenärztin hat gesagt, dass die Hauptursache diese Testosteronbehandlung war.“
Laura hat mit 18 Jahren eine maskulinisierende Hormontherapie begonnen. Auch nach ihrer Detransition stellt sie an sich selbst massive Nebenwirkungen fest. Die 37-Jährige, die in den USA aufgewachsen ist und seit einigen Jahren in Österreich lebt, leidet unter den körperlichen Folgen, fühlt sich von ihren Ärzt*innen schlecht aufgeklärt.
Zweimal lässt sie sich an der Brust operieren, beide Male bleiben Schmerzen und tiefe Narben. Doch erst, als sie einige Zeit später das Testosteron absetzt, stellt sie fest: Ihre größte Sorge sind nicht die Schmerzen.
„Jetzt, im Rückblick, kann ich nur glücklich sein, dass ich nicht früher anfangen durfte. Wenn ich früher angefangen hätte, wäre ich wahrscheinlich ungewollt kinderlos, weil: Wenn ich eine Behandlung früher anfangen hätte, dann hätte ich wahrscheinlich meine Fruchtbarkeit verloren.“
Wenig Wissen über Nebenwirkungen
Tatsächlich kann eine gegengeschlechtliche Hormonbehandlung die Fruchtbarkeit, nicht nur bei biologischen Frauen, beeinträchtigen. Das Ausmaß allerdings, schreibt die World Professional Association for Transgender Health, sei bislang unbekannt. Aus Sicht von Annette Richter-Unruh besteht keine grundsätzliche Gefahr.
„Die Eierstöcke werden nicht arbeiten, weil die nicht stimuliert werden, weil sie keine Botenstoffe für die Eierstöcke haben. Wenn sie das alles absetzen, würde ich mal davon ausgehen, wenn sie jetzt nicht gerade über 40 sind, dass die Eierstockfunktion normal wieder in Gang kommt. Also eine Testosteronbehandlung, jetzt sage ich mal über fünf oder acht Jahre, wird die Eierstöcke nicht zerstören.“
Dennoch rät die WPATH dringend dazu, vor Beginn einer Behandlung den eigenen Kinderwunsch zu klären und für den Fall der Fälle Samen- oder Eizellen einfrieren zu lassen.
Im Zweifel allein
Bei Sarah zeigt sich, welche Auswirkungen es haben kann, wenn Aufklärung und Begleitung fehlen. Silvester 2016 wacht sie nach ihrer Brust-OP auf – mit heftigen Schmerzen und großen Zweifeln an ihrer Entscheidung.
„Ich hab halt direkt nach der Operation gemerkt, das war das komplett Falsche für mich. Das war halt so ein Nervenschmerz. Ich glaube, dass da so ein bisschen größerer Nerv durchtrennt wurde.“
Mit diesen Schmerzen hatte Sarah nicht gerechnet. Von anderen Transmännern weiß sie, dass sich bei vielen direkt nach der Mastektomie ein Gefühl großer Erleichterung einstellt, das etwa ein halbes Jahr anhält.
„Und dass es dann eben erst abflaut, dass man sich dann Sorgen macht und so weiter. Bei mir war das tatsächlich direkt nach der Operation, weil ich einfach starke Schmerzen hatte. Und dann hab ich halt irgendwie in der Nacht auch noch so herumgezappelt, dass ich noch eine Nachblutung hatte. Die musste dann auch noch einmal operativ behandelt werden.“
Die Schmerzen hat Sarah auch heute noch, fünf Jahre nach der Operation. Die Klinik, in der sie operiert wurde, fühlt sich für die Nachsorge nicht zuständig und verweist Sarah an ihren Hausarzt. Enttäuscht ist sie aber auch von der Reaktion ihres Umfelds.
Ich bin eben dann zu diesem Transmänner-Stammtisch hingegangen, habe dann die ganze Zeit von den Schmerzen erzählt. Und dann sind plötzlich Leute hervorgekommen und meinten, sie haben auch Dauerschmerzen, die davor nie davon erzählt haben. Und das fand ich irgendwie brenzlig. Mich hat es einfach gewundert, dass die davor nicht davon gesprochen haben. Da hatte ich dann einfach irgendwie die Sympathie für die Leute verloren, so ungefähr.
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